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Was ist klassische und was ist originelle Fantasy?

Begonnen von Franziska, 13. März 2017, 23:58:39

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Franziska

Es kommt hier immer wider die Diskussion auf, dass deutsche oder auch internationale zu wenig originelle Fantasy verlegen. Dass immer nur das Gleiche gefragt ist, und originelle Ideen keine Chance haben, sei es, weil die Agenturen es nicht vertreten wollen, die Verlge es nicht verlegen, die Buchhandlungen nicht einkaufen, oder die Leser nicht lesen.
Über die Gründe will ich hier nicht diskutieren, mich interessiert eher, was ist denn eigentlich klassiche Fantasy? Und was verstehen wir als originell?
Sind die Fantasy Bücher, die sich am besten verkaufen originell? Oder folgen sie immer dem gleichen Schema?
Ich glaube, wenn man sich die Besteseller mal anguckt, kann man so einiges davon lernen. Daher habe ich mal überlegt, welche Fantasy-Bücher aus diesem Jahrzehnt (also nicht Herr der Ringe, etc.) verkaufen sich am besten und sind am beliebtesten und wie originell sind die, fallen mir Fantasy-Bücher ein, die besonders originell sind und wie ist das auf dem deutschen Markt?

Als klassische High Fantasy würde ich ansehen: mittelalterlich europäisches Setting, epische Schlachten, Kampf um den Thron, Kampf gegeb bösen Magier, Magier oder Adlige als Helden bzw. Diebe und Assassinen. Eventuell aber nicht zwingend Elfen, Drachen, etc.
Noch mehr?

Als klassische Urban Fantasy: Heldin oder Held jagd magische Geschöpfe oder ist selbst eins. Betreibt eine Privatdetektei, in jedem Band gibt es neue Fälle mit übergeifendem Plot. Es gibt Vampire, Werwölfe, Geister, Feen etc.

Erstmal dachte ich, ich sammel hier einige Bücher und schreibe was zu denen, die ich gelesen habe. Ergänzt es gerne, ich kopiere es dann hierher.
Vielleicht erinnere ich mich auch nicht mehr bei allen ganz genau, also korrigiert mich gerne.

High Fantasy


Kingkiller chronicle /Name des Windes von Patrick Rothfuss

Setting: klassisch mittelalterlich, es gibt Feen und  Faune
Figur: Held, der alles kann: Magie, Singen, Kämpfen, etc. aber durch die Erzählung in der Erzählung weiß man, dass es einen Bruch in seinem Leben gibt.
Nebenfiguren: zahlreich, hübsche Trickbetrügerin als LI, verrückte Magieprofessoren, einen fiesen Adligen als Antagonisten, kämpfende Frauen etc.
Plot: eher eine Art Entwicklungs/Schelmen/Abenteuerroman.

Game of Thrones/ Lied von Eis und Feuer von GRRM
Setting: mittelalterlich in zahlreichen verschiedenen Ländern und Kulturen von skandinavisch bis Wüste
Figuren: zahlreiche Hauptfiguren, wechselnde Perspektiven, immer wieder unerwartete Tode. (ich will jetzt nicht alle aufführen) am beliebtesten sind wohl der kleinwüchsige Prinz, der gerne trinkt und zynische Sprüche reißt. Und die  jugendliche Asasassinin.  Jede Figur hat gute und schlechte Seiten (außer Geoffrey und Ramsey, den fiesen Antagonisten)
Plot: angelehnt an den Rosenkrieg geht es darum, wer letztlich den eisernen Thron erobert, mit zahlreichen Nebenhandlungen.
Originalität: Durch die verzweigte Handlung und die zahlreichen Figuren und den vielschichtigen Figuren
Erfolg: Wegen der interessanten Figuren, spannender Handlung, viel Gewalt und Sex

Mistborn von Brandon Sanderson
Setting: spätmittelalterlich städtisch. Interessantes  Magiesystem. Ein oberster Herrscher unterdrückt die Welt, den die Rebellen stürzen wollen, daneben gibt es Nebelwesen und Legenden.
Figuren: Anführer der Rebellenbewegung, begabter Magier sowie einem von Straßenmädchen/Sklavin zur Magierin gewordenen Mädchen. Daneben zahlreiche Rebellen, ein idealistischer Prinz und andere Adlige.
Originalität: das Magiesystem, unerwartete Wendungen und die Entwicklung in den späteren Bänden

Sturmlicht-Chroniken von Brandon Sanderson
Setting: Mittelalterlich in Adligen-Schicht und Sklaven. Daneben gibt es nichtmenschliche Figuren. Unheimlich detailreiche Welt.
Figuren: Adlige die mit Intrigen um Vorherrschaft kämpfen, ein gutaussehender Prinz, ein in die Jahre gekommener Kriegsheld, eine junge Frau, die mit Tricks versucht ihre Familie zu retten und eine interessante Entwicklung durchmacht. Ein junger Mann, der als Sklave schwer schuften muss, aber nie aufgibt und unbedingt seine Freunde retten will. (am ehesten der klassische Held)  Ein ängstlicher König. Ein göttlicher Assassine. Alle Figuren, auch Nebenfiguren sind sehr gut und detailliert ausgearbeitet.
Originalität: hoch, durch die Welt, die Figuren, den detailreichen Erzählstil. Klassisch sind die Intrigen am Hof, Schlachten etc. Aber alles in frischer Form erzählt.


Die Lügen des Locke Lamora von Scott Lynch
?

Eragon von Christopher Paolini

?

Demon Cycle von Peter V. Brett
?

Kushiel's Dart von Jacqueline Carey

?

Black Magician von Trudi Canavan
?


