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Typische Plotwendepunkte und deren Klischees vermeiden oder nicht?

Begonnen von Sanjani, 10. September 2014, 08:46:04

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Sommerlilie

Was Mogylein sagt kann ich so unterschreiben. Ich muss sagen ich finde in Kurzgeschichten (die ich ja bisher nur geschrieben hab)  ist das mit den Klischees eher weniger das Problem. Deshalb kann ich nur aus der Sicht einer Leserin schreiben. Also ich finde selbst wenn man an bestimmten Stellen ganz genau weiss was da eigentlich läuft ist es für mich doch jedes Mal spannend zu lesen wie der Autor es schafft die Stelle doch interessant zu machen und die Spannung zu halten bzw. Aufzubauen. Nicht das was sondern das wie ist entscheidend.
"Du und ich: Wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen." Mahatma Gandhi

Christian Svensson

Hallo Sajani,
schönes Thema, finde ich. Zumal es eines ist, an dem ich persönlich einen der Unterschiede zwischen einem guten und einem schlechten Buch/Film festmache. So ein typisches Beispiel ist ein Plot, bei dem der Held bis kurz vor dem Ende alle Schwierigkeiten meistert, den Bösen fast bezwungen hat, der aber noch einmal zum Gegenschlag ausholt und unseren Held fast besiegt. Aber irgendwie gelingt es unserem Helden, seine schweren Verletzungen nicht nur zu überleben sondern aus ihnen noch mehr Kraft zu ziehen, als er vorher als Gesunder hatte. Das ist so öde, so gähn. Dafür gibt es einen Namen - "Das weiße Kaninchen aus dem Hut zaubern". Also sich im Plot in eines Situation manövrieren, in der man das Kaninchen. also eine besondere, meistens unlogische Fähigkeit erfinden muss oder eine Person einführen muss, damit der Held das schafft.
Wie die Vorredner/innen bereits gesagt haben - es liegt an der Intelligenz der Autoren, daraus etwas Vernünftiges zu machen. Manchmal hilft auch die offensive Variante, also den Leser mitnehmen und ihm sagen, dass das passieren kann. Wenn dein Held, bevor er sein Vorhaben umsetzt, darüber nachdenkt, was alles passieren kann und das es wahrscheinlich ist, dass der Hauswart aufwacht, nimmst du den Leser mit hinein. Er überlegt mit dem Helden, wie mit dem Problem umzugehen ist. Leser und Held gehen gemeinsam in den Raum und beide fibern - wird unsere Ahnung in Erfüllung gehen?

Thaliope

#17
Ich glaube, ich habe das an anderer Stelle schonmal geschrieben, aber ...

Das Gerüst von Geschichten ist ja ziemlich oft dasselbe. Wenn man anfängt, dieses Gerüst sichtbar zu machen, sind viele Romane, gerade Genre-Literatur wie Liebesromane oder Krimis, ziemlich "klischeehaft" (wobei ich immer mehr Schwierigkeiten mit diesem Wort kriege ...). Da gibt es einen Mord, und der Ermittler kommt am Ende dahinter, wer es war. Da gibt es ein Paar in spe, das nicht zusammenkommen kann, und kommt dann doch zusammen, was für eine Überraschung.
Diese Muster gibt es im großen wie im Kleinen, und je mehr man abstrahiert, umso mehr Muster und sich wiederholende Gerüste findet man.
Aber ich glaube, die Kunst ist, den Leser so in den Charakter und die Szene hineinzuziehen, dass er das Gerüst nicht sieht. Das Gerüst also so mit Fleisch, Staffage, Polsterung, was auch immer zu versehen, dass man es nicht mehr sieht, sondern nur noch die Verkleidung.
Wenn sich der Leser in der Situation denkt, ja, natürlich kommt jetzt der Hausbesitzer nach Hause, gähn, dann liegt der Fehler meine Ansicht nach an einer anderen Stelle: Er fiebert nicht genug mit. Der Leser muss selbst die ganze Zeit Angst davor haben, dass der Hausbesitzer zurückkommt. Er muss im tiefstem Herzen spüren, wie wichtig der Erfolg der Aktion für den Protagonisten ist. Damit er vor lauter Spannung gar nicht zum Nachdenken kommt.

Mein Lieblingsbeispiel für diese Kiste ist Romeo und Julia. Jeder weiß, wie es ausgeht. Und trotzdem saß ich bei der Verfilmung (die mit di Caprio) im Kino und dachte die ganze Zeit: bitte, lass ihn die Nachricht noch finden. Bitte, lass ihn die Nachricht noch finden ... Biiitteeeee!
Wenn mich ein Buch packt, denke ich nicht darüber nach, welche Muster und Stützbalken dahinterstecken. Es ist eine Frage der Verpackung, würde ich sagen. :) Deshalb hätte ich eigentlich keine Bedenken, schon häufig verwendete Grundmuster/Szenentypen zu verwenden, sondern würde mir dabei nur besonder Mühe geben, sie individuell und fesselnd zu gestalten.

