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Entwicklung am deutschsprachigen Fantasymarkt

Begonnen von Franziska, 20. November 2014, 20:08:16

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canis lupus niger

#105
Zitat von: Kerstin am 22. August 2016, 10:52:56
Wenn ich sage "Manchmal treffe ich auch der Autobahn auf verantwortungslose Vollidioten" - wäre das dann auch eine Beleidigung für alle Autofahrer?
Ein bisschen hast Du mir schon meine Aussage im Mund verdreht. Im Interview hieß es:
ZitatWir brauchen Autoren die schreiben können. Wir sind weder Schreibwerkstatt noch Schreibschule, sondern müssen Bücher verkaufen. Deutsche Autoren haben in manchen Fällen ein handwerkliches Defizit im Vergleich mit amerikanischen.
Und das heißt für mich: Wir haben kein Interesse, deutschen Autoren das Schreiben beizubringen. Wir wollen Geld verdienen, deshalb setzen wir auf amerikanische Autoren, die das schon können.

Auf Dein Beispiel übertragen: Ich setze mich nicht in das Auto eines deutschen Fahrers, weil da die Gefahr größer ist, an einen verantwortungslosen Vollidioten zu geraten.

Ist auch stark vereinfacht, beschreibt aber, warum ich das Interview als Beleidigung deutscher Autoren empfinde. Aber ich will nicht weiter darauf herumreiten, weil ich mich nicht gerne streite. Es handelte sich ja nur, wie ich versucht habe, deutlich zu machen, um meine persönliche Meinung. Jeder Mensch darf dazu herzlich gerne eine andere haben und meine für völligen Blödsinn halten. 

Zitat von: Kerstin am 22. August 2016, 10:52:56
Die einzigen Bücher, die wir gelesen haben und besprechen durften, waren die üblichen Klassiker von Goethe, Schiller, Shakespear, Thomas Mann, Gottfried Keller ... Zeitgenössische durften wir uns nur raussuchen (bei den zwei Gelegenheiten, wo wir eigene Bücher aussuchen durften), wenn es ganz klar offiziell als anspruchsvolle Literatur angesehen wurde.
Wenn ich nicht schon seit meiner Kindheit gerne gelesen hätte, wäre meine Begeisterung fürs Lesen mit dem Deutschunterricht sicher abgetötet worden. Bei einigen Freunden war genau das der Fall. Wenn man Kindern schon in der Schule die Freude am Lesen nimmt, braucht man sich nicht wundern, wenn später so wenige lesen oder gar schreiben.
Hierzu wollte ich gerne noch ein Annekdötchen erzählen, um zu zeigen, dass sich doch inzwischen ein bisschen ändert.

Vor einiger Zeit durfte ich in unserer heimischen Stadtbibliothek eine Lesung zu meiner "canis lupus niger"-Fantasy-Reihe halten. (In der Bibliothek stehen je zwei Exemplare der beiden Bücher und sie sind zwei Jahre lang fast ununterbrochen ausgeliehen gewesen.)

Die Lehrerin meines alten Gymnasiums, die dort für die Schulbibliothek (in der auch je ein Exemplar meiner Machwerke steht) verantwortlich ist, und bei der ich seinerzeit schon Unterricht hatte, war ebenfalls auf der Lesung. Mann, was war ich ihretwegen nervös!
Sie leitet in der Schule u.a. eine Leseclub-AG, in der die verschiedensten Jugendbücher, u.a. Narnia, Krabat und Lapislazuli gelesen werden, um Kindern den Spaß am Lesen zu vermitteln.

Nach der Lesung gab es noch das übliche Gespräch, und die Lehrerin meinte, im Deutschunterricht käme Fantasy ja wirklich ein bisschen kurz, weil die Kern-curricula dafür kaum Zeit ließen. Darauf hab ich ihr geantwortet: "Stimmt, außer an Goethes "Faust" und Kafkas "Die Verwandlung" kann ich mich an keine Fantasy erinnern, die wir damals gelesen hätten." Sie stutzte erst, aber dann haben wir gemeinsam darüber gelacht. 

