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Wie viel wisst ihr über eure Welt?

Begonnen von Nachtblick, 14. Juni 2009, 13:14:32

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Nachtblick

Hallo zusammen,

ich habe mir jetzt schon öfter die Frage gestellt, ob ich eigentlich überhaupt genug über meine Welt und meine Charaktere weiß. Momentan bastele ich für jeden Charakter an einem ausführlichen Lebenslauf - natürlich nicht nur für die Hauptpersonen, sondern für alle, die oft genug auftauchen, um eine ausführliche Hintergeschichte zu rechtfertigen.

Dazu kommt, dass ich mir erst vor Kurzem das erste Mal Gedanken über die Entstehung des Konflikts gemacht habe, in den mein Bösewicht hineingeboren wird und gerade deshalb die ganze Welt umkrempelt. Ich komme mir reichlich doof vor. Gut, sage ich mir immer, ich habe den Roman mit 12 Jahren angefangen - und stelle nach vier Jahren Schreiben fest, das meine Welt praktisch noch ein Sieb ist. Die Lücken wollen jetzt über den Sommer gestopft werden, aber...

Wie viel wisst ihr denn eigentlich über eure Welten?
Könnt ihr die Geschichte eurer Charaktere (der halbwegs wichtigen Personen) von Geburt an lang und breit erzählen?
Kennt ihr die Entstehung von wichtigen Orten oder den Ursprung von Legenden, oder haltet ihr das für überflüssig?
Könnt ihr sämtliche Kriege und die Beteiligten aufzählen und auch noch sagen, wo sie stattgefunden haben?
Ab wo wirds dann eher zu ausschweifend (ich meine aber das "Hintergrundwissen", nicht die Umsetzung)? :gähn:

Und wie schreibt ihr euch das alles auf? Behaltet ihr alles im Hinterkopf oder besitzt ihr dafür Notizbücher oder...?

Neugierig,
Nachtblick

Jara

Hallo Nachtblick!

Ich denke es kommt wirklich auf den Autor und auch auf den Roman an, wieviel über die Welt bekannt ist.

Was ich hier allerdings nicht dazu zählen würde, sind die Charaktere vor allem Prota - und Antagonisten.
Vielleicht liegt es auch hier nur speziell an meiner Vorliebe und Einstellung, aber ich denke gut ausgearbeitete Charaktere sind das non - plus - ultra einer Geschichte. Ohne sie läuft ja nichts. Die ganze Geschichte baut im Prinzip auf ihren Handlungen auf. Daher darf der Autor seine Charaktere sehr gerne sehr genau kennen. Das heiß ja nicht, dass er alle Informationen auch verwenden und dem Leser auf die Nase binden muss. Sonst landen wir sehr schnell im Infodumpingbereich.

Das Gleiche gilt auch für die Welt. Sehr gerne darf ein Autor alles darüber wissen. Sämtliche geschichtlichen Hintergründe, Schöpfungsgeschichte ect.
Allerdings gilt auch hier, dass man diese Fakten nur einfließen lassen sollte, wenn sie für den Fortgang der Handlung wichtig sind, denke ich.
Wenn man aber vorher schon weiß, dass man für einen bestimmten Roman nur bestimmte Informationen benötigt und andere gar nicht, kann man sie meiner Meinung nach getrost weglassen, auch beim Welterstellen. Wenn es für den Autor trotzdem noch Sinn macht und ihm nicht ein entscheidender Hintergrund fehlt, ist das wohl in Ordnung. So mache ich es zumindest gerade bei meinem aktuellen Projekt.

Grey

Hallo Nachtblick,

Jara hat das schon sehr schön dargelegt:
Ich finde, man sollte seine Welt und seine Charaktere so gut kennen und so schlüssig ausgearbeitet haben, dass man jederzeit jede Frage zu Welt oder Personen schlüssig beantworten könnte.

