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Frauen schreiben für Frauen

Begonnen von Hochkogler, 08. März 2018, 14:24:38

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Steffi

#15
Ich bekam auf der Phantastika von einem älteren Herren um die Ohren gehauen, er würde grundsätzlich keine Fantasy von Frauen lesen  ::)

Erstmal ist "Literatur für Frauen" sowieso ein ganz fieser Fall von Gendering. Dieses "Es gibt normale Bücher für Männer, und dann Bücher für Frauen" ist das Equivalent zu "Wir haben normale Kinderüberraschung, und pinke für Mädchen." Wobei sich der Standard und das "Normale" irgendwie immer auf Männer zu beziehen scheint.

ZitatVorgänger der Krähen-Duologie, ist im englischsprachigen Bereich mit einem nüchtern gehaltenen, eher kantigen Cover vermarktet worden und hat dort sowohl männliche wie auch weibliche Leser angesprochen. Für die deutsche Ausgabe hat Carlsen hingegen komplett auf die Mädchenromantikschiene gesetzt, das ganze in entsprechende Bonbonfarben gepackt und als zarte Fantasyromanze vermarktet
Maureen Johnson hat sich vor einiger Zeit auf ihren Blogs/Twitter auch öffentlich darüber aufgeregt, dass ihre Urban Fantasy-Reihe "Shades of London" auch diese typischen "Schnulzencover" bekommen hat, obwohl die Bücher nichts mit Romantasy zu tun haben. Aber sie ist eine Frau, und die Hauptfigur ist eine junge Frau, und es gibt einen angehauchten romantischen Subplot, also wird es entsprechend vermarket. (Es gibt übrigens mittlerweile zwei Ausgaben davon - ich schätze eine US und eine UK - und ich hab die mit dem neutralen, schöneren Cover gekauft.)

Und dann ergehen sich die Medien darüber, dass John Green ja eigenhändig das YA-Genre gerettet hätte, und ignorieren dabei vollkommen die Frauen, die schon ewig in dem Genre schreiben  ::)

Die Frage, die man sich stellen sollte ist außerdem: Lesen Frauen wirklich von Natur aus lieber schnulzige Sachen, oder wird ihnen das nicht auch durch Film, Fernsehen und cleveres Marketing anerzogen? Da gibt es die LADIES NIGHT im Kino, wo nur Liebesfilme gezeigt werden, während die Männer sich über Actionfilme freuen dürfen, die "Frauensender", wo Sachen wie Grey's Anatomy und Sex and the City laufen, und eben die pinkig-fluffigen Liebesromane, wo "für Frauen" draufsteht. Und wenn ich mir als Frau mein Leben lang anhören muss, dass ich um eine richtig normale Frau zu sein doch bestimmt sowas total toll finde, dann hinterlässt das Spuren. Man will ja schließlich normal sein, man will einem bestimmten Bild entsprechen. Und da beißt sich dann die Katze in den Schwanz. (Für mich war es zum Beispiel die Offenbarung als ich vor ein paar Jahren begriff, dass ich sowohl nerdig sein als mich auch für Klamotten interessieren darf, weil ich durch die Medien unterbewusst total verinnerlicht hatte, dass man als Frau nur eins von beiden zu sein/gut zu finden hat.)
Sic parvis magna

Aylis

#16
Ich glaube, ein großes Problem ist bei dem Thema auch, dass häufig vermischt wird, was Medien und Marketing bestärken und was in der Realität wirklich passiert.
Wir alle hier sind sehr involviert in den Bereich des Schreibens und somit auch in den des Lesens. Wir empfinden eine Realität von informierten Menschen, die am eigenen Leib erleben, was ankommt und wie individuell Leser, Autoren, Konsumenten und Erschaffer sein können.
Die Statistiken über Bücher und Lesergruppen allerdings sind meist sehr oberflächlich und vor allem auch Profitorientiert.

Ich kann aus meinem privaten Umfeld z.B. sagen, dass ich viel mehr Frauen als Männer kenne, die gerne, viel und leidenschaftlich lesen oder selber schreiben, also keinen guten Vergleichswert habe.
Aber keiner dieser Menschen, egal welchen Geschlechts, legt einen Wert darauf, ob da ein Männer- oder Frauenname auf dem Cover ist. Sie gehen einfach nach ihrem Lieblingsgenre und schauen, welcher Klappentext, welche Empfehlung oder welche gesamte Präsentation sie interessiert und bilden sich dann eine Meinung.
So ungefähr habe ich es von vielen von euch jetzt auch empfunden, dass sie meist gar nicht über das Geschlecht nachdenken, sondern über das Buch an sich.

