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Kleidung der Charaktere

Begonnen von TheMadZocker, 12. September 2017, 20:42:26

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TheMadZocker

Bei vielen Medien und auch Büchern merke ich, wie die meisten der Charaktere extravagante und einzigartige Kleidungsstücke besitzen, um sich u.a. hervorzuheben. Ich finde, es ist ein interessantes Thema, darüber zu diskutieren, warum und wie man seine Chars einkleiden sollte, oder überhaupt.

Bisher bediente ich mich der Technik, Kleidung den Lebensumständen des Charakters anzupassen. Während ein General eine große, silberne Rüstung trägt, hat ein Pirat wiederum z.B. bloß eine Tunika mit Gürtel am Leib. Sie heben sich allerdings nur dadurch hervor, weil ich bemüht bin, jedem einzelnen (bedeutenden) Charakter einen eigenen Kleidungsstil zu geben. So hänge ich gerade an einer Abenteurerin fest, die zwar einzigartige Spuren an Bein und Arm besitzt, aber am Oberkörper lediglich eine leichte blaue Lederrüstung trägt. Die blaue Farbe wäre somit das Einzige, was sie ein wenig von anderen Abenteurern hervorheben würde. Generell fällt es mir relativ schwer, Reisende einzigartig einzukleiden - dies gilt auch für die Farbgebung (viele der Chars meines aktuellen Projekts haben auffällig viel Blau...). Oder zumindest so, dass man den Char anhand seiner Kleidung wiedererkennen würde. Anerweitig dachte ich bereits an eine Tunika für sie, einem stählernen Brustpanzer, oder aber auch einem gewöhnlichen Waffenrock. Aber nichts möchte in meinem Kopf so richtig funktionieren und es macht mich fertig!

Ich bekam u.a. Diskussionen mit, wo man sich darüber stritt, ob man überhaupt beschreiben/festlegen sollte, wie ein Charakter bekleidet ist. Ich persönlich denke: Ja, das sollte man. Da man es nicht nur für sich selbst und seiner Fantasie beim Schreiben leichter macht, sondern auch, um die entsprechende Atmosphäre und/oder Eigenarten des Charakters weiter hervorzuheben. Immerhin möchte man eine spannende Geschichte erzählen und sowas trägt mMn. dazu sehr gut bei.
Die andere Seite sagte dazu, dass man sich zu sehr unnötig damit aufhält (was irgendwie zu stimmen scheint, beachtet man meine derzeitige Situation...) und dass man der Leser so besser seiner Fantasie freien Lauf lassen kann, was Stil und Atmosphäre in Bezug auf Kleidung angeht.

Was haltet ihr davon?

Fianna

Kleidung beschreibe ich meist erst, wenn sie wichtig ist. Auffällig, unauffällig, tarnt gut, fremdartiger Schnitt/Material, Ausdruck des sozialen oder rechtlichen Status, vermittelt dem Betrachter ein irreführendes Bild, beengt, reißt ein, verschmutzt... meine Leser müssen davon ausgehen, dass ich keine Nackedeis herum laufen lasse. Details streue ich nach und nach ein, wenn sie wichtig sind oder wenn sie für die jeweiligen Erzähler die Figur abheben.
Wenn der Leser vom Erwähnen eines Mannes mit Schwert sich einen He-Man vorstellt und dann eiskalt überrascht wird, wenn die Figur Kettenhemdenqualitäten vergleicht.... fällt unter "Pech gehabt" ;)


Kleidung hat bei mir in der Regel aber einen bestimmten Zweck, und es ist nicht immer super einfallsreich und herausragend. Mein derzeitiger Lieblingskrieger trägt ein gut gepflegtes Kettenhemd, das ist jetzt nicht so spannend.
Aber es erfüllt seinen Zweck. Ich sorge schon dafùr, dass msn ihn nicht vergisst oder verwechselt.

Ich mag keine auktorialen Erzähler, deswegen mache ich kein Komplett-Beschreibungspaket, das passt nicht.
Ich schaue ja vorm Rausgehen auch nur in den Spiegel um zu prüfen, ob meine Haare wild abstehen, und verfalle nicht auf einmal in innere Monologe zu meiner Kleidung. Wenn meine Figuren sich nicht in eine bestimmte Situation der Repräsentation begeben oder jemanden einschüchtern wollen, dann denken sie auch nocht soviel über ihre Klamotten nach.