Ryiria-Serie von Michael J. Sullivan

Setting: mittelalterlich, verschiedene Städte und Dörfer. Es gibt Elfen und klassische Magie.
Figuren: Zwei Auftragsdiebe, die sich in Intrigen um den Thron wiederfinden und in jedem Band neue Abenteuer erleben. Den Charme macht ihre Freundschaft aus. Daneben einen unsterblichen zwielichtigen Zauberer, eine Prinzessin, die nicht gerettet werden muss und ein Bauernmädchen, das zur Heldin wird.
Originalität: nicht sehr hoch.
Erfolg: Den Charme machen die Figuren aus und der Humor im Erzählstil.

The first law von Joe Abercrombie

?

Night Angel von Brent Weeks
?

Das Lied des Blutes von Anthony Ryan

Fool's Assassin von Robin Hobb


Andrzej Sapkowski




Beispiele beliebter HF deutscher  Autoren wären:

Markus Heitz: Zwege, Drachenchroniken
Bernhard Hennen: Drachenelfen
Michael Peinkofer: Die Orks
Richard Schwarzt: Götterkriege
Wolfgang Hohlbein
Ein Beispiel für originelles Setting: Akram El-Bahay: Flammenwüste: orientalisches Setting
Kennt ihr andere originelle HF  deutscher Autoren? (ich habe jetzt mal bewusst keine Tizis erwähnt)

Beispiel für erfolgreiche originelle HF, hat einige Preise gewonnen:
Das Erbe der Götter von N.K. Jemisin
Setting: mittelalterlich, orientalisch, es gibt Götter
Figuren: eine weibliche Heldin, Götter
(den Rest habe ich vergessen) ???



Jugendbücher:

Bei Jugendbüchern ist Urban Fantasy ja beliebter, einige, die ich auch recht originell fand:
Uprooted/Das dunkle Herz des Waldesvon  Naomi Novik
(erscheint gerade erst auf Deutsch bei cbj, war auf Englisch sehr beliebt.)
Setting: mittelalterlich, aber ohne Elfen etc, dafür ist ein Wald der Antagonist
Figuren: eine zähe junge Frau und der Magier (schroff und sozial unbegabt), bei dem sie in die Lehre geht.
Plot: Das Mädchen lernt beim Magier, der den ,,Wald‟ in Schach hält, der mit seiner Bosheit alles im Umkreis verdirbt.
Originalität: Der Wald als Antagonist.
Erfolg: Die besondere Atmosphäre, die sympathische Hauptfigur und intelligenter Plot.


Die Frabren der Magie von VE Schwab

(erscheint gerade erst auf Deutsch bei Fischer Tor, war auf Englisch sehr beliebt.)
Setting: es gibt fünf verschiedene  Londons, Parallelwelten, mit verschiedenem technologischem Entwicklungsstand
Figuren: Ein Magier, der zwischen den Welten wandern kann und auch ein Prinz ist sowie eine Diebin, die sich als Mann ausgibt.
Originalität: die Idee mit den verschiedenen Welten

Grisha von Leigh Bardugo
?



Urban Fantasy


American Gods von Neil Gaiman

Iron Druid von Kevin Hearne

Dresden Files von Jim Butcher

Flüsse von London, Ben Aaronovitch

House of Night, PC Cast

Black Dagger, JR Ward

Kate Daniels, Ilona Andrews

The Hollows, Kim Harrison

(edit: habe die Jugendbücher gelöscht, da es etwas viel war)


Beispiele für ein paar origineller Urban Fantasy-Bücher:



Golem und Dschinn
Setting: 19. Jh. New York
Figuren: Eine Golem-Frau, ein Rabbi und ein Dschinn.
???


The Others von Anne Bishop
(auf Englisch erfolgreich, erscheint bei uns im kleinen Drachenmond-Verlag)
Figuren: eine Frau ohne Gedächtnis, die überleben will und eine prophetische Gabe hat, zwei Polizisten und die ,,Anderen‟, Tiermenschen, die die Menschen unterdrücken, Raubtiere, die zu Freunden werden.
Originalität: Die Idee so habe ich sonst noch nie gelesen, auch der Erzählton ist recht speziell.
Die Liebesgeschichte ist nebensächlich.

Der Gewinner des Heyne-Wettbewerbs: Des Teufels Maskerade von Viktoria Schlederer im Setting von 19. Jh. in Prag mit Steampunk-Elementen, bisexuellen/schwulen Figuren und einem sprechenden Otter. Leider nach zwei Bänden eingestellt.

Ansonsten gibt es schon einige weitere originelle Fantasy-Bücher auch bei großen Verlagen, bei kleineren natürlich mehr. Das kann ich aber nicht beurteilen, da ich nicht alle gelesen habe. Ich müsste nochmal genauer gucken.
Ich sammel ja immer alle deutschen Fantasy-Bücher auf pinterrest:
https://de.pinterest.com/celiajansson/deutsche-fantasy-bücher/

International gesehen habe ich den Eindruck, dass vor allem High Fantasy beliebt ist, bei denen die Figuren im Fokus stehen, die Figuren sind meist keine klassichen Helden, sondern haben Stärken und Schwächen. Es gibt weibliche und männliche Hauptfiguren. Oft dabei sind auch Drachen, und andere magische Wesen. Und oft hat man sowohl Adlige und Hofintrigen, als auch Diebe/Figuren aus der Unterwelt bzw. aus dem normalen Volk. Und die Figuren und Plots sind komplex.
Bei deutschen Autoren habe ich öfter den Eindruck, dass es weniger komplex ist. Woran das liegt, weiß ich nicht, an den Lesern oder Autoren, den Verlagen?