Da kommt dann aber wieder das Marketing ins Spiel und das ist oberflächlich, stereotypisch und ja, auch sexistisch. Sieht man wunderbar an Werbeclips.
Frau ist natürlich ein wunderhübsches Supermodel, Mutter von zwei Kindern und Hausfrau auf High Heels.
Und Mann perfekter Familienvater mit dicker Sport-aber-praktisch Karre, Sixpack und Augen zum Dahinschmelzen.

Um den Bogen zurückzuführen: Bei Büchern passiert es meiner Meinung nach auch oft, dass solche Klischees bedient werden. Trauriger Weise.
Ich betrachte in diesem Moment gerade mein Lieblingsbuch, "Das Licht der letzten Tage" von Emily St. John Mandel und das Cover (Rosa, Blau, Sternenhimmel) lässt einen echt an einen romantischen Indie-Roman denken.
Dabei ist es ein echt tragisches, dystopisches Buch, das ich fieberhaft durchlas und danach Angst hatte, so etwas könnte mir auch passieren.
Dachte man da: Oh, das fasst eine Frau bestimmt nicht an, wenn da kein rosa Himmel drauf ist und ein Mann nicht, weil es eine Frau geschrieben hat?
Oder dachte man echt, dass das den Roman repräsentiert?

Die Realität sagt z.B.: Auch Männer lesen und schreiben Liebesromane und auch Frauen finden sie doof. Genauso gibt es Menschen, die absolut zu den Zielgruppen passen, die das Marketing ansprechen will und auch das ist okay. Niemand stört sich daran, solange nicht davon ausgegangen wird, dass das das Non-Plus-Ultra ist.
Unter anderem durch das Marketing kommt es aber zustande, dass jemand denkt: "Twilight wird nur von Frauen gelesen" oder "Es ist eine Ausnahme, dass Harry Potter von allen Geschlechtern gelesen wird, obwohl eine Frau es geschrieben hat."

Das Problem dabei ist in meinen Augen: Offensichtlich sind die Werbebranchen davon überzeugt, dass es so - und nur so! - am besten funktioniert, sprich: Am meisten Geld einbringt.
Sie haben damit Erfolg und machen es weiter.
Warum haben sie damit Erfolg? Warum gibt es so wenig Menschen, die sich daran stören (oder wieso werden sie nicht gehört)? Und was kann man wirklich dagegen tun?
Ich glaube nicht, dass da alles so einfach ist. Es liegt glaube ich nicht nur an den Serien, die es vorspielen, denn diese sind meiner Meinung nach nicht der Ursprung. Man kann nicht einfach sagen, dass alles durch die Gesellschaft bedingt ist und erlernt, man kann niemandem und nichts allein die Schuld geben. Dafür gibt es zu viele Faktoren.

EDIT: Ich habe den Satz mit meinem Bekanntenkreis geändert, weil mir eine Begründung für seine Daseinsberechtigung gefehlt hat. :rofl:
Wo genau sollen wir einbrechen? - In die namenlose Festung.

Churke

Zitat von: Steffi am 08. März 2018, 17:40:28
Erstmal ist "Literatur für Frauen" sowieso ein ganz fieser Fall von Gendering.

Und Pornos für Frauen sind... sozial anerzogen?  :hmmm:
Oder einfach nur ein Markt?   :engel:

Hochkogler

Weil anscheinend davon ausgegangen wird ich sei ein Chauvinist kurz zur Aufklärung:
Nein.

Das Zitat stammt weder von mir, noch befürworte ich seinen Inhalt.
Ich fand lediglich den Fakt interessant das gerade eine Frau so etwas über anderen Frauen sagt und diese damit in das Klischee zurückdrängt aus dem Sie sich so lange haben befreien müssen.

Zitat von: Maja am 08. März 2018, 16:50:15
Zitat von: Protoxin am 08. März 2018, 14:24:38
Frauen lesen nicht nur Bücher, Frauen schreiben auch Bücher. Die wiederum vor allem von Frauen gelesen werden. Warum eigentlich?
Denkt man an Bücher von E.L. James (Fifty Shades) oder Stephenie Meyer (Bis(s) Tetralogie) stimmt es vielleicht sogar, auf der anderen Seite gibt es aber wieder Autorinnen wie J. K. Rowling oder Leigh Bardugo (Das Lied der Krähen) die ich als Mann sehr gerne lese.
Zwei Frauen schreiben Bücher, die dich nicht interessieren. Daraus abzuleiten, dass Bücher von Frauen nicht interessant sind, ist gewagt. Und wie großzügig, hervorzuheben, dass du von zwei anderen Frauen tatsächlich Bücher liest, ohne daraus den Gegenschluss zu ziehen. Statt die Schuld dem Genre zu geben, gibst du die dem Geschlecht der Autoren.

