• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

[Medizin] Kehlenschnitt nach Vergiftung: Obduktionsergebnis?

Begonnen von Lothen, 20. Januar 2016, 23:52:04

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Lothen

Hallo ihr Lieben,

ich bin mal wieder mit einer überhaupt nicht skurrilen Anfrage hier geladet. :versteck:

Der Hintergrund ist Folgender: Ein orientalisches Fantasy-Setting, medizinischer Sachverstand ungefähr im Rahmen der islamischen Medizin (also fortgeschrittener als bei uns im Mittelalter, aber halt noch recht antik).

Die Situation: Ein Mörder tötet sein Opfer, indem er ihm ein Nervengift verabreicht (von der Wirkung her an Tetradotoxin angelehnt, also lähmend), es verstirbt am Ende durch Atemstillstand, also inneres Ersticken. Um die Vergiftung zu verschleiern und es wie eine Affekttat aussehen zu lassen, schneidet der Täter dem Opfer post mortem die Kehle durch.

Die Frage: Der Leichnam wird anschließend obduziert. Ist es realistisch, dass ein vernünftiger, sogar brillanter Arzt (unter dem gegebenen Wissenstand) erst einmal nicht bemerkt, dass das Opfer eigentlich in Folge einer Vergiftung gestorben ist?

Habt ihr einen Rat für mich, ihr lieben Mediziner?  :bittebittebitte:

LG Lothen

Fianna

Ich bin kein Mediziner, aber ich habe ein paar rechtsmedizinische Skripte in meinen Recherche-Ordnern. So wie ich das einschätze, ist in Deinem Fall das einzige auffindbare Anzeichen für einen Erstickungstod die Blutung in den Augen und Schleimhäuten (petechiale Blutung heisst das).

Das wäre also etwas, was einem Arzt in Deinem Umfeld als atypisch auffallen könnte. Aber ob er das dann direkt mit Ersticken zusammen bringt, hängt damit zusammen, was Du dem Arzt an Wissen und Erfahrung auf den Weg gibst.
Wenn er beispielsweise schonmal Opfer von Ersticken begutachtet hat (z.B. Erhängte oder jemand, der bei einem Unfalltod erstickte), dann kann er da eine Verbindung herstellen zwischen diesem Merkmal und der Ursache dafür.

Sprotte

Da hab ich doch neulich erst eine nette Folge von Bones (Staffel 5) gesehen. Tetrodotoxin war das Tatmittel. In dem Fall hatten Notarzt und Gerichtsmediziner ohne Leicheneröffnung nicht erkannt, daß eine Vergiftung vorlag, sondern auf Herzstillstand diagnostiziert.

Aber: Giftmorde bieten den Vorteil, daß die Tode als natürlicher Todesfall ausgelegt werden können oder der Täter sich ein Alibi besorgen kann (weil er z.B. etwas vergiftet, was der Opfer auf Vorrat hat und erst zwei Wochen später konsumieren wird). Warum - in Deinem Fall - sich die Mühe einer Vergiftung machen, wenn dann doch der Kehlschnitt erfolgt?

@Fianna
Petechialie Blutungen entstehen weniger durch das Ersticken an sich, sondern durch den Blutstau, wie er bei Erdrosseln vorkommt. Es sind ja geplatzte Äderchen, und wenn jemand einfach nur wegen Zwischenrippenmuskellähmung nicht mehr atmen kann, sollten sie nicht auftreten. Wäre sonst aber wirklich sehr feiner Punkt, an dem ein aufmerksamer Beobachter einhaken kann.

Sprotte

Oh, ich nehme das mal zurück mit den petechialen Blutungen!
HIER hab ich was Feines dazu gefunden. Sie könnten im "Vergiftungsfalle Lothen" also doch auftreten! Ha!

Fianna

#4
Hm, ich habe hier Folgendes:

ZitatErstickungszeichen bei hypoxisch-asphyktischer Erstickung
· Gedunsenheit und Zyanose des Gesichts
· Petechiale Blutungen (Lid- und Bindehäute)
· Dunkelviolette intensive Totenflecken
· Allgemeine Blutstauung
· Blutarme Milz
· Akutes Lungenemphysem
· TARDIEUsche Blutungen (Stecknadelkopf große Blutungen unter der Pleura visceralis)
· Rechtsherzdilatation
· Flüssiges Leichenblut

Quelle: Rechtsmedizin Ulm

Wenn ich jemanden ersticke, unterbreche ich doch die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn usw, deswegen dachte ich, dieser Abschnitt wäre passend?  ???