Puh, das ist echt lang geworden. Ich hoffe, das waren jetzt nicht zu viele Fragen und Themen auf einmal.  :P

Ich fasse nochmal zusammen: was ist für euch klassisch, was originell? Nennt gerne ein Beispiel

Tintenteufel

Puh, das ist eine ordentliche Hausnummer, die du da vorlegst.
Ich denke man muss da zwei Punkte unterscheiden bei der Frage:
1. Definition von "Klassisch" und "Originell"
2. Welchen Bereich wir uns damit anschauen

Ich sehe da bei deinem breiten Aufgebot an Fantasy (wovon ich einiges noch gar nicht kannte und mir sicherlich anschauen werde) besonders beim ersten Punkt Probleme. Du wirfst an einigen Stellen nämlich Plot, Tropes, Stil, Struktur und Charaktere einer Erzählung zusammen, was es schwer macht, eine genaue Definition aufzugreifen und damit dann die Analyse der Einzelwerke zu betreiben.
Anders ausgedrückt: Was du als klassische High Fantasy beschreibst würde bspw. auch auf Teile von 'Conan der Barbar' zutreffen - der ja gemeinhin als Low Fantasy schlechthin gilt. Auch da gibt es böse Magier, Kämpfe um den Thron, Diebe, Assasinen usw. Genau so sehe ich bei deiner Unterscheidung zwischen High Fantasy und Urban Fantasy genau einen Unterschied: Das eine ist irgendwie moderner. Und das ist für mich nicht so wirklich ein eigenständiges Genre.

Die Frage ist schlicht, was hier als originell gelten soll. Ist alles, was von der klassischen Formel abweicht, schon originell? Es ist ja ziemlich evident, dass originell nicht gleich gut oder auch nur beliebt oder erfolgreich bedeutet. Und auch, dass sich das mit der Zeit natürlich alles ändern kann, was wir hier aber vernachlässigen können.
Persönlich finde ich Game of Thrones ziemlich originell, aber nach einer kurzen Analyse und dem zweiten Buch entpuppt sich das als recht klassische High Fantasy. Verdammt gute High Fantasy, aber auch nur begrenzt originell. Bei Urban Fantasy mit der Einteilung von klassisch und originell ansetzen zu wollen finde ich auch sehr fragwürdig, weil es schon schwer ist, das ziemlich junge Genre überhaupt einzuteilen. Geschweige denn eine Deviation vom 'klassischen' Modell festmachen zu wollen.

Daher würde ich den beobachteten Bereich etwas eingrenzen wollen. Einerseits eben weil die Frage 'ist deutsche Indie Fantasy jetzt origineller als englische Bestseller?' schwerlich Sinn macht. Natürlich ist der englischsprachige Buchmarkt um einiges größer als der deutsche, entsprechend gibt es da eine breitere Auswahl an 'origineller' Fantasy. Ein nicht zu vernachlässigender Anteil spielt sich aber auch im Internet oder in neuen Medien ab. Womit ich sagen will: Die Lesegewohnheiten des englischsprachigen Publikums und die des deutschen Publikums unterscheiden sich z.T. gewaltig. Was es schwer macht bspw. aus dem bloßen Vorhandensein von origineller amerikanischer Fantasy Rückschlüsse auf die Beliebtheit von deutschsprachiger origineller Fantasy zu ziehen, worauf du ja hinaus möchtest, denke ich?

Andererseits müssen wir dabei im Hinterkopf behalten, wozu wir diese Einteilungen überhaupt vornehmen. Wollen wir ein paar Büchern ihren Genres zu ordnen? Heraus bekommen, was der Leser an einer Reihe von beliebten Büchern interessant finde? Wollen wir historische Entwicklungen nachvollziehen, etwa warum Urban Fantasy so randvoll mit Noir Elementen und Scheibenwelt eben keine Urban Fantasy ist?

Die, soweit ich weiß, gebräuchlichste Definition von High Fantasy betont 1. die Eigenständigkeit der fremden Welt, 2. der hohe Gehalt an Phantastik, 3. die hohen Bedeutung des Plot für die Welt ('High Stakes'), 4. den Abenteuer-Charakter. Oder kurz: Episches Abenteuer in einer eindeutig phantastischen Welt.
Ich bin recht konservativ, was meine Einstellung dazu angeht, weil ich 'klassische' Fantasy gerne als ein schnelles und schmutziges Identifikationsmittel benutze, um uninteressante Bücher auszusortieren. Wenn ein Buch all diese Elemente hat und mich auf dem Klappentext oder durch kulturelle Osmose nicht davon überzeugen kann, dass es mit diesem Schema etwas interessantes anstellt, dann kommt es nicht auf meine Leseliste.

Klassische Fantasy heißt für mich: stark mythologische Elemente und romantische Motive, ein gewisser Eskapismus. Eine bestimmte Struktur und Anordnung von Inhalten, nicht diese Inhalte selbst. Der Herr der Ringe ist auch ohne Drachen klassische Fantasy, Wagners Siegfried nicht - egal wie oft Fafner Feuer spuckt.
Originell heißt für mich also im Umkehrschluss: Eine Beibehaltung der Struktur von klassischer Fantasy mit einer inhaltlichen Abweichung. Also beispielsweise "Urban Fantasy", die für mich bis zu einem gewissen Grad mehr Fantasy-Krimis sind als ein eigenständiges Genre.
Originelle Fantasy ist für mich entweder ein Gedankenexperiment, das mit einer bestimmten Genretradition bricht und die bis ins letzte durchspielt (The Emperor's Soul) oder Fantasy Konventionen in ein anderes Genre überträgt (Dresden Files) oder den Fokus komplett anders setzt, als gewöhnliche Fantasy das tun würde.

