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Schwierige Szenen

Begonnen von LeO, 08. April 2017, 23:16:52

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LeO

Hallo zusammen!

Ich wollte euch einmal fragen, ob ihr das auch kennt, wenn ihr eine besonders schwierige Szene (logisch, traurig wie auch immer) vor euch her schiebt. Ihr wisst zwar, dass ihr sie schreiben müsst, fühlt euch aber nicht wohl dabei. Bei mir ist es momentan eine Szene, in der ein wichtiger und sympatischer Charakter stirbt. Sie ist zentral, um das Finale in Gang zu bringen und kann daher nicht herausgeschrieben werden und ich als Autor muss mich ihr früher oder später stellen.

Mich würden eure Erfahrungen interessieren! Darüber kann gerne geplaudert werden, ebenso wie über Strategien, um es letztendlich über sich zu bringen!

Gruß, euer LeO

KaPunkt

Tu es. (oder tu es nicht. Es gibt kein Versuchen  ;))

Spaß beiseite. Ich denke, das kennen wir alle.  :knuddel: Durch aufschieben wird es leider nicht besser, zumindest bei mir nicht. Ich verkrampfe mich nur immer mehr. Und da ich von vorn nach hinten durchschreibe, bringt mich zu langes vor-mir-her-schieben nur dazu, dass ganze Projekt aufzugeben.
Also atme ich einmal tief durch, sperre den Inneren Uhrmacher in seinen Schrank (er beschwert sich nur noch sehr leise darüber, seit ich im ein Kissen und ein Puzzle mit rein gelegt habe) und schreibe. Meistens in der feste Überzeugung, dass es gerade der letzte Mist ist. Dass ist okay. Wenn ich die Szene durch habe, kann ich weitermachen. Und überarbeiten oder umschreiben kann und muss man nicht nur immer, mir fällt es auch noch leichter und es macht mehr Spaß als der erste Kampf mit dem weißem Blatt.

Was nicht heißt, dass blöde Szenen nicht immer noch erstmal ein paar Tage vor mir hergeschoben werden. Aber nicht mehr länger.

Liebe Grüße,
KaPunkt


She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Tanrien

#2
Ich stimme @KaPunkt zu, Augen zu und durch und wissen, dass man ja nachher eh überarbeiten wird, ist die Methode, um die man letztendlich nicht drumherum kommt.

Was helfen kann, ist, da mit Schwung reinzugehen. Also wenn du alle deine Notizen hast, dann einen Sprint draus machen, in dem du die Szene so schnell wie möglich runter schreibst. Dann wird man ja oft mit dem Flow so mitgerissen, dass man in der Szene aufgehen und über kleinere Unstimmigkeiten und Sachen, die nicht gefallen und die im First Draft immer drin sind, einfacher hinwegsehen kann. Und dann auch gerne, in deinem Fall, vielleicht (beim Schreiben) ein paar Tränen vergießen, weil sich die Szene beim Schreiben schon so emotional anfühlt.

Möwe

#3
Ich stimme den anderen zu, Augen zu und durch ist auch für mich die beste Methode. Ich versuche unangenehme oder schwierige Szenen meist so schnell wie möglich runterzuschreiben, egal wie blöd manche Sätze klingen. Wichtig ist für mich erst einmal, dass da was steht. Ich mag keine Lücken! :D
Was mir sehr geholfen hat, als ich im letzten Nano meine beiden Protas umbringen musste (was also eine richtig emotional-schwere Szene für mich war), ich habe die ganze Zeit dabei laut geflucht und sehr viel gejammert! Das hat es nicht unbedingt besser gemacht, aber mir witzigerweise beim Schreiben geholfen. :rofl:
How do you write like tomorrow won't arrive?
How do you write like you need it to survive?
How do you write every second you're alive?
(Hamilton - Non-Stop)

Trippelschritt

Nein, ich kenne das nicht. (mehr?) Ich habe ja vorher eine Entscheidung getroffen. In Deinem Fall dafür, dass diese Figur stirbt. Und wen ich mich erst einmal entscheiden habe, dann lebe ich auch mit den Konsequenzen. Oder aber, wenn ich feststellen muss, dass ich das nicht kann, stelle ich diese Entscheidung in Frage und durchdenke sie noch einmal. Aber auch beim Schreiben sollte man wissen, was man will.

Nur Mut
Trippelschritt

Elona

Mir geht es dabei eher wie Trippelschritt. Sobald ich eine Entscheidung getroffen habe, was passieren soll (inklusive Konsequenzen), habe ich auch keine Probleme damit die Szene zu schreiben. Das schließt jedoch nicht aus, dass sie mich trotzdem berührt. Aber das ist in meinen Augen ein anderes Thema.
Hin und wieder stelle ich im weiteren Verlauf fest, dass ein anderer Ausgang besser gewesen wäre und dann ändere ich sie einfach entsprechend.

