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Prämisse

Begonnen von Roland, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Lana

Nachdem ich nun seit über einer Woche an meinen Schreibereien sitze und nichts bei rum kommt, versuche ich mich ein wenig mehr an das eingemachte. Die Prämisse ist mir dabei aufgefallen. Denn genau das fehlt mir meist in meinen Geschichten. Die Tiefe, der Sinn, was ich eigentlich sagen und erreichen möchte.
Ich tue mich unheimlich schwer grade und frage mich wie viele von euch noch mit Prämissen arbeiten, woher ihr sie nehmt oder ob ihr sie ganz weg lasst.

Araluen

Mein Romanprojekt "Cementuri" hat tatsächlich eine Prämisse: Nicht der Tod ist das Ende, sondern das Vergessen.
Das zieht sich durch den gesamten Roman und wird auch mehrfach dabei belegt. In der Regel arbeite ich aber lieber mit Themen, Grundsatzfragen oder zentralen Konflikten, die ich schon vorher herausarbeite und zur Inspiration nutze. Die Prämisse zu Cementuri hatte sich auch erst während der Schreibphase eingeschlichen. Hmm eigentlich habe ich mich noch nie hingesetzt und über eine These nachgedacht, die meine Geschichte schlüssig wiederspiegelt und beweisen soll. Also im Vorfeld arbeite ich ohne Prämisse, aber es kann sich durchaus im Nachhinein ergeben, dass die Geschichte tatsächlich ein besitzt, die ich auch ausformulieren kann.

KaPunkt

Ich kenne die genaue Definition von 'Prämisse' nicht, aber - ich mache mir an einem Punkt beim Plotten klar, welche Geschichte ich erzählen möchte. Dafür finde ich die Einsatz-Zusammenfassungen ganz hilfreich. Einmal auf der Meta-Ebene, einmal auf der Handlungsebene.
Es gibt bei mir immer noch mehr Geschichten, aber wenn die nicht mit der Geschichte zusammenhängen, die ich erzählen will, fliegen sie raus. Wenn sie mit der Geschichte zusammenhängen, werden sie ebenfalls definiert.
Und ich werte meine Figuren: Welche ist die wichtigste. Die anderen können mir noch so sympatisch sein oder werden, erzählt wird die Geschichte der wichtigsten Figur.

Vorsicht, Beispiele mit schweren Spoilern für meine Geschichten:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Evanesca Feuerblut

Ich arbeite nicht mit Prämissen, da ich dafür von einer zielgerichtet sinnbehafteten Welt arbeiten müsste. Und auch wenn ich Fantasy schreibe, gibt es Grundsätze in meinem Arbeiten, die ich nicht verletze (und die sich mit Prämissen zu sehr beißen...):
- gute Dinge passieren ohne sichtbaren Grund und unabhängig von der Moral dessen, dem sie geschehen
- schlechte Dinge passieren ohne sichtbaren Grund und unabhängig von der Moral dessen, dem sie geschehen
- es gibt keinen übergeordneten Sinn des Seins
- es gibt kein Schicksal, nur Zufall

Womit ich allerdings arbeite, sind Entwicklungsaufgaben. Dafür schaue ich mir bei jeder Figur an, wo sie bei ihrem ersten Auftreten stehen und überlege mir, was sie auf ihrem tiefsten Seelengrund, vor sich selbst uneingestanden, erreichen möchten (unabhängig davon, ob sie es bei ihrem letzten Auftreten geschafft haben).
Und dann lasse ich sie alles tun, um diese Entwicklungsaufgabe zu erfüllen.

Allerdings klappt das für mich, weil ich erstens diese willkürliche Welt als Voraussetzung habe, zweitens eher charakter- als plotorientiert schreibe. Und drittens haben meine Bücher eine in sich verschlungene Ringstruktur, die alle Teile eines Universums konzentrisch zusammenhält :D. Was Prämissen für meine Zwecke zu starr macht.

Aber für eine andere Arbeitsweise (z.B. eben plotorientiertes Schreiben in einer sinnbehafteten Welt) sind sie ein recht gutes Werkzeug, nehme ich an :)

Lothen

@Evanesca Feuerblut : Jetzt kommt die Gretchenfrage: Sind die Punkte, die du aufzählst, nicht auch schon Prämissen? ;D

Ich kann mit dem Begriff, ehrlich gesagt, nicht so arg viel anfangen, deswegen tue ich mich mit der Definition auch schwer. Ich würde mich da Araluen anschließen:
ZitatIn der Regel arbeite ich aber lieber mit Themen, Grundsatzfragen oder zentralen Konflikten, die ich schon vorher herausarbeite und zur Inspiration nutze.

Der Begriff "Konflikt" gefällt mir irgendwie besser. Prämisse klingt so allumfassend, wie eine Art Korsett, das man sich schnürt. Wie gesagt, das kann aber auch nur an dem Begriff per se liegen, nicht daran, dass ich nicht damit arbeite. Vielleicht tue ich das sogar, ohne es zu wissen.

