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Stammbäume/ Clans entwickeln

Begonnen von Darielle, 16. August 2015, 17:04:36

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Darielle

Ich habe die SuFu benutzt, aber nichts dazu gefunden. Falls ich mit dem neuen Thema doch falsch bin, tut es mir leid.  :versteck:

Worum geht es?
Ich bin inhaltlich mit den Falva noch ziemlich am Anfang. Bisher habe ich mich hauptsächlich plottechnisch auf die 2 Protas gestürzt und darauf hingearbeitet, dass sie auftreten können. Allerdings sind beide Figuren Teile von 2 verfeindeten Clans/ Dörfern. So oft ich auch schon versucht habe, diese namenlosen Dorfbewohner in Familienmitglieder und/oder Freunde umzuwandeln und als Personen sichtbar zu machen, so wenig gelingt es mir. Es gibt keinerlei Übersicht, wie viele Figuren in einem Dorf leben, wer in der aktuellen Entwicklung welche Rolle spielt und wie übliche Aufgaben des Alltags verteilt sind. Es bestehen zwar neben den Protas auch zwei Antagonisten, dann hört es aber im Grunde schon auf.

Da ich zu Beginn eine lange Episode geschrieben habe, in der die Vorgeschichte beider Dörfer vorkommt, gibt es schon einige Personen, die aber nicht überleben und für den Verlauf des Romans keine Rolle spielen. Sie sind nur die Vorhut für die eigentlichen Figuren.
Ich versuche immer, von den beiden Protagonisten ausgehend je an einem Stamm/Dorf zu arbeiten und aus den bisher vorhandenen Personen wie Schamanen, Kriegern, Jägern, Frauen, Kindern und Dorfältesten Nachkommen zu entwickeln. Dabei verstricke ich mich entweder andauernd oder es fällt mir schlicht nichts ein.

Wie handhabt ihr das, wenn in euren Romanen sehr viele Personen vorkommen sollen? Wie entwickelt ihr einen Stammbaum, der möglichst gradlinig verläuft (schon allein, um es nicht noch schwerer zu machen), damit jede Figur ihre eigene Geschichte mit Motiven und Entwicklungen erhält, ohne zu betont aufzutreten?

funkelsinlas

Also ich finde das Wichtigste sind ja die Protas. Die Familie ist dafür da zu erklären, wie sie so geworden sind.
Ein Prota mit Verlustängsten ist zum Beispiel Halbwaise mit einem Säufer als Vater. Einziger Trost: Die wechselnden Bediensteten.
Jemand mit hohem Selbstbewusstsein hat wohl wenige, die ihn in den Schatten stellen können. Einzelkind? Vielleicht aber auch einfach angesehene Eltern und keiner hat sich je getraut.
Ich bastel dann gerne darum herum. Frag mich, wer meinem Prota seine schlimmsten Geheimnisse entlocken kann, ob er wohl mal verliebt war oder total keusch... Du kennst ihn ja. Die anderen Personen sind dafür da, dass andere ihn über sie kennen lernen.
Das mit der Kultur ist etwas schwieriger. Da lass ich mich gerne durch die Geographie ihrer Lebensumgebung inspirieren und durch Dokus! Unbekanntes Wissen über Kulturen oder Geschichte gibt wahnsinnig tolle Anreize für Romane.

Zit

ZitatEinziger Trost: Die wechselnden Bediensteten.

Na, ob das wirklich ein Trost ist, wenn man Verlustängste hat? Eher würde sie sich doch einigeln und niemandem trauen und etwas erzählen, weil sie eh immer alle verlassen. Vll. hat sie sogar eine enge (Abhängigkeits-)Beziehung zum Vater, obwohl der Säufer ist -- eben weil er immer da ist, sodass sie ihm gehorcht bzw. ihm alles recht machen will. Ist der Vater weg, bricht für sie eine Welt zusammen und sie ist erstmal orientierungslos.

@Darielle

Ich habe so ein Clangebilde auch mal in einem NaNo-Roman versucht (letztes Jahr sogar, glaube ich) und bin dann ziemlich schnell bei eher wenigen Figuren geblieben, die allesamt enge Verwandte waren. Im Gegensatz zu dir war aber nicht meine ganze Stadt untereinander verwandt. Eher gab es Familien, die sich um die Macht über die Stadt stritten (oder gestritten haben in der Vergangenheit zur eigtl. Geschichte).

