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Do it yourself?

Begonnen von Schreiberling, 15. Juni 2009, 20:35:04

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Schreiberling

Hallo  :winke:,
Ich hoffe, ich bin hier im richtigen Board.

Ich habe mal in einem Forum gelesen, dass jemand in einer Geschichte geschrieben hat, dass der/die Prota durch den Wald flüchten musste und um das realistischer zu beschreiben, hat er es selbst getestet.
Er hat jetzt niemanden angeheurt, um sich durch den Wald jagen zu lassen, hat sich aber einfach eine abgelegenere Stelle gesucht und ist selbst durch den Wald gerannt, um es besser beschreiben zu können, um es besser nachfühlen zu können. (Also um heraus zu finden, ob die Äste einem wirklich ins Gesicht schlagen, wie gut man auf dem Waldboden beim Rennen klar kommt, ob man noch viel von seiner Umwelt wahrnimmt.)
Das ist ein Prinzip, dass man ja auf viele Sachen anwenden kann. Z.B. kann man durch einen Fluss waten, um zu testen, wie es sich anfühlt/anfühlen kann und auf was man dabei als Betroffener besonders achtet.

Die Eindrücke und Empfindungen, die man dabei sammelt, sind natürlich rein subjektiv und man kann vieles auch nicht 100% nachtesten (im oben genannten Beispiel fehlen die Verfolger ;) ), aber findet ihr, dass man dadurch realistischer schreiben kann, bzw. der Text mehr Tiefe bekommt?
Findet ihr die Methode überhaupt nützlich?
Wendet ihr sie manchmal an?
Benutzt ihr dann irgendwelche Methoden, die so ähnlich sind wie diese oder schöpft ihr "nur" aus euren eigenen Lebenserfahrungen?

Das ist ein Thema, dass mich schon die ganze letzte Zeit beschäftigt hat und wozu ich gerne mal hören würde, was ihr dazu sagt. Ich freue mich schon auf eure Antworten. :)

Liebe Grüße,
Schreiberling

Jara

Hallo Schreiberling!

Ich denke es ist ab und zu ganz hilfreich diese Methode anzuwenden, wenn man denn möchte.
In deinem Beispiel ist es ja auch gut durchführbar. Bei einer Jagd durch Sümpfe oder im Gebirge sind dem Ganzen dann schon eher territoriale Grenzen gesetzt ;)

Ich habe es bis jetzt noch nicht ausprobiert und würde es wohl auch nur in Situationen machen, die ich mir überhaupt nicht vorstellen kann. Man kann sich ja ohne größere Probleme in jemanden hineinversetzen, der in einem Fluss entlangwatet, denke ich.
Wenn ich einen freien Fall beschreiben möchte, würde ich dahingegen schon mal zum Bungeejumping gehen. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass ich es ohnehin mal gerne ausprobieren würde ;) , aber ich denke es kann einem auch ganz gute Eindrücke zu dem Thema vermitteln.

Und dann gibt es wieder Sachen, die ich mir nur im Kopf vorstellen kann, keine Ahnung habe wie sie wirklich sind, aber auch überhaupt keinen Wert darauf lege, es zu erfahren bzw es selbst auszuprobieren. Dazu gehören unter anderem Dinge wie eine Amnesie, ein Pfeil in der Schulter oder Verbrennungen dritten Grades . . .

Also generell, wenn man Lust hat, klar, wieso nicht ausprobieren. Aber ich denke der Mensch kann sich mit seiner Fähigkeit  zu abstraktem Denken schon sehr viel Mögliches (und Unmögliches  ;D) vorstellen.