Leigh Bardugo ist übrigens ein tolles Beispiel. Ihre "Grisha-Trilogie", Vorgänger der Krähen-Duologie, ist im englischsprachigen Bereich mit einem nüchtern gehaltenen, eher kantigen Cover vermarktet worden und hat dort sowohl männliche wie auch weibliche Leser angesprochen. Für die deutsche Ausgabe hat Carlsen hingegen komplett auf die Mädchenromantikschiene gesetzt, das ganze in entsprechende Bonbonfarben gepackt und als zarte Fantasyromanze vermarktet (und ja, es kommt Liebw darin vor, aber das ist nicht das Hauptthema). Ich war heilfroh, als die Rechte für "Six of Crows" an Knaur gegangen sind, die das Cover der Originalausgabe übernommen haben und an ein gemischtes Publikum vermarkten.

Übrigens habe ich noch nie von einer Frau gehört, sie hätte das-und-das Buch gelesen und gut gefunden, obwohl der Autor ein Mann ist. wenn doch, würde es zurecht als sehr beleidigend empfunden - und wenn ein Mann sagt "Ich lese Rowling, obwohl sie eine Frau ist", ist es das dann nicht?

Ich lese auch keine Liebesromane, und muss das auch nicht. Erstaunlicherweise habe ich trotzdem viele Lieblingsautorinnen - es gibt nämlich, und gab immer, Frauen, die auch ganz andere Sachen schreiben. Bei Krimis kommt man um Namen wie Agatha Christie oder Dorothy Sayers nicht herum. In der Fantasy haben wir Ursula K. Leguin oder Anne McCaffery, um nur zwei Beispiele zu nennen. Umgekehrt gibt es auch große Liebesromane, die von Männern geschrieben wurden - Fontane finde ich, zum Beispiel, sehr romantisch. Shakespeare auch. Frauen schreiben alles. Männer auch. Frauen können Schrott schreiben. Männer auch. Schlimm, dass man das immer noch diskutieren muss.

Ich glaube wir sitzen einem Missverständniss auf.
Ich wollte ursprünglich darauf hinaus dass eine Frau eben jenes Zitat losgelassen hat und damit andere Frauen in eben jene klischeehafte Ecke gedrängt hat die nicht zutreffend ist.
Mit meiner Aussage mir gefallen und missfallen eben diese oder jene Autorinnen wollte ich eigentlich darauf hinaus Ihre Aussage zu widerlegen. Sorry falls es anders rüber kam.

ZitatPauschalisierung ist ein generelles Problem, das aber in der Gesellschaft in hohem Maße auftritt. Mein Mann rennt immer wieder gegen Wände, weil er als Mann sich nicht für Fußball und schnelle Autos interessiert - tödlich auf Parties.
Ich habe mal das Weltbild meines Cousins zerstört, weil ich als Frau trockenen Rotwein trinke, nicht lieblichen.  ::)

Da kann ich ein Lied singen.
Ich mag weder Autos noch Fußball sondern Pferde.
Zudem wage ich es mit einer Frau in einer Beziehung zu sein die fünf Jahre älter ist und mehr wiegt als gesellschaftlich akzeptiert.

Ich habe schon alles gehört, da war von Schwuler, wegen meine Reitsports, bishin zu Toyboy, wegen meiner älteren Frau, alles dabei.
Als blonder blauäugiger Mann hast du nämlich gefälligst in den Stereotyp zu passen....


Zitat von: Evanesca Feuerblut am 08. März 2018, 16:03:39
Hallo Protoxin,

ZitatIch würde behaupten bei Leserinnen gibt es einfach einen Markt den es bei Lesern nicht gibt.
Alle "Frauenbücher" die ich kenne handeln von Liebe, Leidenschaft und Herzschmerz.
Alles Dinge mit denen Männer sich nicht so sehr identifizieren können oder wollen wie Frauen das vielleicht tun.
Also handelt es sich meiner Meinung nach einfach um ein Subgenre das Autorinnen zugänglicher ist als Autoren.

