• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Nuscheln? Undeutlich Sprechen? - Wie schreibe ich das?

Begonnen von Eluin, 28. Oktober 2014, 14:03:45

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Eluin

Hallo zusammen,

entweder ich nutze nicht die richtigen Suchbegriffe, oder es gibt das Thema noch nicht - falls doch freue ich mich über einen Tipp, wonach ich suchen muss. Also hoffe ich, dass ihr mir vielleicht weiterhelfen könnt.

Ich möchte, dass ein Charakter ab und an nuschelt, also undeutlich spricht, als würde er die Zähne nicht auseinander bekommen. Aber wie schreibe ich das in der wörtlichen Rede? Es soll kein Stottern sein und auch kein Lispeln. Wie könnte Beispielsweise ein "Morgen" klingen?

Hat jemand von euch eine Idee? Ich stehe da momentan auf der Leitung.

Danke euch!

Eluin
Träume verändern die Zukunft. Doch erst wenn wir die Augen öffnen, können wir sie verwirklichen!
Mein Spruch, mein Motto.

Sprotte

Ich gestehe, ich verabscheue lautmalerische Darstellung von Sprachauffälligkeiten (Nuscheln, Wispern, Stottern, Stammeln, Dialekte). Ich würde mit Beschreibungen drumherum arbeiten.

Ginger

Gute Frage...

Was ham wa da für Möglickeitn? Bischen wästfälisch, unvollständige Sätze? Moin ist zu einfach, heisst ja auch nicht "guten Morgen".
Anleihen am Plattdeutschen sind immer nett...

Ich habe es im Falle eines Fischers in einer Fantasy-Welt so gelöst:

Zitat:
"Die zieh'n in 'ne Richtung, wo der Fisch nich' is' – mehr nach Nord rüber", deutete der Skipper der Loshia ihr Verhalten. "Kan'n hier keiner mit'n Dyns red'n?" brüllte er so laut, dass es selbst im Ausguck der Molyson zu hören war. Dann wieder leiser zu seinem Kollegen: "Die woll'n doch was, sach' mal, irgendwas woll'n die doch!" Er schüttelte den Kopf und blickte mit einem Auge durch sein optisches Glas.

Bisschen basteln halt... Viel Spaß dabei :-)

Lothen

Würde ich auch so machen, wie Sprotte meinte. Ich weiß nicht, ob du jemals Asterix-Comics gelesen hast, da wurde das Lispeln immer mit "f" statt "s" geschrieben und ich hatte immense Schwierigkeiten, die Sprechblasen zu entziffern :D Im Roman wären die Sprechpassagen ja noch länger, insofern fände ich das als Leser schon sehr kompliziert.

Ich finde, deinen Fall kann man sehr schön umschreiben, z.B. indem die Zuhörer beim ersten Mal einfach nicht verstehen, was die Person sagt, oder nur einzelne Fetzen daraus.

Sprecharten oder Dialekte, wie Ginger das andeutet, kann man aber schon machen, sofern es nicht zu extrem wird. Wei wenn ma zum Beischbil so schreibt wia da Baia schmatzt, na verstäht nacha koana mehr wos gmoant is ;) Würde ich auch davon abhängig machen, wie oft die Person auftaucht. Als Gag am Rande ist das nett, aber wenn es sich um einen der Protas handelt, würde ich eher auf Beschreibungen zurückgreifen, denke ich.

absinthefreund

Eine Möglichkeit wäre es, das Wort in der Lautsprache zu schreiben, bzw. Silben zusammenzuziehen/Buchstaben wegzulassen: "Morgn", nuschelte sie.
Vielleicht noch kursiv, damit man erkennt, dass es kein Rechtschreibfehler ist: "Morgn", nuschelte sie.
Bekannt ist dir vielleicht die Variante von "Guten Abend." --> "'n Abend.", das ist schon eine offizielle Nuschel-Schreibweise.

