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Der Monolog

Begonnen von Culham, 26. Juli 2016, 12:44:31

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canis lupus niger

#15
Zitat von: Churke am 26. Juli 2016, 13:54:45
Ich weiß nicht, ob Monologe in einem Roman nicht in Richtung schlechter Stil gehen.

Da hätten wir den Erklärbär-Monolog, wo der Held über alte Zeiten und was bisher geschah reflektiert.
Dann haben wird den Dilemma-Monolog, wo der Held vor einer schweren Entscheidung steht.
Weiterhin der Sensibelchen-Monolog, in welchem der Held seine Seelenqualen offenbart.
Außerdem der Träumchen-Monolog, in dem der Held seine Pläne für die Zukunft ausbreitet.

Der Monolog geschieht im Kopf des POV. Ein personaler Erzähler wird niemals ganz ohne innere Einsichten auskommen, da er die Handlung kommentiert und sich seine Gedanken dazu macht. Aber das ist was anderes als 2 Seiten Erklärbär-Monolog. Ist es nicht gerade Zeichen von Erzählkunst, den Leser unterschwellig permamente mit Informationen zu versorgen, anstatt irgendwann mal alles mit dem Holzhammmer breit zu klopfen?

Lieber Churke, eigentlich mag ich Deine leicht zynisch klingenden Beiträge immer sehr. Aber hier hier möchte ich Dir doch teilweise widersprechen.

Ein Monolog findet nicht immer ausschließlich im Kopf des POV statt. Das ist nur der innere Monolog.

Der Molog kann jedoch auch jeder andere längere Abschnitt wörtlicher Rede von einem Charakter an einen oder mehrere andere sein, z.B. ein Plädoyer vor Gericht, oder eine Rede. Das ist dann absolut kein Zeichen schlechten Stils, sondern kann geistreich, spritzig, unterhaltsam und dem Plot zuträglich sein.

Deine Erklärbär- und anderen Benennungen halte ich für vorschnell negativ gewählt. Eine Erklärung muss ja nicht zwingend oberlehrer- oder märchenonkelhaft sein. Wenn jemand seine Zukunftspläne darlegt, muss das nicht verträumt sein, sondern kann inspirierend und mitreißend sein, wie jede andere Rede auch. Was ein Monolog grundsätzlich nicht ist, das ist eine (Ruhe-)Pause im Fluss der Ereignisse. Es kann durchaus sein, dass ein Charakter jemanden anschreit und aufrüttelt, er solle seinen Ar*** gefälligst in Bewegung zu kriegen, jetzt wäre nicht die Zeit zum Herumtrödeln, dass er durch seinen Monolog den Fluss der Ereignisse also sogar beschleunigt.

Im Gegensatz dazu kann es sehr mühsam  sein, aus zahlreichen Andeutungen und Ereignissen das herauszulesen, was der Autor über die Vorgeschichte, den seelischen Zustand oder die Pläne des POV vermitteln möchte. Weil jeder Mensch eine eigene Denk- und Verständnisweise hat, kann dem einen oder anderen Leser sogar entgehen, was ihm da vermittelt werden soll. Deshalb KANN ein guter innerer Monolog durchaus knapp, kernig und unterhaltsam das vermitteln, was sonst mit vielen Worten im Text versteckt und (manchmal nur mit Glück) wieder gefunden werden muss. Nicht jeder Autor ist so geschickt in "show, don´t tell", dass die hintergründig gegebenen Informationen eindeutig und unterhaltsam beim Leser ankommen. Und ich habe schon an anderer Stelle meine persönliche Meinung dargelegt, wonach ich "show, don´t tell" als durchgängig und allein angewandte Erzählweise für zu umständlich halte. Manchmal ist eine direkte Beschreibung besser.

Ich halte eine gesunde Mischung verschiedener Elemente -soweit sie zur Art der Erzählung und zum Charakter passen - für das beste.


Churke

Zitat von: canis lupus niger am 29. Juli 2016, 19:40:21
Der Molog kann jedoch auch jeder andere längere Abschnitt wörtlicher Rede von einem Charakter an einen oder mehrere andere sein, z.B. ein Plädoyer vor Gericht, oder eine Rede. Das ist dann absolut kein Zeichen schlechten Stils, sondern kann geistreich, spritzig, unterhaltsam und dem Plot zuträglich sein.