Sascha

Zitat von: canis lupus niger am 25. August 2016, 21:05:20
Nach der Lesung gab es noch das übliche Gespräch, und die Lehrerin meinte, im Deutschunterricht käme Fantasy ja wirklich ein bisschen kurz, weil die Kern-curricula dafür kaum Zeit ließen. Darauf hab ich ihr geantwortet: "Stimmt, außer an Goethes "Faust" und Kafkas "Die Verwandlung" kann ich mich an keine Fantasy erinnern, die wir damals gelesen hätten." Sie stutzte erst, aber dann haben wir gemeinsam darüber gelacht.
Ja, da ist was wahres dran. Es wird gerne vergessen, daß auch solche Klassiker, wenn man es genau nimmt, heute unter den Begriff Fantasy fallen müßten. Den gab's damals nur noch nicht so. Und dann die Nibelungensage, mit Drachen, Zwergen, Zauberei usw., alles Fantasy. Warum die dann gerne rundweg als anspruchsloses Unterhaltungszeug abgetan wird ...

FeeamPC

Selbst das hochgepriesene Werk der Antike, die Odysee, ist nichts als reinrassige Fantasy. Zauberinnen, Zyklopen, Sirenen und was noch alles.
Aladdin und die Wunderlampe- Fantasy. Shapespeares Sommernachtstraum - Fantasy. Mozarts Zauberflöte - Fantasy.

Maubel

Ja, das ist wirklich spannend, wie lange es dieses "neue" Genre doch gibt. Von Märchen und Sagen wollen wir gar nicht mal anfangen. Die Leute mochten eben schon immer fantastische Geschichten und das Argument, die glaubten das wirklich, greift auch nicht immer. Manches vielleicht, aber sicher nicht alles. Dass Shakespeare oder Faust kein Realismus sind, war sicher auch den Leuten, die es damals gelesen haben klar.
Aber das sind eben alte Klassiker und lässt sich doch gar nicht mit dieser Unterhaltungsliteratur von heute vergleichen - Vorsicht, Ironie. So würde aber wahrscheinlich argumentiert, schließlich hat Faust da so wichtige Motive etc drin, die man sezieren kann. Was vielen nicht auffällt, ist, dass auch die angebliche Unterhaltungsliteratur oft mit Metaphern, Bildern, Motiven und vielem mehr arbeitet. Für mich ist die Fantasy zumindest nur ein buntes Kleid, dass ich meiner Geschichte angezogen habe, damit sie eben unterhält und nicht dröge und schwer zu verdauen ist.

In dieser Aussage von wegen Klassiker etc versteckt sich übrigens wieder dieser Kunstanspruch der Deutschen. Hoch gefeiert werden hier Romane, die schwere Kost sind und die wahrscheinlich der gewöhnliche Leser Mühe hat sich überhaupt damit zu identifizieren. Hauptsache, es ist schön kritisch (so übrigens auch im Vergleich deutsche Filme/Serien vs englische Filme/Serien). Die Deutschen sind in vieler Hinsicht sehr konservativ und das spiegelt sich eben in solchen Entscheidungen wieder, nur etablierte Autoren zu nehmen. Diejenigen haben sich eben schon bewiesen und etwas Neues hat es immer schwierig.

Franziska

#109
Das ist alles interessant, führt jetzt aber wirklich sehr weit vom Thema ab.  ;)

Ich denke, man darf das Interview nicht so nehmen, dass alle Verleger so denken. Deshalb habe ich ja auch erwähnt, welche Bücher deutscher Autoren demnächst erscheinen und dass mich viele davon interessieren.


Ich weiß gar nicht mehr, ob ich das schon irgendwo gepostet hatte. Ich hatte mir ja mal angeguckt, wie viel von deutschen Autoren wirklich erscheint. Die Zahlen sind von den letzten 10 Jahren von Amazon. Dass heißt wahrscheinlich nicht ganz genau, da einige Bücher gar nicht mehr verfügbar sind. Aber ich denke doch, schon aussagekräfitg.

Die erste Zahl sind die Gesamtzahl der erschienenen Fantasybücher, die zweite die von deutschen Autoren.

Knaur: 40 /90   von 21 Autoren= 44%
Piper: 177/520 von  26 Autoren= 34 %
Lübbe: 60/350? von 14 Autoren =17 %
Blanvalet: 47/540   von 11 Autoren=  8,7 %
Heyne: 89/660 von 30 Autoren= 13 %
Goldmann:  18 /160 von 3 Autoren= 11 %
Klett-Cotta: 8/130 von 5 Autoren = 6 %
rowohlt: 6/38 von 4 Autoren =15 %