Appletree

Zitat von: Fianna am 12. September 2017, 21:02:24
Kleidung beschreibe ich meist erst, wenn sie wichtig ist. Auffällig, unauffällig, tarnt gut, fremdartiger Schnitt/Material, Ausdruck des sozialen oder rechtlichen Status, vermittelt dem Betrachter ein irreführendes Bild, beengt, reißt ein, verschmutzt... meine Leser müssen davon ausgehen, dass ich keine Nackedeis herum laufen lasse. Details streue ich nach und nach ein, wenn sie wichtig sind oder wenn sie für die jeweiligen Erzähler die Figur abheben.

Kleidung hat bei mir in der Regel aber einen bestimmten Zweck, und es ist nicht immer super einfallsreich und herausragend.

Genauso ist es auch bei mir.
Zweckdienliche Kleidung beschreibe ich, oder wenn ich auf etwas hinaus will, bzw etwas damit zeigen will.

Ansonsten gibt's hier und da mal eine Anmerkung wie "zupfte an seinem Hemd"- "Öffnete den Hemdkragen" oder so ähnlich, jedoch ohne das genauer zu beschreiben.

Ich hätte das mal anders, befand es aber an etlichen Stellen als störend, weil es eigendlich ziemlich unwichtig ist, außer, es erfüllt einen bestimmten Zweck.

Waldhex

Ich beschreibe zumeist schon die Kleidung meiner Protas, teilweise auch der Nebenfiguren, zumindest grob. Allerdings nur, damit bei dem Leser besser ein Film im Kopf ablaufen kann. Wirklich ausgefallen ist die Kleidung selten, schließlich definiere ich meine Protas nicht über die Kleidung.

Churke

Bei Kleidungsstücken haben wir konkrete Vorstellungen im Kopf.
Marineblauer Dreiteiler mit roter Krawatte -passt.
Schwarzes Funktionsshirt - passt.
Kleines Schwarzes - passt.
Weinrote Tunika - passt.

Aber schon beim Stresemann wird's schwierig. https://de.wikipedia.org/wiki/Stresemann_(Anzug)
Kann der Leser was mit einem Justaucorps anfangen? https://de.wikipedia.org/wiki/Justaucorps

In einer Geschichte kleide ich eine Dame in "ein schwarzes Wams nach spanischer Mode", wobei mir völlig klar ist, dass die meisten Leute nicht wissen, was das ist. https://de.wikipedia.org/wiki/Spanische_Kleidermode#/media/File:Giovanni_Battista_Moroni_001.jpg

Wenn ich die ausgetretenen Pfade verlasse, wird es also haarig. Man hat nur eine begrenzte Zahl Ausdrucksmöglichkeiten, zumal man die Kleidung mit dem Wortschatz und Horizont des Perspektivträgers (!) beschreiben muss.
Ein Japaner im 17. Jahrhundert hätte europäische Kleidung wahrscheinlich einfach als "lächerlich" klassifiziert.  ;)

Evanesca Feuerblut

Kleidung ist leider mein wunder Punkt beim Beschreiben von Charakteren. Wobei ich bei Frauenkleidung zumindest oft noch wenigstens rudimentäre Sorgfalt walten lasse und z.B. bei meiner Unparallel-Reihe tatsächlich die Anziehsachen der Damen für Sommer, Winter und alle drei Gesellschaftsschichten entworfen habe.
Aber ich wusste bis zur ersten Bearbeitung nicht, was bei mir die Herren eigentlich überhaupt tragen. Komplette Weltenbaulücke. Laufen sie in so Faltenkleidern wie die alten Ägypter herum? Oben ohne mit "Statementkette"? Ich hatte keine Ahnung, bis ich irgendwann draufgekommen bin, dass in meiner Romanwelt so gut wie alles Unisex ist und sie daher das Selbe tragen wie Frauen, nur natürlich ohne brüstestützenden Gürtel und mit weniger Schmuck.
Meine Kleidungsvokabeln sind auch immer sehr rudimentär, bei mir tragen die Leute meist "Shirt und Hose/Rock" (wobei Hose alles subsumiert, was zwei Hosenbeine hat, egal aus welchem Stoff, nur Jeans sind extra), Sandalen, Turnschuhe, Pumps oder "Schuhe halt". Ich bin da furchtbar.
Beim Überarbeiten versuche ich, zumindest rudimentär anzudeuten, wer eigentlich was an hat.