Evanesca Feuerblut

ZitatJetzt kommt die Gretchenfrage: Sind die Punkte, die du aufzählst, nicht auch schon Prämissen? ;D
Höchstens die Prämisse für mein gesamtes Schreiben, aber nicht für irgendein konkretes Buch :).


Zit

Die Sache mit der Prämisse habe ich auch nie so ganz geschnallt. Mir kam das immer zu nichtssagend/ allgemein vor und hatte, von den Beispielen, die ich gelesen hatte, so einen Touch von "Die Moral der Geschichte ist..." – womit ich auch nicht so viel anfangen kann. Schließlich will ich ja mit den Geschichten niemanden belehren.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Araluen

#52
Soweit ich weiß sind Moral und Prämisse nicht das Gleiche, auch wenn sie sich überschneiden können. Die Moral ist die Lehre, die du aus dem Text ziehen sollst. Die Prämisse ist eine Annahme/These, die durch den Text bestätigt wird. Sie muss in der Literatur auch nur in dem von der Geschichte geschaffenen Universum Bestand haben (anders als in der Logik. Da ist die Prämisse allgemeingültig). Von der Prämisse sollen wir nicht zwangsläufig etwas lernen, von der Moral jedoch schon.

"Jede Lüge führt zu einer Katastrophe." Das wäre eine Prämisse. In der Geschichte würdest du dann erfahren, wie der Protagonist sich mit jeder neuen Lüge weiter in das Schlamassel hinein reitet - q.e.d.
"Lügen haben kurze Beine." Das wäre eine Moral. Es lohnt sich nicht zu lügen, weil diese Lüge ohnehin aufgedeckt wird. Das Paradebeispiel wäre Pinocchio. Hier lohnt sich Lügen nicht, weil es sofort auffliegt, dank Pinocchios langer Nase. Das lernen wir daraus.

Deshalb arbeite ich letztlich ohne Prämissen, wie oben schon erwähnt. Ich möchte mit meiner Geschichte nichts beweisen, was ich mir vorher überlegt habe. Ich möchte eine Geschichte erzählen. Wenn diese Geschichte aber letztlich von allein einer Prämisse folgt, kann mir das nur recht sein. Etwas hart finde ich den Ansatz, dass jede Szene der Geschichte mit der Prämisse zu tun haben oder auf sie hinarbeiten soll und alles andere unnützes Füllmaterial ist. Ich bin mir da nicht sicher, ob das stimmt. Von Füllszenen halte ich auch nichts. Jede Szene soll einen Mehrwert für die Geschichte haben. Aber dieser Mehrwert setzt sich für mich aus verschiedenen Aspekten wie Plot, Atmosphäre, Figurenzeichnung, Konflikt, etc. zusammen. Selbst wenn ich eine Prämisse habe, ist diese auch nur ein Aspekt des gesamten Mehrwerts für mich.

@Evanesca Feuerblut : "Es gibt kein Schicksal" wäre eine Prämisse, die du halt sehr gerne immer wieder aufgreifst und in deinen Geschichten beweist  ;D

Lana

Sehr interessante Antworten ihr Lieben, danke.
Ich hab bei mir den Resetknopf gedrückt jetzt und versuche den Haufen Spaghetti einzeln zu entwirren.
Zuviel Nachdenken macht Geschichten kaputt und mindert die Freude am Schreiben.

Prämissen finde ich an sich ganz hilfreich, wenn man den Roten Faden nicht aus dem Auge verlieren möchte, so wie ich es gerne mal mache. Also am besten erst in der Überarbeitungsphase. Bis dahin hat sich ja raus kristallisiert wo man hin möchte und was man erreichen will.

Dämmerungshexe

Soweit ich das noch aus dem Deutschunterricht im Hinterkopf habe, kann ein Text eine Prämisse auch wiederlegen. Was natürlich ungleich schwerer ist. Es geht rein um die Erörterung, die Betrachtung von allen Seiten. Eine Prämisse ist deswegen sehr handlich, weil sie ausformuliert sein sollte.

Ich habe in meinen Geschichten meist eher Grundthemen - zumeist sind es Familie, Verantwortung, Identität, ... - um die herum sich die Konflikte aufbauen. Das geschieht im Allgemeinen von alleine und ich merke erst beim Schreiben (oder auch hinterher), "worum es eigentlich geht".

Der Vorteil daran, sich des "Grundthemas" oder auch der "Prämisse" bewusst zu sein liegt darin, dass diese Dinge Orientierung bieten und helfen können die Erzählung knackiger und präziser zu gestalten. Ich denke nicht, dass jede Szene explizit daran mitarbeiten muss. Aber ich glaube, wenn man es richtig macht, dann ist jede Szene zumindest von der "Grundstimmung" durchdrungen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Maubel

Da ich mit dem Begriff im schriftstellerischen Bereich gar nichts anfangen konnte, habe ich gestern erst mal gegooglet und gefunden, dass es weder eine Moral ist noch ein Thema, sondern die Entwicklung der Hauptfigur im Buch in einem Satz knapp zusammenfasst. Dabei soll der Aufbau sein: Hauptfigur - Konflikt - Lösung. Also eine Ein-Satz-Zusammenfassung des Plots ohne Details. Ob das so stimmt, keine Ahnung, aber wenn dann hilft es wahrscheinlich wirklich beim am-roten-Faden-bleiben und im Überarbeiten, wenn man sich erst mal überlegt, was die Prämisse eigentlich ist. Ich fand die gegebenen Beispiele aber nicht besonders überzeugend.