Meine Frage wäre jetzt eher, warum du einen so großen Cast brauchst? Und ob es wirklich nötig ist, jeden der 300 Dörfler bennen und mit einer Hintergrundgeschichte ausstatten zu müssen? Spielt denn deine Geschichte größtenteils in den Dörfern oder ist der Clanstreit nur der Aufhänger und deine Protas fliehen?
Die Frage ist also eher, welche Rollen du wirklich brauchst für deine Handlung und dann nur diese auszuarbeiten.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Sternsaphir

Für mich werden Stammbäume ab einer gewissen Größe zu unübersichtlich und ermüdend.
Wenn all die Personen keine besondere Rolle spielen, würde ich auch nicht sonderlich auf sie eingehen.

Ich erinnere mich, wie ich damals den 1. Teil von Herr der Ringe gelesen hab und bei den 30 Seiten Hobbit-Familienverhältnisse fast am Verzweifeln war. Es war zwar einerseits interessant zu wissen, dass man viel Wert darauf legte, wer mit wem verwandt oder verschwägert war, aber zur eigentlichen Geschichte trug es nicht viel bei und hätte genauso gut auch in einem Absatz erwähnt werden können.

Das Hauptaugenmerk liegt auf den Protas, dann auf deren nähere Umgebung, z.B. die wichtigsten Verwandten oder Freunde, mit denen er/sie den meisten Kontakt hat oder die für die Geschichte relevant sind. Alles andere würde den Leser nur überfordern, denke ich.



Fianna

Ich finde, das sind sehr wichtige Vorarbeiten - die sich aber nur zu einem kleinen Teil in dem Werk wieder spiegeln sollte.

Meine epische Fantasy habe ich noch nicht geschrieben, arbeite aber an Schiffsmannschaften. Da hat man ja auch einen grossen Personenanteil, von dem ungefähr 1/10 sichtbar sind.

Da habe ich es so gelöst, dass ich den grössten Teil vom Cast grob entwickelt habe (Nationalität, woher kommt der, warum ist er da - in % Angaben) und nur eine kleinere Besetzung richtig mit Charakter entwickelt habe.
Davon bekommt der Leser aber eigentlich nichts mit! Ich versuche, das klein zu halten, so dass bei den wichtigsten Passagen (Diskussionen, Widerspruch, Einspruch) immer dieselben Namen auftauchen. Die anderen Seeleute dürfen dann zustimmen oder kriegen auch mal nen Satz mit Namensnennung. Aber ich möchte, dass der Leser sich nicht zuviele Namen und Lebensläufe merken muss, versuche Aufgaben auf Namen zu übertragen, die schon gefallen sind oder am besten welche, die durch vorangegangene Handlung charakterisiert wurde.
Vielleicht erkennt ein aufmerksamer Leser dann etwas vom Charakter dieser "Hintergrundbesetzung" (deswegen arbeite ich das für mich aus, damit es konsistent wirkt), aber grundsätzlich wird der Leser nicht mit Informationen überfrachtet.

Das wollte ich auch in Fantasy-Bereichen so halten und wichtigere Dinge im Zweifelsfall auf schon eingeführte Namen übertragen.

Wie bei einem Bild! Vorne ist alles gross dargestellt und fein ausgeführt, in der Mitte gibts ein paar mit gröberen Pinselstrichen, und im Hintergrund stehen Figuren, die man nur vage erkennen kann.

In Deiner Situation würde ich also bestimmte Namen (oder Familiennamen) immer wieder im Zusammenhang mit Fehden, Streit und vergangenen Ereignissen verwenden, mich dabei aber auf eine Auswahl an Namen beschränken und nicht zu sehr verzetteln. Der aufmersame Leser weiss dann, dass x y ein verschlagener Arsch ist, wird aber nicht auf viel Raum darüber belehrt.

Moni

Zitat von: Fianna am 20. August 2015, 15:54:55
In Deiner Situation würde ich also bestimmte Namen (oder Familiennamen) immer wieder im Zusammenhang mit Fehden, Streit und vergangenen Ereignissen verwenden, mich dabei aber auf eine Auswahl an Namen beschränken und nicht zu sehr verzetteln. Der aufmersame Leser weiss dann, dass x y ein verschlagener Arsch ist, wird aber nicht auf viel Raum darüber belehrt.

Sehe ich auch so, bzw. habe ich auch selber schon so umgesetzt. In "Flüsternde Steine" habe ich ein 200 Seelen Dorf entworfen, aber keine komplexen Verwandschaftsbeziehungen oder ähnliches zwischen allen Dorfbewohnern entwickelt, sondern mir da auch nur bestimmte Personen rausgepickt, die dann eine ausführlichere Hintergrundgeschichte haben.