Ein zweites Lieblingsbeispiel: Soaps. Ich kann (okay, ich oute mich) bei GZSZ die Vorschautexte für mehrere Wochen lesen, und dadurch wird es mir nicht langweilig, im Gegenteil. Ich lese, dass der und die sich fetzen/trennen/wieder vertragen, und denke nicht, gähn, warum soll ich das noch gucken? Ich denke: Na endlich! Ich will sehen, wie! Oder: Echt jetzt? Ich will sehen, wie! Aus irgendeinem Grund, der sich mir selbst nicht erschließt, will der Leser die Figur im Konflikt erleben, will dabei sein, auch wenn der Konflikt selbst immer wieder der gleiche/sehr ähnlich ist, ist ja die Art, wie er sich auf die Figur auswirkt und wie sie damit umgeht, für jede Geschichte einzigartig.

Himmel, kann ich lange Beiträge schreiben, wenn ich eigentlich was anderes schreiben will :D
LG
Thali


Alana

Also ich muss gestehen, ich finde es in letzter Zeit geradezu erholsam, wenn eine Szene anders verläuft, als man es aus Klischeegründen erwartet. Beispiel TV-Serie Nashville: Die jugendliche Sängerin, die nach einem Schicksalsschlag unbedingt trotzdem besoffen auf die Bühne will. Man erwartet, dass es eine riesen Szene gibt und ehrlich gesagt hab ich auf so was gar keine Lust mehr. Die junge Dame ließ sich dann überreden, den Auftritt doch noch abzusagen, das war eine sehr schön gemachte, einfühlsame Szene, die mir sehr gut gefallen hat. :) Der Fremdschäm-Auftritt blieb aus.
Es kommt aber drauf an, es gibt auch Klischees, die ich sehr gerne mag und die man ruhig auch mal verwenden kann. Was ich oft mache, wenn mich was stört, ich drehe das Klischee einfach um. Also ich lasse die von allen erwartete Dialogzeile von einer unerwarteten Figur sagen oder jemanden genau das Gegenteil von dem tun, was man erwarten würde. Das kann mitunter ganz erfrischend sein, finde ich. Das heißt aber nicht, dass alle Klischees böse sind. Wie gesagt, wenn es gut gemacht ist und sich nicht ein Klischee ans andere reiht, dann kann man das durchaus machen. Es hat ja einen Grund, warum etwas ein Klischee ist: Weil es prinzipiell gut ist und etwas in uns anspricht.
Alhambrana

Sanjani

Hallo ihr Lieben,

vielen Dank für euere zahlreichen Meinungen :) Da waren ein paar interessante Punkte dabei. Ich merke gerade, dass es wirklich wichtig ist, sich klar zu machen, warum man Szene xyz schreibt. Ich bin zwar eher Bauchschreiberin, kann aber sofort sagen, worum es in meiner aktuellen Problemszene auf der Metaebene gehen soll. Das hilft mir gerade, merke ich, dabei, mir zu überlegen, ob ich das nicht auch auf anderem Wege erreichen kann, z. B. beim Einbruch passiert etwas drittes, was die Protas nicht direkt betrifft, sie aber zu einer Plananpassung zwingt oder so etwas.

@Thali: Auch dir vielen Dank. Ich merke gerade, wie unterschiedlich Szenen aufgefasst werden können. Ich schaue auch mehr oder weniger regelmäßig GZSZ, aber das war jetzt ein totaler Trigger für mich für Szenen, die genau in mein Schema passen :) Ich denk mir gerade bei dieser Soap so oft, dass gerade ein totales Klischee bedient wird und wie doof ich das eigentlich finde. Interessant, dass du das nicht so erlebst. Aber aus deinem Post folgt für mich auch ein bisschen, dass das Gerüst an meiner Problemszene vielleicht etwas zu deutlich durchscheint, wenn ich sie schon nicht leiden mag. Wahrscheinlich macht es schon Sinn, die Szene so zu gestalten, dass ich als Autorin sie mag und voll dahinter stehen kann.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Thaliope

Zitat von: Sanjani am 10. September 2014, 18:21:16

@Thali: Auch dir vielen Dank. Ich merke gerade, wie unterschiedlich Szenen aufgefasst werden können. Ich schaue auch mehr oder weniger regelmäßig GZSZ, aber das war jetzt ein totaler Trigger für mich für Szenen, die genau in mein Schema passen :) Ich denk mir gerade bei dieser Soap so oft, dass gerade ein totales Klischee bedient wird und wie doof ich das eigentlich finde. Interessant, dass du das nicht so erlebst. Aber aus deinem Post folgt für mich auch ein bisschen, dass das Gerüst an meiner Problemszene vielleicht etwas zu deutlich durchscheint, wenn ich sie schon nicht leiden mag. Wahrscheinlich macht es schon Sinn, die Szene so zu gestalten, dass ich als Autorin sie mag und voll dahinter stehen kann.

