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Probleme beim Schreiben verarbeiten

Begonnen von kathy, 20. Januar 2018, 16:03:55

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kathy

Hey,
ich habe mal eine Frage an euch, weil es mich interessiert, wie ihr mit manchen Themen umgeht.

Einige bekannte Autoren, die auch sehr erfolgreiche Bücher veröffentlicht haben, wie beispielsweise den Steppenwolf, haben ja in diesen Büchern ihre eigenen Probleme verarbeitet.
Wie ist das bei euch, verarbeitet ihr eure eigenen Probleme in der Story oder in Charakteren eures Buches?

Viele Grüße und ein schönes Wochenende  :),
Kathy

Angela

Ich lasse kurze Passagen einfließen, schräge Gespräche, seltsame Erlebnisse, aber ich schreibe nichts, was ernsthaft mit meinem Leben zu tun hat.

Trippelschritt

Nein, zur Selbsttherapie benutze ich meine Geschichten nicht.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Denamio

#3
Indirekt und unbewusst. In einer meiner Geschichten wird ein ungewünschter Teenager abgeschoben und landet bei einer Zauberhexe, die vor lauter Starrsinn und kurzer Zündschnur kaum mit Leuten zurechtkommt. Nach viel hin und her und dem großen Showdown mit dem Fiesling, kommt dann der Epilog. Sie hilft ihm dabei seine Eltern zu konfrontieren. Alles deutet darauf hin, dass sie die Eltern verprügeln wird - aber er hält sie zurück und rechnet verbal mit ihnen ab und erkennt, dass er keine Schuld daran hat, dass seine Eltern ihn nicht mochten.

Als die Szene fertig war, da war ein komisches Gefühl in der Magengrube und es fühlte sich gut und richtig an. Erst als meine Freundin drüberlas und das ansprach, realisierte ich wie sehr das eigentlich eine Abrechnung mit MEINEN Eltern war.

Will heißen: Bewusst würde ich es nicht machen, aber unbewusst schiebt es sich an den richtigen Stellen von alleine in die Geschichten. Geholfen hat es schon, weil diese Aussprache nie kam und nie kommen wird. Es war quasi ein Aufstellen von Pappfiguren die ich umwerfen konnte. Probleme hingegen gelöst - nee, das hat es nicht. Es war nur ein Schritt von vielen.

Guddy

Nein. Ich fokussiere mich da auf die Probleme Anderer. Meine eigenen Probleme ignoriere ich eh meistens.

Waldhex

Also ich würde jetzt auch sagen, dass meine Bücher keine autobiographischen Züge haben. Unbewusst kann da natürlich schon mal was einfließen.
Allerdings hat mein Lektor (also mein Ehemann) bei meinem im März erscheinenden Kurzroman sich schon sehr stark in den Hauptcharakter einfühlen können und ein paar Szenen ergänzt; auch nicht wirklich autobiographisch, aber wie gesagt, er hat sich schon sehr stark angesprochen gefühlt. Ich finde, dass der Roman davon sehr stark profitiert hat.

Evanesca Feuerblut

Nicht in der Prosa und nicht bewusst, aber in der Lyrik oft. Dann aber so stark verschlüsselt, dass sich auch andere darin wiederfinden können.

Alina

Vor ein, zwei Jahren hätte ich noch behauptet, meine Geschichten hätten keinen Bezug zu meinem eigenen Leben. Inzwischen entdecke ich da aber schon Parallelen zu eigenen Erlebnissen. Zum Beispiel die Beziehung von zwei Brüdern in meiner Geschichte, die am Ende doch dem Verhältnis, dass ich zu meiner Schwester habe, in mancher Hinsicht ähnelt ...

Ob ich damit irgendwas verarbeite? Keine Ahnung. Vielleicht ist es auch einfach so, dass ich mir manchmal unwillkürlich Konstellationen von Beziehungen aussuche, die ich aus eigener Anschauung kenne ...

Antigone

Ich habe sicher schon das eine oder andere persönliche Erlebnis, eine Erfahrung oder eine Eigenschaft in eine Romanfigur eingebaut. Aber Probleme habe ich - wissentlich - noch nie im Schreiben verarbeitet, und es wäre mir eigentlich auch sehr unangenehm, wenn man "mich" in meinen Geschichten wiederentdecken würde oder könnte.