Aber um sich das Kopfzerbrechen zu sparen, würde ich wie Sprotte auch mit Beschreibungen arbeiten. Wenn überhaupt, würde ich auch nur einzelne Wörter genuschelt hervorheben. Schau mal bei Harry Potter nach, da kommt viel Dialekt und Nuscheln vor. Irgendwer bricht sich mal die Nase, da sind die Wörter voller "b"s, das fand ich ganz gut gelungen, oder Sätze werden ganz unverständlich in einem Wort und mit fehlenden Buchstaben geschrieben.

Sprich am besten laut aus, wie du etwas genuschelt haben willst, das hilft.

Guddy

#5
So etwas (wie das Beispiel von Ginger)  finde ich sehr anstrengend zu lesen. Gut, ich kürze in Dialogen je nach Prota auch manchmal ab, gerade Zrasi hat später eine hingerotzte Sprache. Aber das mache ich nicht oft sondern nur bei bestimmten Ausdrücken.
Würde es lieber umschreiben. Sowas wie..
"Beim Sprechen bekam er die Zähne nicht auseinander. Je mehr er sprach, desto dringender wollte sie ihm an die Gurgel springen und "Verdammt nchmal jetzt red doch endlich mal deutlicher!" rufen"
Oder so ;)

Thaliope

Je nach beabsichtigter Wirkung würde ich entweder sagen, dass er nuschelt oder spricht, als  hätte er eine Wolldecke im Mund.
Am liebsten aber würde ich es lautmalerisch lösen:
Guten Morgen hieße dann:
"Gumorm."
Da muss man dann ein bisschen rumprobieren, welche Buchstaben man verschluckt, dass es trotz allem irgendwie verständlich bleibt, und es kann natürlich einen leicht komischen charakter kriegen. Aber  ich mag das.

Ich finde aber auch diese Lispel-Stellen mit "f" zB meist sehr lustig, auch wenn es manchmal schweirig wird, die Worte zu erkennen.

Hera Lind hat das in ihren frühen Romanen so lustig gemacht, dass es bei mir immer noch hängen geblieben ist: "Flusn?" für "Wie viel Uhr ist es denn?". Hab ich lange für gebraucht, hat dann aber auch einen schönen Aha-Effekt gegeben und der Kontext (in dem Fall die Antwort "fast zehn" hilft einem ja schon auf die Sprünge.

LG
Thali

THDuana

Zitat von: Lothen am 28. Oktober 2014, 14:21:28Würde ich auch so machen, wie Sprotte meinte. Ich weiß nicht, ob du jemals Asterix-Comics gelesen hast, da wurde das Lispeln immer mit "f" statt "s" geschrieben und ich hatte immense Schwierigkeiten, die Sprechblasen zu entziffern :D
Das kann aber auch an der Originalsprache liegen, bzw. hat sicherlich linguistische Hintergründe. Aus der Einführungsveranstaltung Linguistik meine ich mich zu erinnern, dass deutsche Muttersprachler bei undeutlicher Aussprache eines Lauts (den habe ich leider vergessen ::)) eher ein "s" verstehen, während niederländische/englische Muttersprachler eher ein "f" verstehen.

Deutsche Dialekte zu lesen finde ich sehr schwierig und gerade ein mir eher unbekannter Dialekt würde mir vom Verständnis her sehr schwer fallen. Bei Angewohnheiten wie dem Nuscheln würde ich - gerade wenn die Figur es nicht immer macht! - auf Umschreibungen zurückgreifen. Du könntest auch die wörtliche Rede der Figur komplett weglassen und nur die andere Figur etwas missverstehen lassen oder rätseln lassen, was er/sie gerade gesagt hat.

Maja

Das hängt bei mir immer davon ab, wer die Perspektive hat. Wenn derjenige, der nuschelt, der Perspektivträger ist, dann weiß er, was er sagen will, und ich schreibe den Dialogteil normal, mit dem Vermerk "nuschelte er", weil er (meistens passiert das ja bei Kevron) weiß, dass er nuschelt, und auch hört, dass es nicht ganz so deutlich rauskommt, wie er das gern hätte.

