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Schreiben macht Spaß? Verdammt noch mal, nein!

Begonnen von FeeamPC, 20. Juli 2017, 14:48:27

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FeeamPC

Ich lese hier immer wieder, dass den Autoren (zumindest denen, die nicht davon leben müssen), das Schreiben Spaß machen soll. Das kommt so ziemlich jeden Tag einmal in irgend einem Posting als guter Rat. Und ich erlaube mir heftigen Widerspruch.

Nein, ich schreibe nicht zum Spaß. Und von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, ist es weder als Spaß gedacht, noch macht es Spaß.
Ich schreibe, weil ich eine Geschichte erzählen will. Unbedingt. Und weil es ein äußerst zufriedenstellendes Gefühl ist, endlich ein Buch fertig zu haben. Und noch zufriedenstellender, wenn es gelesen und von den Lesern auch noch für gut befunden wird.
Aber Spaß ist etwas anderes.
Spaß ist es nicht, wenn ich nach getaner Arbeit in Beruf und Verlag noch eine halbe Stunde von meiner Schlafenszeit abzwacke, weil ich unbedingt noch eine Szene schreiben will.
Spaß ist es nicht, wenn ich in jeder freien Minute sehnsüchtig auf eine Inspiration warte, wie ich den verdammten gordischen Knoten in meiner Geschichte endlich zerschlagen kann.
Spaß ist es auch nicht, wenn ich das Fernsehen cancel und am Wochenende, statt draußen in der Sonne zu liegen und ein Buch zu lesen, in die Tastatur hämmere, weil mein Buch sonst nicht fertig wird.
Und ganz sicher ist es kein Spaß, wenn ich meiner Familie insgeheim grolle, weil sie mich schon wieder besuchen und mir damit kostbare, weil kaum vorhandene Schreibzeit stehlen.

Und trotzdem - nichts geht über das zufriedene Gefühl, wenn ich wieder ein Stück geschafft habe.

Coppelia

#1
Ja, eine interessante Frage. Das gibt bestimmt eine lange Diskussion. :)

Was versteht man unter "Spaß", wäre erst einmal die Frage.

@ FeeamPC
Du schreibst meiner Ansicht nach eher über Umstände rings ums Schreiben, nicht über das Schreiben an sich. Z. B. was muss man für das Schreiben opfern, was könnte man stattdessen tun. Das kann ich so alles nur bestätigen, mir geht es in fast jedem Punkt genauso.
Beim Schreiben habe ich oft/meistens/... trotzdem Spaß. Es sei denn, ich habe gerade mal wieder ein Motivationstief oder muss eine Geschichte schreiben, die ich eigentlich gar nicht erzählen will.
Meinen jetzigen Roman habe ich zwischen 5 und 6 Uhr morgens geschrieben, weil ich um 6 zur Arbeit fahren musste und dann für den Rest des Tages keine Zeit mehr hatte. Sicher, Spaß ist an sich etwas anderes. Trotzdem hatte ich Freude daran, mitzuerleben, wie meine Figuren tun, was sie tun. Ich habe Freude daran, die richtige Formulierung zu suchen und einen schönen Satz hinzubekommen. Und natürlich freue ich mich auch, wenn ich wieder ein Stück weit vorangekommen bin. Ich habe das eigentlich immer als "Spaß" bezeichnet, da ich ja leider nicht vom Schreiben lebe. Warum sollte ich mir das sonst antun?
Den Stolz, meine Arbeit anständig zu machen, kenne ich auch. Dast ist ein anderes Gefühl.

Und ich habe den Verdacht, dass du auch, wenn du "unbedingt" noch eine Szene schreiben willst oder lieber schreibst, statt zu lesen, beim Schreiben selbst etwas Spaß hast. ;)

Ein Buch fertig zu haben oder es der Öffentlichkeit auszusetzen, macht mir persönlich eher keinen Spaß.