Dabei sollte man aber bedenken, dass eine Rede sich an ein fest definiertes Publikum richtet und den Zweck hat, die Meinung dieses Publikums zu beeinflussen. Rhetorik, Lügen, Demagogie, Entertainment, Emotionen schüren. Da gelten auch für Schriftsteller andere Regeln, möchte ich meinen.

canis lupus niger

Zitat von: Churke am 29. Juli 2016, 22:11:42
[...] die Meinung dieses Publikums zu beeinflussen. Rhetorik, Lügen, Demagogie, Entertainment, Emotionen schüren. [...]

Und ist das nicht ein geiles Potential für einen Autoren, das sich zu nutzen lohnt?

Tanja

ZitatAber ist das nicht der Moment, wo der Ermittler die Beweise kombiniert, um auf den Täter zu kommen – also eine der wichtigsten Szenen in einem Krimi?

Ja richtig - wenn er dann tatsächlich etwas kombiniert, ist es spannend. Leider kenne ich viele Krimis, in denen der Ermittler während eines Monologs vier oder fünf Möglichkeiten durchspielt und es danach in der Handlung aber nicht weitergeht - sprich: Ich bin als Leser entweder genauso schlau wie vorher oder der Ermittler kombiniert Dinge, die ich für eher absurd halte oder meine mögliche Kombination ist nicht dabei.
In solchen Fällen stört mich der Monolog dann.

Aber du hast recht, wenn er wirklich gut kombiniert während des Monologs und ich nach dem Lesen eine Aha-Erkenntnis habe, dann ist es spannend.

Viele Grüße
Tanja

Churke

Zitat von: canis lupus niger am 30. Juli 2016, 02:06:17
Und ist das nicht ein geiles Potential für einen Autoren, das sich zu nutzen lohnt?

Lass es mich so ausdrücken: Monolog ist Schiller, Rede ist Goebbels. Das eine ist die moralische Anstalt, das andere Volksverhetzung. Da sehe ich einfach zu wenige Gemeinsamkeiten, um das in die selbe Schublade zu packen.

Oder, um einen Kollegen zu zitieren: "Wir [Anwälte] können nicht aus schwarz weiß machen, aber ein dunkles Grau kriegen wir hin." Aber das gehört halt nicht zur Theorie des Damas, eher zum Drama der Theorie.  :engel:

Trippelschritt

Ich habe gerade eine gewaltige Überzeugungsrede geschrieben. Aber ich habe sie zwischendurch vor zwei Zuhörern kommentieren lassen. Interessante Effekte   :darth:

Trippelschritt

Lukas

Ist nicht gerade der Innere Monolog eigentlich die mitunter beste Variante das Innenleben einer Figur darzustellen? So, wie die Arie in der Oper? Nur, dass der Autor den Luxus hat seine Figuren nciht lautstark in der Gegend herumschreien zu lassen. Es reicht wenn sie den Leser anschreien.
Ich stimme Churke allerdings zu, dass zwischen einer klassischen Rede und einem Monolog ein gewaltiger Unterschied besteht.             

canis lupus niger

#22
Zitat von: Churke am 30. Juli 2016, 10:46:43
Lass es mich so ausdrücken: Monolog ist Schiller, Rede ist Goebbels. Das eine ist die moralische Anstalt, das andere Volksverhetzung. Da sehe ich einfach zu wenige Gemeinsamkeiten, um das in die selbe Schublade zu packen.

Ah, dann ist Martin Luther Kings berühmte "I have a dream"-Ansprache also ein Monolog, keine Rede? Oder ist sie im weitesten Sinne ebenfalls Volksverhetzung? Immerhin wollte ja auch dieser Mann seine Zuhörer beeinflussen, wenn er sie auch zu menschlicherem Verhalten bewegen wollte, nicht zu unmenschlicherem. (Obwohl, jetzt könnte man eine Diskussion darüber anfangen, welches Verhalten real menschlich ist, und welches ein wünschenswertes Ideal ... Aber das führt an dieser stelle zu weit.)

Was ich meine, ist ja bloß, dass ein Stilmittel nichts Verwerfliches ist, nur weil man es für verwerfliche Zwecke benutzen kann. Das geht mit jedem anderen Mittel auch. Ich schätze einfach die moralische Wertung von Stilmitteln nicht.

