• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Plots: Abseits von Gut gegen Böse

Begonnen von maggi, 03. Juli 2009, 20:58:24

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

maggi

Hallo ihr Lieben,

Ich bin's mal wieder. Und wieder mit einem kleinen Problem.
Ich habe mir vor kurzem einen Roman, den ich vor etwa einem Jahr geschrieben habe, noch mal vorgenommen und damit großen Spaß gehabt. Das Problem an der Sache ist allerdings, dass das ganze an einer Schule für Magier und in diesem Jahrzehnt in der realen Welt spielt. Also hochgradiger Harry Potter Alarm.
Auch die Story ist recht vorbelastet. Eben das übliche "gute Zauberer gegen böse Zauberer".
Das Setting, die Charaktäre und die Details gefallen mir aber sehr gut und ich würde sie ungerne aufgebene. deswegen habe ich mir überlegt, etwas an der ganzen hintergrundgeschichte zu feilen. Mir ist aufgefallen, dass mir Rätsel- und Mysteryplots am meisten liegen, also soll der neue Versuch etwas in diese Richtung gehen.
Deswegen also die Frage:
Habt ihr Erfahrungen mit Plots, in denen es nicht darum geht, dass eine Partei die andere besiegt (in welcher Form auch immer)? Wie habt ihr das eure Figuren-Motivation gehändelt? Wie die Story vorran getrieben? Wie die Handlung aufgelöst?
Beispiele und Erfahrungen wären mir sehr wilkommen.

danke im vorraus

Shay

In der Eisgeschichte haben Silph und ich die Geschichte einer Arktisexpedition erzählt. Der größte Widersache unserer Helden ist das Wetter und das kann man nunmal nicht besiegen. Es geht dann viel mehr um die Spannungen in der Gruppe, wobei es da eben kein gut und böse gibt und auch keinen Sieg. Nur Streit, Versöhnung und wieder Streit. Obwohl die Geschichte außer "vier Männer versuchen so weit nach Norden zu kommen wie möglich" keinen vordergründigen Plot hat, hat sich der Spannungsbogen fast wie von allein ergeben. Der bezieht sich dann eben größtenteils auf die gruppeninternen Spannungen.

Churke

Dass der Held ein Problem lösen muss und bei der Lösung auf immer neue Probleme stößt und sich so immter tiefer in die Sache verstrickt, ist ja ein klassisches Grundmuster. Ich denke mal, wer einer Figur eine Aufgabe gegeben hat, der gab er auch die Motivation, sie zu erfüllen. Und je mehr Hürden da auftauchen, desto dicker wird das Buch.

Ich habe z.B. mal was geschrieben, da vergeigt ein Zauberer einen Zauberspruch und ist dann den Rest der Geschichte damit beschäftigt, die Sache wieder gerade zu bügeln. Er kämpft in erster Linie gegen seine eigene Unfähigkeit.

In einer SF-Geschichte will der Held von Anfang an nur seine Ruhe haben, aber das System lässt sie ihm nicht. Ständig gibt es auf die Fresse. Am Schluss kollabiert das System und er kann fliehen.

Ein bisschen in eine ähnliche Richtung geht die Story vom reichsten Senator Roms, der in einen äthiopischen Sklaven verwandelt wird. Aus dieser völlig neuen Perspektive sieht die Welt natürlich ganz anders aus.

Feuertraum

Um es vorweg zu nehmen: ein Plot Abseits von Gut gegen Böse ist alles andere als interessant: Der Rentner geht morgens in den Park um sich zu sonnen, füttert einige Enten, die sanft über den Teich schwimmen. Hinterher gönnt sich der Pensionär einen Döner, den er sich schmecken läßt, geht dann nach Hause und schläft vor dem Fernsehen ein.
Wirklich  :nöö:

Sie dürfen bitte niemals verwechseln, dass der "Kampf" "Gut gegen Böse" automatisch gleichzusetzen ist mit Held versucht, dem bösen Bösewicht eine empfindliche Niederlage zuzufügen.
Ein Konflikt ist immer ein "Kampf" "Gut gegen Böse". Vielleicht sollte man genauer sagen: "Der Kampf des Sympathieträgers gegen Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellen."
Angenommen, die Frau des Rentners ist vor 8 Wochen gestorben und der Rentner kommt mit dieser Situation nicht klar. Seine Trauer droht ihn aufzufressen, er kommt mit der Situation nicht klar, düstere Gedanken umwölken sein Denken, er spielt mit dem Gedanken, seiner geliebten Frau zu folgen. Mit seinem Denken raubt er Nachbarn oder Kindern die Kraft.
Auch da haben wir einen Kampf.
Aber keine zwei Menschen, die sich gegenseitig auszulöschen drohen.
Auch Shays Beispiel mit dem Wetter ist hervorragend, um einen Konflikt - den Kampf gegen die Natur - anzuzeigen.
Natürlich reicht für einen Roman nicht unbedingt nur ein Konflikt. Es sollten schon mehrere sein...;)

LG
Feuertraum
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

ChaldZ

Also mir gefällt die Formulierung "Plots: Abseits von Gut gegen Böse" eigentlich recht gut, da das zumindest im Fantasy Genre doch ein mehr als verbreitetes Klischee ist.
Dass ein Konflikt immer ein Kampf von Gut gegen Böse ist, möchte ich daher auch bezweifeln. Auch ein "Kampf" "Gut gegen Böse" ist in dem Sinne für mich eher an den Haaren herbei gezogen und ich bleibe daher bei dem Begriff "Konflikt". Mir will nicht in den Sinn, warum es bei einem Konflikt ein "Gut" gegen "Böse" geben muss.

Die Erwähnung von Mensch "gegen" Naturgewalten ist ein klassisches Beispiel, was als Motiv für einen Plot herhalten kann. Im Falle von Zauber und Magie ist der von Churke angesprochene verfehlte Zauberspruch eine gute Möglichkeit.
Daneben gibt es auch - die etwas schwieriger um zu setzende - Möglichkeit, Konflikte zwischen Menschen oder Gruppen in Bezug auf bestimmte Ziele als Plot zu nehmen, die nicht in gegensätzliche Lager "Gut" und "Böse" einzuteilen sind.

In meiner eigenen Geschichte gibt es zwar das "Böse", was in Form von Dämonen dargestellt wird und sich als roter Faden durch den Roman zieht. Allerdings entstehen fast alle Konflikte aus den verschiedenen Zielen, Herangehensweisen und Vorurteilen der Beteiligten, so dass es für die Charaktere ein "Gut" und "Böse" zu geben scheint, aber nicht wirklich vorhanden ist.
So gesehen ist ein Konflikt von zwei Gruppen, bei dem die eine siegt, nicht unbedingt ein Kampf gut gegen Böse.
Wenn du dennoch darauf verzichten willst, ist ein anderes großes Thema der innere Konflikt. Etwa Taten und Moral in Einklang zu bringen.
Wie viele Menschen lasse ich sterben, um eine größere Zahl zu retten? Darf man stehlen, um mich oder andere vor dem Verhungern zu retten? Kann ich Gesetze brechen, weil mein Leben in Gefahr ist? "Gut" und "Böse" verschwimmt hier etwas, wenn es kein wirkliches Richtig oder Falsch gibt.
Dein Zauberer ist so arm, dass er es sich nicht leisten kann, auf die Schule zu gehen? Wie löst er das Problem? Stiehlt er, um sich seine Zukunft nicht zu verbauen? Nimmt er die niedrigste, widerwärtigste Arbeit an, um nicht mit seinem Gewissen in Konflikt zu kommen? Sagt er sich, mit dem, was er lernt kann er den Benachteiligten helfen und kann es damit verantworten, ein Gesetz zu brechen und stiehlt? Denkt er am Anfang nur an sich und tut mit dem Gelernten aus Reue anderen Menschen Gutes?
Das ist nur ein erstes Hindernis auf seinem Weg. Er könnte aus Reue einen Schwur leisten und anderen helfen. Dadurch kommt er mit dem Gesetz in Konflikt. Er könnte sich durch Zauberei retten, macht sich aber so wieder schuldig.
Starke Gefühle könnten den Charakter zu etwas treiben, was er später bereut und eine "Abarbeitung" oder ein Schwur - was zu weiteren Konflikten führt - bestimmt alles spätere Handeln.

Je mehr ich schreibe, desto mehr Möglichkeiten fallen mir ein, Handlungen abseits von dem klassischen "Gut" gegen "Böse" Konflikt auf zu bauen. Aber da ich sowieso schon wieder zu viel schwafel, mache ich hier mal Ende.
Hoffe, da oben in meinem Text steht auch ein klein wenig was Sinnvolles.