Das heißt aber nicht, dass man das auch im Verlauf des Romans tun muss. Viele Zusammenhänge kann sich der Leser auch ganz allein erschließen. Und wenn die zusammengereimte Version des Lesers dann ein bisschen von der "Realität" in deinem Kopf abweicht - so what? Hauptsache, der Leser fühlt sich nicht von zu viel Logikmangel verarscht, weil der Autor selbst nicht so genau weiß, was eigentlich in seiner Welt vor sich geht ... ;)

Feather

Hallo Nachtblick

Ich finde als Autor sollte man seine handelnden Personen schon sehr genau kennen. So wie Jara schon sagt sie bestimmen die Handlung, aber man selbst muss ja auch wissen wie sie auf Situationen reagieren und warum, um es dem Leser logisch rüber zubringen.
Von Geburt an bis zum Tod glaub ich muss man nicht alles wissen. In meinem aktuellen Projekt begleite ich meinen Prota vom Jugendlichen an, von dort an weiß ich alles soweit von ihm, aber die Dinge davor liegen im Dunkeln da sie nicht von Nöten sind (hoffe es bleibt auch so).

Mit meiner Welt fülle ich gerade mein Notizbuch bzw. meinen PC und vor allem meinen Kopf; immer wieder erschließt sich mir etwas neues. Ich glaube so von vorn bis hinten wird man seine erdachten Welten nie ganz kennen lernen, irgendwo gibt es immer dunkle Ecken. Doch man sollte sie schon so ausgearbeitet haben, um anderen ein anschauliches Bild zu liefern, auch wenn es für den verlauf der Geschichte unerheblich ist, sollte man gewisse Dinge kennen. Bei erdachten Kriege oder Legenden die nur erwähnt werden, sollte man schon wissen was dahinter steht, da ich finde es ist dann einfacher alles plausibel rüber zubringen.

Tenryu

#4
Ich kenne meine Figuren so gut, wie es die Geschichte erfordert. Das soll heißen, ich mache mir nicht die Mühe, für jeden eine komplette Biographie inkl. Familienstammbaum zu ersinnen, sondern ich habe einen bestimmten Charakter und eine Funktion im Sinn. Die Details denke ich mir dann aus, wenn es notwendig wird.

Das selbe gilt auch für die historischen Hintergründe. Wenn etwa zwei Länder miteinender verfeindet sind, reicht mir das für den Anfang. Wie es dazu kam, und was in den vergangenen dreihundert Jahren sich ereignet hat, wird erst dann ein Thema, wenn es die Handlung erfordert.

Der Vorteil dieser Herangehensweise liegt m.E. darin, daß man sich nicht in überflüssigen und verwirrenden Details verzettelt. Denn je mehr Hintergrundwissen man sich zusammendichtet, desto größer wird die Versuchung, diese auch in die Geschichte einfließen zu lassen, was für den Leser aber oft nur ermüdend und verwirrend ist. Hinzu kommt, daß man sehr acht geben muß, sich nicht unversehens in Widersprüche zu verstricken.

Doch ich denke, daß da jeder Autor seine eigene Methode hat. Manchen macht es sicherlich auch besondere Freude, sich alles ganz genau zusammen zu reimen, noch bevor sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Für mich ist das Schreiben mehr wie eine Schiffahrt durch dichten sich nur nach und nach lichtenden Nebel, geleitet durch den fernen Klang eines Nebelhorns, das mir die ungefähre Richtung weist. Und erst am Ziel erkenne ich, daß alles sich auf wunderbare Weise zu einem Ganzen fügt.

Manja_Bindig

Ob das einfließen von Hintergründen ermüdend ist, hängt IMHO sehr von der Machart und damit von den Fähigkeiten des Autors ab - und Hintergründe einfließen zu lassen, die nicht notwendigerweise den Plot voran treiben, können die Welt durchaus plastisch erscheinen lassen; kleine, am Rand eingefügte Details fügen Bruchstücke zu etwas ganzen zusammen, lassen quasi eine Karte entstehen.
Genauso ist es mit den Charakteren.
Es ist weder für die Charakterentwicklung, noch für den damit verbundenen Plot notwendig, aber kleine Ticks und angewohnheiten meiner Charas machen sie genauso lebendig und greifbar wie ihre inneren Widersprüche und Brüche. z.B. - einer meiner Hauptcharas würde in unserer Welt sehr die französische Küche zu schätzen wissen, alles immer sehr sparsam mit Gewürzen. Außerdem steht er absolut nicht auf Puren Süßkram - trotzdem kann ihm Haferbrei nie süß genug sein, schon gar nicht am Frühstückstisch. Egal wie viel Honig da schon drin ist, er packt prinzipiell noch eine Ladung rein.