Ich bin eine Frau.
- Ich lese keine Bücher, deren primäres Thema Liebe, Leidenschaft und Herzschmerz ist, zumindest wenn es "Junge kriegt Mädchen", "Junge kriegt Junge" oder "Mädchen kriegt Mädchen"-Geschichten sind. Interessiert mich nicht.
- Ich kenne Männer, die solche Bücher lesen (ob aus Interesse, um darüber zu lästern oder was weiß ich)
- alles Dinge, mit denen ich mich nicht identifizieren kann, obwohl ich dies Kraft meiner Chromosomen angeblich tun soll (Ich bin ein ganz böses Mädchen, ich mag keine herzchenförmigen Milkapralinen, vertilge aber Herrenschokolade), da lese ich lieber eine Buchreihe über Intrigen, Kriege, Mord, Folter, Magie und Verwicklungen (wie beispielsweise die Spiegelmagiereihe von Chris Svartbeck)
- Ironischerweise ist der Name eines sehr erfolgreichen Autors im Bereich Liebesromane und Herzschmerz Nicholas Sparks

Da steht nirgendwo ALLE Frauen lesen so etwas, und es steht auch nichts davon dass NUR Frauen so etwas lesen.
Aber man kann durchaus beobachten dass solche Dinge wie Romantasie o.ä. mehr Frauen anzieht als Männer, siehe den Kinosaal in bei einer Fifty Shades of Grey Vorführung.
Die Frage ist jetzt eher ob solche Phänomene wirklich mit dem Geschlechterunterschied pauschal zu erklären sind, oder ob es mehr der Druck von außen ist der einen Mann daran hindert sich in so einen Film zu setzen.

Zitat von: Churke am 08. März 2018, 15:35:26
Der Name auf dem Cover ist mir egal.
Jedoch lassen sich anhand des Covers und des Themas statistische Ausagen über das Geschlecht des Autors/der Autorin treffen.
Ein Gutteil wird dem Verlag geschuldet sein. Zielgruppenorientiertes Marketing, okay?
Das erklärt dann aber nicht, dass eine ähnliche Normverteilung bei veröffentlichten Leserbriefen auftaucht. Platt ausgedrückt: Zum "Tierschutz" schreiben sich die Leserinnen die Finger wund, zur "Finanzkrise" scheinen nur Männer eine Meinung zu haben.
Ja, ich übertreibe, aber die Tendenz sehe ich jeden Samstag in der Zeitung...


THIS.

Die Frage die ich mir immer stelle ist aber ob man es so einfach pauschalieren kann, viele Dinge sind nämlich wie sie sind weil die Gesellschaft sie vermeintlich vorgibt.
Es gibt nämlich genug Männer die sich für Tierschutz brennend einsetzen würden, aber sich nicht trauen.
Genauso wie manche Frauen gerne im Finanzsektor mitreden würden aber sich ebenfalls nicht trauen.
Frei nach dem Motto, das war schon immer so, das bleibt auch immer so.

Zitat von: Fianna am 08. März 2018, 15:06:46
Mir begegnet so etwas oft in Rezensionen, wenn jemand über einen historischen oder phantastischen Roman schreibt, sie habe ja nicht gewusst, dass es ein "Männerbuch" ist. Da bin ich immer sehr beleidigt (weil mir das Buch gefallen hat).

Ich habe einen Ordner auf dem PC mit "Military Fantasy" betitelt und mir schonmal aus Ulk gedacht, wenn ich da mal was veröffentliche und eine Lesung mit hestreite, müsste ich in einem fluffigeb Sommerkleid vors Publikum treten.
Wenn ich sowas lese, denke ich mir nur: Ja!! Mach das genauso so!!


Das Zitat geht doch hoffentlich weier? Es klingt wie die Einleitung für ein Probleme, dass sie feststellt und lösen möchte... das kann doch nicht die ganze Äusserung dazu sein?!

Das war die ganze Äußerung der Bücherei Wien, deshalb wollte ich es gerne diskutieren.
Wenn es nicht aus dem Zusammenhang gerissen ist stellt sich die Frage warum gerade eine Frau so etwas schreibt, und falls es aus dem Zusammenhang gerissen ist stellt sich die Frage warum man am Weltfrauentag so einen Schuss loslassen muss, der social media Beauftrage dort macht nämlich sonst einen sehr kompetenten Eindruck.

Zitat von: Alana am 08. März 2018, 14:55:04
Dieses Zitat finde ich auf so vielen Ebenen falsch und ärgerlich, dass ich es kaum ausdrücken kann. Denn es degradiert alles, was Frauen gerne schreiben, wenn man davon ausgeht, dass es tatsächlich solche Vorlieben gibt und die nicht nur auf der immer noch stark genderlastigen Erziehung beruhen. (Ja, ich persönlich denke, dass es diese Unterschiede gibt, was auch vollkommen okay ist, Gleichberechtigung heißt ja nicht Gleichmachung der Geschlechter. :) Aber gerade Lesegewohnheiten sind glaube ich schon immer noch sehr stark von der geschlechterbezogenen Erziehung beeinflusst.) Beispiel Liebesroman. Seit wann ist Liebe kein Menschheitsproblem? Wünschen sich Männer keine Liebe, auch wenn sie vielleicht nicht Hauptzielgruppe für Liebesromane sind? (Abgesehen davon habe ich sehr viele männliche Leser.) Und ... selbst wenn nur Frauen diese Bücher lesen würden, warum ist es dann kein Menschheitsproblem? Das sind immerhin 50% der Menschheit. Auch Männer schreiben übrigens Bücher, die nur Männer lesen (vorrangig, Überschneidungen gibt es ja immer).