Und ein Monolog muss keine eine langweilige Unterbrechung des Erzählflusses sein, sondern kann - gut gemacht - durchaus ein Turbolader dafür sein.

Das Plädoyer des Anwalts Jim Garrison (Kevin Costner) im Film "JFK - Tatort Dallas" wird als längster Monolog der Filmgeschichte bezeichnet, und das ist auch kein Selbstgespräch im eigentlichen Sinne.

Sipres

#23
Ich hab das jetzt mal gewikipediat und demnach ist ein Monolog eine Erzählform ohne eigentlichen Zuhörer. Die Worte werden an den Leser/Zuschauer adressiert, also an eine im Universum des Protagonisten nicht vorhandene Person/-engruppe. Das wiederum lässt darauf schließen, dass eine Rede kein wirklicher Monolog ist (uumindest nicht im literarischen Sinne), da eine Rede an Menschen innerhalb des Universums des Protagonisten gerichtet wird.

Tanrien

Zitat von: Witch am 27. Juli 2016, 13:02:25
Ich bin ganz ehrlich: Ich hasse lange Monologe. Ich kann "Tempo drosseln" nicht haben (bitte nicht angegriffen fühlen, finde den Begriff nur sehr geeignet, um ihn aufzugreifen). Es gibt für mich keine schlimmeren Bücher als diese alten Klassiker, die nur aus Monologen und Stream Of Conciousness zu bestehen scheinen und sozusagen nichts passiert.
Ich wollte gerade zustimmen, allerdings lese ich gerade The Remains of the Day von Ishiguro, das praktisch nur aus einem endlos langen Monolog besteht (zumindest bisher, aber ich bezweifle, dass sich das noch ändert) und es gefällt mir ganz gut. Allerdings glaube ich, dass das an der Motivation liegt, warum ich es lese, und wie, denn bei meinen regulären Büchern breche ich alles mit langen Monologen auch gleich ab oder überspringe sie komplett. Bei The Remains of the Day lese ich es nicht aus "Spaß", sondern weil es in einem Bibliotherapie-Ratgeber empfohlen würde - ich bin also eher intellektuell neugierig darauf. Bei regulären Büchern will ich auch eher mitgerissen werden und dass die Charaktere alles direkt erleben und ich dabei sein kann.

Zitat von: canis lupus niger am 30. Juli 2016, 16:23:15
Und ein Monolog muss keine eine langweilige Unterbrechung des Erzählflusses sein, sondern kann - gut gemacht - durchaus ein Turbolader dafür sein.

Das Plädoyer des Anwalts Jim Garrison (Kevin Costner) im Film "JFK - Tatort Dallas" wird als längster Monolog der Filmgeschichte bezeichnet, und das ist auch kein Selbstgespräch im eigentlichen Sinne.
Wobei man im Film ja noch mehr als nur den Monolog hat - Atmosphäre, Mimik, Gestik, Umfeld, etc. -, während im Roman ja eigentlich bei sowohl Monolog als Rede wie auch innerem Monolog eher weniger Drumherum existiert. Aber ich glaube auch, dass es auch im Roman spannend gehen kann, wenn man auf etwas hinfiebert, allerdings können (oder machen) das die wenigsten...

Churke

Zitat von: canis lupus niger am 30. Juli 2016, 16:23:15
Was ich meine, ist ja bloß, dass ein Stilmittel nichts Verwerfliches ist, nur weil man es für verwerfliche Zwecke benutzen kann. Das geht mit jedem anderen Mittel auch. Ich schätze einfach die moralische Wertung von Stilmitteln nicht.

Darauf wollte ich auch nicht hinaus. Ein Monolog kommt aus dem Inneren der Figur und darum aufrichtig. Die Aufrichtigkeit einer Rede steht hingegen immer unter dem Vorbehalt ihrer Wirkung. Ob Martin Luther King diesen Traum wirklich hatte, wissen wir nicht.
Mein Punkt ist, dass man eine solche Rede nach anderen Regeln schreibt als einen Monolog. Wenn einem Politiker attestiert wird, er halte Monologe, meint man damit, dass er ein lausiger Redner ist. 