Ich finde mit dieser Einteilung eines Genres (Fantasy) als Struktur und nicht als eine Reihe von Inhalten (Drachen, Elfen, Fachwerkhäuser) umgeht man übrigens auch gut die Neigung zu Dutzenden SubGenres, die sich teilweise nur durch das Datum voneinander unterscheiden.  ::)

Über die Gründ, warum das 'am Markt' so wenig stattfindet, kann ich nur spekulieren und lasse es deswegen. Ich bin aber eigentlich überzeugt, dass das mehr ein Wahrnehmungsproblem ist - es gibt sicherlich auch gute, originelle Fantasy. Die versteckt sich nur. :)

Aphelion

Was originell ist, hängt in meinen Augen viel zu stark vom Betrachter ab, um es allgemein zu definieren.

Die Beispiele, die ich oben wiedererkannt habe, fand ich z.B. gar nicht originell – aber dir haben sie etwas Neues vermittelt oder haben anscheinend zumindest so dynamisch auf dich gewirkt, dass du den Inhalt als neu oder originell empfindest.

Mein allgemeiner Definitionsversuch würde dementsprechend auch in eine komplett andere Richtung gehen: Originell ist das, was entweder im Moment nicht die große Masse von Büchern ausmacht – weshalb es per definitionem nie Mainstream sein kann – oder sich als Marktführer abhebt (unabhängig davon, wie viele dasselbe machen).

Judith

Zitat von: Franziska am 13. März 2017, 23:58:39

Kingkiller chronicle /Name des Windes von Patrick Rothfuss

Setting: klassisch mittelalterlich, es gibt Feen und  Faune
Ich möchte hier nur kurz einhaken: Die Welt der Kingkiller Chronicles ist auf keine klassisch mittelalterliche, sondern, wenn man es schon mit irdischen Zeiträumen vergleichen will, mehr Renaissance bzw. sogar später, wenn man die Universitäten betrachtet und was daran gelehrt wird, den Lebensstil (vor allem des Adels), die schrumpfende Macht der (Tehlin) Kirche, die Organisation von Handel und Staaten und dass bis zu einem gewissen Punkt auch schon ein Verständnis von Elektrizität da ist.
"Tigana" von Guy Gavriel Kay hat ein ähnliches Setting und ich würde es ebenfalls der klassischen Fantasy zuordnen, dasselbe gilt für "Sarantium" von Kay, das dem spätantiken Byzanz entspricht. Daher würde ich die Definition von klassischer High Fantasy über das Mittelalter hinaus definieren - eher von später Antike bis Barock vielleicht?
Das sind so die Epochen, die die meisten Leser bei Fantasy normalerweise einfach unter "mittelalterlich" zusammenfassen.

Kaeptn

#4
Ohne euch ausbremsen zu wollen, aber zu dem Thema Subgenres haben wir doch schon einen sehr langen Thread
http://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=13768.0

wäre vielleicht sinnvoller den um das Thema "originelle Fantasy" zu ergänzen.

Generell halte ich die Einteilung in die zig Subgenres für extrem schwierig und in ihrer Zersplitterung z.T. auch schon für übertrieben. Selbst bei meinen eigenen Romanen weiß ich nicht, ob das nun High, Low, Dark, Grim&Gritty oder Sword&Sorcery ist. Irgendwie von allem ein bisschen. Letztlich ist entscheidend, dass man dem interessierten Vielleicht-Leser ein "so ähnlich wie" nennen kann, denn viele kennen Fachbegriffe oder Abkürzungen gar nicht, da hilft es nicht, wenn ich denen sagen "ich schreibe High Fantasy, aber kein EDO-Setting", da ernte ich nur Fragezeichen.

Und um auf deine Frage zurückzukommen: Dass du Kai Meer unter High Fantasy führst, hat mich extrem verwundert. Für mich ist er ein Prototyp des originellen, seien es die Wellenläufer, das Wolkenvolk oder die Merle-Trilogie - zuletzt eher Urban, aber an einen klassischen Fantasy Roman von Meyer kann ich mich gar nicht erinnern.

HauntingWitch

Zitat von: Kaeptn am 14. März 2017, 07:54:59
aber an einen klassischen Fantasy Roman von Meyer kann ich mich gar nicht erinnern.

Ähm, Die Alchimistin? Ist zwar urban/historical, aber verwendet innerhalb dessen alle Klischees, die es gibt. Das Buch ist einer Meinung nach genial, aber originell würde ich es nicht nennen.  ;D

Zur Ausgangsfrage:
Klassische High Fantasy ist für mich das, was du beschreibst @Franziska. Ich lese zu wenig High Fantasy, um da etwas Originelles zu nennen, weil ich schlicht nichts kenne.

Klassische Urban Fantasy ist für mich magische Gestalten in realer Stadt, wahlweise mit Nur-Action oder Action-und-Love-Story, meistens mit einer weiblichen Protagonistin (Romantasy ist für mich, wenn ausschliesslich die Love-Story im Vordergrund steht, etwa wie bei Black Dagger, aber das ist wieder etwas anderes). In Beispielen wären das für mich City Of Bones, Melissa Marrs Wicked Lovely oder, um eine Deutsche zu nennen, Engelsbrut, Engelsjagd etc. von Andrea Gunschera. Und natürlich Ben Aronovitch, das ist für mich dann die klassische Action-Urban-Fantasy.

Originelle Urban Fantasy ist für mich etwa die Wächter-Reihe von Lukianenko oder jedes beliebige Buch von China Miéville. Die sind auch seit Jahren im Mainstream erfolgreich, was mir doch noch etwas Hoffnung für den Buchmarkt macht. :)
Ansonsten wird man wohl eher bei den Kleinen fündig, etwa wie Der schwarze Garten von unserer DoroMara. Das ist für mich originelle Urban Fantasy.