Jep. Mit vielen Rufezeichen.

Zitat von: PBard am 08. März 2018, 15:05:23
Ich hoffe, ich werde nicht erschlagen, wenn ich mich schon wieder zu "so einem Thema" melde - aber ich kenne das Zitat, und finde, daß es hier im vollkommen falschen Kontext gebraucht wird.

Elisabeth Raether hat diese beiden Sätze eben NICHT als Tatsachenbericht gebracht, sondern als Kritik. Ihre Kolumne sollte zuerst von einem Mann geschrieben werden, und wurde nur deswegen zu einer "Frauenkolumne", weil sie als Ersatzschreiberin eben eine Frau war.

Sie kritisiert damit genau dieses Problem, daß von Frauen ERWARTET wird, für und über Frauen zu schreiben, selbst wenn die Autorin eigentlich gerne für und über Menschen schreiben würde.

Finde ich interessant, ich war nämlich fast davon erschlagen als ich gesehen habe dass eine Frau so etwas schreibt.


Evanesca Feuerblut

ZitatDie Frage ist jetzt eher ob solche Phänomene wirklich mit dem Geschlechterunterschied pauschal zu erklären sind, oder ob es mehr der Druck von außen ist der einen Mann daran hindert sich in so einen Film zu setzen.
Zu 100%. Wenn dir als Mann dann ein Bekannter vor dem Kino begegnet und du auf die Antwort "Hat dich auch deine Alte in diesen blöden Film geschleppt?" nicht mit "Ja", antwortest, bist du ja kein echter Mann oder so.
Das Problem ist, dass die Stereotype SO tief in den Köpfen sind, dass man sich erstmal schämt, ihnen nicht zu entsprechen. Bei Frauen wird es noch begrüßt, Männer, die "weibliche" Dinge tun dagegen nach wie vor stigmatisiert, sodass sich schlicht auch weniger Männer öffentlich outen würden, Romance zu mögen.
Wenn ich als Frau sage, ich mag keine Romance, bin ich taff (Bin ich kein bisschen, ich mag einfach nur keine Romance, aber abgesehen davon bin ich eine ziemliche Heulsuse :D ). Wenn ein Mann sagt, dass er "Fifty Shades" mag, ist er kein richtiger Mann.
Das finde ich sehr problematisch, meiner Meinung nach sollten alle Geschlechter alles dürfen, solange es vom Gesetz abgedeckt ist und niemandem schadet. Röcke tragen, Hosen tragen, kitschige Liebesfilme mögen und Kinderschokolade essen. Prosecco trinken oder gar keinen Alkohol trinken. Die ganze Palette an Dingen, die man so tun kann und die angeblich zu einem bestimmten Geschlecht gehört.

ZitatEs gibt nämlich genug Männer die sich für Tierschutz brennend einsetzen würden, aber sich nicht trauen.
Genauso wie manche Frauen gerne im Finanzsektor mitreden würden aber sich ebenfalls nicht trauen.
Exakt.


Steffi

#20
Zitat von: Churke am 08. März 2018, 18:41:34
Zitat von: Steffi am 08. März 2018, 17:40:28
Erstmal ist "Literatur für Frauen" sowieso ein ganz fieser Fall von Gendering.

Und Pornos für Frauen sind... sozial anerzogen?  :hmmm:

Ich weiß nicht, was du mit "Pornos für Frauen" meinst ... soll das dieses Klischee-Urteil über Liebesromane sein? Das, mit dem vor allem Männer ein ganzes Genre pauschalisierend abtun ohne je einen dieser Romane gelesen zu haben oder zu vestehen, dass - selbst die Nackenbeißer - die feministischsten Bücher sind, die es gibt, weil sie sich ganz mit den Wünschen von Frauen beschäftigen und in der Regel Frauen als Protagonisten haben, die das bekommen, was sie wollen und was sie sich wert sind? Die von starken Frauenfiguren bevölkert sind, die nicht in erster Linie als Love Interest für den Mann dienen? Und die in der Regel deswegen gelesen werden, und nicht wegen dem Sex? (Was für die Medien - und gerade Männer - ja immer völlig unverständlich ist.) Diese Pornos für Frauen?