Cailyn

#26
Ich bin wohl hier eine der wenigen, die innere Monologe in Büchern sehr mögen. Nicht nach der alten Art, wie man sie im 19. Jahrhundert runtergeleiert hat, womöglich auch noch in einem lyrischen Stil. Dies mit Sicherheit nicht. Aber es gibt viele Bücher, die ich gerade wegen supertollen inneren Monolgen schätze. Ein Beispiel sind die Krimis von Michael Robothom. Ein anderes Beispiel Sven Regener. Ich finde es persönlich recht geil, in den Kopf eines Ich-Protagonisten einzutauchen, der so ganz anders ist als ich. Das setzt natürlich voraus, dass derjenige, der die Gedanken denkt, ein intelligenter und interessanter Mensch ist. Das ist wohl auch eine Stolperfalle. Wenn ein Autor eine Figur erfindet und Monologe einbaut, die Figur aber langweilig ist, sind auch die Monologe langweilig, altbacken und einladend zum Überspringen. Jetzt fällt mir noch grad ein: Trainspotting von Irving Welsh hat auch ziemlich coole Monologe. Aus dem Film kennt man ja z.B. den "Sag-Ja-zum-Leben"-Monolog. Solche Dinge finde ich echt cool.

Der Monologerzähler muss entweder Humor haben, zynisch sein oder einfach eine quere Sicht auf die Welt haben und in allen Fällen sollte er/sie intelligent sein. Weniger gut kommt bei mir der dramatische Monolog an, wo ein Leidender seitenweise über seine Qualen lamentiert. Das mag ich gar nicht. Werters Leiden ist irgendwie passée.  ;)

Siara

Für mich gibt es zwei Hauptarten von (inneren) Monologen, die sich sicherlich teils auch vermischen lassen und die ich unterschiedlich beurteile. Das erste ist ein Monolog, in dem Gefühle, Gedanken und Meinungen deutlich ausgedrückt und reflektiert oder Überlegungen über das Geschehen angestellt werden. Dies macht es leichter, die Motivation eines Charakters nachzuempfinden und Hintergründe aufzudecken. Mit einer Rede hat das meines Erachtens nach nichts gemein, weil man in Gedanken wohl eher weniger auf einen Effekt vor anderen abzielt - sondern nur darauf, Erkenntnisse für sich selbst zu erlangen. Ich stimme meinen Vorredner (hehe) also zu.

Die zweite Art ist das, was man im Englischen "Stream of consciousness" nennt. (Das deutsche "Bewusstseinsstrom" ist mir weniger geläufig). Hier sind es also keine geordneten Gedanken oder Erklärungen, sondern der natürliche Fluss der menschlichen Aufmerksamkeit. Meiner Meinung nach sollte man dies - wenn nicht dringend benötigt - nur sparsam einsetzen. Es kann Authentizität schaffen und bietet sicher auch Möglichkeiten, die Figur trotz Fokus auf innere Vorgänge indirekt zu charakterisieren. Das wäre also die "Show, don't tell"-Variante des inneren Monologs. Allerdings läuft es auch gerne auf Geschwafel und oder Verwirrungen hinaus, die beim Lesen nur langweilen und Anstrengen. Trotzdem: In der richtigen Situation für ein paar Zeilen durchaus interessant.

Im Allgemeinen halte ich Monologe also keinesfalls für schlechten Stil. Man kann sie ebenso pointieren, ebenso spannend aufbauen, ebenso zu einem Höhepunkt hinführen wie einen Dialog oder eine handlungsstarke Szene. Gefährlich wird es, wenn man sie als häufigstes Mittel nutzt, um Informationen zu geben oder zu charakterisieren. Als Hilfmittel können sie toll wirken, aber in meinen Augen sollten sie über diese Funktion auch nicht hinausgehen.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Trippelschritt

Was Du über Stream of Consciousness sagst, Siara, unterschreibe ich sofort. Und auch seine Wirksamkeit. Aber er ist für mich genau kein Monolog, sondern eher eine Sonderform der Perspektive. Wohingegen ich den Monolog gern zum Dialog gesellen würde. Meine Grenze der Unterscheidung ist, dass man einen Monolog grundsätzlich in Anführungszeichen setzen kann, den stream of consciousness eher nicht. Dieser Form der Abgrenzung muss man sich selbstverständlich nicht anschließen. Aber mir hat sie immer geholfen.

Liebe Grüße
Trippelschritt