Bin ich in einer anderen Perspektive, gehe ich - je nach Härtegrad - ins Lautmalerische, wie Thali das vorgemacht hat, aber nur für kurze Abschnitte, weil es sonst anstrengend zu lesen wird. Dann behelft ich mir mit einem "Er murmelte etwas Unverständliches - es sollte wohl »Guten Morgen« heißen".
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

cryphos

Wenn es dein Hauptperspektivträger ist, dann umschreibe bitte das Nuscheln. Viele genuschelte Dialoge zu lesen ist einfach nur anstrengend und hemmt den Lesefluss.
Ist es nur ein Nebencharakter mit wenig direkter Rede, dann kommt es darauf an wie er nuschelt.
Er könnte Silben verschleppen, verschlucken und noch einiges mehr.
Aus Guten Morgen könnte folgendes werten:

Verschleppen ,,Guddenmorgen"
Verschlucken ,,Gutn Morn" ,,Gute Morgn"
Nuscheln in Form von nicht sauber ausartikulierter Sprechweise: ,, Gudn Morren die Damn un Herrn."
Oder er kombiniert alles zusammen und spricht auch noch viel zu schell, dann könnte das so aussehen: ,,Guddenmornmeindamnnherrn"

Thaliope

Zitat von: Maja am 28. Oktober 2014, 14:32:01


Bin ich in einer anderen Perspektive, gehe ich - je nach Härtegrad - ins Lautmalerische, wie Thali das vorgemacht hat, aber nur für kurze Abschnitte, weil es sonst anstrengend zu lesen wird. Dann behelft ich mir mit einem "Er murmelte etwas Unverständliches - es sollte wohl »Guten Morgen« heißen".

Ja, da hast du völlig recht: Es muss sich wirklich in Maßen halten. Der Leser kapiert sowas recht schnell, das reicht, wenn man das wohldosiert einstreut. Es kann sehr leicht zu viel werden, wie auch bei Dialekten. (Man sagt ja auch, dass man nur Nebenfiguren Dialekt sprechen lassen sollte ...)

LG
Thali

Ginger

Danke, gute Hinweise sind das...

Protagonist: Sollte echt nicht nuscheln.
Nebenrolle: Mal als Gag, aber dann ist auch gut.

In meinem Fall wird es schwierig, den die Szene stammt aus dem Prolog. Vermutlich ist sie also nicht geeignet, einen Leser oder Verleger geneigt zu stimmen :-)
Da darf ich noch mal nachdenken.

Lieben Gruß,

Ginger



Eluin

 :vibes: Wow! Das sind tolle Ideen!

Also in meinem Fall ist es für eine Kurzgeschichte und der Charakter wird nicht viel Sprechen. Da ich es auch für Vorlesebücher interessant zu Wissen finde, bin ich geneigt euch zuzustimmen: Zu viel Lautmalerisches kommt nicht unbedingt an bzw. finde ich selbst schwierig (vor-)zulesen. Das habe ich auch bei einem lispelndem Charakter gemerkt. Dosiert eingesetzt hat es eine nette Wirkung.

Majas Idee mit dem Perspektivträger finde ich super. Wenn der tatsächlich nuschelt, ist es anstrengend dies zu lesen.

"Morgn" wird es im speziellen Fall werden. Das gefällt mir. Alternativ denke ich über "Er murmelte etwas Unverständliches - es sollte wohl »Guten Morgen« heißen." nach.

Danke euch  :vibes: :knuddel:
Träume verändern die Zukunft. Doch erst wenn wir die Augen öffnen, können wir sie verwirklichen!
Mein Spruch, mein Motto.

