Als Sprachwissenschaftler halte ich die neue Rechtschreibung zumindest für eine deutliche Verbesserung. Als ich 1996 in der Zeitung davon gelesen hatte, war ich Gegner. Aber zum Glück habe ich damals noch studiert, und nach einem Hauptseminar war ich überzeugt

Der große Wurf war die Reform sicher nicht, aber eine Rückkehr zu der alten wäre völliger Blödsinn. Lieber erst mal Gras über die Sache wachsen lassen und in weiteren hundert Jahren voll heftiger Diskussionen ein weiteres kleines Schrittchen tun

Offenbar weiß halt keiner so recht, wie er was zu schreiben hat.
Das ist allerdings richtig, aber peinlich für die Verantwortlichen Lektoren und vor allem die Schlussredakteure in den Zeitungen. Ich habe seinerzeit ca. 40-100 Arbeitsstunden investiert und danach alle systematischen Fehler, die ich heute in den Zeitungen lesen muss, nicht mehr gemacht. Dieses Maß an Fortbildung halte ich für jeden "Fachmann" noch für zumutbar. Aus meiner Zeit als Programmierer bin ich da ganz anderes gewöhnt.
Allerdings vermute ich, dass die Fehlerquote in den Zeitungen noch einen ganz anderen Grund hat: Weil nämlich die Rechtschreibreform mit einer Einsparungswelle in den Verlagen einhergegangen ist und insbesondere die Schlussredaktionen im Pressewesen ganz enorm ausgedünnt wurden.
Heute in den Nachrichten habe ich übrigens gehört, dass die Rechtschreibreform wohl nicht abgeschafft werden soll, aber der Zeitplan vielleicht nachgebessert wird. Also ein typischer deutscher Kompromiss, wo nichts passiert, aber alle ihr Gesicht wahren können. Mal sehen, was der nächste Akt in diesem Schauspiel ist.
Besonders peinlich ist nur, dass das ganze diesjährige Sommertheater von einem Politiker angestoßen wurde, der in einer Fernsehshow wegen schlechter Rechtschreibkentnisse auffiel und dafür einen Sündenbock brauchte - und der seinen Feldzug gegen die NDR mit den Worten begann: "Ich werde Schiffahrt und Sauerstoffflasche jedenfalls auch weiterhin mit zwei F schreiben" (Dieses Zitat wurde korrekt in alter Rechtschreibung geschrieben)