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BGH: VG Wort darf nicht pauschal 50% an Verlage ausschütten

Begonnen von TheaEvanda, 25. November 2013, 12:41:17

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TheaEvanda

Gegenwärtig klagt ein in der VG Wort vertretener Autor gegen die Verteilungspraxis der VG Wort, die 30-50% ihrer Einnahmen an Verleger ausschüttet. Zwei Gerichte haben die Klage angenommen und zugunsten der Kläger entschieden, nun ist das BGH und wahrscheinlich auch das EuGH dran.

Blog von Stefan Niggemeier für die Autorenseite

Pressemitteilung der VG-Wort

Ich weiß, auf welcher Seite mein Brot gebuttert ist und hoffe, dass auch BGH und EuGH die Verteilungsschlüssel der VG Wort einsacken und mehr Geld an die Urheber auszahlen.
Wichtig ist dieser Prozess und sein Ausgang auch deshalb, weil diverse Verlage nun Rechteabtretungen vom Autor verlangen, die darauf hinauslaufen, dass der Autor gar kein Geld mehr von der VG Wort sieht. Aber auch jeder Unterzeichner eines Wahrnehmungsvertrags (auch GEMA und die anderen Verwertungsgesellschaften) sollte sich darüber informieren.

--Thea
Herzogenaurach, Germany


Pygmalion

Interessantr link und blog, den kannte ich gar nicht.

Das mit den Rechteabtretungen an die Verlage, erscheint mir nach dem was ich da gerade gelesen habe überhaupt gar nicht möglich und sollte es unterschrieben werden, sowieso nicht rechtskräftig, oder habe ich das falsch verstanden ?:)

Aphelion

Pssst ... "Niggemeier" ohne zweites R vor dem "meier".  :psssst:

@Pygmalion:
Ja, du könntest theoretisch auch den Vertrag unterschreiben und anschließend dagegen klagen. :) Aber seien wir ehrlich: Dieser Weg ist eigentlich nicht für das bewusste und systematische Brechen von Gesetzen gedacht.

Leider geht es genau darum ... Es geht *nicht* darum, ob man aus "Fairnessgründen" den Verlagen nicht auch "mehr" zukommen lassen sollte (wie teilweise suggeriert wird) - es geht darum, dass auch eine VG sich an Gesetze halten muss. Wenn die VG Wort, die GEMA, die VG Bild-Kunst usw. diese Gesetze als unfair empfinden, dann hätten sie sich schon vor Jahren dafür stark machen müssen, dass diese Gesetze geändert werden, statt die bestehenden Gesetze einfach zu brechen.

Wie man darüber persönlich denkt, ist deshalb erstmal egal ... Meine persönliche Meinung: Verlage wollen mehr finanzielle Sicherheit? Schön, Autoren aber auch. Gesetze werden nunmal  gerade *nicht* dazu gemacht, dass (Un-)Recht des Stärkeren zu untermauern.

TheaEvanda

#3
Wie Aphelion schon sagte, natürlich sind viele Vertragsklauseln nichtig. Aber weisst du das, wenn du zur Sicherheit noch einmal den Vertrag durchgehst und dann scharf formulierte Klauseln liest? Oder ziehst du den Kopf ein und nimmst es hin, weil du Mist unterschrieben hast und Verträge bindend sind?

Übrigens habe ich auch mehrere Klauseln in Verträgen mit der Begründung gekippt, dass ich sie gerne unterschreibe und wir uns im Zweifel nach einem halben Jahr vor dem Kadi wiedersehen, weil ich Recht bekomme, wenn ich es einklage. Das ist natürlich eine harte Keule, aber sie wirkt, wenn man sie sparsam anwendet. Man macht sich aber zum besseren Verhandlungspartner, wenn man sich vorher wehrt und nicht hinterher alles rausklagt. Den Ruf, den man sich mit Klagen verdient, will man vielleicht nicht haben.

Zum Letzten sind die zwei oben verlinkten Webseiten natürlich nur Meinungsäußerung von Kläger und Verklagter. Dass die ersten zwei Gerichte, LG München I und OLG München die VG Wort verknackt haben, ist noch nicht rechtsgültig. Die VG Wort hat Berufung eingelegt und zeiht das wahrscheinlich im Sinne eines langen Verfahrens und der Verjährung alter Ansprüche auch bis zum EuGH hoch, um zu verhindern, dass die Urteile "zu früh" rechtskräftig werden. Auf ein Wunder und die eigene Lobbyarbeit kann man ja immer noch hoffen.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Aphelion: Danke, ich habe es korrigiert.