Shay

@Feuertraum
Das sehe ich nicht so. Zu einer guten Geschichte gehört sicher immer ein Konflikt, aber das muß kein Kampf im Wortsinne sein und schon gar nicht einer zwischen Gut und Böse. Sicher kann man für manche Diskussion die Grenzen der Wortdefinition aufweiten, aber hier macht das IMHO keinen Sinn.
Gerade in der Fantasy geht es wirklichs ehr oft um den buchstäblichen Kampf eines Guten gegen das abgrundtief Böse.

Auf meiner Welt gibt es das Böse (TM) sowieso nicht. Mein größter Schurke ist Herzog Girion, der durch seine Rebellion sein Land in einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg stürzt. Aber man kann auch sagen, daß er endlich den Schutz seines Landesteiles in die eigene Hand genommen hat, weil die Zentralgewalt dazu nicht in der Lage war. Er ist trotzdem ein schlechter Mensch, aber nicht alles, was er tut ist böse.
Genausowenig gibt es das Gute an sich. Ich finde einfach Grauschattierungen interessanter als Weiß und Schwarz. Dementsprechend geht es bei mir eigentlich auch nie um die großen Weltrettungsaktionen, sondern eher um die kleineren Siege, oft genug auch einfach über sich selbst.

Coppelia

#6
Generell gibt es doch sehr viele Geschichten ohne "gut" gegen "böse". Normalerweise jede, in der die "andere Seite" eine sinnvolle Motivation hat (und die "eine Seite" hoffentlich auch). Die meisten Liebesgeschichten oder Komödien haben überhaupt nichts "Böses".
In Fantasy macht man es sich manchmal halt einfach, damit der Held irgendwelche Monster totschlagen kann, weil das cool ist ... ::)
Ich mag ja eh den "Bösen" in der Hauptrolle, dann ist das ganze Gerüst hinfällig und man hat immer noch spannende Konflikte. Wenn du die Motivation deiner "Bösen" genauer ausarbeitest, werden sie wahrscheinlich weniger böse sein.

Grey

In meinem aktuellen Projekt gibt es auch keine "Guten" und keine "Bösen" in dem Sinne. Vielmehr geht es - ganz allgemein gesagt - darum, wie die handelnden Figuren die gesellschaftliche und politische Situation empfinden, und wie sie sie in ihrem Sinne verändern wollen. Manche haben die ähnliche Ziele, aber unterschiedliche Moralvorstellungen, manche wollen in eine ganz andere Richtung. Und dann kommen auch noch die zwischenmenschlichen Beziehungen dazu, und so entstehen massenhaft Reibungspunkte, die die Geschichte (wie ich hoffe) interessant machen.

Ich persönlich finde ja auch Konflikte viel spannender, die nicht nur zwischen zwei Parteien ausgetragen werden.

Immortal

Das mit dem alte-Plots-finden-und-überarbeiten kenne ich sehr gut. Ich bin auch gerade dabei einen Plot neu zu überarbeiten, den ich vor über zwei Jahren geschrieben habe.

Auch hier ist es eigentlich der klassische Kampf gut gegen Böse. Doch da ich ein Schreiber bin, der gerne mit vielen Perspektiven arbeitet, wird auch die "böse" Seite ihre Perspektive erhalten. Dann wird es dem Leser überlassen sein, wer für ihn die böse Seite ist, denn dann ist es eine Frage der Sympathie.
Also, wie Coppelia schon gesagt hat, wenn man aus der Sicht der vermeintlich Bösen schreibt, erledigt sich das Problem von allein.
Aber es ist natürlich nicht immer ganz so einfach die Beweggründe der Bösen verständlich klar zu stellen, sodass der Leser erst gar nicht bemerkt, wer hier eigentlich die Bösen und wer die Guten sind. Aber ich finde das eine ziemlich reizvolle Aufgabe  ;)
Zahme Vögel träumen von der Freiheit, wilde fliegen.

Jara

Hallo Maggi!

Im Großen und Ganzen ist es meiner Erfahrung nach zwar eher unüblich im Fantasygenre auf eine klassische Auseinandersetzung von Gut und Böse zu verzichten, sicher aber nicht unmöglich.
Es kommt ganz darauf an, was du deinen Lesern als Ersatz anbieten kannst.
Du bist gut darin Mysterie - und Rätselplots zu schreiben? Ist doch großartig, das lässt sich sicher einbringen!