Solche kleinen Randnotizen machen das Ganze doch erst plastisch, vor allem, wenn es in anz akute, ruhige alltagssituationen einfließt.

Was die Biografie betrifft: Wir sind, was wir geworden. Unsere Vergangenheit prägt uns; jemand mit einem eher schwierigen Umfeld wird es auch in Zukunft schwer haben, sich auf andere einzulassen, schwerer als jemand, der emotional behütet aufgewachsen ist. Entsprechend - ja, Biografien sind wichtig. Jeder Nebenchara hat da seine kleine Kartei bei mir, auch weil ich mir nicht irgendwann den Vorwurf gefallen lassen will, Schablonen geschaffen zu haben.

Je mehr ich weiß, desto mehr kann ich unauffällig einflechten.

Und prinzipiell ist es der Geschichte zuträglich, wenn ich als Autor mehr weiß, als ich den Leser wissen lasse - das macht neugierig. Wenn ich mir hingegen jeden neuen Fakt erst beim Nötigwerden ausdenke...

Schreibe ich wieder so, wie ich mit 15 geschrieben habe.

Feuertraum

Kurzes OT (sorry)

Ich kann Sie, Nachtblick, in dem Sinne verstehen, dass ich für mein Webseitenprojekt erst mit einem Forum eingestiegen bin und so nach und nach diverse Websprachen kennenlerne und feststelle: Je mehr ich an XHTML und CSS lerne, desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich mir, was wiederum meine Kreativität mit Impulsen füttert und mich auf diese Art und Weise "zwingt", mich auch mit anderen Sprachen zu beschäftigen, was wieder zu neuen Ideen führt.

OT Ende

Ansonsten muss ich gestehen bin ich der Meinung von Tenryu: Ich bin ein Mensch, der viel mit "Wundern" arbeitet, und für mich ist es fatal, von vornherein eine Welt zu erschaffen, in der jeder kleine, noch so unbedeutende Ort nebst Einwohnerzahl, Geburten- und Sterberate festgelegt ist, so dass für ein neues "Wunder" kein Platz mehr ist.
Ich muss gestehen, ich bin auch ein Gegner der Charakterisierung mittels Lebenslauf und Sozialstudie unter der Berücksichtigung von...
Meine Figuren haben ein paar Stärken und ein paar Schwächen.
Damit müssen sowohl sie als auch ich klarkommen.
Helden - egal wie präzise man sie ausarbeitet - machen sich eh selbständig - und...äh...pfeifen auf die Charakterisierung, die man ihnen aufs Auge drückt... ;)

 
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Sooky

Ich hatte immer das Problem zuvor, dass ich so gut wie nichts über meine Welt wusste und zu wenig Planung hatte, um es umzusetzen. Was nicht heisst, dass ich mir keine Gedanken drum gemacht hatte: Ich hatte viele Orte ausgearbeitet, 41 Rassen neben dem "Menschen" ausgearbeitet, deren Vorkommen, deren Eigenschaften, u.s.w...
Nur leider habe ich nicht das ausgearbeitet, was für den Plot wichtig war. DAS war mein grosser Fehler. Ich brauche planung, um anständig schreiben zu können und das kann man als einer meiner Schwächen ansehen. Ich muss einen Anhaltspunkt haben, auch wenn von mir selber festgelegt. Also habe ich mir für mein neues Projekt wirklich viele Gedanken gemacht und Kultur, u.s.w. ziemlich genau gestaltet. Trotzdem habe ich noch mehr als genügend Platz und Lücken, die noch während der Geschichte gestopft werden müssen und ich habe demnach auch genügend Freiraum.