Lomax

Zitat von: Schreiberling am 15. Juni 2009, 20:35:04... aber findet ihr, dass man dadurch realistischer schreiben kann, bzw. der Text mehr Tiefe bekommt?
Findet ihr die Methode überhaupt nützlich?
Eine zweischneidige Sache. Natürlich bringe ich gerne auch eigene Erfahrungen in Texten unter, und ich denke durchaus, dass man damit einen Text aufwerten und vor allem Dinge schreiben kann, die man anderswo nicht auch so lesen kann.
  Andererseits habe ich festgestellt, dass gerade die Dinge, die ich aus eigenem Erleben geschrieben habe, am häufigsten von Lesern als "unrealistisch" kritisiert wurden.
  Das hat viele Gründe. Zum einen der Detailreichtum - man neigt dazu, Dinge, die man selbst erlebt hat, kleinschrittiger zu beschreiben, weil man gerne jedes Detail auch unterbringen will. Nur wird man mit noch so vielen Worten es nicht schaffen, genau dieselbe Vorstellung, die man hat, auch bei jedem Leser zu wecken. Im Gegenteil führen kleinschrittige Beschreibungen oft dazu, dass der Leser sich irgendwas anders vorstellt als der Autor - und dann einen anderen Bestandteil dieser Beschreibung als "falsch" empfindet, weil er nicht zum eigenen Bild passt. Natürlich wird der Leser dafür den Autor verantwortlich machen, weil er ja felsenfest davon überzeugt ist, dass das, was er sich vorstellt, genau das ist, was im Text beschrieben steht.
  Zweitens ist die "Realität" im Roman eine künstliche. Der Leser wird alles in einen Sinnzusammenhang stellen wollen, der sich dann sowohl aus dem Romantext wie auch aus den Vorerfahrungen des Lesers und seinen Überlegungen ergibt. Die eigene Erfahrung hingegen ist singulär und kümmert sich nicht viel darum, ob sie sich optimal in einen Text oder gar dessen literarische Rezeption fügt. Und es hat auch jeder eigene Erfahrungen und neigt dazu, sie zu verallgemeinern - und übersieht dabei, dass er durch seine eigene Erfahrung nur weiß, was sein kann, aber nicht, was nicht sein kann. Sprich: Wenn du im Wald von einem wilden Eichhörnchen angefallen wirst und schreibst das in deinem Buch, wirst du viele Leser finden, die das unrealistisch finden - weil sie selbst schon oft im Wald waren, Eichhörnchen gesehen haben und nie angefallen wurden und daraus den Schluss ziehen, dass es immer so ist, wie sie es zufällig erfahren haben. Das passiert dir als Autor umso leichter, umso mehr du aus deiner eigenen Erfahrung heraus etwas schreiben möchtest, was viele andere auch, aber anders kennen und besser zu wissen glauben. Dann wirkt dein Text oft besser, wenn du nicht das schreibst, was du weißt, sondern was "man" so sagt ...

Ich denke also, die eigene Erfahrung sollte die Würze sein, mit der man einem Text einen gewissen Schliff, einen Touch verleiht. Womöglich auch ein Prüfstein, an dem man, was man schreibt, messen kann. Oder eine Inspiration, die einem ein "Gefühl" gibt für das, was man schreibt. Aber wie jedes Einbringen von Persönlichem sollte auch die persönliche Erfahrung der "künstlerischen Distanz" unterliegen und nicht 1:1 "verschriftet" werden, sondern so bearbeitet, wie es dem Text am meisten dient.
  Auch zum Selbstschutz ist das sehr dienlich - ich erinnere mich an eine Autorin, die einen Roman über eine Protagonistin schrieb und völlig außer sich war, als ein paar Taten dieser Protagonisten als "unglaubwürdig dumm" kritisiert wurden. "Aber das habe ich genau so erlebt", brachte sie vor - und man merkte deutlich, dass nicht die "Glaubwürdigkeit" das war, was sie schmerzte, sondern der Vorwurf der "Dummheit" - weil sie die Protagonistin schlicht so eng an sich selbst angelehnt hatte, das man den Text nicht mehr kritisieren konnte, ohne sie selbst zu verletzen.
  Und, als zweites Beispiel, erinnere ich mich auch an einen Roman, den ich mal begutachtet & abgelehnt habe: Der Autor hat darin viele Martial-Arts-Szenen sehr exakt beschrieben. Man merkte genau, er hatte Ahnung davon ... was aber auch dazu führte, dass er beispielsweise jede Technik und jeden Schlagabtausch mit Fachbegriffen beschrieben hat und ich zu dem Schluss kam, dass man die Kämpfe gar nicht mehr verfolgen kann, wenn man nicht zufällig selbst Karate macht. Ein Beispiel, das auch recht gut die Grenzen deutlich macht, die man beim Einbringen derartiger "Recherchen" in einen Roman wahren sollte.