LG Sanjani

Ich hab mit Klischees auch irgendwie nicht so ein Problem wie viele hier, glaube ich. Klar ist GZSZ voller Klischees, und es sind immer wieder die gleichen Grundkonstrukte. Aber irgendwie packt es mich auf der primitiven Ebene trotzdem immer wieder :) Trotzdem will ich meine Bücher nicht unbedingt in dieser Art schreiben.  :snicker:

Aber deine Szene so zu schreiben, dass du sie magst, halte ich für genau den richtigen Ansatz.

LG
Thali 

Sanjani

Hallo Thali,

Zitat von: Thaliope am 10. September 2014, 18:33:19
Trotzdem will ich meine Bücher nicht unbedingt in dieser Art schreiben.  :snicker:

Alles andere hätte mir Grund zur Besorgnis gegeben *lach*

Ich bin eigentlich auch nicht sooo streng mit Klischees, aber ich glaube, in diesen speziellen Fällen ist mein Eindruck einfach, dass es nur zwei Wege gibt, die beide persönliche Hassklischees von mir bedienen :) Aber ich habe ja jetzt ein paar neue Anregungen bekommen. :jau:
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Carolina

Ich denke, dass das Klischee auch Vorteile hat, denn der Leser erwartet es. Lesen ist ja für viele Menschen auch Entspannung, und sie freuen sich, wenn sie bei einem Buch das wiederfinden, was sie suchen.
ABER: Ein Buch, das nur aus Klischees besteht, will niemand lesen! Und ich hätte auch keine Lust, es zu schreiben. Es wäre wohl langweilig für alle Beteiligten.

Daher denke ich, dass es die Mischung macht. Werfe ich ein völlig neues Thema auf, das noch nie da gewesen ist, steht dem Buch ein wenig "Plotklischee" ganz gut. Man nimmt den Leser ein wenig an die Hand, serviert das Neue mit gewohnten Beilagen.
Verarbeite ich ein Thema, das es in ähnlichen Varianten schon häufig gab, dann würde ich nach einem neuen Blickwinkel suchen, es zu präsentieren, egal, wie es das im Detail aussieht. Das kann auch bedeuten, dass man den Plot anders strukturiert.


Cailyn

Mich stören diese Klischees eigentlich weniger, weil mein Cortisol immer in die Höhe steigt, wenn Spannung aufgebaut wird. Bin eben einfach gestrickt.  ;)

Aber wenn z.B. jemand entkommt, dann ist es für mich wichtig, dass diese Figur etwas zum Gelingen beitragen muss. Also einfach "Glück gehabt", da der andere nur halb aufgewacht ist, wäre für mich dann schon eher langweilig. Wenn er aber aufwacht und der Prota durch einen genialen Einfall oder eine geschickte Reaktion entwischen kann, finde ich es sehr spannend. Es geht ja schliesslich mehr um die Lösung als um die gegebene Situation. Was macht der Dieb, um zu entkommen? Wie verhält sich der Einbrecher, wenn der andere ein Auge aufschlägt? Wenn es dann dort zu einem Klischee kommt, wird's öde. Aber wenn sich der Prota was Gutes einfallen lässt, hat diese Szene - auch wenn schon 1000 Mal gelesen - etwas Eigenes.

In vielen Geschichten passiert ja im "Er-wurde-erwischt-Moment" dann etwas Unerwartetes. Jemand anders kommt zu Hilfe, jemand, den man nicht erwartet. Oder die Figuren verhalten sich total anders, als man es vermutet hätte. Und das macht für mich die Qualität des Augenblicks dann auch aus.

energy

die meisten haben es ja bereits geschrieben und auch ich sehe das so,
die gesunde Mischung macht es aus! Einerseits braucht man, aus Lesersicht gesehen, einen Aha-Effekt und möchte in seinen Erwartungen hin und wieder bestätigt werden, andererseits will man auch überrascht werden...

manchmal sind Klischees erforderlich, um auch das Gegenteilige hervor zu bringen!