Oder echte Pornis für Frauen? (Die ich übrigens begrüßenswert finde.)
Sic parvis magna

PBard

Zitat von: Alana am 08. März 2018, 15:11:03
ZitatSie kritisiert damit genau dieses Problem, daß von Frauen ERWARTET wird, für und über Frauen zu schreiben, selbst wenn die Autorin eigentlich gerne für und über Menschen schreiben würde.

Sowas dachte ich mir schon. Zeigt aber auch, dass sie genau die gleichen Vorurteile hat, wie die meisten Leute, denn damit degradiert sie alles, was extra für Frauen geschrieben wird, als Literatur 2. Klasse. Und das ist der Knackpunkt. Nicht die Frage, ob Männer und Frauen das Gleiche schreiben und lesen wollen. Ich denke, wir kennen jeder einige Beispiele für Frauen, die sich in typischen Männergenres bewegen und ich kenne mehrere Beispiele von Männern, die Liebesromane schreiben.
Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, daß sie irgendeine Form der Literatur als zweitklassig einstuft - sondern es verurteilt, daß sie als Frau "zwangsläufig" nur über "Frauenthemen" schreiben kann, zumindest in den Augen von Herausgebern. Wie eine rasende Kampfemanze, die alles Feminine strikt ablehnt, ist sie mir eigentlich nicht vorgekommen.

Aber wie gesagt, das ist halt nur mein Eindruck, wie genau sie das wirklich sieht, könnte sie natürlich nur selbst kommentieren.

Zitat von: Protoxin am 08. März 2018, 18:45:54Finde ich interessant, ich war nämlich fast davon erschlagen als ich gesehen habe dass eine Frau so etwas schreibt.
Deswegen finde ich auch, daß man (und gerade als Bücherei) eigentlich sehr vorsichtig damit sein sollte, was man in welchem Zusammenhang zitiert, und ob man dem Publikum damit auch die tatsächliche Botschaft vermittelt - oder diese durch fehlenden Kontext ins absolute Gegenteil verkehrt, wie scheinbar in diesem Fall.

Maja

Wenn der Text als Kolumne erschienen ist, würde ich mich über einen Link zum Originaltext freuen.

Über einen nur vom Hörensagen überlueferten Einzelsatz ohne Zusammenhang kann man nicht urteilen, und für eine Diskussion ist es keine gute Grundlage.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Aylis

Googlet man das Zitat, gelangt man zu dem Buch "Die trinkende Frau" von Elizabeth Raether.
Wo genau sollen wir einbrechen? - In die namenlose Festung.

Judith

Ich kenne das Zitat nicht im Kontext, aber als ich es hier gelesen habe, wäre ich nicht im Traum davon ausgegangen, dass es nicht als Kritik gedacht wäre.  :hmmm: Dementsprechend bin ich aus allen Wolken gefallen, als das hier von manchen als tatsächliche Botschaft gelesen wurde.

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 08. März 2018, 16:03:39
Sind denn Romane, die als "für Männer" gelten, so oft wirklich keine Liebesromane?
Schaut euch doch beispielsweise mal "Die Drei Musketiere" an. Klar gibt es ein Drumherum mit Intrigen, Kämpfen, Politik und Verwicklungen. Aber mit wem d'Artagnan aktuell ein Techtelmechtel hat/haben will und mit wem ein anderer Musketier mal verheiratet war, spielt eine ziemlich große Rolle ;-).
Ja, das ist mir schon oft aufgefafallen: Wenn ein Mann über Liebe schreibt, gilt es gern als große Weltliteratur oder als Klassiker; wenn eine Frau über Liebe schreibt, wird es gern rein in Richtung Frauenliteratur vermarktet.
Bsp.: "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" von Gabriel García Márquez; "Anna Karenina" von Lew Tolstoi; "Naokos Lächeln" von Haruki Murakami; "Die Wahlverwandtschaften" von Goethe; "Die Gischt der Tage" von Boris Vian; "Ungeduld des Herzens" von Stefan Zweig; "Der große Gatsby" von F. Scott Fitzgerald etc.
Im Studium habe ich doch so einige Männer erlebt, die diese Bücher hochgelobt und im gleichen Atemzug gesagt haben, sie würden keine Bücher von Frauen lesen, weil es da immer um Liebe ginge ...