eclipse

#3
Zitat von: Schreiberling am 15. Juni 2009, 20:35:04Die Eindrücke und Empfindungen, die man dabei sammelt, sind natürlich rein subjektiv
...was der Nützlichkeit keinen Abbruch tut; das Erleben eines Protas ist ja schließlich auch subjektiv.

Ob ein Text durch solche praktischen Selbst-Experimente mehr Tiefe gewinnt, hängt letztlich wohl von der Umsetzung ab, aber generell halte ich die Methode für recht nützlich. Im Gegensatz zu Lomax' Darstellung habe ich eher das Problem, dass ich mich aus der Distanz heraus bei der Beschreibung ganz banaler Dinge manchmal zu sehr verkopfe, da täte der Szene dann etwas mehr Unmittelbarkeit gut - und ich kann mir gut vorstellen, dass man das eher hinbekommt, wenn man es selbst schon einmal miterlebt hat. Und gerade was Kämpfe angeht finde ich es tierisch hilfreich, wenn man schon einmal selbst zur Waffe (erfahrungsgemäß tut es auch eine Vorhangstange ;D ) gegriffen hat. Nicht wegen der Fachbegriffe, sondern einfach um zu erfahren, welche Möglichkeiten es gibt und was schief laufen kann. Als Laie kommt man da meist nicht auf sehr viel mehr als auf "Attacke - Parade - Finte - tot".

In anderen Bereichen, z.B. Verletzungen, kann man ja "leider" meist nur auf die Erfahrungsberichte anderer zurückgreifen und ist dann mehr oder weniger aufs Abschreiben oder Anhäufen von Klischees angewiesen. Kann auch funktionieren, aber manchmal sträubt sich dabei etwas in mir.

Außerdem taugt der Do-It-Yourself-Ansatz zum Einfangen von Stimmungen sehr gut. Ich wollte mal testen, wie viele Kerzen es im Dunkeln braucht, damit man die Augenfarbe einer Person erkennen kann. An das Ergebnis kann ich mich leider nicht mehr erinnern, aber die Gerüche und Farben der Szene sind hängen geblieben und haben prompt Verwendung gefunden.

Als nächstes steht dann der Versuch an, ob man Paprika-Pulver als vernünftigen Safran-Farbpigment-Ersatz benutzen kann... Seit ich weiß, wie viel Arbeit man hat, um an ein paar Gramm Safran zu kommen, lässt mich das Thema einfach nicht mehr los. :d'oh: Ich verlasse mich aus Gründen der Bequemlichkeit zwar gerne auf google und meine Intuition, aber bei solchen Dingen ist manchmal einfach die Probe aufs Exempel nötig.

Tenryu

Ich denke, es ist keinesfalls verkehrt, wenn man als Autor versucht, so viele authentische Eindrücke wie möglich in sich aufzusaugen. Natürlich ist der morderne Mensch dank Fensehen und Internet diesbezüglich in einer äußerst komfortablen Lage. Aber vieles läßt sich eben nur erahnen, wenn man es nicht selbst einmal am eigenen Leib erlebt hat.

Ich denke da etwa an eine Seereise mit nächtlichem Gewittersturm, die ich als Kind erlebt habe. Das war sehr eindrücklich. Auch kann es sicher nicht schaden, mal ein echtes Schwert in die Hand zu nehmen, oder mit einem Bogen zu schießen, vor allem, wenn man die Eindrücke einer Figur beschreiben will, die ebenfalls unerfahren in derlei Verrichtungen ist.

