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Falsche Erzählperspektive/Sichtweise??

Begonnen von Leygardia, 21. Juni 2016, 20:08:48

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Leygardia

Hallo ihr Lieben,

ich bin gerade ziemlich verwirrt! ??? ???
Wie einige von euch ja wissen, schreibe ich einen Mittelalter/Fantasyroman.
Zur Inspiration habe ich mir mal wieder einige Schreib-/Autorenblogs angesehen und bin auf das Thema der Erzählperspektive beziehungsweise Sichtweise gestoßen.
Nun bekomme ich irgendwie Zweifel, ob ich eventuell die falsche Perspektive gewählt habe.
Ich habe die Ich-Perspektive gewählt, so dass der Leser sich komplett in die Hauptprotagonistin hineinversetzen kann.
Jetzt habe ich aber gelesen, dass es sich für Fantasyromane eher anbietet, in der allwissenden Erzählerperspektive zu schreiben...

Was meint ihr dazu? Ist es ein No-Go, oder durchaus akzeptabel?
Kann ich denn, auch wenn ich weiterhin in der Ich-Pers. schreibe, in manchen Kapiteln die Pers. wechseln, oder lieber nicht?

Ich bin gerade wirklich ratlos..  ??? :d'oh:

Ich hoffe ihr könnt mir helfen ..
Lieben Dank schonmal.


P.s. Gibt es eventuell noch andere Fantasyautoren, die in der Ich-Perspektive schreiben?? *guckt hoffnungsvoll*

Sprotte

1. Du kannst schreiben, wie und was Du willst.

Der allwissende Erzähler (auktorial) ist meines Wissens nach sogar ziemlich aus der Mode gekommen. Verbreitet ist die personale Perspektive (3. Person, sehr nahe an der Figur, ähnlich wie beim Ich-Erzähler nur Wissen, das diese Figur auch hat).

Ich denke vor allem, daß es Geschmackssache ist.

Alana

Meiner Meinung nach gibt es kein richtig oder falsch. Oder vielleicht doch. Richtig ist, was deiner Meinung nach zur Geschichte passt und sich für dich richtig anfühlt, bzw. was deine Zwecke erfüllt und womit du die Geschichte so erzählen kannst, wie du sie erzählen möchtest. Es gibt allerdings ein verkäuflich oder nicht so gut verkäuflich und da scheint es tatsächlich so zu sein, dass Verlage, zumindest in der Erwachsenen-Fantasy, lieber Bücher haben wollen, die in der 3. Person geschrieben sind. (Das ist jedenfalls meine Info, die aber nicht stimmen muss und Ausnahmen bestätigen die Regel.) Ein komplettes Buch mit allwissendem Erzähler halte ich persönlich für nicht mehr zeitgemäß, aber das kann auch subjektive Wahrnehmung sein. Generell bin ich der Meinung, dass man alles machen kann, wenn man sich im Klaren darüber ist, welche Wirkung man damit erzielt.

Abgesehen davon bin ich mir relativ sicher, dass wir dazu schon einen Thread haben, aber ich habe ihn nicht gefunden.

Edit: Sprotte hat es kürzer und knapper gesagt. ;D
Alhambrana


Angela

Wo hast du das den gelesen? Ich kenne es genau umgekehrt, eher kein allwissender Erzähler. Wenn du bei Robin Hobb nachsehen magst, sie schreibt die Fitz und Fool Bücher (Farseer) aus der Ich-Perspektive von Fitz und das ist Fantasy, die sich sicher nicht schlecht verkauft.

Nuya

Meines Wissens nach scheiden sich die Geister bei Erzählung aus der Ich-Perspektive oder aus der 3. Person - die einen mögen es so, die anderen so. Ich habe bisher nicht gehört, dass es Genre zugeordnet wird. Eher wirklich dem Stil des Schreiberlings, bzw natürlich ob es zum Buch passt, usw.
Ich mag zB Harry Dresden und das ist Ich-Perspektive. Panem ist auch Ich, ab vom Fantasy-/Dystopie-Setting ist das Känguru von Kling, Satire, auch Ich-Perspektive. Es kann funktionieren, muss aber nicht. :)

Pinnie

Ich-Perspektive kann ein zweischneidiges Schwert sein. Wenn sie gut geschrieben ist, baut die lesende Person unheimlich schnell eine Bindung zum Charakter auf. Wenn sie nicht gut geschrieben ist, hat man Stephen Kings "Christine". ;)

Im Ernst: Letzten Endes denke ich auch, dass es auf die schreibende Person ankommt, in welcher Perspektive geschrieben wird.
Den Point of View allerdings mitten in der Geschichte zu ändern, halte ich persönlich (nur ich, das heißt nichts) für problematisch. Auf diese Weise kann entweder die Übersicht verloren gehen, oder der Hinweis, aus wessen Augen man gerade "schaut" kann seltsam aufgesetzt wirken und aus der Stimmung reißen. Außer, du schreibst ne Briefroman a la "Werther" oder "Dracula".

Spontan fallen mir als Autoren die sowas machen, also das aus der Ich-Perpektive schreiben, zum Beispiel Stephen King ("Christine"), Wolfgang Hohlbein (Die "Hexer"-Reihe), oder eben, im Rahmen der Briefromane Goethe ("Werther") oder Bram Stoker ("Dracula"). Auch Akif Pirincci hat das im Rahmen seiner "Felidae"-Romane gemacht, auch wenn man da streiten kann, ob die im Fantasy-Bereich einsortierbar sind.

Mondfräulein

Lass dich nicht so sehr von Autorenblogs verunsichern. Wir haben dazu ja gerade auch ein interessantes Thema zu den Regeln des Schreibhandwerks. Du hast dir ja schon Gedanken darüber gemacht, warum du die Ich Perspektive nehmen möchtest (damit man sich gut in den Protagonisten hineinversetzen kann), die über "Bei Fantasyromanen macht man das eben so" hinaus gehen und das ist meiner Meinung nach ein gutes Zeichen dafür, dass du es dann auch so umsetzen solltest.

Araluen

Schreibe deine Geschichte so, wie sie sich gut für dich anfühlt. Als No-Go würde ich die Ich-Perspektive nicht bezeichnen, auch nicht, wenn du an geeigneter Stelle aus der Perspektive ausbrichst und sie wechselst - alles eine Frage der Machart.
Die Siala Chroniekn von Alexey Pehov sind in der Ich-Perspektive verfasst. Ich fand das sehr unterhaltsam und soweit ich das überblicke, haben sich die Bücher nicht schlecht verkauft und auch sonst ist der Autor sehr erfolgreich.
Aus dem historischen Bereich fällt mir spontan "White Queen" von Philippa Gregory ein. Zugegeben, ich fand die TV Serie dazu besser als das Buch. Der Stil wirkte auf mich etwas hölzern. Aber auch hier haben wir die Ich-Perspektive und wenn es verfilmt wurde, kann das nicht die schlechteste Wahl gewesen sein.

Sturmbluth

Meine Empfehlung zur Entscheidungsfindung ist: nimm dir deine drei Lieblingsbücher aus dem Fantasy-Bereich und schau dir an, wie die geschrieben wurden. Dann wähle für dein erstes Buch die gleiche Perspektive.

Meine persönliche Meinung: ich mag die Ich-Perspektive nicht, da sie eine sehr limitierte Sichtweise auf die Welt und die anderen Figuren gibt. Man muss schon ein verdammt erfahrener Autor sein, um aus der Ich-Perspektive alles zu beleuchten. Außerdem finde ich es besser, wenn ein Buch mehrere Handlungsstränge hat, die irgendwann zusammenlaufen. Das ist aus der Ich-Perspektive schwierig (nicht unmöglich, aber schwierig)