Als ich römische Kleidung - darunter Hochzeitskleidung und die Namen der einzelnen Dinge - beschreiben musste, wurde es dann etwas haarig... :D Ich musste viel recherchieren.

Sternsaphir

Ich halte es ähnlich wie Fianna:
Kleidung beschreibe ich nur, wenn sie wichtig wird.
z.B. musste meine Prota eine Haube tragen, weil sie verheiratet war. Ich betone, wenn Kleidung etwas außergewöhnlich ist, wie die Hose, die meine Prota als Dauer-Kleidträgerin anziehen sollte.
Oder wenn sie eine besondere Farbe oder einen auffälligen Schnitt hat. "Auffällig" meine ich aber aus Sicht des Perspektivträgers. Da kann auch schon mal ein rabenschwarzes Hemd auffallen, wenn die Leute sonst nur helle Sachen tragen.
Ansonsten heißt es bei mir: Tunika, Hose, Stiefel.
Ich versuche, die Kleidungsbeschreibung meist mit Tätigkeiten oder Begebenheiten einfließen zu lassen wie: "sie strich sich den seidigen Rock glatt" oder "der Regen durchtränkte die Kapuze seines braunen Mantels"

Zit

Hm, ich bin da ganz bei Sternsaphir und Evanesca. Kleidung dient meistens dem Zweck, also wenn ich sagen will, dass es eiskalt ist, dann stecken Hände schon mal tief in Manteltaschen. Kleidungsbeschreibungen von oben bis unten kommen mir selbst immer so plump vor, deswegen versuche ich es meistens mit kurzen Schlagworten zu umreißen. Oder ich mache genau das Gegenteil und beschreibe in Nahaufnahmen die Kleidung, wenn sich zum Beispiel jemand Unbekanntes heran schleicht und so ein seidenes Nachthemd über den Boden schleift.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

KaPunkt

Kleidung ist Ausdruck der Kultur und damit genauso Teil des Weltenbaus wie alles andere auch. Genauso sollte es auch behandelt werden.
Ich weiß gern, was gerade Mode in welcher meiner Kulturen ist und warum. Ich weiß gern, wie meine Figuren auf diese Normen reagieren und warum. Ich muss nicht alles zeigen, was ich weiß, und ich muss bei Gott nicht alles erklären.
Ich beschreibe die Kleidung, wie sie von meinen Figuren wahrgenommen wird. Verschiedene Figuren nehmen verschiedene Dinge wahr. Manchen fällt Kleidung mehr und mehr im Detail auf, manchen fällt vielleicht nichtmal auf, wenn jemand nackt durchs Bild springt.
Kleidung, sogar Details ans Kleidung, kann aber auf sehr kurzem Weg etwas über Kulturen und Charakter erzählen. Ob ein armer Charakter seine einzige Hose immer wieder sorgfältig flickt, oder ob er die Löcher einfach Löcher sein lässt, ob Ärmel vielleicht so lang und weit sind, dass sie verspielt herumflattern, man aber auf keinen Fall ernsthafte Arbeit damit ausführen kann, wie zwingend ist die Mode in einer Gesellschaft: Tragen alle mehr oder minder den gleichen Schnitt? Die gleichen Farben? Wie zeigt sich Rebellion?

Auch die Benutzung von Fachausdrücken, wie von Churke beschrieben, ist ein Stilmittel. Dazu muss der Leser gar nicht genau verstehen, was gemeint ist, er muss nur ein Gefühl dafür bekommen a) was gezeigt werden soll b) der Benutzer des Wortes und der Text selbst wird genauer definiert. Ob eine Figur ganz geläufig vom 'neuen Justacorps aus taubenblauer Seide' spricht oder 'Na, du weißt schön, eine von diesen prächtigen Mänteln, die wo die Adligen immer tragen' sagt, macht einen Unterschied.