Ich finde die Frage interessant. Wenn man sich umsieht, könnte man schon fast denken, originell bei Urban ist, wenn keine Love-Story vorkommt. Oder im Fall von High Fantasy - ah, jetzt fällt es mir ein: Tobias O. Meissner - Könige und Königinnen nur am Rande erscheinen, die Auserwählten keine Auserwählten sind und die grosse Schlacht sich nicht um einen Thron dreht oder, wie bei Barbarendämmerung vom genannten Autor, gar nicht erst vorkommt. ;)

Und natürlich die Dark Tower-Reihe von King, aber da King eine eigene Marke ist, weiss ich nicht, ob das etwas zählt. ;D

Ausserdem habe ich den Eindruck, dass es auch auf die Umsetzung ankommt. Um zum Beispiel Meyer zurückzukommen: Die Alchimistin hat einen Plot, der nicht dem Standardschema entspricht (=origineller Plot). Gleichzeitig enthält die Geschichte aber so viele Klischees und vor allem Bilder, die man gefühlt schon tausendmal vorgesetzt bekommen hat, dass es für mich nicht als originell durchgehen kann. Ja, was denn jetzt?  :hmmm: Die Frage ist dann ja, was überwiegt.

Oh, ich merke gerade, dass das Thema viel komplexer ist, als ich dachte.  :d'oh:

Kaeptn

Mit klassischer Fantasy meinte ich was wie Herr der Ringe & Co, kann mich nicht erinnern dass Meyer sowas geschrieben hat. Die Alchimistin ist, wenn überhaupt, Histo-Fantasy, hat mich eher an Zafon erinnert, den würde auch keiner Fantasy-Autor nennen.

ZitatOder im Fall von High Fantasy - ah, jetzt fällt es mir ein: Tobias O. Meissner - Könige und Königinnen nur am Rande erscheinen, die Auserwählten keine Auserwählten sind und die grosse Schlacht sich nicht um einen Thron dreht oder, wie bei Barbarendämmerung vom genannten Autor, gar nicht erst vorkommt. ;)

Dann ist es nicht originelle High Fantasy, dann ist es gar keine HIGH Fantasy mehr. Siehe den oben verlinkten Subgenre-Thread. Aber wie gesagt, diese ganzen Subgenres definiert jeder anders, deswegen kann man sich da stundenlang die Köppe heiß diskutieren ...

Franziska

Zitat von: Tintenteufel am 14. März 2017, 02:11:30


Andererseits müssen wir dabei im Hinterkopf behalten, wozu wir diese Einteilungen überhaupt vornehmen. Wollen wir ein paar Büchern ihren Genres zu ordnen? Heraus bekommen, was der Leser an einer Reihe von beliebten Büchern interessant finde? Wollen wir historische Entwicklungen nachvollziehen, etwa warum Urban Fantasy so randvoll mit Noir Elementen und Scheibenwelt eben keine Urban Fantasy ist?



danke,  das sind einige interessante Punkte. Um diese Fragen geht es mir weniger, sondern mehr darum rauszufinden, was die Bestseller ausmacht, was sie erfolgreich sind und inwiefern sie bewährte Muster verwenden, inwiefern sie davon abweichen und somit originell sind.

Da es wie gesagt immer wieder die Kritik kommt, es gäbe zu wenig originelle Fantasy und dass die Verlage es nicht wollen, dafür aber meinen, sie wollen klassische High Fantasy. Damit meinen sie wohl kaum einen neuen Herr der Ringe, sondern einen neuen Game of Thrones. Ich denke, auch mal wirklich an Beispielen zu diskutieren kann da hilfreich sein.


@Judith, da hast du recht, ja, stimmt. Renaissance ist mir nicht eingefallen.  ::) Wobei es ja schon eher selten dieses Setting gibt.

@Kaeptn: stimmt, Kai Meyer habe ich falsch einsortiert. Es geht mir nicht darum, die genannten Bücher in Subgenre einzusortieren. Jetzt noch zu Low Fantasy etc. zu unterschieden wollte ich eigentlich nicht. Sondern eben wie oben gesagt die erfolgreichen Bücher genauer anzugucken.

@Witch Urban Fantasy muss für mich keine Lovestory haben, steht die im Vordergrund ist es für mich Romantasy. Was ich auch auffällig finde, viele Urban Fantasy Bücher wo die Liebesgeschichte nur am Rande vorkommt werden auf Deutsch mit Romantasy-Cover angeboten. Auf Englisch ist dann eine Frau mit ihrer Knarre drauf.  ::)
Ja, Lukanienko ist auch interessant, dass Fantasy außerhalb des englischsprachigen Raums so erfolgreich ist kommt ja auch nicht so oft vor.

Fianna

Mit den Beispielen des Eingangsbeitrages stimme ich irgendwie gar nicht überein. Viele Beispiele passen für mich nicht in Deine Schublade "klassiche High Fantasy", zum einen, weil sie mit dem Setting und der Struktur oder sogar mehreren oder allen Elementen nicht Deiner im Eingangsbeitrag aufgestellten Definition entsprechen (Locke Lamora z.B.). Zum anderen, weil einiger der aufgezählten Bücher Genreregeln bewusst brechen.

