Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Czara Niyaha am 09. Juli 2019, 20:21:11

Titel: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 09. Juli 2019, 20:21:11
In meinem aktuellen Projekt habe ich eine komplett andere Zeitrechnung, die nicht mit der uns vertrauten zu vergleichen ist. Diese Idee und die Welt ist über Jahre gewachsen und ich hänge wirklich sehr daran. Ich versuche es so umzusetzen, dass der Leser durch die Charaktere, sowie die Handlung ein Verständnis für die Welt vermittelt bekommt. Und doch ist meine große Angst, dass es genau daran scheitert, weil die meisten meiner "abgehobenen Denkweise"  ??? nicht wirklich folgen können. Mir ist diese Welt vertraut und irgendwie fühlt es sich falsch an, das Zeitkonzept zu verwerfen. Aber vielleicht klammere ich mich auch einfach zu sehr daran... Oder gibt es hier einen Spezialisten unter euch, der mir ein Tipp geben kann bezüglich Zeitrechnung?
Habt ihr schon einmal schweren Herzens eine Idee verworfen?
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Alana am 09. Juli 2019, 20:35:39
Ist diese Zeitrechnung denn so wichtig, dass man die sofort am Anfang einführen muss? Kann man die nicht Stück für Stück bringen?
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Lucia am 09. Juli 2019, 20:41:30
Hast Du schon mal versucht Deine Zeitrechnung jemanden der sich wirklich für Fantasy und Co interessiert zu erklären?
Ich hab die Erfahrung gemacht dass es einen Riesen Unterschied macht ob jemand was mit dem Genre anfangen kann, also per se offen dafür ist auch ein bisschen Zeit zu investieren um es zu verstehen oder es sowieso nur als Pflichtübung ansieht.
Dann hättest Du schon besseres Feedback ob es wirklich zu kompliziert ist?
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 09. Juli 2019, 20:52:03
Der Leser bekommt nicht gleich die volle Dosis, sondern wird Seite um Seite in die Welt und die Zeitrechnung eingeführt.  Und doch ist meine Sorge, dass die Erklärungen "Warum, wieso, weshalb" meine Welt so funktioniert nicht wirklich nachvollziehbar für den Leser ist.
Meinen Mann konnte ich bisher nicht wirklich von meiner Welt überzeugen. Seine Aussage: Er wird einfach nicht mit dem Zeitkonzept und dem Magiesystem meiner Welt warm. Klar, ziemlich hart und ernüchternd. Aber eine ehrliche Meinung ist mir lieber, als alles schön reden. Aber dennoch bringt mich das nicht von meiner Idee ab . Eine sehr gute Freundin von mir ist zumindest teilweise vertraut mit dem Konzept meiner Welt. Sie meint, dass die entscheidende Frage ist, wie ich es umsetze.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Lucia am 09. Juli 2019, 21:00:41
Es geht ja auch nicht um beschönigen, aber wenn jemand sonst nur Sachbücher liest (als Beispiel und no offense) ist es halt fraglich wie sehr sich die Person auf so ein Setting einlassen will.
Am besten wäre ein geneigter Leser ohne Freundschaftsspiel-Bonus (solche sind leider immer nicht ganz einfach zu finden)
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Sturmbluth am 09. Juli 2019, 21:02:17
Ich finde, du stehst vor einer grundsätzlichen Entscheidung: willst du ein Produkt entwickeln, das viele Leserinnen und Leser erreicht? Dann solltest du dich von der speziellen Zeitrechnung trennen, denn deine innere Stimme sagt dir, dass es nicht passt, und dein Mann bestätigt das.

Oder willst du dein Herzensprojekt schreiben? Dann sollte es dir egal sein, ob du viele Leserinnen und Leser damit erreichst. Es wird immer jemand geben, dem es gefällt. Vielleicht werden es weniger sein, aber du musst dein Baby nicht verbiegen, nicht "markttauglich" machen.

Ich würde zu Letzterem raten. Trau dich was und feile weiter an der Verständlichkeit/Zugänglichkeit.
Und denke immer daran: irgendwann saßen irgendwo Leute beisammen und einer hat "Haie in einem Tornado" vorgeschlagen – und heute gibt es sechs Teile davon ... ;D


Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Mindi am 09. Juli 2019, 21:04:50
Ich denke man kann vieles machen, auch komplizierte Zeitrechnungen und Magiesysteme, sofern sie in sich schlüssig sind, Regeln folgen und Einschränkungen haben.
Sofern sich dieses System nicht jedes Mal biegen lässt, um es für einen "Sieg" auszunutzen oder einen Twist, denke ich, dass alles möglich ist, sofern es gut herüber gebracht wird.

Ließt dein Mann Fantasy, also Fantasy in der Art, wie du sie schreiben willst? Ich wäre spontan eher bei deiner Freundin: es kommt darauf an, wie du es umsetzt.
Im Zweifel werden dir dann deine Testleser sagen können, an welchen Stellen es zu kompliziert oder unlogisch ist. Dann kannst du das gezielt angehen.

Oder du versuchst es hier im Thread zu erklären, oder vielleicht in einer geschlossenen Gruppe (Dieser Bereich ist öffentlich, wenn mich nicht alles täuscht) oder via PM. Du kannst auch versuchen in der Betaleservermittung einen Paten zu finden.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Alana am 09. Juli 2019, 21:05:21
Vielleicht kann man das Konzept ja vereinfachen oder die Vokabeln zur Beschreibung ändern, um es einfacher zu machen?
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 09. Juli 2019, 21:22:27
Danke erst einmal für eure Antworten.  :) Ich will meine Geschichte nicht zurechtbiegen um sie dem Markt anzupassen. Ich will sie schreiben und erzählen, sowie ich von überzeugt und begeistert bin. *Lächel* Mein Mann ist  bereits seid Jugendzeiten begeisterter D&D Spieler. Diese Leidenschaft teilen wir auch mittlerweile gemeinsam. Er ist nicht fremd im Fantasy Genre. Allerdings überzeugt ihn eher die klassische Fantasywelt wie z.B: Die D&D Welt, Herr der Ringe. Damit ist er aufgewachsen, das ist ihm vertraut.
Es ist schwer für mich jemand zu finden, der Ahnung von der Materie hat, aber bei dem ich nicht den Freundschaftsbonus habe. Was meine Freundin betrifft. Sie kennt mich schon sehr lange und sagt mir auch offen und ehrlich ihre Meinung. Allerdings hat sie mein Projekt über die Jahre auch mit begleitet. Sie ist zumindest mit dem Grundkonzept meiner Welt vertraut. Falls jemand Interesse hat über einen persönlichen Austausch, dann bitte eine PN schicken.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Max Quellstein am 09. Juli 2019, 21:29:56
Ist denn die Zeitrechnung ein wichtiges Thema in deinem Projekt?

In meinen ersten Romanen habe ich ebenfalls eine eigene Zeit, aber die wird halt nur selten angesprochen. Eigene Magiesysteme sind auch ok, selbst wenn sie kompliziert sind. Anfangs habe ich auch immer versucht, alles bis ins kleinste Detail zu erklären. Im ersten Roman habe ich es noch als Text hinein gebracht, mittlerweile lasse ich Charaktere solche Dinge in Dialogen besprechen, wenn es auch wirklich im Buch vorkommt.

Ein Beispiel aus meinem ersten Roman:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Alana am 09. Juli 2019, 21:32:24
Eine Geschichte so zu erzählen, dass Leser sie verstehen und mögen, ist nicht zwangsweise Verbiegen, sondern eigentlich nur gutes Handwerk. :) Oft sind die ersten Ideen nicht die besten und vieles gewinnt, wenn man es vereinfacht. Das bedeutet auch nicht, dass man es zwangsweise simpler macht. Etwas kann sehr raffiniert sein, gerade weil es einfach ist.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: traumfängerin am 09. Juli 2019, 21:34:26
George R.R. Martin hat in seinen Büchern ein ganz anderes Jahreszeiten-System etabliert, als wir das gewohnt sind. Und er hat es geschafft. Wenn man jetzt "Der Winter naht" sagt, ist völlig klar, dass damit etwas anderes gemeint ist als mit einem netten Eislauf- und Schlittenfahr-Winter. Und ja, dieser Winter kann mehrere Jahre dauern, und das wurde von den Lesern fraglos akzeptiert.

In Büchern und besonders in der Fantasy ist unglaublich viel möglich. Versuch dir bewusst zu machen, ob deine Zweifel tatsächlich aus dir selbst herauskommen, aus dem Gefühl heraus, dass etwas daran einfach nicht passt. Dann kann es richtig sein, dein Zeitsystem zu verwerfen, bzw. zu vereinfachen. Vielleicht aber sind diese Zweifel dir auch nur durch die Zweifel deines Mannes übergestülpt worden. Dann kann es das Richtige sein, an deiner Art, dieses Zeitsystem zu vermitteln, zu arbeiten, dass dies für den Leser einfacher zu verstehen wird.

Ein weiterer Denkanstoß wäre es, dich zu fragen, ob deine Welt auch ohne das Zeitsystem funktionieren würde. Bei G.R.R. Martin z.B. ist die Jahreszeiten-Sache essentiell für die Story. Die weißen Wanderer sind die äußere Bedrohung, und diese bringen den Winter mit sich. Dass die Jahreszeiten anders sind, macht also Sinn - und erhöht somit die Bereitschaft des Lesers, sich auf dieses System einzulassen. Je wichtiger dein Zeitsystem für deine Story ist, desto leichter fällt es dem Leser, dies auch nachzuvollziehen, weil dann Handlung und Zeitsystem ganz eng miteinander verknüpft sind. Wenn das Zeitsystem nur ein nettes Detail am Rande ist, kann es immer noch seine Berechtigung haben (die Fremdheit der anderen Welt kann damit z.B. gezeigt werden), aber dann könntest du dich fragen, ob es dir so wichtig ist, dass du dafür in Kauf nimmst, dass der Leser zunächst irritiert davon ist.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 09. Juli 2019, 21:39:54
Zitat von: Alana am 09. Juli 2019, 21:32:24
Eine Geschichte so zu erzählen, dass Leser sie verstehen und mögen, ist nicht zwangsweise Verbiegen, sondern eigentlich nur gutes Handwerk. :) Oft sind die ersten Ideen nicht die besten und vieles gewinnt, wenn man es vereinfacht. Das bedeutet auch nicht, dass man es zwangsweise simpler macht. Etwas kann sehr raffiniert sein, gerade weil es einfach ist.

Da stimme ich dir zu. Was mich betrifft habe ich einfach Zweifel, ob ich dem gewachsen bin, weil ich nicht viel Erfahrung vorweisen kann. Aber man lernt und wächst mit seinen Aufgaben.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 09. Juli 2019, 21:42:06
@ Traumfängerin: Ohne das Zeitsystem würde die Welt nicht funktionieren und umgekehrt.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: traumfängerin am 09. Juli 2019, 21:46:25
Und was ist mit deiner Geschichte? Würde die ohne das Zeitsystem und in einer anderen Welt funktionieren? Oder könntest du es so variieren, dass es funktioniert? Versuche ruhig ein bisschen zu experimentieren, deine Plot-Gedanken auf andere Wege zu schicken. Vielleicht kommt dabei etwas Cooles raus. Und wenn du wieder zu deinem ursprünglichen System zurückkehrst, dann weißt du ganz genau, dass du diese Geschichte genauso schreiben willst und kannst Zweifeln sehr entspannt begegnen.  :)
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 09. Juli 2019, 21:49:00
Auf das Experiment lasse ich mich ein.  :)
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Churke am 10. Juli 2019, 14:35:31
Die Frage ist, was du damit erreichen willst. Die Französische Revolution führte die dezimale Zeitmessung ein. Die Woche hatte 10 Tage, der Tag 10 Stunden, die Stunde 100 Minuten und die Minute 100 Sekunden.

Um den Wahnsinn einer Revolution zu zeigen, die um die Wette guillotiniert, ist das perfekt. Für alles andere ist es nicht zu gebrauchen, weshalb es auch wieder abgeschafft wurde.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: FeeamPC am 10. Juli 2019, 14:57:20
Ich hatte ursprünglich für meine Fantasy-Welt ein anderes Zeitsystem. Zum Beispiel ein Jahr, dass nach unserem Messsystem 18 Monate umfasste.
Davon bin ich ziemlich schnell wieder abgekommen. Unter anderem, weil, wenn nur Jahre angesprochen wurden, erwachsene Charaktere bei den Lesern als minderjährig ankamen. 18 Jahre nach unserer Zeit, da waren die Leute in meiner Fantasy-Welt erst 12. das hat einfach viel zu viel Verwirrung gestiftet.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Trippelschritt am 10. Juli 2019, 15:12:13
Wenn diese andere Zeitrechnung eine existentielle Bedeutung für Deinen Plot hat, bleib dabei, aber lass alle Erklärungen weg. Erklärungen sind für Spannung und Unterhaltung ungefähr so bedeutsam wie die Wollschlüpfer der Urgroßeltern für Erotik. (Dieser Vergleich stammt nicht von mir, hat mich aber einmal enorm beeindruckt.) Wie Deine Leute mit der Zeit umgehen, muss als erklärung genügen.

Ist aber Deine Zeitrechnung nur eine Ausschmückung der Geschichte, dann fällt sie in die Kategorie: "Kill your darlings".

Es gibt jede Menge Ideen, die eine Geschichte nicht besser, sondern schlechter macht. Und will schon absichtlich eine schlechte Geschichte schreiben.

Ich habe übrigens mal mit fünf Himmelsrichtungen gearbeitet. Das war grenzwertig. Ich weiß nicht, ob ich das heute auch noch mal so machen würde. Wahrscheinlich würde ich ganz darauf verzichten, wie ich es später gemacht habe. Da gab es dann nach dem Stand der Sonne: Morgensonne, Mittagssone, Abendsonne und den Nachtstern.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: canis lupus niger am 10. Juli 2019, 22:33:25
Zitat von: Trippelschritt am 10. Juli 2019, 15:12:13
Wenn diese andere Zeitrechnung eine existentielle Bedeutung für Deinen Plot hat, bleib dabei, aber lass alle Erklärungen weg. [...] Wie Deine Leute mit der Zeit umgehen, muss als erklärung genügen.

Ist aber Deine Zeitrechnung nur eine Ausschmückung der Geschichte, dann fällt sie in die Kategorie: "Kill your darlings".
e

Bravo!

Alan Burt Akers schuf für seine vielbändige Antares-Reihe eine Welt, die "eine komplizierte Zeitrechnung hat, weil sie auf der Grundlage eines Sonnensystems mit zwei Sonnen und eines Planeten mit mehrern Monde beruht" So oder ähnlich beschrieb er das. Und das war alles, was er dazu erläuterte. Im Übrigen gab es in dieser Welt Tage und Jahreszeiten. Mehr habe ich beim Lesen nicht gebraucht und deshalb nichts vermisst.

Pratchett (der für mich in vieler Hinsicht Maßstäbe gesetzt hat) schuf für seine Scheibenwelt eine kalte Mitte (weil sich die kleine Sonne um die Welt herum bewegte und es am Rand dementsprechend wärmer war, und die Himmelsrichtungen mittwärts, randwärts, drehwärts und ... äh, ich glaube rückwärts. Vielleicht völliger Nonsens, aber in sich logisch und treffend. Was braucht ein glücklicher Leser mehr?

Die Astronomie Deiner Welt mag in sich wunderbar komplex und ausgearbeitet sein, liebe @Czara, aber muss Dein Leser sie vollständig kennen und verstehen, um das Buch verstehen und zu lieben zu können?

By the way, um GRR Martins seltsame Jahreszeiten gab es durchaus reichlich Diskussionen. Wie können Pflanzen und Tiere einen mehrjährigen Winter überstehen? Wieviel Lebensmittel muss (und kann) man einlagern, um mehrere tausend Menschen und ihre Nutztiere über einen mehrjährigen Winter zu bringen? Wie lange können die sich halten? Ich meine, dass Martin sich da schon einige Nachlässigkeiten zuschulde kommen lassen hat. Aber vor dem Hintergrund dieser grandiosen Geschichte sind das nur unbedeutende Details, wie die Sache mit den Nachrichten überbringenden Raben und den "Knappen", die im Alter von 6 Jahren Männerarbeit leisten können. Das sind Dinge, die nicht funktionieren können, aber die Leser lieben die Geschichte trotzdem.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Möchtegernautorin am 11. Juli 2019, 09:21:42

Ich kann mich meinen Vorrednern eigentlich nur anschließen: Es ist nicht eine Frage, wie komplex deine Zeitrechnung und dein Magiesystem ist, sondern ob du es schaffst, das verständlich an deine Leser heranzutragen und vor allem erstmal nur die Häppchen zu präsentieren, die sie verstehen müssen  :) Ausführen kann man das immer noch später, wenn es nötig wird. Ich zum Beispiel liebe Magiesysteme – auch wenn ich sie nicht immer ganz begreife. Und ich kenne noch eine Autorin, die für solche Dinge schwärmt. Von daher, Publikum findest du auch bei komplexeren Dingen in jedem Fall.

Bei solchen Beispielen weise ich gerne auf Patrick Rothfuss hin. Der hat es nämlich wirklich geschafft, dass man sich als Leser ziemlich klug vorkommt, und nur, weil er ein klein wenig ,,reale" chemische und physikalische Eigenschaften auf sein System transferiert hat, um es zu erklären; Dinge, die wirklich jeder schon mal in der Schule hatte.
So lange du dich da an eine Basis hältst, die das Ganze möglich einfach aber ohne Verfälschung erklärt und die die meisten Menschen auch kennen, sollte es eigentlich klappen. Den Grundsatz habe ich mir übrigens aus der Wissenschaftskomminikation entliehen  ;)
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Belgerog am 11. Juli 2019, 15:08:48
Ich habe mir eine ähnliche frage gestellt.

Wie mache ich die Zeitrechnung.?

Ich habe mich aber letztendlich dazu entschieden ein System zu nutzen was unserem Kalender ziemlich ähnlich ist. Meine Gedanke dazu war... wenn es zu kompliziert wird muss ich das im Buch ggf. erläutern und es dem Leser erklären. Wenn ich allerdings ein System nutze was unserem Kalender zumindest ähnelt kann ich mir da viel Arbeit ersparen.

Ich habe ziemlich lange Zeiträume. Meine Geschichte hat Ereignisse die bis zu 1000 Jahren zurückgehen.

Wenn ich dann schreibe 1000 Jahre weiss jeder was gemeint ist.
1000 Jahre = 12000 Monate.

Wenn ich aber (ein Beispiel aus dem Thread) 18 Monate als ein Jahr hätte.. dann wären

1000 Jahre =  18000 Monate
oder ich habe nur 666 Jahre (nach unserer Rechnung)

Alles in allem fand ich es viel einfacher das klassische Denkmuster zu bedienen.

Mein Kalender hat 12 Monate a 30 Tage
Dann dazu 5 zusätzliche freie Tage die einen Besonderen Bezug erhalten

Ein Tag hat 24 Stunden
Eine Woche hat 10 Tage (Da unterscheide ich mich.) Ich habe mich dazu am agyptischen Kalender orientiert in dem bei einer Woche von einer Dekane die Rede ist.
Fantastisch genug und doch recht einfach.

Somit hat mein Jahr 36 Wochen und 5 Tage zusätzlich.

Ich bin aber ein Riesenfan von Zahlen und Systemen.
Wenn du magst kannst du mich gern als Kalender/Zeit "Beta" nutzen um eine Meinung zu bekommen wie verständlich das ganze ist. bzw. Wie verständlich ich es finde.

Gruß Belge
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Coppelia am 11. Juli 2019, 15:28:52
Wie einige hier vorgeschlagen haben, denke ich auch, dass du dein System behalten kannst und die Informationen, die du brauchst, vermitteln, auch ohne darauf zuzugreifen.
Wenn es z. B. darum geht, längere oder kürzere Zeiträume zu definieren, kannst du die Reaktionen der Menschen beschreiben:

"Mein Partner ist vor 4 Pukis verstorben." --> Je nachdem, wie intensiv die Personen ihr Mitgefühl ausdrücken, kann man davon ausgehen, dass es ein längerer oder kürzerer Zeitraum ist.
"Achtung, Explosion in 4 Pukis!" --> Alle bringen sich hektisch in Sicherheit.
"Wie lange wird es dauern, die Maschinen zu reparieren?" - "Etwa 4 Pukis." - "Soviel Zeit haben wir nicht, bis dahin sind sämtliche Trinkwasservorräte hier unten aufgebraucht!"
Die Information durch die Reaktion wäre hier erher, ob etwas lang oder kurz dauert oder gedauert hat, nicht, was genau ein Puki ist.

Das sind nur Beispiele, aber ich denke, es ist verständlich, was ich meine, selbst wenn dein System komplett anders sein sollte. Vermeiden würde ich Dinge wie "Ihre rosigen Wangen verrieten, dass sie nicht älter als 4 Pukis sein konnte", weil dann die Leser*innen zwar verstehen, dass es sich um eine andere Zeitrechnung handelt, sie sich aber bemüßigt fühlen könnten, nachrechnen zu müssen. ;)
Wichtig wäre, denke ich, an jeder Stelle konkret zu fragen, welche Informationen vermittelt werden sollen, und wie du das verständlich tun kannst. Davon abgesehen darf dann die andere Zeitrechnung gern zum Welt-Flair beitragen.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Tigermöhre am 15. Juli 2019, 12:24:49
Ich sehe das wie die anderen.
Solange du dein Zeitsystem gut integrierst, haben die wenigsten Leser'innen damit ein Problem. Wichtig finde ich noch, dass die Figuren auch wirklich in dem Zeitsystem denken. Ich las mal in einem Buch, dass eine Person ca. 3 Dutzend und 4 Jahre alt wäre. Da merkte ich richtig, dass der Autor zwar ein cooles 12er System etablieren wollte, aber dennoch in unserem 10er System verhaftet war.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Mondfräulein am 15. Juli 2019, 15:51:01
Beim Schreiben jeder Geschichte muss man sich an irgendeinem Punkt die Frage stellen, was die Geschichte jetzt wirklich braucht. Zum Beispiel wenn ich eine sehr interessante Nebenfigur habe und es dadurch zu einem Konflikt kommt. Für die Figur wäre eine ausführliche Hintergrundgeschichte gut, die Geschichte braucht aber nicht mehr von ihr, als ich schon habe, also muss ich die Hintergrundgeschichte schweren Herzens streichen. Für meine Nebenfigur wäre eine bestimmte Charakterentwicklung echt super, aber die Geschichte geht in eine andere Richtung und braucht diese Entwicklung auch nicht unbedingt. Die Frage, die du dir hier stellen musst, ist was die Geschichte von deiner Welt braucht und nicht, was die Welt von deiner Geschichte braucht. Beides ist nicht immer dasselbe. Wenn die Geschichte auch gut ohne die Zeitrechnung funktioniert, sie eher verwirrt und nichts beiträgt, dann musst du sie wohl streichen. Es ist hart, aber du hast diese Welt gebaut und genauso kannst du sie mit einer vertrauten Zeitrechnung funktionieren lassen, schließlich machst du diese Regeln.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Lorelei am 19. Juli 2019, 22:27:35
Ich spiele seit Jahrzehnten ein Rollenspiel, das einen anderen Kalender und eine andere Zeiteinteilung für Monate verwendet, dh auf Grundlage des Mondzyklus jeden Monat quasi in zwei superlange Wochen teilt. Und ich ignoriere den Kalender mit großer Ausdauer - eben weil dieses neue Zeitsystem von mir sowohl als Spieler als auch als Spielleiter jedesmal ein Umdenken verlangt, eine Arbeitsleistung, die ich meistens gar nicht erbringen will, weil ich mit wichtigeren Dingen wie Plot und Spannungsbogen beschäftigt bin. Es ist sehr schwer, etwas so eingefleischtes wie unser Zeitsystem abzustreifen.
Welche Funktion soll die Zeitrechnung denn haben? Nur Sense of Wonder?

Was übrigens durchaus funktionieren könnte, wären unterschiedlich lange Stunden, wie man sie im Mittelalter kannte. Bevor es "richtige" Uhren gab, hat man den Tag (also die Zeit, in der es hell war) durch zwölf geteilt und diese Abschnitte Stunden genannt, und das gleiche mit der Nacht gemacht. Es existierten Sonnenuhren, Wasseruhren und Stundenkerzen, mit denen diese Stunden angezeigt wurden - zunächst mal für Mönche. Otto Normalbauer ist einfach aufgestanden, als der Hahn gekräht hat und schlafen gegangen, wenn es zu dunkel zum arbeiten war.

Wichtiger als das ZeitSYSTEM ist möglicherweise die ZeitWAHRNEHMUNG deiner Charaktere... Oder geht es nur darum, mit neuen Bezeichnungen einen anderen "Flavour" zu erzeugen?

Ich glaube, du musst dir vor allem darüber klar werden, was du mit dem Zeitsystem beim Leser eigentlich erreichen willst, und dann deine Entscheidung fällen.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Adiga am 20. Juli 2019, 15:35:13
Zitat von: traumfängerin am 09. Juli 2019, 21:34:26
George R.R. Martin hat in seinen Büchern ein ganz anderes Jahreszeiten-System etabliert, als wir das gewohnt sind. Und er hat es geschafft. Wenn man jetzt "Der Winter naht" sagt, ...