Fianna

So, vor Gericht wurde es jetzt entschieden und zwar zu Ungunsten der Verlage.


pink_paulchen


Fianna

#6
Ich habe es nur bei Twitter gesehen, und die beiden jungen Frauen waren wohl der Ansicht, dass die letzten paar Jahre dann nachträglich an die Urheber zurück gezahlt werden müssen und das so einige der kleineren Verlage finanziell ruiniert.

EDIT:
Das Mädchen hat mir die Quelle für diese Meinung gelinkt: http://www.boersenverein.de/de/portal/Presse/158382?presse_id=1133208

Zit

#7
Boa, bei dem Börsenverein-Beitrag wird mir schlecht, aber auch kein Wunder, für welche Interessen die einstehen. Klar, die sehen ihre Felle davon schwimmen, und das zu Recht. Um ehrlich zu sein, müssten die Verlage imho nicht zurück zahlen oder wenn, dann könnten sie das in moderaten Raten machen, sondern müssen sich in Zukunft einfach nur raushalten. Gerade bei großen Verlagen ist das zwar eine Menge Geld, aber in Anbetracht der "einzigartigen deutschen Verlagskultur" in Deutschland, könnte man ja mal darüber reden.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Fianna

Ja, bei Kleinverlagen dachte ich auch direkt an das Wort "Mischkalkulation", das zwar in dem Zusammenhang nix Sinnvolles beiträgt, aber @treogen  verwendet das immer, wenn er das Verlagswesen in einem kleinerem Zusammenhang erklärt.

Eigentlich kann ein Kleinverlag, der 2013 schon im Geschäft war, gar nicht so knapp kalkulieren, dass der Wegfall der (im Kleinverlagsbereich) vermutlich nicht so exorbitant hohen Beiträge ihn ruiniert.

Bei de Kommentar "Das ist ein schwarzer Tag" habe ich erst gedacht, die junge Frau arbeitet bestimmt in einem Verlag, oder als sie erklärte, was sie meinte, dass sie da wohl eher an Kleinverlage denkt. Das habe ich einfach mal angenommen. Für die dürfte es ja eigentlich nicht soviel ausmachen.

Bei den großen Verlagen kann ich mir jetzt auch nicht vorstellen, dass das solche Einbußen hervorruft, dass sie beispielsweise keine Debuts mehr veröffentlichen können.

Aus Leser- oder Autorensicht dürfte sich da meiner Ansicht nach nichts ändern. Aber das ist nur ein Blick in die Glaskugel bzw. ins Wasserglas.
Da steht zwar "Original Caipirinha Pitu" drauf, es ist aber nur Mineralwasser drin. Der Inhalt ist durchsichtig und blubbert.

Zit

 ;D

Aber ich denke, die sprechen im Zusammenhang mit Ruin eher von den Rückzahlungen, die alle auf einmal geleistet werden müssten, auch rückwirkend für die letzten Jahre. Dazu hat sich das Gericht aber nicht geäußert, wie es aussieht. (Habe das Urteil noch nicht gelesen.)
Hm, ich kann mir aber schon vorstellen, dass gerade bei Autoren wie Dan Brown die VG Wort-Ausschüttungen an den Verlag nicht klein aussehen. Im Kleinverlagsbereich denke ich aber auch eher, dass die Beiträge marginal sind und nur als Summe aus allen VÖ vll. etwas bringen. Was meinen denn unsere Verleger dazu? @FeeamPC @treogen

Aus Autorensicht ändert sich doch etwas: Die ausgeschütteten Beiträge werden höher. Statt einer Pizza gibt es zwei. ;) Nein, ehrlich, das Urteil ist aus Autorensicht gut so.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Fianna

Aber Zit, auf Twitter wurde mir der Link doch geteilt mit dem Kommentar "Ein schwarzer Tag"!! Die Crowd irrt sich nie!

Zit

Ach so, Twitter. Ja, ja. Da hast du natürlich recht. Mea culpa. Der Untergang des Abendlandes steht uns bevor. Setzt schon mal eure Aluhüte auf.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Grummel

#12
Naja, die ausgeschütteten Veträge werden höher, was trotzdem nicht mehr in die Tasche bringt, weil letztendlich die Verlage die entgangenen Betröge auch wieder umlegen müssen. Und das werden sie nicht beim Buchpreis tun. :(
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Silvia

Ich werde erst am Abend dazu kommen, mir die Artikel genauer durchzulesen, aber die ZEIT.online titelt gerade am schönsten:
"Buchbranche sieht nach BGH-Urteil Verlage vor dem Aus"  :hmhm?: Na, dann müssen wir wohl alle Selbstverleger werden.  ;)
http://www.zeit.de/kultur/literatur/2016-04/vg-wort-bgh-urteil-buchbranche-deutschland

treogen

#14
Also erstmal: es gibt durchaus Kleinverlage, die von den Rückzahlungen in geradezu absolut existenzvernichtender Art und Weise gefährdet sein werden.
So mal eben 30.000 Euro Rückzahlungen stemmen, ist mMn für keinen Kleinverlag so einfach machbar.

Und der andere Punkt ist: Früher oder später wird es wieder auf die altem Auszahlungshöhen zurückfallen.
Die VG Wort hat seine Rechte gegenüber der Industrie nur dank der Stärke des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels durchsetzen können. Und der Börsenverein sind die Verlage. Die Verlage, die jetzt mit Arschtritt rauskatapultiert werden.
Ja, was glaubt ihr denn, was das Ergebnis ist? Glaubt ihr wirklich, für die Autoren würde jetzt mehr Geld ausgeschüttet werden?
Glaubt ihr wirklich, die Autoren kriegen gegenüber der Industrie die Abgabenhöhen durch, die bislang durchbekommen wurden? Bei diesem Spiel gibt es nur einen Gewinner: Die großen PC-Firmen, Kopiererhersteller und Medienhersteller, die seit Jahren um jeden Cent feilschen. Und die sich jetzt schon die Finger danach lecken, die Abgaben einfach zu reduzieren - und die Autoren können am Ende nichts dagegen tun. Weil sie keine Lobby haben. Und keinen starken Partner mehr haben. Den haben sie sich selbst vergrault.
Schaut mal nach Belgien, wie es da aussieht. Wo die Geräteindustrie bereits die Zahlungen an die Autoren massivst zu kürzen versucht.

Gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass es für Autoren komplizierter wird, bei Verlagen unter Vertrag zu kommen. Es werden definitiv einige Verlage wegsterben.
Nicht die ganz Kleinen wie @FeeamPC und mich. Wir haben nie so viel von der VG Wort bekommen, dass uns das beißt.
Nicht die ganz Großen wie Randomhouse. Die stecken das weg und reduzieren über die Nachzahlung sogar noch ihre Steuern.
Nein ... erwischen wird es die dazwischen. Die Kleinen von den Großen. Oder die Großen von den Kleinen. Die, die im Jahr 2000 oder 3000 Euro bekommen haben und damit den Laden am Laufen gehalten haben - und die nun alles zurückzahlen sollen.
Die, die tatsächlich 1 oder 2 Festangestellte haben und diese Aktion wahrscheinlich auf den einfachen Weg - einen entlassen - kompensieren werden.

Aber natürlich werden die verbleibenden ihre Konsequenzen ziehen.
Ich kenne 2 oder 3 Verleger, die mir auf der LBM bei einem Verlegertreffen anvertraut haben, dann in Zukunft eben nur noch die eigenen Romane und die der vertrauenswürdigen Stammautoren zu verlegen.

Und ich denke, dass die Honorare fallen werden. Kein Autor kann in Zukunft erwarten, von einem Verlag 8-10% vom Nettoladenpreis zu bekommen, wenn dem eine der wichtigsten und sichersten Einnahmemöglichkeiten dank der Autorenschaft weggebrochen ist.
Durchaus möglich, dass der Nettoladenpreis in Zukunft bei der Honorarberechnung keine große Rolle mehr spielt.
In der Vergangenheit konnten Verlage es sich leisten, gönnerhaft für alles dieselben Prozente abzudrücken. Scheiß auf den Vertriebsweg.
Wenn aber in Zukunft der Nettoverlagsabgabepreis als Basis für die 8-10% Honorar genommen wird ...
Irgendwo muss ein Verlag ja Geld einsparen.

Ich prophezeie euch - am Ende wird dieses Urteil für die Urheber zum Pyrrhus-Sieg.
Vielleicht nicht heute.
Vielleicht nicht morgen.
Aber in 2, 3 Jahren - da bin ich mir sicher.

www.verlag-torsten-low.de

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