Charaktere im Gegenzug... naja, einerseits entwickeln sie sich natürlich. Aber ich habe immer eine gewisse Rolle für die Charaktere, und die müssen sie dann erfüllen, das setzt bestimmte Charaktermerkmale oder Hintergrundsgeschichten voraus. Ich bin sehr penibel mit meinen Charakteren und werkle wirklich genau an ihnen, besonders tendiere ich dazu, ihre Charaktereigenschaften und gewisse Verhaltensweisen zu definieren - z.B. bei Nervosität: knabbern sie jetzt an der Unterlippe, beissen sich die Nägel, schaben mit den Füssen oder fummeln sich am Haar herum? Tendieren sie dazu, die Augenbrauen hochzuziehen, oder die Stirn zu runzeln?  :rofl: Ja, das sind unsinnige Sachen, aber diese details machen mir am meisten Spass. Ansonsten müssen sie meist mindestens einen definierenden Charakterzug haben.
Aber das ist halt persönliche Vorgehensweise... Es mag sein, das andere frischgebackene Ideen einfach ins kalte Wasser platschen lassen und sehen, was rauskommt, kann ich mir vorstellen. Vielleicht nicht unbedingt für extrem komplexe, lange Plots, aber... (;

Churke

Auch ich mache mir nur über das Gedanken, was für die Geschichte unerlässlich ist. Ich will mich nicht mit Dingen belasten, die nur meine Kreativität einschränken. Lieber schreibe ich ein Kapitel drei Mal neu - im festen Wissen, dass es mit jeder Änderung besser geworden ist.

Sofern es nicht für die Geschichte wichtig ist, mache ich mir auch keine Gedanken - jedenfalls keine konkreten - über die Biographie einer Figur. Wenn ich weiß, was eine Figur tut, wie sie denkt und redet, dann interessiert es mich einfach nicht, was sie früher so gemacht hat. Im wirklichen Leben ist es für mich auch so.

Coppelia

#9
Die Frage ist ja mal interessant, hat mich zum Denken gebracht. :)

Ich gehe mit meinen Figuren um, wie ich es auch im NSC-Band getan habe. Ich häufe nicht eine Menge von Fakten über sie an, sondern arbeite anhand einer Art Auswertung der Lebenssituation, in der sie stehen, wenn ich ihnen zum ersten Mal begegne, ihre Charaktermerkmale und ihren "Werdegang" heraus. Dann versuche ich mich bis zu ihrem "Wesenskern" vorzuarbeiten, der vor allem in ihrer generellen Motivation zu handeln besteht, aber auch aus dem Wissen, wie sie zu dem geworden sind, was sie sind u. ä. Von dort ausgehend, kann ich das Verhalten der Figuren quasi voraussehen, und zwar in jeder beliebigen Situation. Wenn dann eine Frage offen ist, was auch immer, z. B. wie die Kindheit der Figur war, wie sie auf ein Heiratsangebot eingeht, ob sie gern eine Party besucht usw., kann ich die Frage dann meist problemlos sofort beantworten.
Von einigen Figuren weiß ich auch mehr, aber von allen Figuren muss ich diesen "Kern" kennen.

Ich glaube, Hintergrundinfo kann man nie genug haben, weil es die Welt glaubwürdig macht. Man muss es nicht im Roman aufschreiben, aber es ist wichtig, um die Figuren zu verstehen. Nur als kleines Beispiel: Ich denke, ein Mensch, der fest überzeugt ist, dass man nach dem Tod für seine Sünden bestraft wird, lebt in einer anderen Gedankenwelt als jemand, der nicht daran glaubt.

edit: Huch ... ich hätte schwören können, das Thema hieß, wie viel man über die Charaktere weiß ... zur Welt schreib ich vielleicht nachher noch was. :-[

FeeamPC

#10
Frage zurück: wieviel weißt Du über Deine Welt? Nicht die in den Büchern, sondern die real existierende?
Die meisten Menschen kommen prima mit einer Welt klar, über die sie nicht allzuviel wissen, insbesondere weiß der Durchschnittsbürger herzlich wenig über Ökologie, Ökonomie, Politik und Geschichte. Dazu kommt, daß die Geschichte auch real bestenfalls lückenhaft ist und reichlich Fehler hat, weil sie ja meist von den Siegern und damit recht einseitig geschildert wird. Das ergibt Logikbrüche und Riesenlöcher auch in der realen Welt.