EDIT:
Ah, überschnitten mit Sprotte. Dann bin ich ja beruhigt, ich dachte schon, ich hätte "hypoxisch-asphyktisch" falsch verstanden bzw. das wäre für Wissende das Anzeichen gewesen, dass ich den Abschnitt in diesem Fall gar nicht berücksichten darf.

Lothen

#5
Zitat von: SprotteWarum - in Deinem Fall - sich die Mühe einer Vergiftung machen, wenn dann doch der Kehlschnitt erfolgt?
Ja, zugegeben, das klingt selsam, liegt aber in der Natur des Mörders (ist quasi eine Art Fetisch). Das ergibt im Gesamtkontext schon Sinn.

Zitat"Vergiftungsfalle Lothen"
Ja, ich weiß, irgendwann kauf ich mir doch noch diese Tasse. ;)

Okay, das mit den Blutungen wäre spannend, das wäre ein Detail, das man später noch einflechten könnte, das aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Ha.

Bleibt nur noch eine Sache: Merkt der aufmerksame Beobachter anhand der Blutgerinnung, dass der Kehlenschnitt erst post mortem entstanden ist?

Sprotte

#6
Deswegen habe ich den Artikel oben verlinkt. Und richtig: Wenn man (nicht Du! Laß das!  :rofl: ) jemanden aktiv erstickt (Drosselung, Erwürgen, Kopfkissen) entstehen durch die Kompression Petechien. Daran unterscheidet man zum Beispiel Echten Plötzlichen Kindstod (Atmung hört nach dem Ausatmen einfach auf) und dem Unechten Plötzlichen Kindstod (Erstickung zum Beispiel mit Decke oder Kissen, Atemzyklus wird mittendrin unterbrochen). Beim Echten PK treten keine Petechien auf, beim Unechten aber ja.

In Lothens Fall hätten wir aber keine aktive Erstickung, sondern die Atmung kommt durch Lähmung zum Stillstand, deswegen bin ich mir wegen der Petechien unsicher.  :hmmm:

Die Tasse gefällt mir!

Hmm, Blutgerinnung. Hängt davon ab, wie lange nach dem Exitus der Kehlschnitt durchgeführt wird. Es ist ja nicht nur die Blutgerinnung. Interessant wird es mit aspiriertem Blut (was beim lebenden Opfer passiert!) und mit Einblutung ins Gewebe, die bei einem Toten nicht mehr passiert, weil der Blutkreislauf ja zum Erliegen gekommen ist. Die Wundränder wären hier also das Interessante.

Lothen

Zitat von: SprotteHmm, Blutgerinnung. Hängt davon ab, wie lange nach dem Exitus der Kehlschnitt durchgeführt wird
Also quasi gleich danach. Opfer stirbt, Täter hatte seinen Spaß und zack - Kehlenschnitt.

Das mit dem aspirierten Blut oder den Einblutungen wäre tatsächlich interessant, weil das könnte man ja nur mit einer Leichenöffnung feststellen. Wäre wiederum ein Grund, warum es länger dauert.

Sprotte

So kurz nach Tod hast Du noch keine Gerinnung. Dann geht es wirklich nur über das eingeatmete Blut und die Gewebeeinblutungen. Das könnte aber jemand mit Erfahrung (der z.B. Medizin an Leichen gelernt hat) wirklich erkennen.

Fianna

Zitat von: Sprotte am 21. Januar 2016, 00:18:45
Deswegen habe ich den Artikel oben verlinkt. Und richtig: Wenn man (nicht Du! Laß das!  :rofl: ) jemanden aktiv erstickt
In meiner Freizeit kann ich machen, was ich will!


Zitat von: Sprotte am 21. Januar 2016, 00:18:45
Hmm, Blutgerinnung. Hängt davon ab, wie lange nach dem Exitus der Kehlschnitt durchgeführt wird.
Das sollte nicht so lange danach sein, denn nach 10-30 Minuten bilden sich Totenflecken, und dann sieht man, dass es eine Lageveränderung gab. Soviel würde ich Lothens Arzt in diesem Setting noch zutrauen, auch wenn er vielleicht die Ursachen nicht kennt.


Theoretisch dürfte es nicht mehr so stark bluten, weil das Herz nicht mehr pumpt.