Ein weiterer Denkanstoß wäre es, dich zu fragen, ob deine Welt auch ohne das Zeitsystem funktionieren würde. Bei G.R.R. Martin z.B. ist die Jahreszeiten-Sache essentiell für die Story. Die weißen Wanderer sind die äußere Bedrohung, und diese bringen den Winter mit sich.

Bei der RR-Martin - Geschichte beruht der ganze Plot, die Welt auf das Kommen des möcglicherweise  langen Winters... 

Zitat von: FeeamPC am 10. Juli 2019, 14:57:20
Ich hatte ursprünglich für meine Fantasy-Welt ein anderes Zeitsystem. Zum Beispiel ein Jahr, dass nach unserem Messsystem 18 Monate umfasste.
Davon bin ich ziemlich schnell wieder abgekommen. Unter anderem, weil, wenn nur Jahre angesprochen wurden, erwachsene Charaktere bei den Lesern als minderjährig ankamen. 18 Jahre nach unserer Zeit, da waren die Leute in meiner Fantasy-Welt erst 12. das hat einfach viel zu viel Verwirrung gestiftet.

ein Zeitsystem nur anders zu machen, damit es von uneren abweicht, kann man kaum nachvollziehen - aber den Fantasy-Jet-Lag hätte auch nur jemand der mit dem anderen Zeitablauf in Berührung käme - ein Weltenreisender.

Für die Bewohner ist aber die Andersartigkeit der Zeit nicht spürbar, und weil sie dort leben wissen sie auch nicht, dass es bei uns anders ist. Wenn also die Geschichte die dort spielt auch dort aufgeschrieben worden wäre, hätte der Nativ-Autor möglicherweise gar nichts ungewöhnliches an der Zeitrechnung bemerkt und es in der Geschichte um sie spannend zu halten auch nicht erwähnte. Weil seine Leser genau mit der gleichen Zeitrechnung leben. Würde man diese Buch dann bei uns veröffentlichen und vermutlich vorher Übersetzen, würde man falls es Hinweise auf die andere Zeitrechnung gibt, einfach bei der Übersetzung fallen lassen... vermutlich weil man ohne direkten Kontakt zu der anders Welt die andere Zeitrechnung gar nicht versteht / anchvollziehen kann und weil für die dortigen Bewohner es die ganz normale Zeitrechung ist.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Szazira am 21. Juli 2019, 16:09:40
Auch Menschen sind durchaus in der Lage sehr komplizierte Systeme zu entwickeln. Mit jedem japanischen Kaiser beginnt eine neue Zeitzählung und ich bin mir nicht sicher, wann die sieben Tage Woche eingeführt wurde. In der französischen Revolution wurde ein vereinfachtes Zeitsystem versucht einzuführen, was aber mal einfach grandios am Unwillen der Menschen gescheitert ist. Was blieb ist das metrische System.

Gib deinen Entwurf einfach mal jemandem und frag, wie ihm die Geschichte gefällt. Wenn die Zeitrechnung nicht negativ auffällt, seh ich kein Thema.  ;)
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 29. Juli 2019, 14:02:20
Danke euch für die Tipps und Hinweise. Nachdem ich vor ungefähr 2 Wochen den totalen "Absturz" hatte und mehr oder weniger alles verworfen habe, bin ich aktuell am Aufräumen meiner Welt. Meine Freundin, die Künstlerin ist, hat mich immer wieder mit dem Begriff "Kill your Darling" konfrontiert. Sogar sie, die mich sehr gut kennt, hat mir gesagt, dass das mit meiner momentanen Zeitrechnung nicht funktioniert und eher zu Verwirrung führt. Ich habe mich über Monate an meinem Konzept regelrecht festgeklammert und darauf meine Welt aufgebaut. Was soll ich sagen? Das Loslassen war echt  hart. Aber nachdem ich wieder berappelt hatte, habe ich einen völlig anderen Blick auf meine Welt. Doch hin und wieder blitzt am Horizont ein Zeitlicht auf, und versucht mich zu locken. Und damit bin ich wieder bei meinem Zeitproblem.   ;)
Von der Grundidee kommen meine Gedanken denen von Belgerog recht nahe. (10 Tage eine Woche,). In meiner Welt ist der Zyklus von Licht und Dunkelheit anders (Tag/Nacht) und es herrscht überall die selbe Zeit.
Einfach mal als Frage in den Raum geworfen: Was ist wenn ich festlege, dass z.B. Ein Monat bei mir 40 Tage hat und es insgesamt 10 Monate gibt (was 400 Tagen entspricht), ist es dann nicht verwirrend diesen abgeschlossenen Zeitzyklus als Jahr zu bezeichnen? Im Normalfall denkt doch so ziemlich jeder bei einem Jahr an 365 Tage, oder?  ??? Ich muss jetzt leider an dieser Stelle meinen Gedankenfluss erstmal stoppen, die Küche ruft!
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Lorelei am 01. August 2019, 00:10:40
Es kommt ein bisschen darauf an, aus welchen astronomischen Gründen das "Jahr" 400 Tage hat. Ist das willkürlich oder ist das die Zeit, die die Welt braucht, um die Sonne einmal zu umrunden? Viele Autoren behelfen sich mit Begriffen wie Zyklus, Umlauf, Umdrehung, etc, also Begriffen, die die Astronomie beschreiben. Dann sollte der Leser das eigentlich akzeptieren. Es ist halt klar, dass man nicht auf der Erde ist...
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Mondfräulein am 01. August 2019, 08:08:24
Die Frage ist, welchen Vorteil hat deine Geschichte von einer alternativen Zeitrechnung? Welchen Nutzen hat sie in der Geschichte?
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Teben von Westend am 13. Oktober 2019, 21:21:50
Mir fällt dabei immer das Vorwort in Umberto Ecos "Der Name der Rose" ein. Er sagt in etwa, dass sein Roman wie eine Zwiebel aufgebaut ist. Zum einen kann man ihn ganz einfach lesen wie jeden anderen Roman, aber dem interessierten und geneigten Leser bietet er auch zusätzliche Schichten an, die ihn über das überlieferte Leben von Mönchen im Mittelalter, die Konflikte innerhalb der Kirche und die Einstellungen und Meinung der Menschen jener Zeit aufklären können. Ich denke, es ist eine große Kunst so zu schreiben, aber ich selbst verfolge einen ganz ähnlichen Ansatz.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Marandris am 23. Oktober 2019, 22:06:13
Ich schließe mich der Meinung vieler hier an. Du kannst jedes Zeitkonzept in deinen Geschichten verwenden, solange du es dem Leser auf die richtige Weise schmackhaft machst. Ich persönlich fände das Zeitkonzept von 40 Tagen pro Monat und 10 Monaten im Jahr okay, wenn du das geschickt in die Geschichte einbaust. Zu auffällig sollte das nicht sein, ich bin der Meinung, das funktioniert viel besser wenn man es beiläufig erwähnt. Vielleicht verbindet man die Information mit einem bestimmten Fest, das in jedem Zyklus auftaucht, oder mit dem Geburtstag eines Charakters. Besonders in der Science-Fiction würde ich es gar nicht absonderlich finden, dass ein Tag in einem anderen Sonnensystem mehrere unserer Tage andauert. Eine Fantasygeschichte kann ja auch in einem anderen Sonnensystem spielen. Ich als Leser würde da einiges gut aufnehmen  :)
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 24. Oktober 2019, 19:53:02
Bei meiner Welt ist es von Bedeutung, dass überall die gleiche Zeit herrscht. Daher ist sie auch nicht vergleichbar mit unserer Erde. Und genau dadurch entstehen meine Probleme. Verwende ich Begriffe wie Tag, Nacht, Monat, Jahr usw., dann hat der Leser automatisch eine gewisse Vorstellung. Aus diesem Grund tue ich mich schwer mit diesen Begriffen zu schreiben, weil sie nicht den Tatsachen entsprechen. In einem Jahr hat unsere Erde einmal die Sonne umlaufen, 1 Tag hat 24 Stunden, Tag und Nacht...  Ist es nicht widersprüchlich von Jahren, Tagen, Monaten, Tag und Nacht usw. zu schreiben, wenn sie zeitlich ganz und gar nichts mit dem Vertrauten zu tun haben?  ???
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Teben von Westend am 06. November 2019, 18:39:16
Zitat von: Czara am 24. Oktober 2019, 19:53:02
Bei meiner Welt ist es von Bedeutung, dass überall die gleiche Zeit herrscht. Daher ist sie auch nicht vergleichbar mit unserer Erde. Und genau dadurch entstehen meine Probleme. Verwende ich Begriffe wie Tag, Nacht, Monat, Jahr usw., dann hat der Leser automatisch eine gewisse Vorstellung. Aus diesem Grund tue ich mich schwer mit diesen Begriffen zu schreiben, weil sie nicht den Tatsachen entsprechen. In einem Jahr hat unsere Erde einmal die Sonne umlaufen, 1 Tag hat 24 Stunden, Tag und Nacht...  Ist es nicht widersprüchlich von Jahren, Tagen, Monaten, Tag und Nacht usw. zu schreiben, wenn sie zeitlich ganz und gar nichts mit dem Vertrauten zu tun haben?  ???