Der Leser wartet in einem Buch doch nur in den seltensten Fällen auf einen finalen Endkampf. Was er möchte, ist unterhalten werden. Wenn du dass auch durch andere Elemente hinbekommst, ist das doch in Ordnung ;)

Franziska

Ich denke auch nicht, dass es immer "Gut" gegen "böse" sein muss, oder das der Hauptcharakter unbedingt sympathisch sein muss.
Bei Liebesgeschichten gibt es ja auch meistens nicht gut gegen böse.
Und im Fantasy/SF-Bereich fallen mir da auch viele Beispiele ein. Z.B. wenn es hauptsächlich um die Entwicklung des Charakters geht, dann geht es um innere Konflikte, oder wenn es um die Lösung eines Rätsels geht, muss es doch auch nicht zwei Parteien geben, vielleicht könnten bei dir die bösen und guten Zauberer zusammenarbeiten müssen, um ein Rätsel zu lösen?

Ich selbst schreibe an einem sehr klassischen gut gegen Böse Plot, aber in einem anderen Text habe ich z.B. drei Parteien, wobei sich erst zwei bekämpfen, bis sie sich verbünden um gegen eine dritte zu kämpfen.  Es ist nicht eindeutig, wer gut und wer böse ist.
Die schon erwähnte Methode, aus zwei Perspektiven zu schreiben, ist sicher auch spannend.

felis

Ich finde auf klassische gut-Böse klischees kann man auch in der Fantasy sehr gut verzichten. Ich hab z. B. einen plot, wo die "Guten" ziemlich am Ende erkennen müssen, dass sie eigentlich "die Bösen" sind respektive sich im Unrecht befinden, was den zentralen Konflikt angeht.  ;D

Hanna

Für meine Projekte gilt eigentlich immer: "Gut und Böse gibt es nicht, es gibt nur verschiedene Ansichten."

Mir ist es immer wichtig, die Motivation aller Beteiligten zu kennen und zu beleuchten.

Für dein spezielles Problem gibt es sicher mehrere Möglichkeiten. Du könntest eine einfache Liebesgeschichte schreiben. Vielleicht ist es einem jungen Magier verboten, mit Nicht-Magiern anzubandeln oder überhaupt eine Beziehung zu führen bevor er siebzehn ist. Vielleicht ist er homosexuell, was in der magischen Welt noch viel mehr ein Problem ist als in der anderen Welt.

Vielleicht ziehst du Harry Potter anders herum auf und dein Protagonist entdeckt in sich, dass er die normalen Menschen hasst und es ganz furchtbar findet, dass sie sich mit Magiern vermischen. Am liebsten würde er sie alle ausrotten.  :darth:

Und beim Lesen hatte ich noch folgende Idee: Die Schule für angehende Magier ist gar keine Schule sondern eine Psychiatrie, in der die Ärzte den jungen Leuten nur einreden, sie könnten zaubern. Vielleicht ist das alles ein großes Experiment und dein Prot findet es mit seinen Freunden heraus. Da kribbelt es mir fast in den Fingern, das Ding selbst zu schreiben.  ;D

#happyverpeilt oder auch gründlich überfordert ...

Grey

@Hanna
Die Idee ist der Kracher. Das Buch würde ich sofort kaufen. ;D

Angelus Noctis

Hallöchen!

Meine Antwort kommt zwar reichlich spät, dennoch möchte ich auch hier meinen Senf dazugeben.

Ich kann diese "klassische" Schwarzweißmalerei überhaupt nicht leiden, zumindest nicht in meinen eigenen Geschichten. Deshalb halte ich es mit meinem Fantasyprojekt so, wie Gothanna schon sagte. Insofern ist auch der Böse bei mir eigentlich nicht böse, eher verzweifelt (was ihn allerdings nicht davon abhält, fürchterliche Gräueltaten zu begehen). Der Gute ist zwar reichlich gut, hat aber eine finstere Vergangenheit ... All das wird aber erst nach und nach deutlich. Ich finde es einfach toll, den Leser zu überraschen :snicker:, und hoffe, dass mir das auch gelingt.

Liebe Grüße!