ZitatEs gibt keinerlei Übersicht, wie viele Figuren in einem Dorf leben, wer in der aktuellen Entwicklung welche Rolle spielt und wie übliche Aufgaben des Alltags verteilt sind.

Genau das habe ich also im Endeffekt gemacht.  8)
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funkelsinlas

Wenn du unbedingt einen großen Clan erschaffen willst, dann mal dir vielleicht einmal einen Stammbaum auf und erwähne große Teile davon einfach nicht, sondern lass ihn zu seiner Cousine fünften Grades gehen und einen nicht mögen, weil sein Urururgroßvater mal die Familienehre beschmutzt hat, in dem er die falsche geheiratet hat. So erahnt der Leser die riesige Familie und man muss sie nicht alle kennen.
Auch eine Idee wäre einen Außenstehenden nicht durch die Verwandschaftsbeziehungen durchsteigen zu lassen. Bei Mafia und Adelshäusern (irgendwie neckig, das in einem Zug zu sagen  :rofl:) versteht es ja auch nicht jeder.
Von zu vielen Charakteren rate ich ab. Meine Rettung in Krieg und Frieden war das Personenverzeichnis! Ich wusste nie wer wer war und wer wohin gehörte. Das merkt man schon in der Verfilmung von Herr der Ringe. Ein paar sind gut herausgearbeitet und der Rest der Gefährten ist das Klischee, das mit mitläuft. Da besser nicht erwähnt statt schlecht gezeichnet.

Mithras

#7
Ich finde, dass gut ausgearbeitete Familienverhältnisse inklusive Stammbäume maßgeblich zur Lebendigkeit einer fiktiven Welt beitragen können. Natürlich hängt es vom Milieu der Protagonisten ab, auf welche Charaktere näher eigegangen wird, aber ich denke, das Umfeld der Charaktere sollte so detailliert wie möglich dargestellt werden. Ein Fürst wird vielleicht mal die Namen seiner Bediensteten vergessen, doch die schöne Tochter seines Kämmerers, auf die er ein Auge geworfen hat, hat Zugang zu beiden Welten. Je nachdem, aus wessen Sicht die Geschichte erzählt wird, stehen natürlich andere Figuren(-konstellationen) im Zentrum der Aufmerksamkeit. Und ich denke, da kann man sich jeweils auf das Nötigste beschränken.

Die Frage ist natürlich, was man für nötig erachtet. Zugegeben: Für mich sind alle Figuren wichtig, mit denen die jeweiligen Perspektivträger im alltäglichen Leben wiederkehrend zu tun haben, und auch deren Beziehungen zu anderen Figuren können relevant sein. Wenn eine Figur monatelang mit einer Karawane durch die Wildnis zieht, dann wird sich zwischen allen Figuren irgendeine Form von Beziehung entwickeln. Und wenn Fürstenhäuser miteinander gegeneinander intrigieren, dann sollten die Familienverhältnisse auch geklärt sein, denn es kann durchaus von Bedeutung sein, dass zwei Fürsten mal den gleichen Urgroßvater hatten, in vielfacher Hinsicht. Und um die Beziehungen zwischen diesen beiden Familien näher auszuarbeiten, sollte weiter auf die jeweiligen Stammbäume eingegangen werden und wie dort weitere Familien mit hineinspielen.

Ich mache es mir da häufig einfach: Einige meiner Charaktere sind Entwurzelte oder Reisende, die es in einen Teil der Welt verschlagen hat, in dem sie keine persönlichen Bindungen haben. Das hat aber auch damit zu tun, dass ich diese Art von Charakteren und vor allem die Handlungsstränge mag, die sie häufig repräsentieren. Ein zentrales Motiv ist zum Beispiel die Reise einer Figur in die eigene Vergangenheit, die sie und ihre Begleiterin in eine menschenleere Wüste und entvölkerte Ruinenstädte führt. Es geht mir mehr um die Stimmung, die ich damit transportieren will, und um die Beziehung, die sich zwischen diesen Charakteren herauskristallisiert. Große Menschenmassen scheue ich, wenn es nicht gerade um politische Ränkespielchen geht.