Maja

Es ist immer auch die Frage, wie gut der Hörer den Sprecher kennt. Mein jüngerer Bruder hatte als Kind einen Hörschaden, der erst recht spät erkannt worden ist, und hat nur sehr undeutlich gesprochen. Auch Sprachheilunterricht hat das nicht völlig beheben können, und heute, als Erwachsener, spricht er immer noch ein bisschen seltsam. Ich kenne ihn sein Leben lang, und verstehe alles, was er sagt, ohne lang darüber nachdenken zu müssen. Wenn jemand ihn das erste Mal trifft, kann sich das für den ganz anders anhören.

In der "Gauklerinsel" gibt es eine Begegnung zwischen Rosi und einem sehr betrunkenen Seemann, und da Rosi selbst große Probleme hat, den Mann zu verstehen, habe ich das weitgehend phonetisch wiedergegeben:
ZitatEiner der Männer blickte von seinem Krug auf. »Kommsu auch ausm Nehl?«
»Was?«, fragte Roashan verwirrt. Er sprach die Sprache der Säufer, aber diese Seeleute waren noch nicht lang genug hier und benutzen Wörter, die Roashan so nicht verstand. »Was für ein Nehl?«
»Wir sin lossesehlt«, murmelte der Mann. »Immer weg vonniesa Scheißinsl.« Roashan machte sich schnell über sein Bier her, damit es ihm half, den Mann besser zu verstehen. »Unnann wada dieser Nehl - unnann - unnann - unnann warma wieder - wieder - wieder auf dieser Scheißinsl ...«
Länger als diese paar Zeilen ist der Dialog aber nicht, weil Rosi dann aufgibt und wieder geht. Ich denke auch, länger hätten das die Leser vermutlich nicht durchgehalten.

Was ich auch schon gemacht habe, ist, phonetisch anzufangen, sich dann aber den Perspektiventräger hineinhören zu lassen und den Rest des Dialogs normal fortzuführen - nachdem man beim Leser einmal angestoßen hat, wie es klingt, hat der ein Gefühl dafür, wie es hinter der Transkribierung klingen muss. In "Geisterlied" gibt es einen gehörlosen Geisterjäger, der zwar seit Jahren taub ist, aber davor hören konnte und auch Sprechen. Gehörlose, die nicht taubstumm sind, sondern sprechen können, haben, da sie sich selbst nicht mehr hören können, oft eine sehr seltsame, undeutliche Artikulation - ich weiß, wie sich das anhört, weil meine frühere beste Freundin einen Onkel hatte, der als Kind sein Gehör verloren hatte, und ich hatte als kleines Mädchen Angst vor ihm, weil er so komisch redete und ich ihn nicht verstehen konnte. Aber wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, versteht man das immer besser, und das habe ich dann bei "Geisterlied" entsprechend umgesetzt: Anfangs klingt das, was Devon sagt, für Anata wie sinnloses Zeug, aber nach einer Weile gelingt es den beiden, sich zu verständigen, und dementsprechend werden dann auch für den Leser die Dialoge klarer.
Zitat»Hina«, sagte er, oder so ähnlich, es konnte das gleiche Wort noch einmal sein oder ein anderes, »he hun eu is Hahana?«
ZitatDer Graue Jäger blieb stehen und zeigte auf die Ruinen. Er war kein bisschen überrascht. Was immer hier geschehen war, er wusste davon. »Schaut«, sagte er. »Schaut es euch an. Das ist das Werk der Geister.«
In den späteren Szenen spricht Devon nicht deutlicher als am Anfang - Anata hat nur besser gelernt, das, was er sagt, zu verstehen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Eluin

Maja, deine Erklärung ist Gold wert. :knuddel: Danke!
So genau hatte ich mir darum noch keine Gedanken gemacht, aber es leuchtet ein. Das fällt mir auch bei Fremdsprachen auf. Wenn ich die länger nicht gehört oder gelesen habe, brauche ich einen Moment, um mich wieder einzufinden. Danach wird es aber immer flüssiger und leichter verständlich.
Träume verändern die Zukunft. Doch erst wenn wir die Augen öffnen, können wir sie verwirklichen!
Mein Spruch, mein Motto.