Jiela

Ich weiß, zumindest ein bisschen wovon du @FeeamPC  sprichtst. Manchmal frag ich mich, warum ich überhaupt schreibe, weil es mich zu oft einfach nur frustriert oder auslaugt, weil ich wieder um 11 Abends noch das Gefühl hatte, ich muss jetzt noch etwas schreiben und dann wird es halb eins bis ich ins Bett komme. Aber wenn ich gerade ein Buch, oder eine Kurzgeschichte fertig hab oder endlich zu dieser einen Szene komme, die ich seit Monaten in meinem Kopf hin und her wälze, empfinde ich ein Glücksgefühl und ich weiß wieder, warum ich schreibe und warum ich auch in Zeiten der Dürre nicht aufgebe. Du sagst, du schreibst, weil du Geschichten erzählen willst. Ich würde es für mich etwas anders ausdrücken. Ich habe eine Welt in mir, die an die Oberfläche brechen will und wenn sie es in der Vollendung eines Buches, oder ähnliches schafft, macht es mich glücklich.

Coppelia

ZitatIch habe eine Welt in mir, die an die Oberfläche brechen will und wenn sie es in der Vollendung eines Buches, oder ähnliches schafft, macht es mich glücklich.
Toll gesagt! :D Das unterschreibe ich.

Dämmerungshexe

#4
Ich glaube generell muss man da unterscheiden zwischen: "Spaß machen" und "glücklich machen". Schreiben macht mir Spaß - wenn alle Umstände passen, ansonsten ist es oftmals Stress pur. Glücklich macht es mich in jeden Fall. Spaß wird oft überbewertet. Glücklich zu sein kann man nicht hoch genug schätzen. Schreiben ist harte Arbeit und harte Arbeit macht oft keinen Spaß - aber wenn sie geschafft ist und man sieht, was man erreicht hat, ist man glücklich.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Antigone

Ich denke, das ist vlt. auch ein Missverständnis zwischen "etwas macht Spaß" und "etwas aus Spaß machen". Zweiteres ist ja gemeinhin eine Umschreibung für "etwas als Hobby" betreiben. Daraus kommt dann vlt. der Trugschluß, nur weil man Schreiben aus Spaß/als Hobby betreibt, macht es auch Spaß.

Ich denke, Schreiben macht genausowenig Spaß wie viele andere Hobbies auch - zeitweise. Wenn ich beim Sport grad fürchterlich schwitze und fluche, oder über einem Strickmuster verzweifle, oder ich fürs Malen Perspektiven übe (keine Ahnung, ob man das wirklcih tut, ich male nicht), dann macht das auch keinen Spaß. Nichtsdestotrotz ist das Ergebnis letztendlich enorm befriedigend. Und genauso ist es beim Schreiben.

Ich rede jetzt mal von Hobbyschreibern. Aber bei Profis wirds nicht anders sein. Aber auch jeder andere Job macht doch nicht Spaß; nicht dauernd jedenfalls.

lg, A.

Coppelia

Kennt denn außer mir noch jemand Spaß  während des Schreibens? :hmmm: Ich habe natürlich auch nicht die ganze Zeit welchen, aber eben doch häufiger mal.
Bei Sprotte würde ich ihn jetzt z. B. vermuten. :) Auch bei vielen anderen, aber sie fällt mir als erste ein.

Peftrako

Ich sehe da eine Parallele zum Fitness-Studio. Fängt man damit an, mag die anfängliche Begeisterung groß sein. Man ist Feuer und Flamme. Probiert alle Geräte aus und nimmt Kurse in Anspruch. Wenn jedoch der Spaß und die Freude fehlt. Wenn es einem nicht glücklich macht, so wird man mit der Zeit immer weniger oft ins Studio gehen und irgendwann zu den Beitragszahlern gehören, die der Kategorie zahlende Karteileiche zuzuordnen sind. Wer es jedoch ernsthaft betreibt weil er ein Ziel hat (Abnehmen, etc.), der muss diese Tiefs überwinden, auch wenn sie keinen Spaß machen.