Warum sollte eine erfundene Welt perfekter sein?

Murphy

Puhu, das sind gute Fragen Nachtblick, und ich habe mich mal gründlich damit beschäftigt.

Wie viel wisst ihr denn eigentlich über eure Welten?
Ich hatte wirklich bedenken, ich wüsste nicht genug über meine Welt, weil meist meine Co-Autorin die welten, in der die Geschichten spielen, entwirf. Auch bei unserem Heyneprojekt war das so.
Aber mir ist dabei eine Sache grundlegend aufgefallen.
Ich kenne die Welt. Ich weiß viel über die Welt, gerade deswegen weil all diese Dinge enorm wichtig für das Handeln und die Entwicklung der charaktere war.
Allen voran den Einwohnern der einzelnen 'Länder. Ich war selbst erstaunt. Aber es ist wahr. Ich konnte die Fragen, die ich mir selber gestellt habe beantworten und denke, das es einfach auch mit der charakterentwicklung zu tun hat (mehr dazu nachher)
--> alles was ich vom Wissensstandpunkt her kennen muss, Zeitrechnung, Sternzeichen, Worte bzw gewisse Festlichkeiten, Regeln und Strukturen habe ich in einem Notizbuch festgehalten. Es ist vergleichbar mit einem REgelwerk für Rollenspiele (orientiert vom Aufbaustil an den World of Darknessbüchern) einfach das ich, wenn ich etwas nicht mehr so ganz im Kopf habe, nachschlagen kann. Allerdings hat sich durch die Schreibpraxis (gut zwei Kapiel am Tag in meiner kreativen hoch-zeit) doch mittlerweile mehr als nur gut bescheid weiß. Wenn ich schreibe, ist es einfach unpraktisch immer etwas nachzublättern, insofern haben sich die Sachen in mein Hirn gebrannt.

Könnt ihr die Geschichte eurer Charaktere (der halbwegs wichtigen Personen) von Geburt an lang und breit erzählen?
JA - das kann ich. Bevor ich meine Charaktere nicht selbst kenne, kann ich sie meist gar nicht schreiben. Das gilt teilweise auch für die charaktere, die nicht andauernd auftauchen, sondern nur mal einen Auftritt haben in einem Kampf oder so. Das klingt jetzt doof aber ich bin Charakterfixiert.
Was daran liegt, dass meine aller ersten Charaktere, die ich geschrieben habe, absolut flach, platt und - entschuldigt den Ausdruck - scheiße waren. Seither sind meine Charaktere meine Lieblinge. Ich kenne sie, ich kann mir vorstellen, dass sie jeden Moment durch die Türe treten und mich mit ihrer typisch liebenswerten Art anschreien - hust - oder hereinkommen und einfach irgendwas tun.
Die meisten Aspekte der Vergangenheit meiner Charaktere ist einfach auch wichtig. Klar, man muss nicht JEDEN TAg wiedergeben können aber doch was geschehen ist, schulzeit oder Aufziehen und aufwachsen in der Familie, was sie getan haben ob sie es gern oder ungern getan haben - wie sie waren in diesen einzelnen Bereichen.
Ich bin wahrscheinlich wirklich Charakterfetischist und -fanatikerin.

Kennt ihr die Entstehung von wichtigen Orten oder den Ursprung von Legenden, oder haltet ihr das für überflüssig?
Ui, das wiederrum ist eine schwere Sache. Bei meiner Heynegeschichte kenne ich dies tatsächlich, was aber auch hier wieder daran liegt, dass es für die Geschichte und die Charaktere eine enorme Wichtigkeit hat.
Allgemein denke ich, dass es auch darauf ankommt, wie wichtig das für die Geschichte und die Welt ist. Ich denke die wichtigsten Dinge wie REligion, enorm bedeutsame Feste und Kriege in der Geschichte sollte man schon kennen, da sie doch die Charaktere in ihrem Handeln beeinflussen.
Einfach deswegen, weil Religion die Gesellschaft beeinflusst und die anderen Dinge doch für die Intentionen des Charakters wichtig sein können oder für die Gesellschaft in der er sich bewegt.