Sascha

Also, das mit dem allwissenden Autor wurde mir auch als quasi NoGo erklärt. Aber gut, das mag Mode sein.
Ich-Perspektive kann saugeil sein, wenn es zur Hauptperson und zum Schreibstil passt. Die "Chroniken des eisernen Druiden" von Kevin Hearne ist mein aktuelles Beispiel, da lach ich mich schlapp mit dem ganzen Sarkasmus und der Selbstironie. Ganz ähnlich, auch hier sehr humoristisch, sind die Bobby-Dollar-Romane von Tad Williams. Herrlichst. Vor allem Teil 1.
Sicher geht Ich-P. auch im wesentlich ernsteren Stil, wenn man es gut macht.
Nur das Wechseln wird dann in meinen Augen wirklich schwierig. Ich springe ja auch ziemlich hin und her, aber in Team-Geschichten. Vier Protas, die auch getrennt agieren, da bleibt das nicht aus. Dann muß ich aber in der 3. Person bleiben. Wenn der Leser aber mit der Ich-Perspektive in den Prota "hineinschlüpft", dann erwartet er m.E. auch, da zu bleiben und nicht plötzlich aus dem Hirn des Helden rausgerissen zu werden und etwas mitzuerleben, das der Held in dem Moment gar nicht wissen kann. Ich will nicht sagen, es sei unmöglich, aber ich stelle es mir verdammt schwer vor.
(@Sturmbluth: Kevin Hearne hat m.W. mit den Iron Druid Chronicles debütiert, es hängt also nicht unbedingt von der Erfahrung ab.)

Elly the fox

Ich hab auch schon viele Gerüchte kursieren gehört, dass bestimmte Erzählweisen, aus der Mode sind. Allerdings muss ich sagen, ich finde, es stimmt nicht. Es gibt schon gewisse Trends in bestimmten Genres, aber die sind weder Pflicht noch werden die meines Wissens bevorzugt.
Generell gilt doch hauptsächlich eines: ist es gut umgesetzt und passt es zur Geschichte.
Je nachdem, wie man eine Geschichte erzählen will, entscheidet sich auch die Perspektive. Man sollte also die Erzählperspektive, meiner Ansicht nach, niemals nach "Trend" wählen.
Es geht doch um das Werk an sich und das entscheidet, wie es erzählt werden will.

Thistle

Zitat von: Elly the fox am 22. Juni 2016, 17:24:45
Je nachdem, wie man eine Geschichte erzählen will, entscheidet sich auch die Perspektive. Man sollte also die Erzählperspektive, meiner Ansicht nach, niemals nach "Trend" wählen.
Es geht doch um das Werk an sich und das entscheidet, wie es erzählt werden will.

Das sehe ich genauso. Ich schreibe auktorial, was hier eher als "aus der Mode gekommen" bezeichnet wird, der Ich-Erzähler wird laut diesem Schreibratgeber als "nicht angemessen" bezeichnet. Ist doch eigentlich egal, lasst euch nicht von einzelnen Meinungen hemmen. Natürlich sollte es dem Leser letztlich auch gefallen, aber geht es in erster Linie nicht darum, dass man Spaß beim Schreiben hat?

LG Thistle

Araluen

Mit dem Trend zu gehen, hilft natürlich eine breite Kundschaft anzusprechen. Letztlich ist man dann aber auch nur ein Tropfen in einem riesigen See, der kaum gesondert wahr genommen wird. Natürlich muss nicht jedes Werk eine besondere und einzigartige Schneeflocke sein, die es so noch nie gegeben hat. Aber ich bin lieber ein bunter Kiesel im Kiesbett, als ein Wassertropfen in einem See, wenn ihr versteht, was ich meine.
ZUdem lassen sich Geschichten für mich nicht pauschalisieren und in Muster quetschen. Klar gibt es Techniken, die gut funktionieren und mit Sicherheit auch Erzählperspektiven, die besser funktionieren als andere. Aber letztlich entscheiden doch Autor und Geschichte welche Erzählweise zu ihnen am Besten passt.

Trippelschritt

#14
Mache es, wie es Dir gefällt. Es gibt keine Regel, die die Perspektive festlegt, wenn das Ergebnis spannend oder interessant genug ist. Ich selber liebe die allwissende Erzählerstimme in der Fantasy, weil sie so viel mit Märchenerzählen zu tun hat. Ich lasse sie aber immer nur hin und wieder durchblitzen, weil der Allwissende Spannung töten kann. Ich habe aber auch mal einen Roman in Ich-Form geschrieben und geradezu ausgenutzt, dass mein "Held" lange Zeit völlig im Dunkeln tappte und zum Teil weniger wusste als der Leser.

Mach Dir keinen Stress
Trippelschritt