Das Extrembeispiel schlechthin ist aus meiner Sicht ja George R. R. Martin. Ich weiß nicht, wie viele Figuren bisher bei ihm vorkamen, aber im driten Originalroman wurde auf jeden Fall die Tausendermarke geknackt. Oder nehmen wir den Stammbaum seiner Targaryen-Dynastie - über einen Zeitraum von gut dreihundert Jahren ist praktisch jedes Familienmitglied, vom Schwiegervater des Königs bis hin zu dessen Nebenfrauen und unehelichen Kindern, mit einer eigenen Geschichte und eigenen Charakterzügen versehen, obwohl praktisch niemand davon heute noch lebt (von Bloodraven und möglicherweise Shiera Seastar mal abgesehen). Ob das sein muss? Für mich ganz klar ja, denn es trägt zu einem nicht unerheblichen Teil zum Charakter und zur Faszination bei, die von dieser Reihe ausgeht.

DoroMara

ZitatIch finde, dass gut ausgearbeitete Familienverhältnisse inklusive Stammbäume maßgeblich zur Lebendigkeit einer fiktiven Welt beitragen können.

Das finde ich auch.
Die Frage ist: Muss der Leser alle Stammbäume kennen? Ich habe mir angewöhnt, für alle Personen, die zumindest einmal ihren Mund aufmachen, einen Stammbaum und Lebenslauf zu verfassen. Der muss im Manuskript aber nicht vorkommen. Aber ich als Autorin bekomme so mehr Nähe zu den Nebenpersonen, sie verhalten sich nicht mehr nach einem vorgegebenen Muster, werden viel lebendiger und mir wachsen sie immer mehr an Herz.

heroine

Zitat von: Darielle am 16. August 2015, 17:04:36
Wie handhabt ihr das, wenn in euren Romanen sehr viele Personen vorkommen sollen?

Ich lasse sie einfach auftauchen. Manchmal erfährt man direkt die Geschichte zu der Person, weil die Person darüber redet. Dann wieder bekommt man Andeutungen mit, weil der POV-Chara kurz daran denkt und dann wieder bekommt man erstmal gar nichts mit. Manchmal gibt es Spekulationen, manchmal wird gar nicht reflektiert. Meistens kommt es zu mehr Informationen, wenn der Charakter ein zweites oder drittes Mal auftaucht und somit auch interessanter für den POV-Charakter wird. Z.B.: Protagonist trifft auf einen Bettler, erstmal kurze Beschreibung, vielleicht reden sie kurz über etwas, was den Protagonisten interessiert oder der Bettler versucht es mit Mitleidsheischerei. Beim zweiten Auftritt ist der Protagonist schon skeptischer, warum taucht der Bettler dort auf, es wird drüber nachgedacht und vielleicht irgendwann Jahre später beim dritten Treffen kommt es zu mehr Informationen und beim vierten Treffen: Bettler ist tot und jemand steht daneben und erzählt noch etwas zu der Figur.

Zitat von: Darielle am 16. August 2015, 17:04:36
Wie entwickelt ihr einen Stammbaum, der möglichst gradlinig verläuft (schon allein, um es nicht noch schwerer zu machen), damit jede Figur ihre eigene Geschichte mit Motiven und Entwicklungen erhält, ohne zu betont aufzutreten?

Ich kann hier kurz aufführen wie ich bei deinem Projekt vorgehen würde. Ich würde mir einen sehr großen Papierbogen holen (ev. auch eine Papierrolle auf jeden Fall etwas, was man besser auf den Boden legt um daran zu arbeiten) und beim Protagonisten anfangen. Ausgehend von dem die Eltern und dann eben wieviele Geschwister, Ehepartner, Kinder etc. Am Anfang würde ich nur den wichtigsten Namen geben und ansonsten nur ein Mars/Venuszeichen für das Geschlecht machen. Um einen Clan gut skizzieren zu können würde ich im Vorfeld bereits ausmachen welche wichtigen Funktionen in dem Dorf besetzt werden müssen: Schmied, Heiler, Bauer, Metzger, Jäger, Handwerker etc. Den wichtigsten Berufsgruppen würde ich einen Nachnamen geben, z.B. alle Hullas = Heiler, alle Zepps = Bauern, alle Blablubs = Handwerker. Deren Stammbaum würde ich andersherum aufbauen. Vom Ur-Hulla, vom Ur-Zepp etc ausgehend Verbindungen machen und dann einfach schauen, dass die Eheschließungen nicht zu nah beieinander sind. Ein bisschen spielen kann man dann natürlich mit Gesellschaftsformen: z.B. ist die Frau immer die Person, die den Beruf der Familie festlegt? Behalten immer die erstgeborenen den Familiennamen und nehmen die zweitgeborenen den Namen ihrer Zieheltern an? Ist es Brauch, dass Kinder getauscht werden (Austausch z.B. der Bauernsohn kommt zum Heiler für ein zwei Jahre während der Heilersohn zum Krieger geht)? Wenn die Personen stehen kann man mit Farben noch bestimmte Verbindungen angeben, entscheiden wer gestorben ist (wann und wie) und weitere Feinheiten einbauen.