Hier scheitere ich selbst auch oft genug mit Geschichten. Tolle Ideen. Toller Anfang. Begeisterung beim Schreiben. Und dann wenn es schwieriger wird, wenn eine Plot-Biegung nicht will, wie sie soll. Wenn etwas nicht mehr läuft. Dann verläuft sich die Begeisterung im Sande. Da wird aus dem Spaß und der Freude dann harte Arbeit. Ich möchte lernen, diese Tiefs zu überwinden, denn ich bin sicher, dass der Spaß und die Freude wieder kommen werden. Es ist nichts befriedigender, als eine fertige Geschichte. Nun - fast nichts...  ;)

Vielleicht sollte der Rat dann weniger heißen "Spaß haben" sondern viel mehr "findet den Spaß wieder, wenn er abhanden gekommen ist".
Phantasie ist eine gläserne Blume. Sanft zu berühren, zerbrechlich und filigran. Durchsichtig kaum wahrnehmbar für die einen. Strahlend schön in schillernden Farben für die anderen. Je nach Licht, in welchem sie betrachtet wird.

Dämmerungshexe

Zitat von: Coppelia am 20. Juli 2017, 16:15:55
Kennt denn außer mir noch jemand Spaß  während des Schreibens? :hmmm: Ich habe natürlich auch nicht die ganze Zeit welchen, aber eben doch häufiger mal.

Wenn meine Figuren auch gerade Spaß haben - sicher!
Aber meist stecken sie bis zum Hals in Schwierigkeiten und schlimmerem, da habe ich ganz andere Emotionen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Tinnue

ZitatKennt denn außer mir noch jemand Spaß  während des Schreibens? :hmmm: Ich habe natürlich auch nicht die ganze Zeit welchen, aber eben doch häufiger mal.
Bei Sprotte würde ich ihn jetzt z. B. vermuten. :) Auch bei vielen anderen, aber sie fällt mir als erste ein.

Ich schätze mal dreist, den haben wir alle irgendwie. Sonst würden wir es irgendwann einfach sein lassen.  ;D

Also ja, ich weiß, worauf Fee raus will. Aber in der Essenz steckt es für mich einfach drin, vielleicht mit anderen Begriffen ausgerückt. Aber es gibt einem etwas. Würde das Schreiben mir auf Dauer nichts geben - keinen Spaß währenddessen, kein zufriedenstellendes Gefühl oder wie man es sonst beschreiben will, dann würde ich es sein lassen. Es ist ein Teil, der zum ganzen Ich dazugehört und der einen ausfüllt oder zumindest einen gewissen Raum in einem.  :vibes:

Zit

#10
Bei "Spaß haben" schwingt für mich auch dezent immer mit, dass etwas leicht von der Hand geht. Vermutlich teilen einige die versteckte Bedeutung, sonst würden man sich, denke ich, nicht an der Formulierung stoßen und meinen, Schreiben ist anstrengend. Das heißt jetzt nicht, dass ich über den Dingen stehe. Coppelias Frage danach, was Spaß ist und Dämmerungshexes Einwurf finde ich interessant, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Es gibt Momente, da habe ich während des Schreibens Spaß, wenn meine Figuren mich zum Beispiel überraschen und spitze Dialoge zuwerfen, für die ich in der Realität entweder zu langsam bin (oder ich doch lieber schweige) oder mein Gegenüber nicht mitspielt. Aber ansonsten bin ich mehr ein Junkie, der nur für den nächsten Rausch schreibt. Manchmal kommt er, sehr oft nicht, dennoch bin ich danach zufrieden, weil a) mein schlechtes Gewissen nicht meckern kann, dass ich nicht geschrieben habe und b) ich den Fortschritt sehe. Veröffentlichen ist auch nicht zu verachten. Zumindest blogge ich aus genau dem Grund, weil es eine Art ist, sich öffentlich mitzuteilen, die Chance zu haben, gehört zu werden. Die Beiträge zu schreiben und in der Schublade versauern zu lassen, bringt ja nix.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Churke

Zitat von: Coppelia am 20. Juli 2017, 16:15:55
Kennt denn außer mir noch jemand Spaß  während des Schreibens? :hmmm:

Handzeichen:  :winke:

Darüber hinaus ist Schreiben ein Prozess, und auch wenn man es "aus Spaß macht", sind Prozesse in erster Linie Knochenarbeit. Wenn ich mit der Flex 1 Woche lang eine Schwertklinge schrubbe, dann nicht, weil ich die Flex so geil finde, sondern, weil das Ergebnis für die Mühe entschädigt.

