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Sterbende Figuren

Begonnen von Manja_Bindig, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Joscha

Ich musste kürzlich auch eine meiner Figuren umbringen. Was ich interessant fand: Davor war die Person eigentlich relativ flach gewesen, ich hatte mich kaum mehr um ihren (bzw. seinen, es war ein Mann) Charakter gekümmert, bevor er schließlich vor dem Henker stand. Dann habe ich gemerkt, dass der Szene eindeutig die emotionale Tiefe fehlt und mir ist überhaupt erst aufgefallen, wie wenig ich über die Person weiß.

Jetzt weiß ich mehr, der Fast-Tote hat außerdem noch eine Lebensgefährtin, die später eine wichtige Rolle spielt und was am wichtigsten ist: Er hat eine nachvollziehbare Motivation. Da hat es um so mehr geschmerzt, als ich ihn schließlich doch umbringen lassen musste. Zumal es meinen Prota als Perspektiventräger ziemlich mitnimmt, weil er glaubt, an dessen Tod Schuld zu sein (was zum Teil auch stimmt ;)).

Ich glaube, ich muss häufiger mal Figuren über die Klinge springen lassen und die Szene danach einfach streichen und weitermachen, als wäre nichts passiert. ;D

Grey

Da ihr ja alle so fleißig eure Charaktere tötet: Ich mache mal wieder ein bisschen Werbung in eigener Sache, weil die Nekropedia mittlerweile ein wirklich stiller Friedhof geworden ist. Und das ist schon schade. Ich versuche mich auf diesem Wege also mal ein bisschen in Nekromantie. ;)

Antonia Assmann

Guten morgen,  Grey!

Da hast du Recht, das ist ja eine wunderschöne Seite, die ich schon ganz aus meinen Gedanken verloren habe.... Ich hab sie gleich mal wieder auf Favoriten gesetzt!

LG
Antonia

Romy

Von der Nekropedia habe ich schon mal gehört, aber aus irgendwelchen mit unbekannten Gründen, habe ich mir die Seite noch nie näher angesehen  :hmmm:
Das habe ich jetzt gleich mal nachgeholt ;)

Irgendwie sterben in meinen zwei aktuellsten Projekten so wenige Leute, oder höchstens die Antas, aber ich muss mir die Seite unbedingt vormerken! Spätestens, wenn ich mich mal wieder mit Sessian und meinem Ewigen Krieg befasse, kommen da einige traurige Todesfälle zusammen  :'( , die ich mal nachtragen könnte.

Vivian

Hallo,

Ja, das Gefühl, eine gebliebte Figur töten zu müssen, ist sehr erdrückend. In meinem dritten Band meiner Geschichte stirbt eine meiner liebsten Persönlichkeiten, die mein Herz eroberte. Aber es war ihr Schicksal, denn sie opferte sich für jemanden, damit derjenige unversehrt blieb - und starb dabei. Die Erinnerung daran ist noch ziemlich schmerzhaft, es ist noch nicht allzu lange her.
Als ich die Szene fertig geschrieben hatte, machte ich eine Schreibpause von einer Woche. So traurig war ich, so sehr liebte ich diese Frau, die so ein reines Herz und immer gutmütig zu anderen war. Denn auch wenn sie nicht mein Hauptcharakter war, sie hatte etwas besonderes an sich. Sie ragte aus der Menge hervor, weil sie wirklich eine liebe Person war.
Na ja, so ist es nunmal. Die Realität ist manchmal nicht anders.  :)

Churke

Zitat von: Vivian am 02. Dezember 2010, 12:44:43
Aber es war ihr Schicksal, denn sie opferte sich für jemanden, damit derjenige unversehrt blieb - und starb dabei.

Der hollywoodeske Heldentod ist nicht so mein Fall, weil ihm das tragische Element fehlt. Mit tragisch meine ich, dass der Tod im Charakter angelegt und notwendige Konsequenz seines Handelns ist. Wo ist da der Konflikt, wenn jemand den Jesus macht?

KaPunkt

Naja, wenn der Tod logische Konsequenz des Charakters ist, wo bleibt da die Tragik? Ist doch eine gerade Rutsche ohne Abzweig oder Bremse.

Wobei der tragische Heldentod natürlich nicht das Nonplusultra der Kreativität ist. Ich hab auch wieder einen in meinem aktuellen Projekt.
Der Opfertod hat meiner Meinung nach aber zumindest den Konflikt des Geretteten: 'Oh mein Gott, er hat sich für mich geopfert, was fang ich nun mit meinem Leben an, damit es das wert war?!'
Und u.U. den Konflikt des Opferlamms 'Ist es das wert, soll ich das tun? Ich möchte so gern leben, aber er soll auch leben (...)'