Wie wär's, wenn du mal ein bisschen genauer erläuterst, wie genau die Welt als Planet (falls es einer ist) und das Zeitsystem überhaupt funktioniert. Vorstellen kann ich mir das nämlich nicht. Ein Tag ist in Fantasy-Jargon erst einmal nur "wenn es hell ist" - ob der jetzt 23,12 oder 26,39 Stunden dauert interessiert erst einmal niemanden. Aber wenn das System dahinter von Bedeutung ist, will man das doch schon erfahren.
Nacht = "wenn es dunkel ist"
Monat = aufgrund seiner Mondbezogenheit ein wenig tricky, aber im Grunde genommen auch machbar - eben die nächst kleinere Einheit eines Jahres
Jahr = "recht lange Zeit"

Solange sich das irgendwie in unseren Bahnen bewegt, sind die Begriffe vollkommen i.O. Nur wenn es komplett anders ist, kann es evtl. einen Leser aus der Bahn werfen.
"Oh, nein! Meine Hausarbeit ist morgen fällig!"
"Entspann dich, immerhin hast du noch 2282 Stunden Zeit ..."

Was heißt denn, es herrscht überall die gleiche Zeit? Das ist schon etwas sehr seltsames, das meine Neugier weckt. Gibt's da eine Sonne? Bewegt sich der Planet um sie herum? Oder ist es letztlich gar kein Planet? So eine Art Scheibenwelt? Ist Magie im Spiel? Wer kontrolliert das? Natürliche Abläufe oder irgendein Strippenzieher?
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 26. November 2019, 17:27:28
Sorry, für meine verspätete Antwort. Irgendwie ist das im "Nano Stress" untergegangen.  :bittebittebitte:
Hmm...., wo und wie fange ich am besten an?!  ??? Genau genommen ist dieses Projekt schon vor etlichen Jahren entstanden. Zumindest die Grundidee. Im Laufe der Zeit hat sich die Welt immer weiter entwickelt. Auch heute ist die Welt bei weitem noch nicht komplett fertig. Ich verfolge Ideen, aber verwerfe sie dann doch wieder, weil es nicht ins Konzept passt oder die Umsetzung einfach zu kompliziert ist. Am ehesten lässt sich meine Welt im momentanen Entwicklungsstadium mit der Scheibenwelt vergleichen.  Der Wechsel von Licht und Dunkelheit (Tag und Nacht), geschieht durch meine Art von Magie in der Welt. Der Grundgedanke ist, dass es sich um eine Buchwelt handelt (Nicht, Buch in Buch Geschichte), sondern wortwörtlich. Das beruht auch auf der Entstehung meiner Welt, aber soweit will ich nicht ausholen.  Meine ursprüngliche Idee war, das Konzept eines Buches zeitlich auf meine Welt zu übertragen.

Zum besseren Verständnis: Seit Beginn des Zeitenflusses blättert sich eine Lichtseite (ungerade Ziffern) auf eine Dunkelseite (gerade Ziffer).
Eine Seite schreibt sich aus 21 Versen, die folgt unterteilt sind:

Vers 1-7: Frühabschnitt
Vers 8-14: Mittelabschnitt
Vers 9-21: Spätabschnitt

Die einzige Konstante bei allen Seiten ist die zum 18. Vers beginnende Dämmerung, die die nahende Seitenwende ankündigt. Ein Kapitel schreibt sich aus 40 Seiten. Insgesamt gibt es Zehn Kapitel, dann startet der Zeitzyklus wieder von vorne. Die zehn Kapitel zusammengefasst werden als Band bezeichnet. Tausend Bände ergeben eine Chronik. Dieser besondere Anlass wird mit einer zeremoniellen Chronikfeier bedacht.