GRRM zum Beispiel hat zum Großteil sehr zwiespältig angelegte Figuren. Es ist vermutlich vom Autor gewünscht, dass man als Leser eher auf Seite des Hauses Stark steht, grundsätzlich sind die Figuren, vor allem Daenerys Targaryen, vielschichtig angelegt. Für jeden Punkt, der den Leser anzieht und dazu bringt, mit der Figur mitzufiebern, gibt es Handlungen, die eigennützig, rachsüchtig oder grausam sind, so dass man die einzelnen Figuren nicht wirklich "den Guten" hinzu zählen kann. Auch bei den stark antagonistischen Figuren gibt es immer Punkte, die zugunsten der Figur sprechen, so dass man eine gewisse Sympathie empfindet.
Diese "grauen" Figuren sind aber das genaue Gegenteil von klassischer High Fantasy!
Auch mit einigen anderen Elementen, wie zum Beispiel der recht hohen Mortalitätsrate bei wichtigen Figuren, bricht GRRM gängige Muster.

Und da man mit dem Wort "originell" eher das Unerwartete, nicht Normierte bezeichnen würde, passt GRRMs Reihe dann doch eher in die zweite Schublade.



Grundsätzlich macht für mich ein originelles Buch dieses Unerwartete, Untypische aus. Deswegen war ich teilweise von Büchern enttäuscht (z.B. "Blutstolz" von Evie Manieri), die dieser Erwartungshaltung nicht gerecht werden. Wenn die "erfundenen" Völker im Prinzip Wikinger mit den Schwächen von Vampiren sind - hallo, wo ist da die Originalität? Wenn dann noch ein absolut generischer Erzählstil hinzukommt (auktorialer Erzähler, bei epischer Fantasy aus Amerika anscheinend ein Muss), ist das Buch für mich nicht originell.


Brüche in der Erzählweise (wie z.B. bei Locke Lamora), ungewöhnliche Settings, untypische Helden, das Verletzen von genretypischen Regeln - solche Dinge machen ein Buch für mich originell.
Das heisst natürlich nicht, dass es automatisch besser ist. Wenn es gut erzählt ist, machen mir auch klassische Geschichten viel Spaß, wie z.B. Stephan Russbülts "Der Düsterkrallenwald". Meine eher wenig lesende Arbeitskollegin mochte das Buch nicht, da es ihr zu vorhersehbar war (und das, obwohl sie eher wenig liest und solche Geschichten also nicht schon dutzendfach gelesen hat!), aber das Buch ist kurzweilig und gut erzählt und macht einfach Spaß. Dann ist mir egal, dass es nicht originell ist.
Genauso kann ein "originelles" Werk, das schlecht geplottet ist oder in schlechtem Stil geschrieben ist (oder bei dem mir der Stil einfach nicht zusagt, wie z.B. wenn es ein auktorialer Erzähler ist), postwendend im öffentlichen Bücherschrank landen.

HauntingWitch

Zitat von: Kaeptn am 14. März 2017, 13:32:04
Mit klassischer Fantasy meinte ich was wie Herr der Ringe & Co, kann mich nicht erinnern dass Meyer sowas geschrieben hat. Die Alchimistin ist, wenn überhaupt, Histo-Fantasy, hat mich eher an Zafon erinnert, den würde auch keiner Fantasy-Autor nennen.

Ich befasse mich seit zwölf Jahren mit Urban Fantasy und Die Alchimistin kann man durchaus dazu zählen (wegen den Teilen, die in Wien und Zürich spielen).
Zafon kenne ich nicht, aber z.B. mein Lieblingsautor, John Ajvide Lindqvist wird gerne mit dem Begriff "Thriller" angepriesen. Meiner Meinung nach ist das astreiner Psycho-Horror, aber wenn die das da drauf schreiben würden, würden es die Leute schon deswegen nicht kaufen.

Zitat von: Kaeptn am 14. März 2017, 13:32:04
Dann ist es nicht originelle High Fantasy, dann ist es gar keine HIGH Fantasy mehr. Siehe den oben verlinkten Subgenre-Thread. Aber wie gesagt, diese ganzen Subgenres definiert jeder anders, deswegen kann man sich da stundenlang die Köppe heiß diskutieren ...

Ich habe mal in einem Artikel die Definition gelesen, High Fantasy sei alles, was in einer eigenständigen, komplett fiktiven Welt spielt. Wenn eine grosse Schlacht vorkommen muss, ist Der Name des Windes auch keine High Fantasy. Wird aber gemeinhin als solche anerkannt?  :hmmm: Ich blicke nicht mehr durch.

ZitatUm diese Fragen geht es mir weniger, sondern mehr darum rauszufinden, was die Bestseller ausmacht, was sie erfolgreich sind und inwiefern sie bewährte Muster verwenden, inwiefern sie davon abweichen und somit originell sind.

Ich glaube, das sind aber zwei verschiedene Sachen. Was die Bestseller ausmacht, würde ich jetzt weniger im Genre, sondern eher bei den thematischen Punkten suchen. Hat aber meiner Meinung nach weniger mit Genre zu tun, sondern eher mit bewährten Mustern in einem weiteren Sinne. Dinge, die man kennt und mit denen man sich identifizieren kann, gehen natürlich leichter in die Köpfe, als etwas völlig Neues oder ein Thema, das einen nicht selber betrifft und/oder mit dem man sich noch nie beschäftigt hat. Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine.

ZitatWas ich auch auffällig finde, viele Urban Fantasy Bücher wo die Liebesgeschichte nur am Rande vorkommt werden auf Deutsch mit Romantasy-Cover angeboten. Auf Englisch ist dann eine Frau mit ihrer Knarre drauf.

Ja, das hat was. Ich meine, es liegt ja schon nahe, aber teilweise vermittelt es auch einfach einen falschen Eindruck.