Kati

Ich würde jetzt auch moderne Fantasy nicht mit Klassikern der Schauer-, Gothic- und Romantikliteratur vergleichen, wenn ich ehrlich bin. Nicht, weil die Klassiker so viel besser und toller sind, sondern, weil man da zwar den Anfang der Fantasy suchen kann, aber die übernatürlichen Elemente komplett anders eingesetzt werden. Mephistopheles ist ja nicht einfach der Teufel, weil Goethe Fantasy über den Teufel schreiben wollte. Diese Symbolik hat moderne Fantasy oft (manchmal natürlich aber schon) nicht mehr, da ist ein Teufel einfach ein Teufel. Darüber sollte man jetzt keine Wertung vornehmen was besser und "wertvoller" ist, aber der Vergleich hinkt meiner Meinung nach. Phantastik um der Phantastik willen gab es damals nämlich auch schon, die liest man aber auch nicht in Schulen, obwohl alt, und zwar wohl aus denselben Gründen, weshalb moderne Fantasy es nicht auf den Lehrplan schafft. Nicht "anspruchsvoll" genug.

Franziska: Cool, sehr spannend! Ich finde besonders interessant, dass Knaur und Piper mit so viel Abstand vorne liegen, was deutsche Autoren betrifft. Hast du dir vielleicht irgendwo vermerkt, ob die deutsche Fantasy über die zehn Jahre ab- oder zugenommen hat?

Franziska

Nein, das war mir dann doch zu aufwändig. Ich habe aber das Gefühl, dass es gerade eher zunimmt.

Zit

#112
Waren bei den Autoren Dopplungen dabei, also dass ein Autor in verschiedenen Verlagen veröffentlicht hat? Für zehn Jahre finde ich die Anzahl doch sehr mager, gerade im Kontext wie viele Bücher überhaupt jedes Jahr allein veröffentlicht werden. Das sind 112 Autoren. Das wäre vielleicht der harte Kern des TiZi, unsere tatsächliche Mitgliederanzahl ist ja dreimal so groß. Und dann 90% handverlesen. Da ist es echt utopisch heutzutage in einem Publikumsverlag unter zu kommen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Alana

Oh spannend, danke, Franziska. Ja, Knaur veröffentlicht im gesamten Programm viele deutsche Autoren und einige der erfolgreichsten Bestseller- und Midlistautoren bei Knaur sind Deutsche, was ich sehr erfreulich finde.
Alhambrana

Franziska

@Zit: ja, das sind ca. 100 deutsche Autoren. Aber nicht alle davon veröffentlichen immer noch. Es gibt einige, da erschien mal ein Buch oder zwei und dann wars das. Ob sie das Pseudonym gewechselt haben oder ganz aufgehört, weiß ich natürlich nicht. Daher poste ich hier ja auch immer wieder Debutautoren. Ich finde die Anzahl der Debuts eigentlich erstaunlich hoch. Daher würde ich nicht sagen, dass es utopisch ist, bei einem großen Verlag zu landen.
Und da sind ja auch keine Jugendbücher dabei, die werde ich mir irgendwann nochmal extra angucken.
Aber ich finde auch, gerade was ebooks betrifft und High Fantasy, da erscheint nicht so viel von großen Verlagen. Daher können da Kleinverlage und SPler durchaus mithalten. Im Buchladen verkaufen sich insgesamt mehr Bücher, aber was so alles abseits der Großverlage erscheint ist schon recht viel und teilweise ja auch sehr erfolgreich. Ich habe da jetzt ca. 550 Bücher gepinnt:
https://de.pinterest.com/celiajansson/deutsche-fantasy-b%C3%BCcher/

Franziska

#115
Ich habe mir mal wieder die Neuerscheinungen angesehen. Und da wir hier ja immer wieder diskutieren, die Verlage würden keine deutschen Autoren nehmen und immer nur das gleiche veröffentlichen, ich finde das eigentlich gar nicht.
In diesem Jahr gibt es wieder einige Debuts bei großen Verlagen. Auch einige von in der Kleinverlagsszene bekannten Autoren. Es scheint also schon möglich zu sein, vom kleinen zum großen Verlag zu kommen. Da scheinen Verlage durchaus mitzubekommen, zum Beispiel hat die Autorin, die den Fantasy Indie Autoren Preis gewonnen hat ihr Buch im Print bei Knaur.
Die Bücher: vor allem "klassische" High Fantasy. Auch wieder im Trend: Völkerromane. Aber auch einige Bücher, die mich von der Beschreibung ansprechen. Klassisch, aber interessante Plots oder Figuren laut der Klappentexte. Auch von den eingekauften übersetzten Büchern finde ich es durchaus gut gemischt.
Was ich auch interessant finde: zwei originelle Dystopien als Debuts.