Hier ein kurzer Ausschnitt aus meinem Text (etwas älteren Datums), wie sich das ganze liest:
ZitatDie Seite schrieb sich in den frühen Versen, als Althasior das Bedürfnis verspürte sich zu erleichtern. Vorsichtig stieg er über die Köpfe der Schlafenden hinweg, um in einer der Ecken seine Notdurft zu verrichten.

Lange Zeit habe ich an diesem Konzept festgehalten und wollte mich partout nicht auf was neues einlassen. Aber mein Zeitproblem war und ist bis heute nicht wirklich gelöst. Aktuell spiele ich mit dem Gedanken, Sternenbilder als Orientierung zu nehmen, und danach die Monate usw. zu benennen. Aber meine Welt "dreht" sich ja nicht wie unsere und daher ist es schwer mit den Begriffen wie Jahr, Tag, Monat usw. zu arbeiten... Momentan schreibe ich an meinem Nano Roman. Sobald der November vorbei ist, und ich wieder einen freien Kopf habe, dann werde ich mich dem anderen Projekt widmen. Vielleicht muss ich mich doch schweren Herzens von meiner Idee lösen. "Kill your darling..."  :'( Also, ich bin für alle Vorschläge offen. Die Ironie lacht mich geradezu an... Aber ich investiere lieber jetzt mehr Zeit in mein Zeitproblem und Weltenbau, als dass später beim Schreiben wieder alles einstürzt.

Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Teben von Westend am 30. November 2019, 23:03:47
Also, wow, ich finde deine Idee klingt auf den ersten Blick richtig genial! Da steckt Potential dahinter, und auch wenn dieser beliebte "Kill your darling"-Spruch durchaus seine Berechtigung hat - schreib, was dich glücklich macht!

Natürlich habe ich tausend Fragen, die mich jetzt sofort überkommen. Wie "lebt" es sich denn in dieser Bücherwelt? Sind die Charaktere überhaupt Menschen oder menschenähnlich? Oder bestehen sie aus Tinte (was bei mir sofort Assozitationen mit "Flatland" geweckt hat) Es gibt ja zeitraffendes und zeitdehnendes Erzählen - bei dir klingt das so, als gäbe es nur zeitdeckendes Erzählen. Nur, was auch geschrieben steht, passiert überhaupt. Ein Charakter kann nur das tun, was auch tatsächlich geschrieben steht - existiert er überhaupt, wenn er gerade nicht in einem Vers vorkommt? Wovon handeln die Verse überhaupt? Ist das eine Art Magie oder Götterwirken, das die gesamte Realität unterwirft? Wenn da steht "Paul stirbt" - stirbt Paul dann?

Das Buch selbst und "dein Buch" sind aber zwei unterschiedliche Ebenen, oder? Sprich, du schreibst selbst in ganz normaler Prosa, beschreibst was in den einzelnen Versen (und drum herum?) passiert?

Das sind alles Fragen, die sich mir beim Lesen deines Buches bestimmt stellen würden (und ganz gewiss noch eine ganze Menge mehr!) Aber grundsätzlich halte ich es doch für möglich, das zu erklären!

Wäre es in deiner Welt bspw. angebracht zu sagen "Er hatte noch vier Verse Zeit für etwas"? Das wäre doch eine Art Formulierung, die einerseits selbsterklärend ist ("Aha, die rechnen ihre Zeit also in Versen...") und andererseits unheimlich neugierig macht ("...was ham die geraucht!?")

Gerne mehr, gerne auch per PN! Bin sehr gespannt, mehr von dir zu hören :)
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Rewa Kasor am 01. Dezember 2019, 00:38:05
Moin @Czara!
Zitat von: Czara am 09. Juli 2019, 20:21:11
In meinem aktuellen Projekt habe ich eine komplett andere Zeitrechnung, die nicht mit der uns vertrauten zu vergleichen ist.

Zitat von: Czara am 26. November 2019, 17:27:28
Zum besseren Verständnis: Seit Beginn des Zeitenflusses blättert sich eine Lichtseite (ungerade Ziffern) auf eine Dunkelseite (gerade Ziffer).
Eine Seite schreibt sich aus 21 Versen, die folgt unterteilt sind:
Vers 1-7: Frühabschnitt
Vers 8-14: Mittelabschnitt
Vers 9-21: Spätabschnitt
Damit habe ich ein Problem. Ich assoziiere Lichtseite mit Tag und Dunkelseite mit Nacht und weiter Morgen, Mittag, Abend ... und erwarte ganz automatisch Wochen, Monate und Jahre - also die mir bekannte Zeitrechnung. Lese ich dann z.B. "Am Ende von Vers 9 ..." frage ich mich, warum es mir der Autor so schwer macht. Warum schreibt der nicht gleich "Am späten Vormittag"? Und was soll das mit den 21 Versen? Ein Tag hat doch 24 Stunden. Warum quält mich der Autor so?

Vorausgesetzt, ich habe dein Konzept richtig verstanden (ganz sicher bin ich mir da nicht), kann ich keine "komplett andere Zeitrechnung" erkennen. Eher eine Verkomplizierung der mir bekannten Zeitrechnung und das würde meinen subjektiven(!) Geschmack so gar nicht treffen.

Die Idee einer "Bücherwelt" finde ich ganz große Klasse! Ein klein wenig erinnert es mich an Tintenherz. Die Notwendigkeit einer eigenen Zeitrechnung erschließt sich mir noch nicht.

Zitat von: Czara am 09. Juli 2019, 20:21:11
Habt ihr schon einmal schweren Herzens eine Idee verworfen?
Nö! Vielleicht tausendmal. Aber einmal?  ;D
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: FeeamPC am 01. Dezember 2019, 13:35:54
Wenn es eine Buchwelt ist, braucht sie keine Jahre, dann reichen Kapitel.
1 Tag = zwei Seiten (hell, dunkel).
400 Tage  = 1 Kapitel
80 Kapitel = 1 Band
100 Bände = 1 Chronik

oder so ähnlich.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Aphelion am 01. Dezember 2019, 14:16:31
Ich finde deine Erklärung verständlich und sehe überhaupt nicht, wo das Problem liegen soll, wenn dir die Idee gefällt. :hmmm: Die Umsetzung im Text ist eine handwerkliche Frage, wie jemand in einem vorherigen Beitrag angemerkt hat.