Andererseits kann es ja auch schon im Charakter angelegt sein, dass er sich für diese Figur opfern würde, sollte es jemals nötig sein. Was dann die Synthese aus beiden Möglichkeiten wäre.

*shrug*

Bis jetzt hatte ich noch keinen Charaktertod, der mir wirklich nahe gegangen ist.
Die einzige Gute, die in der 'Stadt am Kreuz' draufgeht, musste weg. Sie war die einzige in dem Haufen, die klar denken konnte, hätte sie die anderen zur Räson gebracht und alle mal fünf Minuten miteinander überlegt, wäre mein Plot gelöst und das Buch zu Ende.
Das war keine Option.   :ätsch:
Außerdem war sie mit ihrem Leben zufrieden, hatte keine offenen Fragen oder Konflikte mehr. Wäre es nicht gerade auf so unapetittliche Weise vor sich gegangen, hätte die Gute vermutlich überhaupt keine Angst vor dem Tod gehabt.
Also, wegen ihr hatte ich echt keine Probleme.  ;D
Und meine Bösen haben so einen schönen, ruhigen Tod bekommen ... Das Schreiben hat soviel Spaß gemacht, da war es mir echt egal, dass die beiden zwei Sätze weiter den Löffel abgeben.  :darth:

Allerdings sehe ich mit Grausen und makaberen Interesse einen Tod am Horizont warten, der mir wohl schon an die Nieren gehen wird.
Sie war die erste Figur, die im aktuellen Roman lebendig geworden ist (Gerade mal vier Seiten als Nebenfigur hat sie dafür gebraucht  :o) und hat mir dann erstmal erzählt, was ich alles falsch gemacht habe. Natürlich ist sie noch mit ihrem Mann verheiratet. Ehrlich mal, so ja nun nich.
Und sie ist mir so sympathisch, diese sehr mechanisch, burschikose Magierin. Das wird wehtun.
Muss es ja aber auch, wenn es ein guter Tod werden soll. Wenn ich nicht leide, wie sollen da die Leser leiden?

Liebe Grüße,
Kirsten
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Mika

Ich glaube ich war 15 als ich zum ersten mal eine meiner Figuren tötete... Das war richtig schlimm, es war überhaupt nicht geplant, er war einer meiner liebsten Charaktere und eigentlich hätte ich ihn auch noch gebraucht, dachte ich, bis ich feststellte das die Geschichte auch ohne ihn aufging. Ich war so sehr im Schreibfluss, ohne Plan, ohne Ziel, so wie ich anfänglich einfach geschrieben habe, vollkommen versunken in der Geschichte und merkte erst was ich gerade getan hatte als meine eigenen Tränen auf die Tastertur tropften, besser gesagt habe ich geheult als wäre ein wirklicher Freund von mir gestorben, ging mir also extrem nahe. Allerdings auch nur weil er keine absolute Nebenfigur war sondern einfach so etwas wie der Sonnenschein in meiner Geschichte.
Verwirrt habe ich also nochmal nachgelesen und dann erst richtig realisiert dass ich so eben getötet hatte. Hat mich ziemlich hart getroffen, habe diese Stelle immer und immer wieder angesehen, habe laufend überlegt ob ich sie noch ändern könnte. Ich tat es nicht, denn der Chara war tot, nebensächlich mit einem Satz einfach aus der Geschichte gestrichen.

Mittlerweile fällt mir das Töten nicht mehr ganz so schwer. Im Gegenteil, es ist in meiner aktuellen Geschichte sogar so was wie in Mittel zum Zweck geworden. Manchmal ist es einfach nötig jemanden zu töten um die Handlung voran zu bringen, einen solchen Fall habe ich momentan, aber dieser Tod ist zum Glück nicht endgültig, weshalb es mir leichter fällt.
Aber insgesamt habe ich die Hemmungen davor verloren, es tut nicht mehr ganz so weh, ich weine nicht mehr wenn eine geliebter Charakter sterben muss, es passiert, so ist das Leben und wie das Leben ist so ist es auch in Geschichten. Ich denke zwar noch immer mit Wehmut an den ein oder anderen, aber es passiert eben einfach und wenn ich einen Charakter nicht mehr brauche, sein Plot endet, seine Geschichte endet, dann habe ich doch eigentlich keine andere Wahl oder?