PBard

Irgendwas in Richtung "Frau und Alkohol" oder so. Im Vorwort (aus dem auch das Zitat stammt) witzelt sie noch, daß die Kolumne unter einem Mann wohl einfach "Prost" geheißen hätte. ;D

Ich hab das Buch letztes Jahr von einem Freund aufgebrummt bekommen, der offenbar zwei Fehleinschätzungen erlegen ist. Erstens, daß das Zentralthema des Buches Feminismus ist und zweitens daß ich Feminismusbücher mag. :ätsch:

PBard

Zitat von: Aylis am 08. März 2018, 19:39:43
Googlet man das Zitat, gelangt man zu dem Buch "Die trinkende Frau" von Elizabeth Raether.
Ah! Jap, das war das Buch!

Zitat von: Judith am 08. März 2018, 19:42:11
Ich kenne das Zitat nicht im Kontext, aber als ich es hier gelesen habe, wäre ich nicht im Traum davon ausgegangen, dass es nicht als Kritik gedacht wäre.  :hmmm: Dementsprechend bin ich aus allen Wolken gefallen, als das hier von manchen als tatsächliche Botschaft gelesen wurde.
War grad auf der Facebookseite, und der Schreiber hat es ganz offensichtlich auch falsch verstanden, denn er schreibt weiter unten, daß er das auch beobachtet hat. :pfanne:

Valkyrie Tina

Zitat von: Maja am 08. März 2018, 19:28:32
Wenn der Text als Kolumne erschienen ist, würde ich mich über einen Link zum Originaltext freuen.

Über einen nur vom Hörensagen überlueferten Einzelsatz ohne Zusammenhang kann man nicht urteilen, und für eine Diskussion ist es keine gute Grundlage.


Das Zitat findet man z.b. hier:
http://hey-woman.com/de/2016/buchtipp-die-trinkende-frau-von-elisabeth-raether/

Und da heißt es im Text:
ZitatHätte er die Kolumne übernommen, hätte sie nicht » Der trinkende Mann « geheißen, sondern » Prost ! « oder so ähnlich. Ich erinnere mich nicht genau. Es wäre in jedem Fall nicht um einen Mann gegangen, der trinkt, sondern ums Trinken im allgemeinen und philosophischen Sinne, sicherlich wären auch Hemingway und Charles Bukowski vorgekommen.

Da ich aber nun diese Kolumne übernehmen sollte, bekam sie den Titel »Die trinkende Frau«.

Die Episode erzählt, wie Frauen an ihre Jobs kommen, nämlich wenn Männer nicht können oder wollen. Soweit ich weiß, wurde Angela Merkel Vorsitzende der CDU, weil nach der Spendenaffäre der Partei schlicht keine halbwegs unbelasteten Männer zur Verfügung standen.

Diese Episode beschreibt auch, dass es heute immer noch so ist: Frauen haben Frauenprobleme, Männer haben Menschheitsprobleme. Frauen schreiben über Frauen, Männer schreiben über Menschen.

Es ist also nicht so, dass Raether die These vertritt, oder gut findet, sondern im Gegenteil, dass sie damit ein Phänomen in der Gesellschaft beschreibt, dass sie als schädlich und dumm empfindet.



Maja

Soetwas hatte ich auch vermutet. Danke fürs Nachliefern.

Was nichts an der eigentlichen Problematik ändert, nämlich der Wahrnehmung von Autorinnen und ihre Vermarktung durch Verlage.

Das Buch, das ich seinerzeit zurückgezogen habe, weil ich keine Liebesgeschichte einbauen wollte (auch, weil die Fortsetzung eine enthält und ich der nicht ihre Wucht nehmrn wollte), wird derzeit wieder geprüft. Und wenn mur jetzt der Verlag auch sagt, dass sie es ohne Liebesgeschichte nicht verkaufen kann, werde ich fragen, ob es anders wäre, wenn ein Männername draufsteht. Und wenn sie dann ja sagen, mache ich es erst recht unter richtigem Namen. 
Aber das sind ungelegte Eier. Noch habe ich nichts vom Verlag gehört.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Zauberfrau

#29
Zitat von: Steffi am 08. März 2018, 19:05:32

Oder echte Pornis für Frauen? (Die ich übrigens begrüßenswert finde.)


Ach jaa, in diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass es einmal vor JAHREN einen Versuch gab, eine Playgirl ins Leben zu rufen. Ich fand die Idee klasse! Mein damaliger Freund hat mir gleich - leider nur - die zweite Ausgabe geschenkt (die erste war vergriffen und wurde auch nicht mehr aufgelegt, weil da ein eregierter Penis zu sehen war). Aber irgendwie war ich enttäuscht. Zwar gab es auch mal einen ganz nackten Mann, aber in einer langweiligen Pose. Oder mal einen Kerl, der sich nackt in den Federn räkelte und wo man nix gesehen hat, in Schwarzweiß. Also, da fand ich fast die Playboy ansprechender! Naja, man hätte ja weiter ausprobieren und üben können, was den Leserinnen so gefällt. Aber nee, Pustekuchen, die Zeitschrift wurde ziemlich schnell wieder eingestellt.
Ich habe das damals total bedauert. Einfach weil ich gleiches Recht für alle wollte! Wenn die Jungs ihre Playboy haben, haben die Mädels eben ihre Playgirl. Woran das Scheitern letztendlich lag, weiß ich leider nicht.