Trippelschritt

Es ist mir bis jetzt nicht gelungen herauszufinden, was eine Prämisse in der Literatur bedeutet. Deshalb kann ich auch nur wenig dazu sagen, denn Vorbedingung bedeutet es ja wohl nicht. Für Frey - ich habe gerade noch einmal nachgeschaut - ist es so etwas wie der Kern einer Geschichte und ich glaube er hat diese Werkstattdiskussion irgendwann einmal mit seinem Rageber losgetreten.

In jeder Geschichte geht es um etwas. Manchmal weiß es der Autor selbst noch nicht einmal, wenner anfängt zu schreiben. Aber er sollte es spätestens wissen, wenn er fertig ist. Eine Geschichte braucht einen Grund, warum sie erzählt werden soll und dieser Grund steckt in der Geschichte selbst. Manchmal offen, häufiger aber versteckt. Dieser Grund hat für einen Roman dieselbe Bedeutung wie die Pointe für den Witz. Ich behaupte mal, dass es ohne einen solchen Grund erst gar keine Geschichte gibt. Ausnahmen können literarische Experimente sein oder Texte, die von der Schreibe leben und sonst weder Richtung noch Ziel kennen.

Die Schneeflockenmethode beginnt damit, diesen Kern in einem kurzen Satz zu formulieren mit nicht mehr als fünfzehn Worten. Warum Frey so etwas eine Pärmisse nennt, weiß ich nicht, aber dass es ohne nicht geht, das ist bei mir Gewissheit.

Liebe Grüße
Trippelschritt

canis lupus niger

#57
Zitat von: Trippelschritt am 02. Februar 2017, 10:26:43
In jeder Geschichte geht es um etwas. Manchmal weiß es der Autor selbst noch nicht einmal, wenner anfängt zu schreiben. Aber er sollte es spätestens wissen, wenn er fertig ist.

Ach, das hast Du schön gesagt! Ich finde die Prämissen zu meinen Machwerken in der Regel auch erst im Rückblick: den Grund, warum ich diese Geschichte für erzählenswert halte. Anfangs ist da immer erst das Bedürfnis, etwas aufzuschreiben, einfach weil es in mir drin steckt und raus will.

Tejoka

Ich hab mich vor einer Weile auch mal informiert. Zu der Prämisse scheint es wirklich viele Definitionen zu geben und noch mehr Meinungen ;)

Was ich persönlich eigentlich will, ist eine Art "zentrale Frage" für meine Geschichte, die natürlich mit dem zentralen Konflikt und der Figurenentwicklung zusammenhängt. So was wie der Klassiker "heiligt der Zweck die Mittel?". Manchmal vielleicht auch nicht als Frage, sondern als These, sozusagen das Grundthema. Zum Beispiel "in einer Gesellschaft schließen sich vollständige Freiheit und vollständige Sicherheit aus".

Zumindest ist das der Plan  :seufz: Bei dem Buch, das ich gerade überarbeite, habe ich so etwas eigentlich nicht, auch wenn es natürlich Themen und Konflikte und so weiter gibt.

Aber wenn ich im Voraus keinen richtigen Grund habe, eine Geschichte zu schreiben, dann fühle ich mich irgendwie nicht gut dabei und dann lass ich das lieber. Zumindest so ein Gefühl, dass sie nicht nur leeres Gelaber ist, dass ich etwas zu sagen habe, muss schon da sein. Also "versteckte Gründe" klappen bei mir nicht so gut, denke ich. Aber da ist wahrscheinlich jeder anders.

Churke

In der Philosophie ist eine Prämisse eine Annahme oder Aussage, aus der logische Schlüsse gezogen werden können.

Um es mal plastisch zu exemplifizieren:
Prämisse A: Trump ist er Antichrist.
Folgerung: Trump muss weg.

Prämisse B: Trump ist der Messias.
Folgerung: Trump muss gerettet werden.

Das ergibt für mich auch in der Literatur Sinn. Aus der Prämisse folgt mehr oder weniger zwingend ein Plot. Man weiß, wohin die Reise gehen soll.
Außerdem ist die Folgerung immer nur so richtig wie die Prämisse. Als Autor kann man die vorausgestellte Prämisse auch widerlegen.
Ich würde solche strukturellen Denksportaufgaben aber nicht zu sehr in den Vordergrund stellen. Da besteht die Gefahr, dass man die Dramaturgie au dem Blick verliert.