Überhaupt denke ich, ist es einfacher, einen Profi zu beschreiben, der sein Metier beherrscht, als einen Anfänger, wenn man selber keine Ahnung hat. Wie ein Meister das Schwert führt, kann man sich in einschlägigen Filmen anschauen und beschreiben. Aber welche Muskeln einem weh tun, oder wie lange man als üngeübter Anfänger überhaupt das Ding festhalten kann, bevor einem schier der Arm abfällt, muß man einfach selber mal ausprobiert haben.

Viele Dinge kann, will, oder sollte man nicht ausprobieren. In solchen Fällen, versuche ich wenn immer möglich Leute, die über entsprechende Erfahrungen verfügen, auszuquetschen. Was auch nicht immer so einfach ist, zumal man etwas unsensibel wirkt, wenn man von anderen verlangt, daß sie einem ihren Unfall mit allen blutigen Details schildern.

ChaldZ

Ich denke auch, dass die Vorteile überwiegen.
Mag sein, dass es manche als unrealistisch erachten, aber ich lese lieber eine erfrischend andere, subjektive als die 100. klischeehafte Beschreibung.
Selbst wenn man versucht, bei seinem "Experiment" oder aus seinen Erinnerungen jedes Detail ab zu rufen, heißt das ja nicht zwangsläufig, dass man das auch einbringen muss.
Im Beispiel mit dem Autor, der durch den Wald gerannt ist, kann es zum Beispiel gut sein, dass er einen bewirtschafteten Wald erwischt hat. Nehmen wir mal an, dass es so ist. Das wäre natürlich überhaupt kein Vergleich zu einem gewachsenen Ur - Wald. Trotzdem ermöglicht es fest zu stellen, ob und wie es selbst in so einem bewirtschafteten Wald zu Hindernissen und Schwierigkeiten kommen kann - wie etwa Zweige, die einem ins Gesicht peitschen oder Stolperfallen, die man nicht sieht.
Das kann dann in einer Mischung aus Vorstellungsvermögen, Erfahrung und Fantasie in den Roman einfließen.

Churke

Zitat von: ChaldZ am 15. Juni 2009, 22:03:19
Im Beispiel mit dem Autor, der durch den Wald gerannt ist, kann es zum Beispiel gut sein, dass er einen bewirtschafteten Wald erwischt hat.

Der deutsche Wald wird teilweise sehr naturnah bewirtschaftet. In Spanien war ich mal einem nicht bewirtschafteten Buchenwald (Nationalpark), da habe ich keine großen Unterschiede gesehen. Aber das weiß man nur, wenn man einen solchen Wald gesehen hat. Für solche Zwecke habe ich mir ein Buch besorgt über Vegetationssysteme.  :psssst:

Ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass ein Autor, der aus persönlichem Erleben schreibt, massiv gewinnt. Natürlich gibt es auch Grenzen. Ich habe eine Figur mal vor einem Intelligenztest kiffen lassen. Auch für die Kunst habe ich nicht mit der Kifferei angefangen, aber ich kenne die Wirkung von anderen... und mein kiffender Beta-Leser fand's überzeugend.  ;D

Lomax

Zitat von: Churke am 15. Juni 2009, 22:33:38Der deutsche Wald wird teilweise sehr naturnah bewirtschaftet. In Spanien war ich mal einem nicht bewirtschafteten Buchenwald (Nationalpark), da habe ich keine großen Unterschiede gesehen.
Nun ja, ich habe bei der Bundeswehr nicht bewirtschaftete Wälder gesehen - und ich habe einen großen Unterschied bemerkt ;)
  Buchenwälder sind recht licht, aber neben der Bewirtschaftung spielen noch viele andere Faktoren eine Rolle. Ich wäre mir beispielsweise nicht so sicher, ob ich Wälder in Spanien überhaupt mit deutschen Wäldern vergleichen würde - schon beim Anflug auf Spanien sieht man, dass es vegetationsmäßig eine andere Welt ist. Genau wie die wilden Wälder in Norwegen dann auch wieder andere waren als die gepflegten oder ungepflegten Wälder in Deutschland ...
  Was dann wieder eine andere Facette von Gefahrenpunkt 1 verdeutlicht: "Verallgemeinerung von Erfahrungen". Kann einem auch als Autor passieren. Wenn man also seine Erfahrungen in ein Buch bringen will, muss man darauf achten, dass auch die Rahmenbedingungen stimmen - also nicht denken, hat man einen Wald gesehen, kennt man alle :)