Zu "Kill your darlings" hilft es, eines zu wissen: Der Spruch bezog sich ursprünglich nicht auf den Inhalt, sondern auf die Sprache. Inzwischen wird dieser Spruch auf die Spitze getrieben: Alles soll fettfrei sein. "Kill your darlings" war eigentlich gar nicht so gemeint, wird inzwischen aber häufig genutzt, um alles Ungewöhnliche, Besondere wegzubügeln, bis wir irgendwann bei den Fernsehserien in "Fahrenheit 451" ankommen, die so hohl sind, dass nicht einmal mehr die Rollen der einzelnen Figuren erkennbar sind. #Pessimismus :P

"Kill your darlings" war eigentlich die Antwort auf sprachliche Verzierungen, die nur der Autoreneitelkeit dienen. Das kann man mMn auch ruhig auf inhaltliche Elemente ausweiten. Die Frage ist aber nur, ob das Zeitkonzept überhaupt irgendeinen Zweck erfüllt oder ob es sinnlose Verzierung ist. Du schreibst, es erfülle einen Zweck – also kein Problem.

Verzierungen sind nicht per se schlecht, insofern betrachte selbst das Streichen jeglichen (sprachlichen oder inhaltlichen) Schmucks kritisch. Fett ist ein Geschmacksträger. ;) Zu viel schadet, zu wenig aber auch.

Sobald du fragst, ob du etwas streichen sollst, provozierst du diesen blöden Spruch, weil ihn fast alle Schreibenden kennen. Ich sage ihn auch manchmal, aber letztlich ist er halt nur ein Zitat, das oft ohne jeglichen Kontext angeführt wird, weil wir alle es ständig hören. Der vollständige Rat lautet übrigens, erst einmal alle sprachlich gefeilten Verzierungen, die du willst, zu schreiben – und erst dann zu selektieren. Und das halte ich für sehr sinnvoll.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Trippelschritt am 01. Dezember 2019, 15:31:49
@ Aphelion und alle anderen

Hallo Aphelion, das geht jetzt nicht gegen Dich, aber ich befürchte, Du bist - zumindest für mich - ein wenig übers Ziel hinausgeschossen.

Mein Anfang dieses Posts ist jetzt völlig OT, aber "Kill your darlings", ist für mich einer der klügsten Merksätze überhaupt, weil er ein Grundproblem eines jeden Autors beleuchtet. Die Vorlieben!!! Das sollte sich auf alles beziehen: Phrasen und Formulierungen, die Optik von Figuren, und selbstverständlich auch kleine und große Ideen.

Wenn ein Autor erst einmal seine Geschichte, deren Sprache und Stimmung gefunden hat, dann sollte sich alles dieser Geschichte unterordnen.
Ende OT

Aber wenn eine Idee nicht von der Geschichte ablenkt, dann kann sie rein. Wenn sie ihr Farbe gibt, dann sollte sie rein. Wenn sie die Geschichte nur verziert - dann kann sie rein, wenn Dein Stil Verzierungen kennt.

Ich gebe aber gern zu, dass man über "Kill your darlings" nachdenken und manchmal sogar mit sich ringen muss. Aber genau das macht ihn so wertvoll.

Ich hoffe, Aphelion, Du kannst mit dieser Modifikation leben. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass Du eine Warnung gegen vorschnellen Gebrauch der Phrase ausgesprochen hast. Und da hast Du mich sofort an Deiner Seite.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Mondfräulein am 02. Dezember 2019, 15:33:34
Ich finde die Idee sehr kreativ, aber zu kompliziert, um sie einfach nur drin zu haben und ab und an zu erwähnen. Als Leser würde ich hier erwarten, dass so eine komplexe Zeitrechnung auch eine Rolle in der Geschichte einnimmt, wie auch immer das geschehen mag. Dadurch hat der Leser das Gefühl, dass es sich gelohnt hat, sich damit auseinanderzusetzen. Sich in das System hineinzudenken erfordert einfach so viel Aufwand, dass man erwartet, dass das auch irgendeinen Sinn und Zweck hat. Wenn das aber später wichtig wird, kannst du damit eine sehr lebendige Welt erschaffen.
Titel: Re: Idee verwerfen, weil für Leser eventuell zu kompliziert?!
Beitrag von: Czara Niyaha am 02. Dezember 2019, 22:22:20
Zitat von: FeeamPC am 01. Dezember 2019, 13:35:54
Wenn es eine Buchwelt ist, braucht sie keine Jahre, dann reichen Kapitel.
1 Tag = zwei Seiten (hell, dunkel).
400 Tage  = 1 Kapitel
80 Kapitel = 1 Band
100 Bände = 1 Chronik
oder so ähnlich.

Kommt meiner Idee schon sehr nahe.  :) Allerdings habe ich dann das Problem wenn ich beispielsweise die einzelnen Kapitel im Buch (schreiben/lesen) auch als solche bezeichne.

Zitat von: Teben von Westend am 30. November 2019, 23:03:47
Also, wow, ich finde deine Idee klingt auf den ersten Blick richtig genial! Da steckt Potential dahinter, und auch wenn dieser beliebte "Kill your darling"-Spruch durchaus seine Berechtigung hat - schreib, was dich glücklich macht!

Schön, dass ich dich begeistern konnte.  :vibes: Ehrlich gesagt war das bisher ein kleiner Einblick in meine Welt.

Zitat von: Mondfräulein am 02. Dezember 2019, 15:33:34
Ich finde die Idee sehr kreativ, aber zu kompliziert, um sie einfach nur drin zu haben und ab und an zu erwähnen. Als Leser würde ich hier erwarten, dass so eine komplexe Zeitrechnung auch eine Rolle in der Geschichte einnimmt, wie auch immer das geschehen mag. Dadurch hat der Leser das Gefühl, dass es sich gelohnt hat, sich damit auseinanderzusetzen. Sich in das System hineinzudenken erfordert einfach so viel Aufwand, dass man erwartet, dass das auch irgendeinen Sinn und Zweck hat. Wenn das aber später wichtig wird, kannst du damit eine sehr lebendige Welt erschaffen.

Nein, ich entwickle kein kompliziertes Zeitsystem um den Leser zu verwirren. Es hat schon eine essentielle Bedeutung in meiner Welt und auch für die Geschichte. Für "einfach mal so nebenbei" erwähnen führt die Zeitrechnung dann doch eher zu Verwirrung und Frust. Und genau da muss ich die Balance finden. Es muss verständlich sein, selbsterklärend beim Lesen und nachvollziehbar, aber es darf nicht zu abgehoben klingen. Eure Anmerkungen und Kommentare sind hilfreich, und stupsen mich (hoffentlich) in die richtige Richtung.  :)