Heute habe ich dafür via WhatsApp von einer Freundin eine Grußkarte vom Weltfrauentag erhalten, wo 5 Kerle mit Jeans und nacktem Oberkörper in einem Gartengewächshaus im Bauch- und Hüftenbereich Blumensträuße präsentieren. Ist ja ganz nett, aber wie soll ich das jetzt verstehen?
- Soll mich das jetzt anmachen, weil da - huuiii - ein paar Kerle ihr T-Shirt verloren haben?
- Oder werde ich gerade veräppelt? Denn anders herum wird plötzlich ein Schuh draus: Was wäre denn, wenn es zum Weltmännertag so ein Bild mit Mädels gäbe - meinetwegen auch mit Blumensträußen an den Hüften - nur mit Jeans und Oberkörper nackt? Das wäre dann purer Sexismus. Aber so herum ist es das nicht. Ist das nicht seltsam? Da ist doch jetzt auch keine Gleichberechtigung? Da werden wir Frauen ja auch wieder mal für dumm verkauft.
Dann frage ich mich: Wie hätte das Bild der Blumenboys am Weltfrauentag aussehen müssen, damit alle Welt schreien würde: Sexismus! Und warum kann ich dann nicht auch so ein Bild sehen, wenn es das doch tausendfach andersrum für Männer gibt?  :snicker: Okay, okay, will ich natürlich nicht, nein wirklich nicht, heieiei wie konnte ich nur, sowas Verwerfliches.... :versteck:

Ehrlich gesagt, ist mir diese ganze Aufregerei über Gleichberechtigung und so viel zu laut. Ich habe als Frau an einer technischen Uni 10 Jahre lang studiert, habe täglich mit Kerlen dort Mittag gegessen (meistens als einziges Weib) und ich habe mich nie wieder so wohl gefühlt! Es war immer sehr lustig. Und ich habe es genossen, auch über die Witze weit unter der Gürtellinie mitlachen zu können/dürfen. Keiner von den Jungs an der Uni hat mich jemals belächelt, dass ich ein weibliches Wesen bin. Es gab nur einmal ein Prof, der meinte, ich hätte von Mathe keine Ahnung und sollte doch lieber auf eine Fachhochschule oder so wechseln. Eigentlich wollte ich ihm dann immer mein Mathe-Diplom unter die Nase halten. Aber als ich es dann hatte, war mir das zu blöd. Den ändere ich eh nicht.
Habe dann zwei Jungs in die Welt gesetzt und bin jetzt auch wieder das einzige Weib zuhause. Aber da merke ich auch nix davon, dass ich als Frau irgendwie anders dastehe als meine drei Kerls.
Und auf der Arbeit bin ich auch die einzige Frau in der EDV-Abteilung. Bei Meetings werde ich respektiert und da gibt es auch keine abfälligen Bemerkungen oder sowas. Ich kenne das absolut nicht. Vielleicht beim Geld, aber das weiß ich nicht, weil wir zum Schweigen über das Gehalt verpflichtet sind. Mittlerweile arbeite ich weniger wegen den Kindern teilzeit, sondern wegen meiner Schreiberei, die ich viel zu gerne mache, als dass ich 8 Stunden am Tag arbeiten gehe. Naja.

Was ich sagen will: Vielleicht ist es auch die Sache einer Frau, wie sie sich geben will. Ob sie jetzt Liebesschnulzen liest (das kräuseln sich mir persönlich die Zehennägel) oder Thriller (da kann ich nicht mehr schlafen, das geht auch nicht). Es ist ihre Sache. Und das sollte es auch bei einer Autorin sein: Es ist ihre Sache, über was sie schreibt, was sie beschäftigt. Stereotypen sind da ganz schlecht, finde ich. Das Leben ist bunt!
Ich kenne einen amerikanischen GI, der waffenverrückt ist und am liebsten Twilight liest. Ja, irgendwie geht das. Er hat immer sein Kindle in seiner Army-Hose, um ein bisschen was zu lesen, wenn er Zeit hat. Ich finde das total cool. Und er steht dazu, was ich noch viel cooler finde.

Liebe Grüße,
Zauberfrau