Ganz im Gegenteil, ich halte gerne flammende Reden, dass die Geschichten tatsächlich vollkommen erfunden sind und rein gar nichts mit dem Autor zu tun haben.

KaPunkt

Verschiedene Punkte:

1. Jeder soll schreiben, was er mag und wo er Lust drauf hat, oder was ihm gut tut. Ich muss das aber nicht alles lesen. Und Geschichten, wo jemand nur seine eigenen Probleme aufarbeitet interessieren mich in 99% der Fälle nicht. (Ich habe selbst schon zur Verarbeitung geschrieben, aber das wird niemals das Öffenlichkeit sehen.)

2. Keine einzige Reaktion hat mich so geärgert wie ein Arbeitskollege, der mir nach Lektüre eines meiner Romane tief in die Augen blickte und etwas sagte in der Art von: "Jetzt weiß ich endlich, wer du bist." - Nein, du hast einen einzigen Roman gelesen, mit rein fiktiven Figuren. Idiot.

3. Was natürlich nicht heißt, dass nicht gelegentlich unbewusst, wie die anderen ja auch schon geschrieben haben, Dinge einfließen, die mir im Nachhinein dann doch auffallen. Aber vermutlich - hoffentlich - niemanden sonst. Und die fließen auch nicht nur in die Hauptfiguren ein, oder die Guten. Ich stecke genauso in den Antagonisten, in den Sidekicks, und den Nervensägen.

4. Dann mache ich mir auch noch gelegentlich einen Spaß draus, Geschehnisse aus meinen Leben - weniger Anekdoten, sondern Atmosphären, Erlebnisse oder Erinnerungen, die mich geprägt haben - in meine Fantasy-Welten zu übersetzen. Ich warte dann immer gespannt, ob jemand, mit dem ich diesen Erfahrungen teile, die Anspielung entdeckt. Ist bisher erst einmal passiert.  ;D

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Hochkogler


Ist es überhaupt möglich diese Problemverarbeitung abzustellen?

Ich denke der Charakter eines Menschen entsteht im Laufe seines Lebens durch eben jene Probleme. Manche werden gelöst, andere können nicht gelöst werden, andere wollen es nicht sein.

Aber mit jeder Erfahrung wächst man als Mensch, und dieser Mensch schreibt dann wiederrum eine Geschichte. Also fließen Probleme zwangsläufig in einen Roman ein, finde ich zumindest.

kathy

Es ist sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich mit der eigenen Person in den Büchern umgegangen wird.

Bei mir ist es meistesn so, dass ich meine persönlichen Probleme in der Handlung und in den Charakteren verarbeite, allerdings sind dabei die Probleme nicht eins zu eins übernommen, sondern es spiegelt eher in teilweise verstörenden Elementen meine Probleme.

@KaPunkt , das Problem, dass Leute nach Lesen der Bücher denken, sie würden einen kennen, ist wirklich ein verärgendes Gefühl, außerdem kann es zu wirklich seltsamen Blicken auf eine Person führen.

@Protoxin ich denke nicht, dass es komplett möglich ist, die Problemverarbeitung einzustellen, aber sie kann unterschieldich stark ausgeprägt sein.

Viele Grüße,
Katharina Stadler

HauntingWitch

Ich muss zugeben, ich bin ein wenig erstaunt, dass so viele hier schreiben, das nicht (bewusst) zu tun. Ich dachte immer, alle machen das. Egal, das soll jeder so halten, wie er möchte. Meine Antwort auf diese Frage ist: Ja, natürlich! Zwar sind meine Charaktere nicht ich und ich übertrage meine persönlichen Erlebnisse auch nie eins zu eins (das könnte ich gar nicht), aber ich verarbeite sehr wohl eigene Erfahrungen und Probleme in meinen Geschichten. Das war schliesslich der ursprüngliche Grund, warum ich überhaupt irgendwann mit Schreiben angefangen habe. Einige bekannte Autoren machen das ja anscheinend auch (obwohl man da natürlich nie genau weiss, ob das stimmt).