Aber ich will Erfahrung auch nicht unterschätzen ... Ich wüsste ja auch nicht, was ich ohne meine Zeit bei der Bundeswehr machen würde - das waren unbezahlbare Erfahrungen, an die man sonst nur schwer herankommt. Da haben wir beispielsweise tatsächlich Leute durch einen wilden Wald verfolgt oder sind verfolgt worden ;) Und ich wusste schon, warum ich mich um jede blöde Schulung gerissen habe, die ich da kriegen konnte.
  Allerdings hab ich dann eben auch die Kehrseite und die "Glaubwürdigkeitsfrage" und die "Verständnisfrage" bei Leuten kennen gelernt, die diese Erfahrungen nicht teilen. Was dann auch zu der Lehre führt, dass es bei solchen Erfahrungen wie meistens in der Literatur in erster Linie nicht auf das ankommt, was man zu sagen hat - sondern darauf, wie man es vermittelt.

Alaun

Hallo,

ich nutze die Möglichkeit, mit von einer lieben Kollegin in Hypnose versetzen zu lassen, und dann so Szenen zu durchleben. Das ist dann zwar ohne "Dolby Surround"  ;D, aber die Gefühlsebene ist sehr echt. Ich bin schon einige Male in arge Ängste geraten und konnte gut nachvollziehen, was meine Protagonistin da gerade auszuhalten hat. Genauso gut funktioniert das mit Glücksmomenten (die mir übrigens beim Schreiben viel schwerer fallen). Nun hat nicht jeder Hypnotherapeuten im kollegialen Bekanntenkreis, aber ich könnte mir vorstellen, dass sich auch Trancereisen (ähnlich dem Autogenen Training) eignen könnten.

Coppelia

#9
Eigene Erfahrungen sind sicher gut. Aber was macht z. B. ein Mann, der beschreiben möchte, wie eine Frau ein Kind bekommt? Es lassen? ;) Na gut, ich habe ja auch noch selbst keins bekommen.

In einem Buch, das ich insgesamt nicht für gut halte, gibt es eine Szene, wo die Protagonistin eine Felswand raufklettert zusammen mit ihren Kollegen. Die Autorin, das steht vorn drin, macht in ihrer Freizeit Freeclimbing. Auch wenn ich nichts von Freeclimbing verstehe, kann man genau merken, wie sie alle möglichen Details von ihrem Hobby einbringt, nicht nur mit unzeitgemäßem Vokabular (es ist eine mittelalterliche Fantasygeschichte), sondern auch tierisch ausgewalzt und für Nicht-Freeclimber fürchterlich öde. Ich hab selten eine so nervige Szene gelesen. ;)

Na, ich hoffe, wenn mir was Unglaubwürdiges unterkommt, macht mich ein Lektor drauf aufmerksam - falls es nicht soweit kommt, ist es ja schnurzegal, ob es glaubwürdig ist oder nicht. ;) Ich tu halt mein Bestes, aber wenn das Beste nicht gut genug ist, kann ich auch nichts machen.

Das mit der Hypnose ist ja seltsam - kannst du mehr darüber erzählen?