Trippelschritt

@FeeamPC    Ich verstehe Deinen Widerspruch nicht. Oder ist es ein semantisches Problem? Nun gut, mir macht das Schreiben nie Spaß, aber immer Freude. Und was Du beschreibst, hat sehr viel damit zu tun, was ich unter Freude verstehe. Bei mir sind es die vielen kleinen Erfolge, die das Schreiben begleiten. Wenn ein Einfall besonders gut ist, wenn eine Formulierung gelungen ist und selbstverständlich, wenn das alles entscheidende Wort da steht. ENDE.
Selbstverständlich kenne ich auch die anderen Dinge, die du ansprichst. Wenn die Familie, mit de rman glücklich ist, wieder mal stört, oder wenn eine dringend benötigte Idee sich nicht einstellt. Aber das ist eine generelle Frage der Lebenseinstellung und hat nichts mit dem Schreiben zu tun. So wie Deine Klage klingt, ist sie nicht mehr als ein dünnes Mäntelchen über einer tiefen Befriedigung. Und das ist für mich auch o.k. so.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Alana

Schreiben gibt mir etwas, ich versinke darin und ich genieße es. Klar, es ist ein Befürfnis, aber das widerspricht sich doch nicht. Kurz würde ich das zusammenfassen als: es macht mir Spaß. Nicht immer, nicht jeden Tag. Das ist okay und normal. Aber wenn es lange keinen Spaß macht, dann stimmt was nicht. Das Manuskript hängt, der Plot passt nicht oder ich habe mich zu sehr davon ablenken lassen, was wirklich wichtig ist: Die Freude am Schreiben. Wenn ich mich jeden Tag an den Schreibtisch zwingen muss, dann läuft was falsch und dann muss ich das ändern. So ist es jedenfalls bei mir. :) Das würde ich übersetzen mit: Schreiben sollte mir Spaß machen. Warum sollte ich es sonst tun?
Alhambrana

Shedzyala

In irgendeinem Schreibratgeber stand einmal sinngemäß: Wenn du nicht schreiben, sondern lieber geschrieben haben willst, dann ist das Autorenleben falsch für dich. Verdammt hab ich mich darüber aufgeregt! Denn ja, natürlich will ich am aller liebsten geschrieben haben – ich will das sogar so sehr, dass ich sogar dafür bereit bin, zu schreiben ;D

Danke liebe Fee :knuddel: Ich werde immer so schockiert angesehen, wenn ich sage, dass mir das Schreiben an sich nicht wirklich Spaß macht, sondern schon okay ist. Klar gibt es mal Szenen die unerwartet doch so richtig spaßig sind, dafür überwiegen ehrlich gesagt die Momente, wo ich fluchend und grummelnd vorm Rechner sitze. Dennoch will ich es um nichts in der Welt missen, denn sonst würde ich es nicht machen. Es steht ja letztlich niemand mit einer Waffe hinter mir, der mich zwingt – wobei manche sehr penetrante Figuren im Kopf einem fast schon dieses Gefühl vermitteln können ;D

Und diesen Punkt hast du ja auch sehr schön gesagt: Auch wenn Schreiben manchmal echt eine Qual sein kann, ich will, dass meine Geschichten aufgeschrieben werden. Und weil das niemand exakt so machen kann, wie ich das will, mache ich das eben selbst. Das ist okay, damit kann ich leben. Und da ich das Glück habe, dass mir Überarbeiten wirklich Spaß macht, sehe ich das Schreiben eben nur als Mittel zum Zweck.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See