@Fianna: Deine Beiträge sind einfach immer wieder interessant.  :)

Fianna

#10
Danke schön   :knuddel:


Zitat von: Franziska am 13. März 2017, 23:58:39Dass immer nur das Gleiche gefragt ist, und originelle Ideen keine Chance haben, sei es, weil die Agenturen es nicht vertreten wollen, die Verlge es nicht verlegen, die Buchhandlungen nicht einkaufen, oder die Leser nicht lesen.
Ja, der deutsche Markt scheint sich stark am englischsprachigen zu orientieren.
Aber allein in meinem an Neuerscheinungen aus Großverlagen mageren Bücherregal habe ich doch auf Anhieb ein knappes halbes Dutzend origineller Bücher aus deutschen Großerverlagen gefunden. "Die Soldaten" (Piper), "Der Tag der Messer" (Bastei Lübbe), "Der letzte Schattenschnitzer" (KlettCotta), "Flügel aus Asche" (Knaur), "Talvars Schuld" (Knaur), "Die Speere Gottes" (Bastei Lübbe)...
Das gibt es durchaus. Und Christian von Aster schreibt zwar schon lange und viel, aber jetzt auch nicht unbedingt in großen Verlagen, "Flügel aus Asche" war ein Debut und "Die Speere Gottes" rühmt sich einerseits, von einem bekannten Fantasyautor mit Historiker-Hintergrund geschrieben worden zu sein (Heitz?), andererseits wird der Ruhm des Namens nicht genutzt, sondern ein Pseudonym verwendet, das meines Wissens bis jetzt noch nicht aufgelöst wurde...

Es sind also nicht immer nur die etablierten Bestseller-Garanten, die eine ungewöhnliche Idee im Großverlag unterbringen können.

Franziska

@Fianna: sorry, da habe ich mich mal wieder unklar ausgedrückt.  ::) Ich meinte nicht, dass meine Beispiele umbedingt klassische High Fantasy sind. Sondern eben die beliebtesten High Fantasy Bücher im Moment überhapt. Inwiefern sie klassisch oder originell sind, würde ich ja gerne herausfinden.

Zitat von: Fianna am 14. März 2017, 16:40:03
Danke schön   :knuddel:


Zitat von: Franziska am 13. März 2017, 23:58:39Dass immer nur das Gleiche gefragt ist, und originelle Ideen keine Chance haben, sei es, weil die Agenturen es nicht vertreten wollen, die Verlge es nicht verlegen, die Buchhandlungen nicht einkaufen, oder die Leser nicht lesen.
Ja, der deutsche Markt scheint sich stark am englischsprachigen zu orientieren.
Aber allein in meinem an Neuerscheinungen aus Großverlagen mageren Bücherregal habe ich doch auf Anhieb ein knappes halbes Dutzend origineller Bücher aus deutschen Großerverlagen gefunden. "Die Soldaten" (Piper), "Der Tag der Messer" (Bastei Lübbe), "Der letzte Schattenschnitzer" (KlettCotta), "Flügel aus Asche" (Knaur), "Talvars Schuld" (Knaur), "Die Speere Gottes" (Bastei Lübbe)...
Das gibt es durchaus. Und Christian von Aster schreibt zwar schon lange und viel, aber jetzt auch nicht unbedingt in großen Verlagen, "Flügel aus Asche" war ein Debut und "Die Speere Gottes" rühmt sich einerseits, von einem bekannten Fantasyautor mit Historiker-Hintergrund geschrieben worden zu sein (Heitz?), andererseits wird der Ruhm des Namens nicht genutzt, sondern ein Pseudonym verwendet, das meines Wissens bis jetzt noch nicht aufgelöst wurde...

Es sind also nicht immer nur die etablierten Bestseller-Garanten, die eine ungewöhnliche Idee im Großverlag unterbringen können.

Das sind auch interessante Beispiele. Ich kenne nur Flügel aus Asche von Coppi und ein anderes Buch von Daniel Loy. Warum das immer mit "ein erfolgreicher deutscher Autor, der nicht genannt wird" vermarktet wird, finde ich auch seltsam. Ich habe ja auch schon öfter gesagt, dass ich eigentlich finde, es werden durchaus originelle Bücher veröffentlicht. Die Frage ist, wie erfolgreich die dann sind.

Kati

Zitat von: Fianna am 14. März 2017, 16:40:03Ja, der deutsche Markt scheint sich stark am englischsprachigen zu orientieren.

Das scheint aber immer weiter abzunehmen oder sich zumindest einzugrenzen. Gerade in der High Fantasy schaffen es viele Bestseller vom englischen Buchmarkt nicht mehr nach Deutschland. Leigh Bardugos "Six of Crows", wirklich originelle HF in einer Welt, die an die Niederlande um 1900 angelehnt wirkt, ist in den USA ein Riesenbestseller und bisher nicht nach Deutschland übersetzt worden. Sarah J. Maas' "Throne of Glass"-Reihe wird hier zwar veröffentlicht, ist aber nach den ersten beiden Büchern nur noch als Taschenbuch erschienen, lief also anscheinend nicht so gut wie in den USA. Ich habe oft das Gefühl, dass der englische Buchmarkt für originelle High Fantasy deutlich offener ist, als der deutsche. Die High Fantasy abseits von Mittelalterwelten und Elfen, Zwergen und Orks schafft es nur einfach gar nicht nach Deutschland, oder nur in kleineren Verlagen mit sehr viel weniger Präsenz, während Dystopien, Urban Fantasy und dergleichen auch rüberkommen, wenn sie auf dem englischen Buchmarkt nicht mal der große Hit waren. Das wäre meine Einschätzung dazu, ohne, dass ich behaupten könnte, ich hätte da eine Riesenahnung von. Aber meine Beobachtung ist, dass der englischsprachige Buchmarkt für originelle beziehungsweise ungewöhnliche High Fantasy offener ist, als der deutsche.