Franziska

Leider habe ich immer noch keine Seite gefunden, wo alle Bücher aufgelistet werden, wenn mir jemand eine sagen kann, bitte melden. Also wo man die Bücher nach Verlagen, Erscheinungsjahr sortieren kann und nicht TB und HC extra angezeigt werden. Leider funtkioniert die Suche bei Amazon nicht mehr richtig. Dennoch habe ich versucht, mir das nochmal für die letzten Jahre anzugucken, angeregt durch den anderen  (Thread.

Dabei bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass in den letzten vier Jahren immer an die 30-50 Bücher von deutschen Autoren bei Großverlagen erscheinen, dabei immer 2-6 Debuts.
Durch den Pseudonymwahn ist das leider nicht immer gut herauszufinden.
Vor zehn Jahren waren die Zahlen nicht groß anders, außer dass es vielleicht in den Jahren der Völkerromane mehr deutsche Autoren gab, dafür habe ich heute insgesamt mehr Fantasybücher gezählt, aber da bin ich mir nicht sicher, weil ich das für damals nicht mehr prüfen kann. (die meisten Bücher dürften jetzt vergriffen sein)

Während ich dieses Jahr tatsächlich nur zwei Debuts finden konnte, sind da für nächstes Jahr schon einige angekündigt.

Dazu kommen dann noch über 100 Bücher von Kleinverlagen, die größtenteils deutsche Autoren verlegen. Diese hohe Anzahl gab es meines Wissens früher nicht. Oder irre ich mich da? Die meisten Verlage von damals gibt es heute nicht mehr, dafür gibt es zahlreiche neue.

Was mich auch noch interessiert hat: von den deutschen Autoren, die dieses Jahr was rausgebracht haben und bei denen ich es herausfinden konnte sind alle bei den Agenturen: AVA, Molden, Scriptzz und Editio Dialog.

Alana

Danke für deine Mühe, Franziska. Bei den Agenturen denke ich, dass es sehr schwierig ist, das zu sagen, aber ich weiß auf jeden Fall von Schlück, Langenbuch & Weiß und Meller, dass deren Autoren dieses Jahr Fantasy veröffentlicht haben.
Alhambrana

Franziska

#118
Danke, ja mehr als die Autorennamen und "Agentur" googeln ist mir nicht eingefallen. Da kommt dann leider nicht immer was. Aber es hat mich schon gewundert, dass Schlück nicht dabei war. Wie gesagt, die ganzen Pseudonyme machen es dann zusätzlich schwer.  ;) Da müsste man dann die Autorn direkt fragen, wie es zu der Veröffentlichung kam.

Nächstes Jahr erscheint dann ja auch von unserer Maja das Buch bei Knaur. Also kann man erzählperspektive auch zu den Agenturen hinzufügen.  ;)

Beispiele für Bücher 2018:
Heike Knauber: Najaden. Das Siegel des Meeres, blanvalet (Debut)
Max Heubeck: Alben und Trolle, Bastei (Debut)
Hendrik Lambertus: Zwillingsblut, der Kampf der Zwerge, Lübbe (Debut)
Stefanie Lasthaus: Die Saphirtür, Heyne
Tom Jacuba: Der Sturm, Bastei
Bernd Perplies: Der Weltenfinder, Tor Fischer
Nina McKay: Teenie Voodoo Queen, ivi
Liza Grimm (Jennifer Jäger): Die Götter von Asgard, Knaur (Debut beim Großverlag)
Cornelius Zimmermann: Rocking the forest, Tor Fischer
Sophie Nuglisch: Die Hässlichen, Piper (Debut)
Maja Ilisch: Die Spiegel von Kettlewood Hall, Knaur (Debut beim Großverlag)
Ivo Pala: Schwarzes Blut, Knaur
Sylvie Englert (Katja Brandis): Das dunkle Wort, Knaur
Judith und Christian Voght: Die 13 Gezeichneten, Knaur (Debut beim Großverlag)
Hanna Kuhlmann: Nacht der Diebe, Knaur (Debut)

Da sind viele Bücher dabei, die mich interessieren zu lesen und ich finde auch es sieht danach aus, dass die Verlage neue Autoren und neue Stoffe suchen.  :)


Fianna

 Jennifer hat auch ein Debut beim Grossverlag, Impress wird doch sonst im Forum immer sehr von Carlsen unterschieden...

Bei Hendrik Lambertus ist ein c zuviel  :psssst:
Das finde ich toll! Ich kenne ihn überhaupt nicht, aber bisher hat mir jede Kurzgeschichte gefallen, die ich gelesen habe.