Churke

Zitat von: Lomax am 15. Juni 2009, 23:08:02
Ich wäre mir beispielsweise nicht so sicher, ob ich Wälder in Spanien überhaupt mit deutschen Wäldern vergleichen würde - schon beim Anflug auf Spanien sieht man, dass es vegetationsmäßig eine andere Welt ist. Genau wie die wilden Wälder in Norwegen dann auch wieder andere waren als die gepflegten oder ungepflegten Wälder in Deutschland ...
Das war nicht hinterm Ballermann, sondern in einem Nationalpark in den Pyrenäen. Natürlich ist kein Wald wie der andere - aber das ist ja gerade der Punkt: Wenn ich die Helden durch das undurchdringliche Unterholz eines Buchenwaldes wandern lasse, ist das falsch. Wenn ich die entsprechenden Schauplätze vorher besichtige, bin ich auf jeden Fall auf der sicheren Seite und erspare mir möglicherweise Peinlichkeiten.
Solche wie Max Frisch in Homo Faber. Da fährt er mit dem Jeep querfeldein (!) durch den tropischen Regenwald. Woraus sich rasiermesserscharf folgern lässt, dass Max Frisch niemals offroad gefahren ist.

ZitatEigene Erfahrungen sind sicher gut. Aber was macht z. B. ein Mann, der beschreiben möchte, wie eine Frau ein Kind bekommt? Es lassen?
Es bleiben zu lassen wäre jedenfalls eine nicht zu beanstandende Lösung des Problems. Als Lynn Flewelling die Helden ins Homoerotische abdriften lässt, dachte ich "na ja." Als es dann im Schwulen-Puff weiter ging, fand ich es dann doch etwas unglaubwürdig.  :hmhm?: 

Schreiberling

Wow, ziemlich viele, interessante Beiträge.  :jau:

Mhm, die Kehrseite, dass man dann unglaubwürdig rüberkommt und zu viele Details reinbringt (möglicherweise) ist nicht zu unterschätzen. Aber ich denke, dass kann man auch gut in den Griff bekommen, wenn man Betaleser ausdrücklich auf diese Stellen hinweist und da selbst kritsch drauf achtet, denke ich.

Zitat von: Coppelia am 16. Juni 2009, 10:03:46
Eigene Erfahrungen sind sicher gut. Aber was macht z. B. ein Mann, der beschreiben möchte, wie eine Frau ein Kind bekommt? Es lassen? ;) Na gut, ich habe ja auch noch selbst keins bekommen.
Es bleiben lassen, würde ich wahrscheinlich nicht, aber selbst in dem Fall versucht doch der Mann möglichst viele Informationen darüber zu bekommen. (Indem er zum Beispiel jemanden fragt, der ein Kind hat oder auch durch anderweitige Recherche).
Die do-it-yourself Methode ist in dem Sinne eigentlich nichts anderes als praktische Recherche, würde ich jetzt mal behaupten.

Zitat von: Coppelia am 16. Juni 2009, 10:03:46
Das mit der Hypnose ist ja seltsam - kannst du mehr darüber erzählen?
*auch mehr wissen will* :)

Selbst habe ich die Do-it-yourself Methode bewusst noch nicht ausprobiert, aber ich denke, ich werde das mal machen, wenn was ansteht, was sich dafür eignet.

Liebe Grüße,
Schreiberling

Lomax

Zitat von: Churke am 16. Juni 2009, 13:03:11Da fährt er mit dem Jeep querfeldein (!) durch den tropischen Regenwald.
Da würd ich schon bei deutschen Buchenwäldern dran zweifeln ;D Aber wer weiß ... Vielleicht ist er ja querfeldein durch einen tropischen Regenwald gefahren und weiß daher, dass es doch geht?

Kann ich mir schwer vorstellen - aber genau das ist ein Problem bei persönlichen Erfahrungen. Eine Sache, auf die ich auch gerne reinfalle, wenn ich etwas aus Erfahrung besser weiß: Wenn man was ausprobiert und stellt fest, dass es genau so ist, wie das Klischee wissen will und wie man es erwartet hat, gerät man nicht so leicht in Versuchung, das in ein Buch zu schreiben. Aber gerade dann, wenn man dabei eine unerwartete Erfahrung macht, die anders ist, als alle glauben, will man besonders gern genau diese Erfahrung beschreiben und das "allgemeine falsche Bild" korrigieren.
  Und genau das sind die Momente, wo man sehr leicht unglaubwürdig wirkt, gerade weil man etwas schreibt, was keiner so annehmen würde, und weil die Leute dann aufgrund ihrer Vorannahmen glauben, der Autor hätte da einen Fehler gemacht. Du magst da Max Frisch einen Fehler aufgrund mangelnder Erfahrung vorwerfen - aber genau solche Vorwürfe vermeidet man am sichersten, wenn man "das übliche" recherchiert und genau das schreibt. Dein Beispiel wäre also eher ein Argument für Sorgfalt und Recherche - nicht unbedingt für persönliche Erfahrung.