Lothen

Ich empfinde auch vor allem die Szenen als schwierig, die eine besondere Wirkung auf den Leser haben sollen. Inhaltliche Blockaden kenne ich da weniger. Ich bin aber auch schmerzbefreit und tue meinen Figuren gern böse Dinge an. :D

Tanrien und Kapunkt haben eigentlich das Wichtigste gesagt: Ran an den Speck. Es ist ja nur die erste Version, je komplexer eine Szene, desto öfter wirst du sie später ohnehin noch überarbeiten. Überleg dir im Vorfeld schon einmal, aus welcher Perspektive du schreibst, mach dir noch mal bewusst, wie die Figur die Szene erlebt, pack dir vielleicht eine stimmungsvolle Musik rein und dann einfach mutig sein.  :jau:

Evanesca Feuerblut

Mir hilft es ja sehr, mich auf Twitter oder unter Autorenfreunden darüber auszulassen, dass ich gerade eine Szene schreibe, die mir aus diversesten Gründen SO unendlich schwer fällt.
Meist ist das bei peinlichen Szenen der Fall. Kampfszenen, Sterbeszenen, tränenreiches Zeug, das kann ich.
Aber als auf einmal meine zwölfjährige Perspektivträgerin auf die Idee kam, sich zu befummeln und ich nicht ausblenden durfte, bis sie fast erwischt wird (aus diversen Gründen musste das so), habe ich um jeden einzelnen Satz gekämpft und dabei in Autorennetzwerken vor mich hingeschimpft, dass das so schwer ist und so peinlich und überhaupt, wieso muss meine POV denn jetzt SOWAS tun, was ist die aber auch so einsam und präpubertär, böses Kind...
Und das klingt bescheuert, aber es hat mir persönlich geholfen. Darüber meckern macht irgendwie den Kopf frei, dass man die Szenen auch wirklich durchzieht, wenn nichts anderes hilft. Jedenfalls bei mir.

Klecks

Oh ja, das kenne ich auch, sehr gut sogar!  :d'oh:  Bei mir sind es die besonders emotionalen Szenen und, wie bei Lothen, vor allem die Szenen, bei denen ich mir eine ganz bestimmte Wirkung auf den Leser erhoffe. Besonders wichtig sind mir da die Szenen, die eine Figur entscheidend charakterisieren - ich habe nie das Gefühl, dass ich die wirklich so hinbekomme, wie ich es gerne hätte. (Auch, wenn ich durchaus glaube, dass man generell nichts, was man schreibt, wirklich hundertprozentig genau so umsetzen kann, wie man es sich gewünscht/vorgestellt hat.) Auch schwierig sind Szenen, in denen viel passiert oder sich etwas radikal verändert.

Ich gehöre da zu den Autorinnen, die sich vor solchen schwierigen Szenen gerne ein bisschen drücken, was schon mal dazu führen kann, dass ich an einem Projekt tagelang (oder in Extremfällen wochenlang) nicht mehr arbeite, einfach, weil ich zu große Angst davor habe, es nicht so hinzubekommen, wie es sein soll. Was ja nicht gerade gut ist. *seufz* Aber tatsächlich ist es so, dass die einzige Möglichkeit, das zu überwinden, meiner Meinung nach ist, diese Szenen einfach zu schreiben. Und sich daran zu erinnern, dass man sie in der Überarbeitung verbessern kann.  ;D


Guddy

Bei mir sind es "technische" Szenen bzw. Szenen, in denen irgendwelche politischen Dinge prominent behandelt werden(müssen). Diese Dinge finde ich so unglaublich zäh und langweilig auch selbst zu lesen, dass ich sowas mittlerweile fast komplett aus meinen Manuskripten verbannt habe. Ich will so etwas nicht lesen - warum also sollte ich es dann schreiben?
Manchmal muss es natürlich sein, um dem Plot Würze zu geben und Strukturen zu erläutern, doch ich muss mich da wirklich durchquälen.