ZitatWas natürlich nicht heißt, dass nicht gelegentlich unbewusst, wie die anderen ja auch schon geschrieben haben, Dinge einfließen, die mir im Nachhinein dann doch auffallen. Aber vermutlich - hoffentlich - niemanden sonst.

Ich denke nicht, dass das jemandem auffällt. Die meisten Leser kennen einen ja nicht persönlich und wissen daher nicht, was davon nun mit dem eigenen Leben zu tun hat und was nicht. Und jene die es wissen, also jene, die einen kennen, wissen es vermutlich auch so. Diesbezüglich bin ich recht rational.

Evanesca Feuerblut

ZitatIch muss zugeben, ich bin ein wenig erstaunt, dass so viele hier schreiben, das nicht (bewusst) zu tun. Ich dachte immer, alle machen das.
Ich verstecke um ehrlich zu sein lieber Eastereggs als Probleme in meiner Prosa.
Klingt bescheuert, aber mir bereitet es eine diebische Freude, für genau EINE Leserin verständliche Insider reinzuschmuggeln oder so. Also es gibt durchaus Hinweise auf mein reales Leben, aber die sind eher zum Schmunzeln.
Und ich spiele gerne damit, dass Leser*innen denken könnten, ich würde über meine eigenen Erlebnisse schreiben. So wie bei "Zarin Saltan", wo es einige Überschneidungen zwischen den Biografien gibt, diese aber wenn man mich kennt, wieder so gering sind, dass man sich wundert.

Wenn ich mein Seelenleben verarbeite, dann wie gesagt wirklich ausschließlich mit Lyrik. Liegt aber auch daran, dass mir meine Probleme oft sehr banal vorkommen. Ja, ich habe Alltagsrassismus und Mikroagressionen erlebt, aber das belastet mich nicht (mehr) so stark, dass ich es in Prosa einarbeiten müsste, um damit fertig zu werden. Auch Themen wie Mobbing spielen in meinen Büchern eine untergeordnete Rolle, obwohl ich selbst einiges in der Hinsicht erlebt habe. Und ich kann nicht mal sagen, warum. Mir fällt auch auf, dass ich alle möglichen queeren Identitäten in meinen Romanen habe - nur nicht meine eigene.
Insofern ist das angestoßene Thema durchaus interessant, da ich mich gerade frage, warum ich mein Erleben so konsequent aus meiner Prosa fernhalte.

Dichten dagegen fühlt sich anders an. Das ist manchmal, als würde man eine schlecht verheilte Wunde noch mal aufpieksen, damit der ganze Schmerz raus kann und es in der Lage ist, zu heilen. Da kann ich das. Aber nicht in der Prosa. Da steckt zwar viel von mir als Person, aber wenig von meinem Alltag.

phoe

Zitat4. Dann mache ich mir auch noch gelegentlich einen Spaß draus, Geschehnisse aus meinen Leben - weniger Anekdoten, sondern Atmosphären, Erlebnisse oder Erinnerungen, die mich geprägt haben - in meine Fantasy-Welten zu übersetzen. Ich warte dann immer gespannt, ob jemand, mit dem ich diesen Erfahrungen teile, die Anspielung entdeckt. Ist bisher erst einmal passiert.  ;D
Das mache ich auch gern. Kleine Anekdoten oder Erlebnisse, aus meiner Vergangenheit. Wenn ich zum Beispiel etwas schreibe, was einige Familienmitglieder oder Freunde miterlebt haben, dann werde ich deswegen schon angesprochen. Meistens freuen sie sich, wenn ich so kleine Episoden einbaue und sie die wiedererkennen. Und ich freue mich auch, weil sie dann tatsächlich etwas von mir gelesen haben.  :D

Direkt Probleme zu verarbeiten habe ich einmal versucht. Aber auch nur, weil man mir empfohlen hatte es tun, damit ich damit abschließen kann oder zumindest besser klarkommen. Die Geschichte finde ich heute noch grottig, obwohl sie sogar bei einer Ausschreibung gewonnen hatte. Für mich war es ein Versuch, etwas Neues auszuprobieren, allerdings für mich persönlich nicht praktikabel.