Das ist halt eine Gratwanderung. Persönliche Erfahrung kann für Authentizität sorgen, verführt aber gerne auch zur bloßen "Abbildung" aus Gründen, die nichts mit dem dramaturgischen Nutzen zu tun haben - sei es aus eigener Begeisterung fürs Thema oder für das eigene Erleben, sei es aus dem Wunsch, andere über das, was man dadurch weiß, zu belehren; sei es auch nur aus einer Nachlässigkeit gegenüber dem "Allgemeinen", das man für vernachlässigbar hält, weil man "das Konkrete" kennt ... All das spricht nicht gegen Erfahrung, aber durchaus für die Lehre, dass sich die Erfahrung im Roman letztendlich der Wirkung zu beugen hat. Ein, wie ich feststellen konnte, durchaus schmerzhafter "Erfahrungsprozess" ;D

Alaun

#13
Das mit der Hypnose (oder auch dem Autogenen Training, was ja nichts anderes als die "Kleine Schwester der Hypnose" ist) ist eigentlich ganz einfach:
Es ist möglich, sich durch diesen veränderten Bewusstseinszustand intensiver auf etwas einzulassen. So eben auch auf bestimmte fiktive Situationen. In der Hypnotherapie nutzt man diese Möglichkeit, um frühere Traumata aufzulösen (durch Rückversetzen in die tatsächliche damalige Situation) oder für Leistungssteigerungen (im Sport, beim Lernen etc.). Dort wird dann eine kommende Situation so optimal wie möglich visualisiert und durchlaufen- mit allem was dazugehört, also auch den Emotionen.

Ich gebe meiner Kollegin relativ genaue Beschreibungen von der Situation, die ich für mein Schreibprojekt bearbeiten will (also z.B. "Nuala wird auf dem Weg durch das Hafengelände von unsichtbaren Mächten verfolgt"). Da ich nicht weiss, wie es sich anfühlt von unsichtbaren Mächten verfolgt zu werden, fand ich das interessant. Jetzt habe ich eine Vorstellung davon, wie es sich anfühlen könnte, indem mich die Arbeit mit Hypnose in Nualas Situation versetzte- ich kann nur sagen, dass ich nicht wirklich in diese Situation kommen wollen würde  ;D. Übrigens hat sich dabei auch unbeabsichtigt geklärt, dass die alte Kneipe am Ende der Hafenstraße doch nicht abgebrannt war. Und noch einige andere visuelle Dinge, über die ich mir vorher nicht im Klaren war.
Ich finde es praktisch, diese unbewussten Möglichkeiten mit einzubeziehen. Es ist eine andere Ebene und somit auch nur fast ein "Do it yourself"- aber für mich funktioniert es oft ganz gut.

Liebe Grüße,
*Alaun

Shay

So gesehen mache ich das ganz ähnlich. Ich habe überhaupt mit dem Geschichten erfinden angefangen, weil mir meine Mutter nicht genügend Gute-Nacht-Geschichten vorlesen wollte ;D Bis heute versetze ich mich vor dem Einschlafen in irgendeine Szene, die mich gerade anspricht. Oft schlafe ich ein, bevor es interessant wird, aber oft klappt es auch, daß ich die Szene dann wirklich fühlen kann. "Real" wird es für mich zwar nur in den seltenen Fällen, wo ich dann auch tatsächlich davon träume, aber auch im Halbschlaf ist die Grenze da schon etwas weicher. Nach nunmehr 25 Jahren täglicher Übung kann ich das prinzipiell auch tagsüber, aber da ist es viel schwerer, die Umgebung auszublenden als in einem dunklen Zimmer. ;D