Und ja, ich drücke mich da auch gerne vor und verschiebe es bis gaanz ans Ende. ;D

Feuertraum

Ich bin da ehrlich gesagt auch etwas ... äh ... gefühlskalt. Egal wie viel Liebe und Wärme, Enthusiasmus und Gefühl man in eine Figur hineingesteckt hat, letztendlich ist es doch nur eine Figur. Für mich ist das auch ein bisschen wie beim Rollenspiel. Dort habe ich zwei Möglichkeiten: Ich hänge an meiner Figur und gehe mit ihr maximal bis vor die Haustür, auf dass ihr nicht passiert, oder ich begebe mich mit ihr in Gefahr, spüre das Kribbeln, das Herzrasen, das Gedankenkarussell, sprich, ich lebe, dann muss ich aber auch damit rechnen, dass es meine Figur auch erwischen könnte.
Klar, auch ich habe meine Lieblingsfiguren, aber es sind eben für mich nur Figuren.
Von der Seite her: Augen zu und durch.
Und als mögliche Alternative: Sie schreiben dann für sich eine Situation, in der die Figur überlebt und dass Ende dann eben anders ausschaut. Dann ist die Figur zwar für alle anderen tot, aber für Sie lebt sie dann weiter.
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Ary

Meine Nemesis sind Kampfszenen. Inzwischen schreibe ich sie nach der "egal wie doof sich das jetzt liest, Augen zu un durch"-Methode und gebe die Szene dann an einen kampfszenenerfahrenen Betaleser. Mit den dann garantiert kommenden Kommentaren wird überarbeitet, bis ich zufrieden bin. Aufschieben kann ich nicht, ich schreibe immer absolut chronologisch, weil ich sonst fusselig werde. Für mich ist der Gedanke daran, eine Szene aufschieben zu wollen, ein ganz klarer Hinweis, dass am Plot irgendwo was hakt.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Angela

Ich schreibe erstmal nur das absolute Grundgerüst, also nur stur die Handlung auf und feile dann an jedem Satz, bis es alles richtig für mich klingt. Insofern schreibe ich auch die Szenen, die mich emotional mitnehmen, so runter, heule dabei Rotz und Wasser, aber die müssen da so hin. Ich finde die ja viel leichter zu schreiben, als diese (für mich) grausamen Beschreibungen von einem Haus, Stadt, was auch immer. Das sind schwierige Szenen für mich  :rofl: .

HauntingWitch

Ich schliesse mich meinen Vorrednern an und sage dasselbe wie bei Zweifelsphasen: Das einzige, was man dagegen tun kann, ist, sich "durchschreiben", bis es besser wird. Oder in diesem Fall, bis die Szene steht.  ;)

Ich selber gehe diese besonders schwierigen Szenen so an, dass ich mir Zeit gebe, mich mit ihnen anzufreunden. Das kann dann schon vorkommen, dass ich die wochenlang im Kopf herumwälze, bis ich jede erdenkliche Version durch habe, bevor ich mit dem Schreiben anfange. Zu dem Zeitpunkt habe ich mich dann schon so sehr damit beschäftigt, dass die Hindernisse nur noch wie Maulwurfhügel erscheinen. Bei emotionalen Sachen bewirkt das, dass ich den Gedanken schon so oft hatte, dass er mich nicht mehr erschreckt. Bei logischen/aufbautechnischen Sachen bewirkt es, dass ich die ganze Gehirnarbeit schon hinter mir habe und mich quasi treiben lassen kann. Bei der Überarbeitung brauche ich dann sowieso Betaleser, die mir sagen, ob es richtig rüberkommt, also...  ;D Natürlich ist jeder anders und ich muss dazu sagen, dass ich nicht immer chronologisch schreibe und mir die Zeit für diese innere Vorbereitung daher auch nehmen kann.

In einem meiner aktuellen Projekte wird eine wichtige und sympathische Nebenfigur sterben. Ich habe die letzten vier oder so Wochen damit verbracht, eine Lösung zu suchen, damit sie überlebt und bin zu dem Schluss gekommen, dass es einfach nicht geht. Später kommt dann noch das, was ich oben beschrieben habe. Mir hilft in diesem Fall z.B. auch das Wissen, dass dieser Schritt für die Entwicklung meines Hauptcharakters sehr wichtig ist. Letztlich geht alles zu Gunsten einer guten Story.  :engel:

MynaKaltschnee

Hallo LeO,

schreibst du denn chronologisch oder die Szenen durcheinander? Ich schreibe chronologisch und es hilft mir, ungeliebte Szenen eben nicht aufzuschieben, sondern gleich zu schreiben. Ich glaube, das Beste ist, wenn man sich

1. darauf besinnt, dass die Szene geschrieben werden muss und zwar je schneller desto besser. Konzentriere dich auf das tolle Gefühl, das du haben wirst, wenn die Szene geschrieben ist.
2. dafür belohnt, wenn man die Szene geschrieben hat. Ein Stück Schokolade, eine Tasse Kaffee, ein heißes Bad - all das sind gute Anreize, um schwierige Szenen in Angriff zu nehmen.

Ich bin nur ein schwarzer Geist, dessen Spinnerei Wort für Wort auf das Papier tröpfelt.