Kaeptn

Six of Crows kommt laut Angaben des Autors, nur einen Termin gibt's noch nicht - https://www.goodreads.com/questions/768768-will-six-of-crows-be-published-in-german

Dass nicht alle US-Hits auch hier funktionieren, ist ja auch gut so, sonst würde wohl nur noch übersetzt, was in US erfolgreich war, das wäre dann ja total risikolos. Steampunk war in Übersee ja auch halbwegs erfolgreich und ist hier eher baden gegangen. Und SciFi, in D bei vielen Großverlagen viele Jahre lang ziemlich tot, jetzt wiederentdeckt (dank der Kinoerfolge), war in US immer ein starkes Genre. Aber der englische Markt ist einfach so viel größer, selber ein origineller Nischen-Roman kann da noch zehntausende Leser erreichen, das ist in D völlig unrealistisch.

So gesehen lobenswert, dass es deutsche Verlage immer wieder mit originellen deutschen Romanen versuchen - obwohl wir ja von einigen der oben genannten Bücher wissen, dass sie nicht so dolle liefen.

Tintenteufel

#14
Zitat von: Franziska am 14. März 2017, 15:12:14
danke,  das sind einige interessante Punkte. Um diese Fragen geht es mir weniger, sondern mehr darum rauszufinden, was die Bestseller ausmacht, was sie erfolgreich sind und inwiefern sie bewährte Muster verwenden, inwiefern sie davon abweichen und somit originell sind.

Da es wie gesagt immer wieder die Kritik kommt, es gäbe zu wenig originelle Fantasy und dass die Verlage es nicht wollen, dafür aber meinen, sie wollen klassische High Fantasy. Damit meinen sie wohl kaum einen neuen Herr der Ringe, sondern einen neuen Game of Thrones. Ich denke, auch mal wirklich an Beispielen zu diskutieren kann da hilfreich sein.

Naja, das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Markterfolg hat relativ wenig mit Genrelastigkeit zu tun, würde ich mal behaupten. Klar gibt es Genres, die 'immer laufen' - Krimis, historische Romane uw. - aber ein mittelmäßiges Buch wird nicht durch sein Genre zu einem Bestseller. VampirSchmonzetten lagen fast 30 Jahre brach, bevor Twilight raus kam, und das Genre allein garantiert ja keinen Hit. Man kann den Erfolg von Twilight z.B. auch ganz gut auf die TeenieGruppe schieben, die nach Harry Potter 6 irgendwie noch hungrig waren.
Da gibt es natürlich noch eine Menge anderer Faktoren, aber wie stark man sich an mehr oder weniger etablierte GenreRegeln hält spielt da eher wenig eine Rolle, denke ich. Vor allem wenn man bedenkt, dass bestimmte Bestseller Genres wegen ihres Erfolgs auch noch neu definieren.

Abgesehen davon unterscheidet sich eben der Geschmack, wie ja schon mehrfach angesprochen wurde. Horrorliteratur beispielsweise ist in den USA auch stärker vertreten als hierzulande. Stephen King ist ja ziemlich Mainstream, während ich (mit sehr begrenztem Wissen) nicht einmal deutsche Horrorautoren kenne. Was ich mal nachholen sollte.

Jedenfalls:
Dass der Markt in den USA offener ist...würde ich mit begrenzter Übersicht auch unterschreiben. Das liegt aber vor allem am Markt selbst: Größer, "moderner", wahrscheinlich jünger. 28% eBook Anteil und fast 40% bei den unter 30 Jährigen. In Deutschland lag er im selben Jahr bei so um die 10% bei einem deutlich kleineren Markt.
In den USA ein eBook rauszubringen mit einem großen Verlag und das bei Erfolg in ein Taschenbuch zu verwandeln ist kein großes Risiko, würde ich mal spontan behaupten, ohne konkrete Zahlen recherchiert zu haben. Klar, das teuerste an einem Buch ist nicht die Drucklegung selbst, aber eBooks dürften einen Tick günstiger sein im Vertrieb und zumindest durchschnittlich einen größeren Anteil ihrer Kosten wieder reinspielen.
Das, was letztlich bei 'uns' in Europa ankommt, sind ja nur die Erfolge, die große Aufmerksamkeit erlangt haben. Und das ist aus verschiedenen Gründen ein gestaffelter Prozess: OnlineFiction, eBook Experimente, lokaler Verlag, internationaler Erfolg. So lief es z.B. bei 50 Shades of Gray, wenn ich mich nicht irre, was ja als Twilight FanFic angefangen hat. Der amerikanische Markt liefert mehr Möglichkeiten, relativ risikolos ein paar Sachen auszuprobieren - was natürlich originelleren Konzepten zu gute kommt.
Das ist natürlich nur ganz ganz grobe Konjektur, aber bei der Wahrnehmung der etwas konservativen Leselandschaft in Deutschland muss man halt diese zwei Dinge mitbedenken:
1. unterschiedliche Spielregeln (s.o.)
2. Wahrnehmungsverzerrungen.
Es kommt ja nicht jedes Experiment hier an. Und selbst ziemlich am amerikanischen und englischen Buchmarkt interessierte Leute werden wahrscheinlich nicht auf allen Ebenen mitspielen. Ich lese z.B. gerne OnlineFiction, WebSerials usw., habe aber absolut keine Ahnung vom eBook da drüben, geschweige denn von Taschenbüchern.
Was dann umgekehrt dazu führt, dass natürlich nur diejenigen Bücher hier überhaupt wahrgenommen werden, die sehr erfolgreich sind, was zu einer gewissen Survivorship Bias führt: Für jeden originelleren Bestseller gibt es Dutzende auf der NYT Bestseller Liste, die komplett nach Schema F aufgebaut sind - die sind nur nicht unbedingt international erfolgreich.