Bei mir opfert sich aber niemand im altbekannten Sinne, auch wenn ich sowas früher toll fand, mittlerweile tue ich das nicht mehr. Wenn eine meiner Personen stirbt dann ist es meist einfach ihr Schicksal, es gibt keine andere Möglichkeit.
Man könnte es zwar durchaus als Opfer betrachten dass meine Tiriael, meine offizielle Antagonistin, sich selbst, als sie sich letztlich doch noch auf das Gute besinnt, in Flammen setzt und so den wahren Bösewicht mit sich in den Tod reißt, aber sie tut es nicht um jemanden zu beschützen, sie hat zuvor schon alles verloren, sie tut es einzig und allein um sich zu rächen. Kann man hier von einem klassischen Opfertod sprechen? Ich denke eher nicht.

Andere Charaktere sterben bei mir einfach weil sie zu viel wissen, meine Seherin zum Beispiel. Eine Vision brachte sie einer Verschwörung auf die Spur, es wurde enttarnt dass sie davon wusste und um zu verhindern dass sie es jemandem erzählt wird sie sang und klanglos getötet. Tragisch ja, aber was soll ich machen? Sie wusste einfach zu viel, so sehr ich diesen Chara auch mochte, ich kam nicht drum herum, es schmerzt mich noch ein wenig, aber es musste sein. *schulterzuck*

Ich staune gerade selbst ein wenig über meine Worte, wie abgeklärt ich dem Tod gegenüber geworden bin, aber in meinem aktuellen Projekt ist er zu einem notwendigen Übel geworden. Irgendwann stumpft man glaub ich etwas ab. Meine Mutter würde mich jetzt wieder mit einem "mein Gott bist du kalt" maßregeln, aber so ist es nunmal. Als Schreiber spielt man Gott, man hat manchmal absolute Macht über seine Figuren (ich sage manchmal weil sie einem ja gelegentlich abhanden kommen und tun was sie wollen) und kann mit ihnen tun und lassen was man will so lange einem nicht die eigenen Moralvorstellungen in die Quere kommen. Irgendwie ein unheimlicher Gedanke...

Fakt ist, ob tot oder am leben, es gehört dazu sich gelegentlich von Figuren zu trennen und irgendwie wird es wahrscheinlich trotzdem immer ein bisschen wehtun, so abgeklärt und kalt ich auch sein mag...

Vivian

#218
Zitat von: Churke am 02. Dezember 2010, 14:39:46
Der hollywoodeske Heldentod ist nicht so mein Fall, weil ihm das tragische Element fehlt. Mit tragisch meine ich, dass der Tod im Charakter angelegt und notwendige Konsequenz seines Handelns ist. Wo ist da der Konflikt, wenn jemand den Jesus macht?

Es ist nicht so, wie du denkst. Würde sie nicht sterben, wäre mein Hauptcharakter tot. Ich meine ... wen nehme ich da? Die Entscheidung ist da sehr einfach und unkompliziert, auch wenn ich jemanden sterben lassen muss, der mir eigentlich sehr ins Herz gewachsen ist.
Bei mir ist nichts Hollywood. Ich habe keinen Helden im Buch. Es ist nunmal blöd, dass sie sich vor sie wirft und einen vergifteten Dolch in die Brust gerammt bekommt. Ich hätte gerade so gut einen anderen Charakter nehmen können. Aber einer musste eben dran glauben. Egal wie kalt das jetzt klingen mag, aber das ist einfach so.

Es ist also kein Opfertod. Sie beschützt meinen Hauptcharakter und stirbt dabei, obwohl das von ihr NICHT beabsichtig war.

Ich habe mich in dem Sinne falsch ausgedrückt, tut mir Leid.

Valaé

Achja... die Toten.
Ich habe schon sehr viele geplante Tote, auch einen, von dem ich weiß, dass er weh tun wird. Ich habe auch schon ein paar Charaktere auf dem Gewissen, aber bis vor kurzem keine wirklich wichtigen, lebendigen. Eher so nebenbei-Tode.
Dann kam der NaNo und mit ihm kam Jargo.
Mein Jargo v.v.
Er ist hier im TZ geboren worden, hat mich von Anfang an fasziniert. Obwohl ich die andere Hauptperson der Geschichte, Eila, immer gemocht hatte weil sie ich faszinierte, riss Jargo alle Symapthien an sich. Ich liebte die Szenen mit ihm, schrieb sie lieber als alles andere. Wenn ich am Abend ins Bett ging, dachte ich an ein paar seiner Zitate und musste drüber lachen. Er war sehr lebendig und schien mich immer wieder zum Schreiben bringen zu wollen.
Ich wusste allerdings von Anfang an, dass ich ihn hineingeschrieben hatte, damit er ganz am Ende sterben würde.
Es war einfach, weil das Buch ohne große Trauer mit dem Schock über seinen Tod endet.
Aber es war trotzdem schwer. Am Tag zuvor jammerte ich hier noch rum, ihn nicht umbringen zu wollen  ;) und ich wollte es auch wirklich nicht. Ich habe mich an dem Tag dazu durchringen müssen, zu schreiben und als ich das letzte Kapitel schrieb, indem er zu Wort kommt hab ich sogar ein wenig geweint, weil er so süß in Erinnerungen schwelgte.
Dann kam das Kapitel vor dem ich mich gesträubt habe. Ich habe es langsamer geschrieben als den ganzen Roman davor.
Es war ein Kampf und das lag nicht daran, dass auch ein Kampf beschrieben wird. Als er das tat, was ihn das Leben kosten würde, habe ich ihm beim Schreiben des Gegenteils zugerufen (wirklich laut ausgeprochen), dass er es lassen soll.
Ich gebe allerdings zu, dass ich nicht geweint habe, als er tot war, da war ich nur noch froh dass die Geschichte vorbei war.
Ich habe aber den ganzen Abend noch an ihn gedacht und auch jetzt schleicht er sich immer noch mal in meine Gedanken rein, mein liebes Jargoleinchen. So sehr sogar, dass ich mir geschworen habe, ihm in einem der an dieser Geschichte hängenden Bücher ein Denkmal zu setzen. Vielleicht eine Kneipe die "Jargo's" heißt?

Churke

Ich habe Flavius Stilicho getötet.
Er ist der Testamentsvollstrecker von Theososius dem Großen. Er ist der Superstar des weströmischen Reiches, gebietet über die mächtigste Armee der Welt. Drei Mal rettet er Rom vor dem Untergang. Der Kaiser Honorius verdankt ihm alles.
Leider verdient Honorius seine Treue nicht. Ängstlich, feige und schlecht beraten befiehlt er Stilichos Ermordung. Stilichos germanischen Truppen wollen nach Ravenna ziehen und Honorius beseitigen. Aber Stilicho kann seinen einstigen Mündel nicht verraten. Er hofft bis zuletzt, dass Honorius Lüge und Wahrheit unterscheiden kann.
Mit einem Meineid vor dem Bischof wird er aus dem Kirchenasyl gelockt und getötet. Sein Mörder wird mit Afrika belohnt.

Die Tragik: Als Stilicho die Macht über Honorius verliert, muss in der Konsequenz einer von beiden sterben. Aber während Honorius Stilichos Verrat fürchtet, kann Stilicho den Kaiser, den er liebt wie einen Sohn, nicht verraten.

Geradezu mythisch sind die Folgen von Stilichos Ermordung. Verhaftungswellen, Folter, Terror und Progrome erschüttern Italien. Die Armee löst sich auf, die Goten plündern Rom, das Imperum zerbricht. Von allen verlassen will Honorius nach Konstantinopel fliehen. Da treffen rettende Truppen aus dem Osten ein. Stilicho hatte sie angefordert. Honorius flüstert: "Noch im Tod beschützt er mich."

KaPunkt

Zitat von: Churke am 06. Dezember 2010, 16:31:13
Ich habe Flavius Stilicho getötet.
(...)
Wow.
Jetzt hast du mich dazu gebracht, nach Stilicho bei wikipedia zu schauen.
Aber das hier ist noch cooler.
Wann hast du ihn den umgebracht? War's schwer?

Liebe Grüße,
Kirsten
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Churke

Zitat von: Kirsten am 06. Dezember 2010, 17:14:48
Jetzt hast du mich dazu gebracht, nach Stilicho bei wikipedia zu schauen.
Wann hast du ihn den umgebracht? War's schwer?

Eine Figur solches Unrecht widerfahren zu lassen, ist niemals einfach. Szenenisch habe ich es durch einen Abfolge retardierender Momente gelöst: Ständig scheint sich alles zum Guten zu wenden. Stilichos Tod ist dramaturgisch ebenso zwingend wie vermeidbar. Das verleiht Tiefgang.  :engel:

Seine Witwe Serena habe ich auch getötet. Die Biedermänner des Senatorengerichts verurteilen sie wegen angeblichen Hochverrats ("Offensichtliches braucht keinen Beweis") zum Tode. Ihre Leiche wird öffentlich ausgestellt und dann in den Tiber geworfen. Nur Ausgestoßene zeigen Mitgefühl: Die Gladiatoren, die sie befreien wollten, und der Henker, der sie erdrosselt.