Was ich davon wann und wie benutze, ist eine Frage davon, was ich zeigen will. Da bin ich ganz bei den Vorrednern. Es ist Weltenbau und Charakterzeichnung. Es zeigt die Welt und den Charakter. Ich nutze es, wann und wie es dafür brauche.

Liebe Grüße,
KaPunkt,
träumt von einem silbergrauen Bliaut für den nächsten Ball und hat einen Prota, der sich ständig nackig macht, ohne dass es irgendjemanden auffallen würde.
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Tinnue

Was ich auch interessant finde ist, wenn Kleidung den Charakter unterstreichen kann. Bestimmte Schnittformen bsp, so wie man oft bestimmte Dinge mit einem kantigen Gesicht o.ä assoziiert. Da hatte ich mir bei meiner französischen Geheimagentin einige Gedanken gemacht, auch darum, wie ich das einstreuen wollte. Eine Sache, die dann da relativ gut funktionierte, war vor einem Einsatz die Einheitlichkeit des Teams und die Tatsache, dass sie eben diese typische Agentenjacke trägt, sie aber, weil sie sich darin wie das Mädchen in der Jacke des Vaters fühlt, es von einem Schneider ein klein wenig hat umändern lassen. Ein wenig gibt das dann Rückschlüsse auf ihren Charakter (hoffe ich).
Finde es sehr spannend dahingehend mit Kleidung zu arbeiten. Wie seht ihr das? Kleidung, wichtig in dem Sinne, dass ihr damit Rückschlüsse auf den Char erlaubt?

Peftrako

Wenn ich über eine Figur in einer bestimmten Situation schreibe, überlege ich mir meist, was aus der Sicht des Perspektivträgers relevant sein könnte und ergänze das dann um für den Leser notwendige Informationen.

Wenn mein Perspektivträger auf dem Weg zur Arbeit eine Straße entlang läuft und dabei zwei Polizisten sieht, so reicht diese Anmerkung bereits aus, um in den Leserköpfen ein Bild zu erzeugen. Ist er auf dem Weg zu einer umstrittenen Demonstration und ich schreibe, das gleiche, dann fehlen dem Leser vermutlich Informationen. Da würde ich dann mehr zu Details greifen, die die Erwartungshaltung der Leser erfüllt. "An einer der Straßenecken bemerkte Peftrako zwei Polizisten, die aufmerksam die Umgebung musterten. Ihre schwarzen Uniformen wirkten durch die enthaltene Panzerung globig. Sie trugen beide passende Schutzhelme und hielten bedrohlich wirkende Maschinenpistolen in den Händen."

Mein persönliches Fazit: Ich versuche so viel wie nötig und gleichzeitig so wenig wie möglich zu beschreiben. Ich selbst finde es schwierig (das steht auch schon bei den vorhergehenden Antworten) einer detaillierten Beschreibung zu folgen, deren Inhalt ich nicht verstehe, da ich mit den Begriffen nichts anfangen kann. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich (als Mann) wenig mit der Vielschichtigkeit von Mode anfangen kann (wie bitte sieht ein Rock aus dessen Farbe mit "Zuckermelone" beschrieben wird???).



Phantasie ist eine gläserne Blume. Sanft zu berühren, zerbrechlich und filigran. Durchsichtig kaum wahrnehmbar für die einen. Strahlend schön in schillernden Farben für die anderen. Je nach Licht, in welchem sie betrachtet wird.

Dämmerungshexe

Zitat von: KaPunkt am 12. September 2017, 23:10:59
Auch die Benutzung von Fachausdrücken, wie von Churke beschrieben, ist ein Stilmittel. Dazu muss der Leser gar nicht genau verstehen, was gemeint ist, er muss nur ein Gefühl dafür bekommen a) was gezeigt werden soll b) der Benutzer des Wortes und der Text selbst wird genauer definiert.