Aber ob Lothens Arzt das merkt, das hinge alles damit zusammen, inwiefern er Erfahrung mit dem Obduzieren von Toten hat. Da es in Deinem Setting vermutlich an dem detaillierten heutigen Wissen massiv fehlt, bräuchte der Arzt viel Erfahrung, um einen Vergleich zu haben... Damit er sieht, dass das unnormal ist, was die leiche so an Merkmalen hat.

Wenn ich mich noch recht an den Roman-Thread erinnere, war er doch primär ein Arzt, der sich um Lebende kümmert?

Sprotte

Jain. Wenn der Killer sofort nach Exitus den Kehlschnitt durchführt, haben wir noch keine Gerinnung und Totenflecken.

Zu der Zeit lernten Mediziner auch noch nicht durch Leichenuntersuchung Medizin, oder? Das sähe ja in der Knox-Ära schon wieder ganz anders aus, da kannten die Schüler sich erheblich besser mit Leichen als mit Lebenden aus.

So ein schönes, kniffeliges Problem! :vibes:

Fianna

ABER petechiale Blutungen müsste es dann doch geben...

(Kennt jemand einen schreibenden Mediziner? Wir brauchen mehr Mediziner im Zirkel!  ;D)

Lothen

Schön, dass ihr Spaß habt. ;D

Zitat von: FiannaWenn ich mich noch recht an den Roman-Thread erinnere, war er doch primär ein Arzt, der sich um Lebende kümmert?
Sowohl als auch. Er wurde zwar zum Arzt ausgebildet und soll sich schon um Lebende kümmern, ist aber auch eine Forscherseele und hat deswegen vermutlich eine Menge Leichen geöffnet. Allerdings eher wegen der Anatomie (wo sind die Organe, wie sehen sie aus), weniger um Todesursachen zu finden.

ZitatZu der Zeit lernten Mediziner auch noch nicht durch Leichenuntersuchung Medizin, oder?
Doch, in diesem Setting schon (da ist das Öffnen von Leichen nicht verboten und es gibt viele Sklaven, die keiner vermisst  :psssst: ).

Zu einer Öffnung der betreffenden Leiche wird es aber sowieso nicht kommen, d.h. entscheidend ist nur, was der Arzt am Tatort konkret feststellt. Und ich vermute, wenn die Anzeichen für eine Vergiftung/Erstickung nicht extrem deutlich sind, dann würde man sie auch leicht übersehen, weil ja recht offensichtlich ist, dass die Kehle durchgeschnitten wurde (und wie Sprotte schon sagte, wer macht sich schon die Mühe, jemanden erst zu vergiften und ihm dann die Kehle durchzuschneiden?).

Zitat(Kennt jemand einen schreibenden Mediziner? Wir brauchen mehr Mediziner im Zirkel!  ;D)
Och, da gibt's einige. ;) @Krähe, @Foxgirl, @funkelsinlas @jainoh ?

Amberle

Um dem Problem aus dem Weg zu gehen, wie wäre es denn, wenn der Täter dem Opfer die Kehle durchschneidet wenn es schon gelämt, aber noch nicht tot ist? Dann würde das Herz ja auch noch Blut aus der Wunde pumpen.

Zit

#14
In welcher Position stirbt das Opfer und in welcher Position wird der Kehlschnitt durchgeführt? Verharrt das Opfer einige Zeit in zweiter Position?
Wenn dein Opfer sitzt/ halb liegt (Kopf von der Höhe her über der Brust und dem restlichen Körper), dann sackt das Blut nach unten und beim Kehlschnitt würde sehr viel weniger/ kein Blut aus der Wunde treten, sodass der vorgetäuschte Tod auch so festgestellt werden kann. (Wenn die Leiche auf dem Rücken liegt, würde ich sogar fast denken, dass kein Blut austritt, weil es sich längst "im Rücken" gesammelt hat.)

ZitatEr wurde zwar zum Arzt ausgebildet und soll sich schon um Lebende kümmern, ist aber auch eine Forscherseele und hat deswegen vermutlich eine Menge Leichen geöffnet. (...)
Zu einer Öffnung der betreffenden Leiche wird es aber sowieso nicht kommen, d.h. entscheidend ist nur, was der Arzt am Tatort konkret feststellt.

Aber die Frage ist doch, ob er genug Erfahrung mit unnatürlichen Toden hat? Nur weil ich eine Leiche auf meinem Seziertisch öffne, muss mir doch nicht gleich am Tatort auffallen, dass die Wundränder nicht stimmen oder zu wenig Blut ausgetreten ist. :hmmm:
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt