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Reihe - Bände - Teile - Kapitel: Struktur und Inhalt

Begonnen von Dämmerungshexe, 11. August 2015, 18:18:16

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Dämmerungshexe

Ich bin gerade an einer umfassenden Überarbeitung meines aktuellen Projektes und stelle fest, dass eine meiner größten Schwierigkeiten ist, mich gedanklich von meiner Struktur zu lösen. Bisher hat mir die Unterteilung in etwa gleichlange Teile und Kapitel einen guten Rahmen geboten. Jetzt weiß ich nicht, wie ich da drüberarbeiten soll.

Aber eigentlich will ich das Thema mal etwas allgemeiner angehen (da ich bisher per Suche kein entsprechendes Thema gefunde habe): Wie geht ihr damit um bzw. welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Bei manchen Reihen gibt es inhaltlich nur grobe Zusammenhänge zwischen den Bänden, bei anderen widerum geht der Inhalt praktisch fließend ineinander über.

Kapitel haben bei mir bisher immer zumindest in etwa eine einheitliche Länge, aber manchmal fühle ich mich dadurch auch etwas eingeschänkt. Bei anderen Autoren sehe ich, dass die Länge des Kapitels keine Rolle spielt, dass eher thematisch zusammengefasst wird. Ähnliches gilt auch für "Teile".

Überhaupt: brauchen Kapitel Namen? Beim Schreiben finde ich es angenehm, um die Übersicht zu behalten, beim Lesen macnhmal auch. Aber Kapitelüberschriften könne auch Spannung aufbauen oder natürlich auch zerstören (wenn sie zuviel verraten).

Müssen Kapitel unbedingt chronologisch angeordnet sein? Und wenn nicht, wie groß dürfen die Sprünge sein?
Ab welcher Länge kann man überhaupt von Kapiteln sprechen? Oder spielt das keine Rolle?

Gibt es einen Unterschied zwischen der Arbeit an einem Projekt und dem endgültigen Ergebnis?
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Moni

#1
Ich fange mal mit deinen letzten Fragen an, denn die lassen sich für mich am einfachsten beantworten: ein Kapitel muß keinen Namen haben. Ich gebe zb meinen Kapiteln nie Namen, bzw ich nenne sie halt Kapitel 1, 2 usw. Oder manchmal Erstes Kapitel, Zweites usw. Man kann auch komplett ohne Überschrift arbeiten, aber das empfinde ich als nicht so schön und sinnvoll.
Die Länge eines Kapitels ist letztlich dir überlassen, ich habe Bücher gelesen, in denen Kapitel aus einem Satz oder sogar nur einer Kapitelüberschrift bestanden. Kapitel können also auch als Stilmittel benutzt werden, damit ist es also in deiner Hand, wie du dich entscheidest.
Sehr oft werden Kapitel benutzt, um Perspektivwechsel oder Wechsel in der Szenerie zu unterstreichen, auch hier sollte die Länge vom Inhalt abhängig sein, nicht umgekehrt. Was bringt es dir, wenn du dich skalvisch an eine 2k Wörter pro Kapitel Regelung hältst, damit aber dich selber in deiner Textentwicklung einschränkst? Also, davon würde ich mich auf jedenfall lösen. Ich habe immer so eine Pi mal Daumen Regel, daß die Kapitel ungefähr in einem ähnlichen Rahmen liegen, das kommt dann immer auf das Buch an, denn in einem epischen Fantasymehrteiler kann ich auch gut ein Kapitel von 80 oder 100 Normseiten unterbringen, aber wenn ich einen kurzen Roman mit schnell vorangetriebener Handlung schreibe, sind kürzere Kapitel auch wieder gut geeignet, um diese schnellere Handlung zu verdeutlichen. Das ist ein bißchen wie der Unterschied in einem modernen Actionfilm, mit schnellen, harten Schnitten und einem 50er Jahre Historienfilm, in dem die Kamera langsam über die Szenerie schweift.

Was die inhaltlichen Zusammenhänge angeht: auch hier ist es deine persönliche Entscheidung. Möchtest du die Reihe mit einerm übergreifenden Handlungsbogen versehen, oder nur ein Grundthema, das über mehrere Teile verstreut immer mal zu Tage tritt? Auch hier würde ich das eventuell vom Genre abhängig machen, aber aufjedenfall davon, was du eigentlich für eine Geschichte erzählen willst. Auch hier kann man wieder das Filmformat zum Vergleich gut heranziehen: eine Serie, die sich über eine begrenzte Anzahl Folgen gezielt einem Höhepunkt nähert (Miniserien, wie sie oft zur Verfilmung umfangreicher Romane verwendet werden und in sich abgeschlossen sind), oder eine Serie, die in zig Staffeln einen roten Faden verfolgt, aber auch mal einige Folgen lang komplett abschweift (wie so ziemlich alles, was so in der Regel im TV läuft).

Ich habe mein Opus zb von ursprünglich drei separaten Bänden mit drei Teilen jetzt in zwei Bände mit immer noch drei Teilen umgebasteltet.
Ich habe hier auch eine feste Struktur:
Band 1
Teil 1: Prolog, drei Kapitel, ein Zwischenspiel, drei Kapitel, ein Zwischenspiel, drei Kapitel.
Teil 2: Drei Kapitel, ein Zwischenspiel, drei Kapitel, ein Zwischenspiel, drei Kapitel.
Band 2
Teil 3: Drei Kapitel, ein Zwischenspiel, drei Kapitel, ein Zwischenspiel, drei Kapitel, Epilog.

Aber trotz gleicher Struktur variiert die Länge extrem, der erste Teil und der zweite zusammen sind nur wenig umfangreicher als Band 2. Ich habe die Kapitellänge immer dem Inhalt angepasst, Abweichungen von +- 1000 Wörtern lasse ich mir aber offen.

Was ich aber einmal gemacht habe, was bei der Umstrukturierung extrem hilfreich war: ein Dokument, in dem der komplette Text ohne Kapitelunterteilungen zusammengefasst ist. Das habe ich einmal gelesen und dann die Kapitel intuitiv gesetzt, wo sie mir sinnvoll erschienen. Die Abweichungen zu vorher waren minimal, ich hatte da einfach schon ganz gut die passende Aufteilung gewählt. Vielleicht ist das eine Methode, die dir auch hilft?
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
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Fynja

Ich habe da eigentlich keine einheitliche Herangehensweise, sprich es variiert je nach Projekt. Generell würde ich daher auch sagen, dass es da kein "richtig" oder "falsch" gibt, aber das sage ich aus Sicht einer unveröffentlichten Autorin und Leserin, es kann natürlich sein, dass Verlage das anders sehen. Dennoch finde ich, dass man es gerade beim Schreiben so machen sollte, wie man selbst am besten damit klarkommt, sonst hindert es doch nur den Schreibfluss. Ich versuche trotzdem mal, auf die einzelnen Fragen zu antworten. :D

Zitat von: Dämmerungshexe am 11. August 2015, 18:18:16
Bei manchen Reihen gibt es inhaltlich nur grobe Zusammenhänge zwischen den Bänden, bei anderen widerum geht der Inhalt praktisch fließend ineinander über.

Hier kommt es, finde ich, am meisten darauf an, was die Geschichte erfordert. Es gibt Geschichten, die bilden eigentlich einen großen Roman ab, der schlicht und einfach zu gewaltig für ein einzelnes Buch wäre, also werden günstige Punkte zum Abbrechen gesucht und der Roman wird in zwei, drei oder mehr Einzelbände aufgeteilt. Bei Bänden, die auch für sich stehen können, ist das womöglich von Anfang an so geplant gewesen, oder man kann es so machen, dass man zuerst einen Roman schreibt und sich die Option auf einen zweiten Band offen lässt, weil man zuerst abwarten will, wie der erste ankommt. Das hat für mich also eigentlich eher pragmatische Gründe. (Oder ich schreibe einen zweiten Band, weil ich meine Figuren zu sehr vermisse.  ;D)

ZitatKapitel haben bei mir bisher immer zumindest in etwa eine einheitliche Länge, aber manchmal fühle ich mich dadurch auch etwas eingeschänkt. Bei anderen Autoren sehe ich, dass die Länge des Kapitels keine Rolle spielt, dass eher thematisch zusammengefasst wird. Ähnliches gilt auch für "Teile".

Ich könnte als groben Richtwert meiner Kapitel 2500-3000 Wörter angeben, aber das ist eher Zufall. Die Varianz ist bei mir groß, sodass es Kapitel gibt, die 500, aber auch welche, die 6000 Wörter haben. Orientieren tu ich mich also eindeutig eher thematisch (bzw. meistens ändere ich mit den Kapiteln auch die Perspektive, und ein anderer Pespektivträger bedeutet bei mir dann auch ein anderes Kapitel.) Hier habe ich als Leser eine eindeutige Vorliebe für für thematisch zusammengefasste Kapitel, dazu sind sie für mich da.

ZitatÜberhaupt: brauchen Kapitel Namen? Beim Schreiben finde ich es angenehm, um die Übersicht zu behalten, beim Lesen manchmal auch. Aber Kapitelüberschriften könne auch Spannung aufbauen oder natürlich auch zerstören (wenn sie zuviel verraten).

Brauchen? Nein. Mir persönlich wäre es viel zu anstrengend, jedem Kapitel Namen zu geben, die auch noch irgendwie innovativ sein müssten, und ich muss gestehen, dass ich beim Lesen eventuelle Kapitelnamen auch immer überspringe. Seit ich Scrivener habe, arbeite ich jedoch so, dass ich über jedes Kapitel eine Ein-Satz-Zusammenfassung schreibe, um die Übersicht zu behalten, das dient allerdings allein mir, ist auch nicht sonderlich kreativ und eben nicht wirklich als Überschrift gedacht. Stören tun mich Kapitelnamen aber nicht (es sei denn, sie verraten zu viel, das hasse ich!), aber ich überlese sie halt meistens.

ZitatMüssen Kapitel unbedingt chronologisch angeordnet sein? Und wenn nicht, wie groß dürfen die Sprünge sein?
Ab welcher Länge kann man überhaupt von Kapiteln sprechen? Oder spielt das keine Rolle?

Wieder: Es muss gar nichts, es muss nur zur Geschichte passen. Ich würde auch hier keine festen Regeln definieren, sondern sagen, dass du durchaus mal unchronologisch schreiben und größere Sprünge einbauen darfst, solange du darauf aufpasst, dass die Anordnung sinnvoll ist und für den Leser nicht so verwirrend, dass es anstrengend wird, dass du also darauf achtest, dass du dem Leser Indizien gibst, damit er weiß, wann welches Kapitel spielt. Das kann dann auch ein Mittel sein, um Spannung zu erzeugen, und ein wenig verwirren darf man seine Leser ja manchmal schon, es sollte bloß nicht zu viel sein, sodass es nur noch Anstrengung ist. Kapitel definiere ich, wie bereits oben gesagt, eher über die thematische Trennung als über Seitenlängen oder Wortzahlen.

ZitatGibt es einen Unterschied zwischen der Arbeit an einem Projekt und dem endgültigen Ergebnis?

Ja.  ;D Ich fange fast immer chronologisch an, und irgendwann in der Mitte des Romans schreibe ich die Kapitel unchronologisch so, wie es mir in den Sinn kommt, oder mal nur eine Perspektive zu Ende und die andere hängt immer noch in der Mitte, usw. Und auch die Kapitelnamen dienen nur mir zur Orientierung und werden anschließend entfernt. Ich arbeite da meistens so, dass ich womöglich nicht aus dem Schreibfluss gebracht werde (überspringe also oft Abschnitte oder ganze Kapitel, die mich aus irgenddeinem Grund blockieren, etwa bei einem Plotloch o.ä.). Ich habe sogar schon mal einen zweiten Band angefangen, obwohl der erste noch gar nicht zu Ende war. Es ist etwas schwieriger, mit dieser Vorgehensweise die Übersicht zu behalten, aber mir liegt sie besser, als wenn ich mich zwinge, ganz geordnet zu schreiben. Da muss jeder für sich herausfinden, womit er am besten fährt.

Churke

Zitat von: Dämmerungshexe am 11. August 2015, 18:18:16
Ich bin gerade an einer umfassenden Überarbeitung meines aktuellen Projektes und stelle fest, dass eine meiner größten Schwierigkeiten ist, mich gedanklich von meiner Struktur zu lösen. Bisher hat mir die Unterteilung in etwa gleichlange Teile und Kapitel einen guten Rahmen geboten. Jetzt weiß ich nicht, wie ich da drüberarbeiten soll.
Frage: Warum willst du da was ändern? Kapitelaufteilung und -struktur hängen von der Handlung und Erzählweise ab.

Zitat
Bei manchen Reihen gibt es inhaltlich nur grobe Zusammenhänge zwischen den Bänden, bei anderen widerum geht der Inhalt praktisch fließend ineinander über.
Auch das ist eine Frage der Handlung. Ob ich eine Geschichte einfach weiterspinnen oder eine neue erzählen will. Wenn ich die Bände voneinander absetze, gibt mir das die Chance, ein wenig bei Form und Aufbau zu variieren. Das ist also auch immer die Chance, neue Wege zu beschreiten, ohne dass es zu sehr auffällt.

Zitat
Kapitel haben bei mir bisher immer zumindest in etwa eine einheitliche Länge, aber manchmal fühle ich mich dadurch auch etwas eingeschänkt.
Ich betrachte Kapitel als Sinnabschnitte. So etwas wie Geschichten innerhalb der Geschichte. Ein anderer Aspekt ist die "erzählte Zeit", die innerhalb eines Kapitels vergeht. Ob es 5 Minuten sind oder 10 Jahre. Wenn sich die erzählte Zeit ändert, also von schnell nach langsam oder auch von langsam nach schnell, fange ich ein neues Kapitel an.

Zitat
Überhaupt: brauchen Kapitel Namen?
Meine schon. Meistens ein Wortspiel...

Zitat
Müssen Kapitel unbedingt chronologisch ange1ordnet sein?
Müssen nicht. Viele machen das nicht. Aber ich finde, dass nicht-lineares Erzählen zu Lasten des Spannungsbogens geht. Also... 

cryphos

#4
Kapitel sind für mich ein Stilmittel um Text zu gliedern. Wie dieses Mittel genutzt wird ist der Autorin überlassen. Je nachdem wie sie es nutzt, kann es ganz unterschiedliche Auswirkungen haben.
Hier ein paar Beispiele
Das Lied von Eis und Feuer – G. R. R. Martin
Martin nutzt Kapitel um zwischen verschiedenen Handlungsträgern zu wechseln. Neues Kapitel heißt für den Leser immer Charakterwechsel.
Der Wolkenatlas – David Mitchell
Mitchell erzählt 6 Geschichten in 11 Kapiteln, welche eine eigene Geschichte große Geschichte sind, welche ca. 1000 Jahre umfasst.
Dabei unterscheiden sich alle 6 Einzelgeschichten in Sprache, Stil und Erzählweise. Zudem werden die ersten 5 Geschichten bei ca. der Hälfte unterbrochen, die 6te wird ganz erzählt und dann geht es in umgekehrter Reihenfolge wieder zurück an den Anfang. Hier die Aufteilung in Kurzschreibweise:
G1T1–G2T1–G3T1–G4T1–G5T1–G6–G5T2–G4T2–G3T2–G2T2–G1T2

Zudem habe ich folgendes gelesen, komme aber gerade nicht mehr auf Autor oder Titel:
Der Überschwängliche
Kapiel sind numeriert, haben einen Titel und eine Inhaltsangabe des Kapitels als Anreiser sowie mindestens zwei Zitaten, welche das Kapitel thematisch umreisen.

Der Minimalist
Ein Roman von ca. 150 Seiten und kein einziges Kapitel.

Der Metrische
Alle x Seiten beginnt ein neues Kapitel.

Der Künstlerische
Alles ist kunderbund durcheinander. Es gibt Kapitel mit Nummern und 50 Seiten und dann nur einen fetten Titel, Seitenumbruch und dann wieder Nummer und Titel, etc.

Wie du daran sehen kannst, alles ist möglich und erlaubt. Wichtig ist es für dich deshalb wohl eher, wie intensiv willst du das Stilmittel Kapitel nutzen? Willst du mit den Kapiteln etwas aussagen oder sollen diese nur gliedern?
Gutes Gelingen.  :)

Sascha

Nicht zu vergessen die Romane ganz ohne Kapitel. Hab das in einigen Terry Pratchett-Büchern gehabt. Für mich als eigenartige Sorte von Ordnungsfetischist (auf das Chaos auf dem Schreibtisch schielend ...) ist das etwas schwierig, weil ich immer gerne kapitelweise lese ("Ich komm gleich ins Bett, sind nur noch drei Seiten."), aber den Büchern selbst hat es keinen Abbruch getan.

Fianna

Ich denke aber, an die Kapitelenden muss irgendwas, um den Leser zum Weiterlesen zu bringen. Weil das Kapitelende ein typischer Punkt ist, das Buch wegzulegen, man muss ihn aber dazu bringen, das Buch wieder zu nehmen.
Ich finde es doof, wenn da immer mit Cliffhangern gearbeitet wird, aber in irgendeiner Hinsicht (emotionale Seite/Konflikt, Leser bekommt bestimmte Informationen usw) muss da etwas sein, was den Leser dazu bringt, dass er weiterlesen möchte und das Buch nochmal an sich nimmt.

Dämmerungshexe

Churke: ändern nicht unbedingt, aber es kommen sicher neue Inhalte dazu, die müssen da irgendwie "reingepresst" werden :P

Mir hilft die Aufteilung in Kapitel und Teile (oder Abschnitte allgemein) den Inhalt besser zu sortieren und einen Überblick zu behalten. Also eher ein Hilfmittel bei der Ausarbeitung. Aber wenn ich dann schreibe, dann schaue ich automatisch, dass die Enden der Kpaitel - wie Fianna sagte - zum Weiterlesen anregen - also doch auch wieder eine stilistische Sache.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Sonnenblumenfee

So aus Lesersicht muss ich sagen, dass ich eine Aufteilung durch Kapitel auch sehr gerne mag. Ich finde es einfach angenehmer zu lesen. Und ein Buch völlig ohne Kapitel hat für mich (!) nur dann Sinn, wenn dies den Stil des Buches insgesamt oder seine Geschichte besonders unterstreicht. Zum Beispiel, wenn das gesamte Buch aus Gedankenabfolgen besteht und die tatsächliche Handlung zweitrangig ist. Dann kann das Fehlen der Kapitel Stil und Inhalt unterstreichen. Bei allen anderen Büchern stehe ich dem sehr skeptisch gegenüber.

Was die Länge der Kapitel angeht bin ich zwar grundsätzlich bei den anderen hier, dass es thematisch stimmen muss. Allerdings finde ich es sehr angenehm, wenn die Kapitel in etwa dieselbe Länge haben. Eine Abweichung von 500 zu 6000 Wörtern im selben Buch, wie Fynja geschrieben hat, kann für mich schon einmal störend wirken, besonders, wenn die Kapitel direkt hintereinander kommen. Deshalb würde ich bei solchen Unterschieden wirklich kritisch prüfen, ob man das kurze Kapitel nicht zu einem der umstehenden hinzufügen kann und/oder das lange Kapitel an irgendeiner Stelle sinnvoll unterteilen kann. Wo das nicht möglich ist, finde ich es aber auch besser, die thematische Einheit der Kapitel nicht aufzubrechen. Wenn pro Kapitel immer ein anderer Perspektivträger vorkommt, würde es mich zum Beispiel auch stören, wenn dann einmal zwei aufeinanderfolgende Kapitel vom selben Perspektivträger sind.

Ich finde aber auch, dass ein Kapitelwechsel spannungsfördernd sein kann gerade wenn ein (scheinbar) einheitlicher Vorgang auseinandergerissen wird. Das ist so ähnlich wie mit der Werbepause im Fernsehen und geht schon in Richtung Cliffhanger, nur dass mE gar kein besonders interessantes Geschehnis am Ende stehen muss, sondern einfach allgemein die Frage "wie geht es weiter".
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

Churke

Zitat von: Sonnenblumenfee am 14. August 2015, 16:45:57
Allerdings finde ich es sehr angenehm, wenn die Kapitel in etwa dieselbe Länge haben. Eine Abweichung von 500 zu 6000 Wörtern im selben Buch, wie Fynja geschrieben hat, kann für mich schon einmal störend wirken,

Das ist das, was ich mit der "erzählten Zeit" gemeint hatte: Wenn auf ein Kapitel von 6.000 Wörtern eines mit 500 Wörtern folgt, habe ich einen Bruch in der Erzählstruktur. Das könnte ein Indiz sein, dass hier etwas Grundsätzliches schief läuft, darum sollte man das besonders sorgfältig prüfen.

Siara

#10
Zitat von: Churke am 14. August 2015, 17:21:26
Das ist das, was ich mit der "erzählten Zeit" gemeint hatte: Wenn auf ein Kapitel von 6.000 Wörtern eines mit 500 Wörtern folgt, habe ich einen Bruch in der Erzählstruktur. Das könnte ein Indiz sein, dass hier etwas Grundsätzliches schief läuft, darum sollte man das besonders sorgfältig prüfen.
Magst du das in Bezug auf die "erzählte Zeit" noch einmal verdeutlichen? Der Zusammenhang ist für mich nämlich gerade nicht ersichtlich. Gerade Brüche in der Erzählstruktur finde ich interessant, weil sie Abwechslung liefern und dafür sorgen, dass man beim Lesen nicht in einen Trott verfällt. Dafür müssen sie aber natürlich gekonnt gesetzt sein.

In starker Variation der Kapitellänge sehe ich persönlich absolut kein Problem. Beispiel "Der Name des Windes": Teilweise haben die Kapitel über 15 Seiten, teilweise ist es nicht einmal eine ganze Seite. Auch hier geht es um Sinnabschnitte ebenso wie um die erzählte Zeit. Manchmal ist ein ganzer Tag oder ein Gespräch mitsamt der Details wichtig, dann passt ein langes Kapitel natürlich. Manchmal aber will der Autor nur eine Kleinigkeit erwähnen, oder er möchte ein kurzes Ereignis (oder manchmal sogar nur einen emotionalen Zustand) gesondert hervorheben. In dem Fall reicht eine Seite eben.

Im Allgemeinen versuche ich, Kapitel als Kurzgeschichten zu sehen. Natürlich lassen sie sich nicht ganz so schreiben, da auf ihren Platz innerhalb der Geschichte geachtet werden muss. Trotzdem: Sie mit dem für den Roman passenden Inhalt zu füllen, sie dabei jedoch als Einzelstück zu betrachten, hilft mir persönlich, aus jedem Kapitel etwas Besonderes zu machen. Damit das Kapitel nicht bloß ein Schritt auf dem Weg zum Ziel "Ende" ist, sondern auch für sich genommen spannend oder interessant zu lesen ist. Durch den oft abrupten Beginn von Kruzgeschichten lässt sich langes auf-die-Handlung-zu-irren am Anfang vermeiden. (Wobei ich hier auch Ausnahmen mache, um mit Erzähltempo zu spielen und den Leser mal durchatmen zu lassen). Die offenen Enden von Kurzgeschichten - die nicht immer Cliffhänger sein müssen - geben Anreiz, weiterzulesen. So jedenfalls nach meiner Idee und meiner Theorie. ;D

Zeitsprunge sowohl vor als auch zurück zwischen den Kapiteln finde ich in jeder Länge und allen Formen in Ordnung - solange a) die gewählte Reihenfolge der Erzählung für die Geschichte dramaturgisch Sinn macht und b) klar zu erkennen ist, was sich wann abspielt, damit keine Missverständnisse entstehen.

Zu Reihen kann ich nur als Leser etwas sagen, da ich bisher noch keine beendet habe. Aber fürs Allgemeine: Für mich gibt es zwei Arten von Reihen: Das eine sind Fortsetzungsromane, bei denen es vielleicht Überschneidungen in Welt oder Charakteren gibt, aber alle anderen Aspekte unzusammenhängend sein können. Damit die Zusammengehörigkeit dennoch ersichtlich wird, finde ich Ähnlichkeit in der Struktur wichtig. (z.B. alle Bände beginnen mit einem Mord. Oder alle sind in derselben Perspektive und mit derselben Anzahl an Perspektivträgern geschrieben). Das ist natürlich keine Notwendigkeit und keine Regel, aber damit es überhaupt Sinn macht, das Werk "Reihe" zu nennen, finde ich es hilfreich. Die andere Art der "Reihe" ist für mich eine große Geschichte, die in mehrere Bände aufgeteilt wird. Dann sollte meiner Meinung nach im Idealfall die Struktur "Anfang, Wendepunkt, Mittelteil, Wendepunkt, Finale" sowohl für die Bände als auch für die Reihe im Groben eingehalten werden, damit der Spannungsbogen stimmt.

Und was den Unterschied zum fertigen Ergebnis angeht: Bei mir gibt es da große Unterschiede. Ich persönlich kann erst, wenn ich sowohl Beginn als auch Mittelteil und Finale geschrieben habe, richtig gut erkennen, wie der Aufbau dramaturgisch am besten wirkt. Kapitel zu teilen oder zusammenzufügen oder vor- und zurückzuschieben kann meiner Erfahrung nach kleine Wunder wirken.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.