Ich erinnere mich an ein Buch, in dem immer wieder Fachausdrücke für unterschiedliche Schiffstypen genannt wurden. Ich hatte nie ein genaue Vorstellung (meist war als Erklärung nur "groß" oder die Anzahl der Masten gegeben), aber ziemlich schnell doch ein Gefühl dafür entwickelt. Es hat den Text lebendig gemacht.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

cryphos

Zitat von: KaPunkt am 12. September 2017, 23:10:59
Kleidung ist Ausdruck der Kultur [...]
Dafür könnte ich dich knutschen, denn es trifft für mich den Nagel auf den Kopf. Sehr schön ist das im »Rad der Zeit«. Robert Jordan hat jedem Volk und vielen Gruppierungen einen eigenen Kleidungsstiel verpasst, mit zahlreichen Varianten innerhalb eines Stils. Das trägt unmittelbar zur Atmosphäre bei, z.B. wenn es die wärmeverwöhnten Südländer mit der leichten Kleidung in den kalten Norden verschlägt, oder wenn die Atha'an Miere auftreten. Auch schön, wie anders die Seanchaner sich kleiden und rüsten und wie sich das ändert, je länger sie sich auf dem Kontinent aufhalten, auf dem die Handlung primär spielt.
Diese Beschreibung der Kleidung beschreibt gleichzeitig das Volk, den hier muss die Kleidung praktische Zwecke erfüllen. Im Norden wärmen, im Süden die Haut schützen, den Seefahrer nicht behindern, den Krieger schützen und dennoch spielen andere kulturellen Einflüsse mit hinein, wie der Unterschied zwischen Adel und gemeinen Volk, oder auch wie militärisch eine Volk ist (je militärischer um so eher ähnelt die Kleidung einer Uniform) oder wie freiheitlich, wie steif oder flexibel. All das lässt sich aus dem Kleidungsstil ablesen.
Gleichzeitig gibt es aber keinen Charakter der permanent, die gleiche Kleidung trägt. Ich stöhne nämlich innerlich stets, wenn in einem Buch der Held immer die gleiche Kleidung, den gleichen Trenchcoat, das gleiche Hemd und den gleichen Hut trägt. Kleidung ist wandelbar in Form, Farbe, Schnitt, Passform, etc und jeder Mensch zieht sich um, wenn er kann. Also den Helden mit der immerblauen Rüstung stößt mir da schon sauer auf, denn er wird nicht immer diese Rüstung tragen, sondern ein Cape darüber ziehen, ein anderen Gamberson, welcher den alten verschlissenen ersetzt, die Stiefel werden sich abnutzen, etc. Das sollte mit einfließen. Auch wird die Rüstung mal repariert werden müssen und da wird es nicht immer blaues Leder geben...
Kleidung lebt und verändert sich, sowohl die persönlich getragene als auch bei längeren Zeitabschnitten die Kleidung eines ganzen Volkes oder gar Welt. Hier nennt man das Mode, wenn ich recht informiert bin.

Auch wichtig sind die kleinen Details der Kleidung, wie eine Fibel. Aus welchem Material ist diese, wie gearbeitet. das lässt Rückschlüsse zu, aus welcher Bevölkerungsschicht die Person stammt, wie wichtig ihr solche Dinge sind oder wie repräsentativ sie sein möchte. Auch wichtig ist dies z.B. wenn jemand versucht sich in Kreisen bewegt, die im nicht eigen sind. Ein Attentäter der Straße, der in eine Oper muss um dort das Opfer zu töten kann alles verderben, wenn er sich falsch kleidet oder gewisse Feinheiten nicht beachtet. Das grenzt ihn automatisch aus und vereitelt unter Umständen sogar den Mord.

Oder aber der soziale Aufstieg ist mit einem Wechsel der Kleidung verbunden oder kann damit vorgetäuscht werden, man denke nur an »Kleider machen Leute« von »Gottfried Keller«.
Also halten wir fest, Kleider und Mode sind elementare Bestandteile des Weltenbaus und wichtig.

Anderseits jedoch ist Kleidung oft überflüssig. Nicht für jeden Charakter muss die Kleidung detailliert beschrieben werden, nicht jede Bevölkerungsschicht muss dem Leser geschildert werden. Ich habe so einige Plot her tolle Geschichten gelesen, die mich schaudern ließen, weil es zu viele unnötige Beschreibungen der Kleider und Kleidung gab. Tolles Beispiel sind hier die Shadowrun Romane. Sehr oft wird hier die gerade getragene Körperpanzerung geschildert, immer und immer und immer wieder, mit Dicke, Gewicht, Farbe, etc. für jeden einzelnen Charakter. Zum K***zen ist das. Es würde einmal reichen zu erwähnen, dass der Magier sich mit einem Mantel aus Kevlar schützt und nicht bei jeder einzelnen Kugel, die auf den Mantel trifft, während er mit der MP beschossen wird.