Aber hier muss ich auch sagen, dass dies alles erstmal für mich gilt. Ich orientiere mich doch an so etwas und ich will nicht behaupten, dass Autoren tolle schöne spannende Geschichten schreiben können und das auch ohne das sie jeden Pups der Welt kennen.

Könnt ihr sämtliche Kriege und die Beteiligten aufzählen und auch noch sagen, wo sie stattgefunden haben?
Lol das ist so eine Sache. Wie gesagt die wichtigsten, verändernsten Dinge möchte ich persönlich für mich immer wissen. Auch die Parteien, die darin verwickelt waren und wo vielleicht die größte Schlacht stattgefunden hat. Aber es kommt eben auch wieder darauf an, wie sehr es die Welt beeinflusst hat.

Ich denke zu ausschweifend wird es, wenn man anfängt dinge zu erwähnen die für den Lauf der Geschichte nicht wirklich von Bedeutung ist. Aber andererseits, wenn man all sein Wissen nicht in die Geschichte direkt ein bringt, kann es ja doch von Bedeutung sein.
Hm eine schwere Frage, ich.

Zudem muss ich FreeamPC teilweise zustimmen. Was wissen wir über unsere Welt? Nicht alles, soviel steht fest ABER auch wenn ich nicht weiß, wie die Politik ist, so gibt es doch andere Menschen in meinem Umfeld, die es wissen und durch dieses Wissen beeinflusst werden.
Wenn ich nicht weiß was in der Geschichte passiert ist, hat es doch die Welt in der ich lebe beeinflusst. Es ist eben vielleicht zwar wichtig als Autor zu wissen was in meiner Welt REAL passiert ist, aber auch, wie es unter den Menschen verbreitet ist.
Es gab also einen KRieg. Real weiß man: Der und der war der gewinner und der und der hat den Krieg angefangen. Das weiß ich als Autor,so war es wirklich. Aber mein Prota ist jetzt auf der Seite der verlierer. Die erzählen immer, die anderen hätten den Krieg angefangen, dass muss natürlich auch einbezogen werden


Ergo: Eine Welt selbst zu erfinden ist eine enorm schwere und umfangreiche Sache - wie ich finde. Es ist nichts, was man eben so machen kann. Nichts, sag ich mal, was man innerhalb von einer Stunde wirklich schafft - zumindest ich nicht.

P.s. All das geschriebene ist natürlich meine Perspektive und ansicht der Dinge  ;D Ich persönlich brauche eben die Infos für mich um meine Charaktere zu meiner Zufriedenheit zu schreiben. Jeder denke ich, ist da unterschiedlich mit dem was er braucht. Entscheidend ist glaube ich, das es funktioniert wie man es selbst macht.

eclipse

Zitat von: FeeamPC am 15. Juni 2009, 09:30:21Warum sollte eine erfundene Welt perfekter sein?

Weil genau das doch den Reiz ausmacht, sonst würden Regionalzeitungen und Geschichte-Lehrbücher als Bettlektüre unter deutschen Kopfkissen liegen. :buch: Romane sollen ein gewisses Gesamtbild von Kultur, Politik, Religion usw. vermitteln, nicht nur ein winziges Spotlight auf Protagonist A mit Problem X setzen.
Schließlich geht es normalerweise nicht um Frau Maier, die eine Delle in das Auto ihres Ehemanns gefahren hat und jetzt nicht weiß, wie sie ihm das am schonendsten beibringen soll, sondern um weitreichendere Probleme, die im und durch den Zusammenhang mit Kultur, Politik, Religion usw. überhaupt erst entstanden sind. Sicher heißt das nicht, dass fiktive Welten vollkommen ausgearbeitet und perfekt sein müssen. Aber wenn man ihr Repertoire auf das Wissen und den Alltag eines Durchschnitts-Bürgers beschränkt, landen wir vermutlich irgendwo im Biedermaier. :hmmm:

Ich arbeite Dinge umso genauer aus, je mehr sie mir selbst am Herzen liegen. Was mich an meiner Welt selbst nicht interessiert, das wird als logische Konsequenz auch nicht in der Geschichte angesprochen. Aber da es sich dabei eben nicht um unsere Welt handelt, braucht es gewisse Hintergrundinformationen, damit man sich in das Wertesystem dieser Welt hinein denken kann. Ich überlege mir immer gern, was in der Gesellschaft als sittlich angesehen wird, wie man zu den Autoritäten dort steht und welche typischen Feindbilder es gibt. Ausgehend davon lassen sich dann auch einzelne Charaktere schön herausformen. Die Geschichte von Städten und Ländern beschränkt sich bei mir auf ein paar grobe Ereignisse, um besagte Feindbilder zu erklären. Ausführlichere Gedanken mache ich mir dann eher zu Fragen, woher die einzelnen Rassen stammen oder woher die Magie kommt, wie sie funktioniert und welche Grenzen ihr gesetzt sind.

Ich finde, das Problem ist nicht das Ausdenken solcher Welten-Hintergründe (mit entsprechendem Schreibvermögen kann man selbst die absurdesten, oberflächlichsten Schnapsideen plausibel und unterhaltsam in einen Text einbinden), sondern vielmehr das Ausfiltern, was davon für den Leser relevant und interessant ist und was man ihm besser vorenthalten sollte. Ich bin da leider häufig zu ausführlich und fürchte, dass mir das viele Leser übel nehmen werden. Wie Grey meinte: vieles kann man sich selbst zusammenreimen, ohne dass es explizit da steht, und genau das macht für viele Leser auch den Spaß aus. Ein Mangel an Logik kann nerven, aber zu viel Hintergrund gängelt oder langweilt dann unter Umständen.

Mit dem Verweis auf Douglas Adams' "42 will do" plädiere ich also wieder einmal zu mehr Mut zur Lücke. Wenn ich es oft genug gesagt habe, halte ich mich vielleicht irgendwann auch selbst daran. :innocent: Zu viel von den Hintergründen schriftlich festzuhalten killt auf jeden Fall reichlich Zeit, die man sinnvoller in das Opus Maximus hätte investieren können.

Manja_Bindig

@Fee: Ja, aber um festzulegen, was meine Charas nciht über die Welt wissen, muss ich erstmal die Welt selbst kennen. Dass Charas nicht alles über ihre Welt wissen ist klar - aber ich als Autor sollte doch mehr wissen als sie und der Leser.

Ohne jetzt ne religiöse Diskussion vom Zaun brechen zu wollen, aber so es einen Gott gibt, der die Welt erschaffen hat(zumindest ihre Basis, was wir dann draus gemacht haben... tja), wird er aller Wahrscheinlichkeit nach diese Welt sehr genau kennen, oder? (ansonsten könnte man jetzt die Allmächtigkeit in Frage stellen)

Fakt ist - Das ncihtwissen meiner Charas lässt sich nur aus meinem Autorenwissen aufbauen.

FeeamPC

Ich gestehe, ich bin Bauchschreiber- meine Welten entwickeln sich mit der Geschichte. Was ich mehr weiß als meine Protas hält sich also sehr in Grenzen. Immer, wenn mir etwas Neues zu der Welt einfällt, wird es notiert und darauf überprüft, ob es sich ohne Brüche in die bekannte Welt integriert, aber das war´s schon. Ich entwerfe die Welt nicht vorher.

Nur das, was bereits bekannt ist, muß zueinander passen. Für den Leser ist wichtig, daß die Welt in dem Buch funktioniert und ihm keine Unstimmigkeiten auffallen. Ich genieße auch die Odyssee, ohne die einzelnen Orte, an denen Odysseus seine Abenteuer erlebt, wirklich zu kennen, und es ist mir beim Lesen herzlich egal, in welchem Jahr welcher mythische König tatsächlich regiert hat.

Meiner Meinung nach ist es zwar für den Autoren ein nützliches und manchmal auch vergnügliches Spielzeug, seine Welt detailliert zu entwickeln (die dann in die Geschichte einfließenden Details bringen Lokalkolorit), aber für die Geschichte selbst braucht es hauptsächlich eine stimmige Handlung und gute Charaktere, das ist für den Leser das A und O.