Mithras

Zitat von: DoroMara am 20. August 2015, 22:07:45Die Frage ist: Muss der Leser alle Stammbäume kennen?
Nein, das muss er natürlich nicht. Doch allein die Tatsache, dass so ein Stammbaum existiert, trägt schon dazu bei, dem Leser ein Gefühl von Durchdachtheit und Komplexität zu vermitteln. Das setzt natürlich voraus, dass im Verlauf der Geschichte immer wieder auf dem Stammbaum eingegangen wird - es würde rein gar nichts bringen, den Leser mit dem kompletten Ungetüm zu erschlagen. Um erneut auf das Extrembeispiel einzugehen: George R. R. Martin erwähnt seine historischen Figuren ja auch nur, wenn sie für die Handlung relevant sind, und meistens handelt es sich um Nebensächlichkeiten, die übergangen werden können, ohne etwas Grundlegendes für die aktuelle Handlung zu verpassen. Das hat er offenbar so gut und konsequent gemacht, dass sich fast der gesamte Stammbaum der Targaryen-Dynastie ohne zusätzliche Informationen konstruieren lässt. Öffentlich wurde er erst letztes Jahr in The World of Ice and Fire publiziert, doch schon vorher war er nahezu vollständig.

Acrosen

#11
Ich teile einige der hier geäußerten Ansichten - gut durchdachte Familienverhältnisse und Stammbäume tragen maßgeblich zum Fundament einer guten Geschichte bei.
Am wichtigsten sind natürlich die bedeutenden Familien, ein Königshaus ist bekannter als eine kleine Bauernfamilie. Wenn, wie in deinem Fall, ein geschlossenes System mit zwei Clans entwickelt werden, aus denen jeweils ein Protagonist entstammt, sind deren Hintergründe natürlich das, was den Leser am meisten interessiert, beziehungsweise, was für den Fokus der Handlung am bedeutsamsten ist. Aber auch die anderen Familienverhältnisse sollten zumindest in deinen Notizen, meiner Meinung nach, mehr als nur Namen und Randnotizen sein. Gerade in kleineren Gemeinschaften wie Dörfern, wo jeder jeden kennt, käme es mir als Leser seltsam vor, wenn die Menschen, die der Protagonist auf seiner Reise so trifft, nur Namen ohne Hintergrund wären.
Natürlich sollte man nicht zu sehr mit Namen um sich werfen - das Beispiel vom Lied von Eis und Feuer passt hier gut - denn dann kann es anfangs schwerfallen, zu unterscheiden, wer eigentlich wer ist. Noch dazu, wenn die Hälfte der genannten Namen längst verstorbene Vorfahren sind.

Wenn ich einen Stammbaum entwickle, dann schreibe ich als erstes meine Protagonisten, und die anderen in der Handlung eine aktive Rolle spielenden Charaktere auf, und deren Beziehung zueinander. Alle anderen werden erstmal als Leere Felder eingezeichnet. Anschließend kommen die Charaktere, die wichtig für die Ereignisse in der Vergangenheit sind, die sich im Leben und den Handlungen der Protagonisten niederschlagen. Als letztes dann die leeren Felder füllen, das sind dann die Personen, deren Name vielleicht ein mal im ganzen Buch fällt, die aber keine wirkliche Rolle spielen.
Wenn du beim Schrieben eine solche Vorlage neben dir liegen hast, und eventuell noch kennzeichnest, welche Charaktere die relevanten sind, kannst du sehr gut beim Erstellen von Gesprächen oder beim Plotten generell entscheiden, was die Leser wissen müssen, und was nicht. Außerdem helfen solche Stammbäume dabei, die zeitlichen Maßstäbe gut einzuhalten. Wenn man sich markiert, welche Generation neben welcher gelebt hat, kann man auf einen Blick sehen, welche Charaktere bei welchen historischen Ereignissen wie dabei gewesen sein müssen.

Das bezieht sich jetzt natürlich nur auf den von dir beschriebenen Fall - wenn dein Protagonist ein Dorf nur kurz passiert, dort vielleicht kurz übernachtet, wird es nicht so wichtig sein, welche Familienfehden da gerade am Laufen sind. Außer natürlich, sie besitzen für die Handlung existenzielle Relevanz.