Christopher

Ich halte mich bei Kleidung meistens schlicht oder es tragen sehr viele sehr ähnliche Kleidung. Das mache ich aus dem einfachen Grund, dass ich diesen ellenlangen Beschreibungen, bei denen auf Stil, Form, Schnitt, Farbe, Größe und Accessoires der Kleidung eingegangen wird, nichts abgewinnen kann. Weder als Schreiber noch als Leser. Das verhält sich genauso wie die Beschreibungen von Räumen, Orten, Kampfhandlungen oder Sex: Zu viele Informationen machen das ganze nicht anschaulicher, im Gegenteil.
Spätestens bei der zweiten Zeile die die Kleidung eines Charakters beschreibt habe ich schon abgeschaltet, oftmals tauchen gar mehrere neue Charaktere auf die dann gleich alle in dem Muster beschrieben werden... Das sprengt meine Gedächtnisleistung bei weitem.

Natürlich sollte man Kleidung beschreiben, aber das sollte man genauso handhaben wie man Orte etc. beschreibt und auch einzelne Sätze handhabt: Anstatt etwas lang und breit zu beschreiben, sollte man wenige aber dafür eindringliche Begriffe verwenden. Er trug einen von Salz und See ausgeblichenen Matrosenanzug, die Mütze auf dem Kopf verbeult und fleckig. Ihr Häubchen saß frisch und weiß wie ein Klecks Sahne auf ihrem Kopf, ein paar Strähnen ihres blonden Haars lugten hervor und ringelten sich auf ihr Kleid aus tiefstem Dunkelblau. Sie trug ihren schwarzen Zweiteiler mit der Würde einer First Lady, nur angetan mit einer weißen Perlenkette, die Hände um eine ebenfalls schwarze Handtasche geschlungen.

Das ist schwer, keine Frage. Ich bin bei meinen Beispielen ja auch immer länger geworden, aber es geht. Besser die markantesten Teile der Kleidung beschreiben und durch ihren Zustand  und die Erwartungen die man an gewisse Kleidung setzt Rückschlüsse auf den Rest schließen lassen. Kleidung passt nun mal zueinander. Wenn jemand eine Melone trägt, trägt er meistens Anzug oder Mantel dazu. Die Erwartung hilft uns da einiges an Beschreibungen zu sparen und das sollte man ausnutzen. Ich habe in allen Beispielen z.B. die Schuhe ausgelassen. Aber ich glaube nicht, dass irgendwer bei unserer First Lady in der Vorstellung nun pinke Flipflops an ihren Füßen sieht, oder? Eher was ebenfalls dunkles, etwas hochhackiges. Musste ich das beschreiben? Nein. Trotzdem dürfte in eurer Vorstellung keine der drei beschriebenen Personen Barfuß sein. Was fehlt wird passend ergänzt.
Be brave, dont tryhard.

Churke

Zitat von: cryphos am 13. September 2017, 10:14:06
Gleichzeitig gibt es aber keinen Charakter der permanent, die gleiche Kleidung trägt.

Es gibt da eine gewisse Kanzlerin, die man wegen ihres einheitlichen Kleidungsstils auch den "Hosenanzug" nennt.  ;D

In der Fernsehserie "Pretender" trägt Miss Parker in jeder Szene ein anderes Kostüm.  :o

Zitat von: Christopher am 13. September 2017, 10:27:19
Natürlich sollte man Kleidung beschreiben, aber das sollte man genauso handhaben wie man Orte etc. beschreibt und auch einzelne Sätze handhabt:
Ja, ich denke auch, dass die Wirkung des Outfits das Wesentliche ist. Der germanischen Leibwachen der römischen Kaiser kleideten sich in knallbunt gemusterte Seidengewänder. Wichtiger als eine rein deskriptive Beschreibung ist aber die Frage, ob die Kleidung "prachtvoll" oder eher "unseriös" ist. Ich tendiere zu "unseriös" und würde darauf achten, dass das beim Leser auch so ankommt.