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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Dämmerungshexe am 24. März 2017, 12:01:23

Titel: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Dämmerungshexe am 24. März 2017, 12:01:23
Sollte dieses Thema nach meinung der Mods eher in den Bereich "Weltenbau" passen, bitte verschieben.

Niemand liebt eine gute Badewannen-Szene so sehr wie ich - da kann man nackte Haut mit etwas Seelenstriptease verbinden. Aber sonst spielt der grundlegend menschliche (und wahrschienlich auch elfisch, zwergisch, orkisch, ... was auch immer) Bereich der persönlichen Hygiene sehr selten eine Rolle in Geschichten. Maximal entfernt sich noch einer der Protagonisten von der Gruppe, um auszutreten und zugleich Opfer eines Überfalls zu werden, oder durch ein Loch im Boden in einen Dungeon zu stürzen.
So scheint es zumindest in der High-Fantasydie Regel zu sein. Andere Genre - allen voran Grim&Gritty - sind da weniger zimperlich. Hier gehören Unrat und Gestank auch zum meist typischen Setting, in dem ein ordentliches Kanalisationsnetz vergebens gesucht wird.
Meistens beschränkt sich also die Erwähnung dieser körperlichen Grundbedürfnisse auf plotrelevante Handlungen und atmosphärische Beschreibungen. Vielleicht spielt das Thema noch dort eine Rolle, wo ein Autor sich ausführlich beim Weltenbau ausgetobt hat und für eine eigene Zivilisation auch eigene Regeln und Gepflogenheiten, sowie Anlagen und Techniken rund um die tägliche Hygiene entwickelt hat und diese auch präsentiere möchte.

Ich selbst habe dem Thema gerade in meinem Projekt "Steingesicht" etwas mehr Raum gegeben, da das Setting und die Charakterisierung meiner Protas es verlangten. Und ich bin für meine "Naimaer" dabei, mir Gedanken darum zu machen, wie die Entsorgung in einem unterirdischen Reich ablaufen könnte.

In wieweit beschäftigt ihr euch damit?
Macht ihr lieber einen Bogen darum oder kommt es ganz auf das Setting an?
Ist ist für euch ein Zeichen für "Realismus" oder wäre ein Zuviel für euch als Leser womöglich ein Grund, die Erzählung nicht zu mögen?
Gibt es speziellere Themen, die ihr in euren Geschichten durchaus ansprecht - wie zum Beispiel die Menstruation bei weiblichen Protagonisten?
Wie tiefgehend beschäftigt ihr euch beim Weltenbau, insbesondere von Städten, mit dem Thema?
Seht ihr das "Nicht-Thematisieren" eher positiv oder negativ ("Darüber spricht man nicht!" vs. "Ist doch ganz natürlich!")?
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Elona am 24. März 2017, 12:58:06
Tatsächlich hat mich das Thema auch schon oft beschäftigt. Beim ersten Mal kam ich zu dem Ergebnis, dass ich es für das Setting bräuchte, damit es realistischer wird.
... das habe ich dann mehr schlecht als recht umgesetzt. ::)  Eine Betaleserin empfahl es komplett zu streichen, weil es niemand interessieren würde, und eine andere merkte an, dass ich es kürzen sollte, was ich dann auch getan habe. Von einem halbseitigen Absatz blieben - ich glaube - 2 oder 3 Sätze übrig, so wie sie es mir auch vorgeschlagen hatte. 
Aufgrund dessen und weil ich als Leser selbst sehr handlungsbezogen bin, kam ich dann zu der Erkenntnis, dass es für die Geschichte selbst keinen Mehrwert hat und wenn dann nur in dezenten Maßen vorkommen sollte. Am Ende schreibe ich Fantasy und keinen historischen Roman, in dem ich das Leben der Menschen im Mittelalter darstellen möchte (bewusst Übertrieben dargestellt, weil ich genau in diese Falle getappt bin). Natürlich ist das aber (wie vieles beim Schreiben) eine Frage des Geschmackes.  :)
Gut, und wohl auch des Genres, so wie du bereits angedeutet hast.

Ob es für den Weltenbau wichtig ist, kommt vermutlich auf die Welt und die Geschichte an. Für meine Welt und meine Städte mache ich mir darum schon Gedanken. Ob es dann irgendwo in der Geschichte auftaucht, ist dann aber wieder etwas vollkommen anderes. Es kann also durchaus sein, dass ich dieses Detail einfach nur für mich ausgearbeitet habe.

Bezüglich der Positiv-/Negativfrage: Zunächst wäre es mir vermutlich egal, aber irgendwann würde es für mich Überhand nehmen. Vor allen Dingen, wenn die Handlung daneben zurückstecken muss.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Trippelschritt am 24. März 2017, 13:24:52
Ich bin auf diesem Gebiet teilweise Fachmann und habe es in meinen Geschichten gar nicht thematisiert, weil es für meine Geschichten keine Rolle spielt.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Eluin am 24. März 2017, 13:38:20
In einem meiner Romane hat eine Toilettenszene (Prota muss dringend und bekam dann immerhin einen Eimer zugewiesen) tatsächlich eine Rolle gespielt. Solange es aber unwichtig ist - also weder die Handlung / Charaktere voranbringt, noch maßgeblich zur Atmosphäre beiträgt, lasse ich die alltägliche Hygiene im Normalfall unter den Tisch fallen. ABER ich achte darauf, dass entsprechende Leerzeiten (wo eben ausgeblendet ist) zur Verfügung stehen bzw. wenn nicht, dass entsprechende Bedürfnisse entstehen. Genauso wenig beschreibe ich jede Mahlzeit oder andere alltägliche Gepflogenheiten.

Da wo es passt, gerne. Aber nicht, wenn es die Handlung unnötig aufbläht, nur um das Leben vollständig abzubilden - in Geschichten kommt es ja gerade auf die Selektion an.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Zit am 24. März 2017, 14:02:17
Normalerweise mache ich das abhängig davon wie nützlich das Setting von einem Badezimmer/ den Dingen, die man in so einem Bad macht, für die Handlung sind. So ein frischgeduschter, halbnackiger Love Interest, der gerade aus dem Bad stolpert, hat für den Prota natürlich einen anderen Charme als würden sie sich nur im Dorfcafé über den Weg laufen. Oder dieser typische Kniff, dass die Protagonistin aus der Dusche steigt und dann auf dem beschlagenen Spiegel eine Botschaft steht. Toilettengänge kommen so gut wie gar nicht vor, und wenn, dann ist es eindeutig Rohfassung und eine Fingerübung/ Bespaßung für mich bevor ich wieder den Anschluss an die eigentliche Geschichte finde.

Beim Weltenbau mache ich mir da auch nur sekundär Gedanken darum. Je nach kulturellem Stand gibt es da eben Kanalisation oder nicht. Persönlich finde ich Fabriken auch einfach spannender als Klärwerke.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 24. März 2017, 14:18:43
ZitatIn wieweit beschäftigt ihr euch damit?
Ich gebe ehrlich zu, dass ich das Thema bei meiner ersten Romanreihe schlicht vergessen habe. Auch nach neun Romanbänden ist nicht klar, wie die Leute dort eigentlich auf Toilette gehen und ich hoffe jetzt einfach darauf, dass das keinem Leser auffällt  :engel: . Die Protagonistin ist eine Vampirin, die kümmert das Ganze ohnehin nicht.
Ich erwähne nur, dass die meisten Mädchen gleichzeitig menstruieren (was daher kommt, dass alle Kinder von 5 bis 15 zusammen im Palast wohnen und sich die Zyklen angleichen) und sie sich in dieser Zeit größtenteils außerhalb der Stadt aufhält, um niemanden zu gefährden.
Aber das war es auch an Erwähnungen.
Jetzt versuche ich aber, darauf zu achten. Gerade wenn meine Charaktere viel unterwegs sind, versuche ich, dass sie realistisch oft essen, schlafen und Notdurft verrichten müssen. Das ist eine Schwäche von mir, an der ich bewusst zu arbeiten versuche.

ZitatMacht ihr lieber einen Bogen darum oder kommt es ganz auf das Setting an?
Wenn ich gerade nur über Interaktionen zwischen meinen Vampiren schreibe, spielt es einfach keine Rolle. Aber sobald Menschen ins Spiel kommen, ist es wichtig.
Klopausen kann man ja gerne als Mittel zum Zweck einbauen. Im NaNo-Roman geht mein Rahmen-Prota einmal auf Toilette, will sich aber in Wahrheit nur Wasser ins Gesicht spritzen und beruhigen, weil ihn etwas furchtbar erschrocken hat.

ZitatWie tiefgehend beschäftigt ihr euch beim Weltenbau, insbesondere von Städten, mit dem Thema?
Bei Atlantis, wie oben gesagt: ZU wenig. Ich achte aber jetzt darauf, es nicht zu vergessen. Es ist ja wichtig.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Miezekatzemaus am 24. März 2017, 14:24:29
Nun ja. Als Leser möchte ich normalerweise nicht mit dem Protagonisten auf die Toilette gehen, deshalb gehen die Protagonisten in meinen Büchern auch außerhalb ihrer Szenen auf die Toilette. ;) Was die Dusche oder die Badewanne angeht, sehe ich das ein bisschen anders, weil das für das Setting meiner Meinung nach schöner ist. In der Edelsteintrilogie von Kerstin Gier halte ich das für gut umgesetzt. (Beispiel: Gwendolyn geht es schlecht, sie geht duschen und wäscht sich mit dem Shampoo ihrer Mutter die Haare. Kleinigkeiten, die einen Roman lebendiger machen.)
Was mir beim Lesen der Shadow Falls-Bücher von C. C. Hunter stark aufgefallen ist: Weibliche Figuren in Romanen haben irgendwie nie ihre Tage. Das hat mich nie so furchtbar gestört, aber seit ich diese Bücher gelesen habe, in denen das einfach mal am Rande erwähnt wird, finde ich es gut, das einfach mal zu erwähnen - Kleinigkeiten, die einen Roman lebendiger und dazu echter machen. Ich will hier keine Diskussion darüber starten, aber ich glaube, dass das normalerweise totgeschwiegen wird, ohne dass man das wirklich mitbekommt, weshalb ich das in den Shadow Falls-Büchern gut fand.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Erdbeere am 24. März 2017, 14:24:55
ZitatSo ein frischgeduschter, halbnackiger Love Interest, der gerade aus dem Bad stolpert

Ich bekenne mich schuldig. :innocent:

Ich überlege gerade, wie viele Badezimmerszenen - mal abgesehen von obigem - ich in meinen Büchern und der Serie habe: Insgesamt vielleicht fünf oder sechs, die meisten davon fallen auf die Serie, und davon zwei Drittel auf die weibliche Prota. Duschen/Baden eignet sich bei mir hervorragend für innere Monologe, die ein wenig düsterer ausfallen. Wenn meine Protas nach einem Kampf geschlagen sind, z.B., und das Blut abwaschen.
Hinzu kommen ein bis zwei Szenen, in denen sich meine weibliche Protagonistin im Bad zurecht macht. Sie sind kurz, aber helfen bei der Charakterisierung.

Auf die Toilette gehen meine Figuren so ziemlich alle im Off, abseits des Geschriebenen. Nur einmal pinkelte einer hinter ein Zelt und wurde prompt erschlagen. ::)

Als Leserin interessieren mich Toilettengänge und Hygienevorgänge im Alltag der Figuren herzlich wenig, wenn ich ehrlich bin, und so schreibe ich auch. Wir alle müssen, wir alle suchen uns "Lücken" im Alltag, in denen wir kurz verschwinden können, und so handhabe ich das auch in meinen Büchern. Ist es nicht plotrelevant, schreibe ich es nicht. Vielleicht liegt das auch daran, weil ich mich im Vorfeld zu wenig damit beschäftige.
Hm, wäre interessant, wenn ich das beim nächsten Roman bewusst einbaue. Vor allem eine menstruierende Prinzessin.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Eluin am 24. März 2017, 14:35:54
Zitat von: Erdbeere am 24. März 2017, 14:24:55
Vor allem eine menstruierende Prinzessin.
Auf die bin ich gespannt  ;D und dann Alfie der damit nichts anfangen kann  :rofl: - ähm oder noch besser: Alfie, der das selbst erleben muss  :hmmm: :rofl:
"Hilfe ich Blute!"
"Und? Nimm ein Pflaster."
"Wie soll das da unten gehen?"
"Waas?" Nico versteckt sich unter dem Bett.  ;D

Was ich nicht mag, sind Spiegelszenen, um das Aussehen vom Charakter zu beschreiben. Das ist sooo 0815 mittlerweile. Aber bspw. das was Mieze anspricht, das Shampoo der Mutter, um sich besser zu fühlen, die Szene mochte ich auch. Eben wenn es mir als Leser einen Mehrwert bringt und den Charakter intensiviert. Ansonsten brauche ich es nicht. Auch was Tage usw. angeht.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Erdbeere am 24. März 2017, 14:44:24
@Eluin: Hör auf, mich auf Ideen zu bringen! :rofl:
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Zit am 24. März 2017, 14:49:36
Gerade was Menstruation angeht fällt das, denke ich, unter den Tisch, weil es zu alltäglich ist – und seien wir ehrlich, wenn alles so läuft wie es soll, dann schränkt es auch nicht ein. Warum also erwähnen? Klar kann eine ältere Figur eine jüngere danach fragen, um zu wissen, ob die jüngere überhaupt schon gebährfähig ist. Wobei das auch ein Trugschluss sein kann. Aber ich muss jetzt nicht unbedingt dabei sein wie die Figur auf der Toilette den Tampon wechselt. ;D (Ich stelle mir gerade eine Szene in einem Jugendbuch vor, in der die Protagonistin alleine das erste Mal Tampons kaufen geht und dabei auf ihren LI trifft. Haha. Allerdings, wie gesagt, Jugendbuch. In einem ausgewachsenen Erotikroman wäre das mehr als schräg, auf eine unerwünschte Weise.)
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Eluin am 24. März 2017, 14:54:42
Zitat von: Zitkalasa am 24. März 2017, 14:49:36In einem ausgewachsenen Erotikroman wäre das mehr als schräg, auf eine unerwünschte Weise.)
Außer es gehört dazu. Also es soll ja so diverse "erotische" Eigenheiten geben, was Menschen mögen  :hmmm: Ähm ...

Zitat von: Erdbeere am 24. März 2017, 14:44:24
@Eluin: Hör auf, mich auf Ideen zu bringen! :rofl:
Och  ;D

Bei mir spielen Menstruation, Toilette usw. oft einfach keine Rolle - das heißt nicht, dass es nicht da ist. Genauso wie Hautfarben und co. Deshalb erwähne ich es nicht und lasse dem Leser seine eigene Interpretation.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Denamio am 24. März 2017, 14:56:39
Allgemeine Hygiene beschreibe ich nur dann, wenn es außer der Reihe fällt oder für die Geschichte wichtig ist. Dabei betrachte ich das dann auch meist eher vom kulturellen Blickwinkel. Zum Beispiel, welche Kultur würde auslösen, dass die Figuren auf einem Bein pinkeln müssen?
Dann gehört das ins alltägliche Verhalten mit hinein, es äußert sich in Architektur und ähnlichem und bietet sogar die Chance für einen Hauch fremde Kultur. Angenommen eine Stadt hat keine Kanalisation, dann sammelt sich der Mist auf der Straße, Streit beginnt weil ein Eimer von oben kommt, es stinkt und hat Krankheiten. Und weil es Fantasy ist laufen die Wassermagier nachts als Geister verkleidet (weil schamvoll) durch die Straßen und spülen das Zeug zum Haupttor heraus. Banden nutzen das aus und verkleiden sich auch gern als Wassergeister. Deshalb gelten Wassermagier als krimininell, von zweifelhaftem Stand und werden allgemein gemieden. - Ein ganzer, faszinierend Weltenbau Aspekt nur deshalb, weil es keine moderne Hygiene gibt.

Nun im persönlichen Bereich, auch hier wird von mir nur abweichendes beschrieben. Allgemein finde ich den Aspekt auf dem Niveau eher uninteressant. Die besagten Badewannen Szenen sind für mich persönlich zu sehr Klischee, weil ich häufig japanische Literatur lese (Lightnovels, Mangas) und egal wo - es hat dort IMMER eine Hot Springs oder Badewannen Episode darin.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Dämmerungshexe am 24. März 2017, 15:03:58
ZitatAußer es gehört dazu. Also es soll ja so diverse "erotische" Eigenheiten geben, was Menschen mögen  :hmmm: Ähm ...

Ja, ich habe eben etwas ähnliches in "Steingesicht" eingebaut. Eine meiner Testleserinnen meinte:
ZitatAuch Anyks körperliche Beschreibungen (Geburt, ihre Tage, Schweiß, andere körperliche Funktionen usw.) sind so natürlich, dass unsere dumme gesellschaftlich antrainierte Scham sich garnicht einstellt.



ZitatGerade was Menstruation angeht fällt das, denke ich, unter den Tisch, weil es zu alltäglich ist

Das ist für mich eine der Fragen, die ich mir stelle: zu alltäglich oder doch einfach von einer patriarchalen Gesellschaft tubisiert? Wenn sich die Hälfte der Bevölkerung einmal im Monat unglaublich mies fühlt und am liebsten zuhause bleiben will aber auf die Arbeit oder zur Schule muss und dort nichtmal offen und ehrlich sagen kann, was gerade los ist ...  :zensur:


PS: Ich glaube nach zwei Geburten und mit Kindern (von denen eins gerade lernt ohne Windeln auszukommen) ist man etwas "näher" dran.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Antonia Assmann am 24. März 2017, 15:10:49
Ich habe jetzt echt überlegt und wollte gerade schon schreiben, dass bei mir noch nie eine Toilettenszene drin war, doch es stimmt so nicht. Gleich am Anfang des zweiten Teils habe ich so eine Szene. Warum? Weil sie wichtig war. Erstens saß die Heldin fluchend hinter dem Busch und schimpfte auf die Qualität der Hygiene des Kochgeschirrs. ... Damit hätten wir bereits einen wunderbaren Zwist zwischen den Protas. Zweitens kommt sie durch ihr Austreten erst später zur Verhaftung hinzu und bekommt nur noch am Rande mit, warum der Schmutzfink von einem Koch verhaftet wird. Und drittens hat sie bei der Verbringung von der Stelle bis zum Gefängnis nicht Angst um ihr Leben, sondern Angst, gleich in die Hose zu machen, weil sich ihr Bauch erneut rührt.
Ich will damit sagen: Die Figur hat nicht nur mit Äußerlichen, innerlichen, sondern noch ganz anderen Problemen zu kämpfen. Ihr wird danach auch nachgesagt, dass sie einen verkrampften Eindruck machte - kein Wunder, oder?  ;D
Aber da jeder von uns schon einmal in einer ähnlichen Situation war, kann jeder nachfühlen, was mit ihr los ist. Dass sie die Verhaftung gerade am Wenigsten interessiert, sondern eher, wo die nächste Schüssel ist ...
Unter diesen Umständen habe ich so etwas mal geschrieben.
Sonst nicht. Das hake ich als selbstverständlich ab. Außer jemand steht unter einem tropischen Wasserfall und wäscht sich, als Beginn einer erotischen Szene :) Dann hat das allerdings nicht wirklich was mit Hygiene zu tun ...
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 24. März 2017, 15:15:37
Ich finde es ja erstaunlich, dass gerade Menstruation in der High Fantasy so wenig eine Rolle spielt, wenn es um berittene Kriegerinnen geht.
Es gibt Frauen, die sich zwei Tabletten einwerfen müssen, um überhaupt halbwegs schmerzfrei sitzen zu können. Und diese Frauen stelle ich mir dann auf einem Pferd in einer Schlacht und ohne moderne Medizin sehr... unglücklich vor.

Klingt nach Klischeefeminismus, aber ich habe das Gefühl, dass das auch oft daher kommt, dass Kriegerinnen etc. in von Männern geschriebener High Fantasy auch ein bisschen fetischisiert werden und man sich gar nicht informiert. Dabei kann hier eine realistischere Note dem Plot unerwartete Wendungen verpassen. (Und als Frau ist man daran gewöhnt, wenn man vor allem "männliche" Fantasy liest, die Themen zu vergessen.)
Eben weil eine solche Kriegerin schon mal vor Schmerzen ohnmächtig werden kann und vom Pferd zu fallen droht. Was tut man dann?
Oder haben sie Kräutermedizin, um die Schmerzen zu betäuben? Hat die Nebenwirkungen?
Oder werden Frauen, die Kriegerinnen werden sollen, frühzeitig sterilisiert? Das ist Weltenbau und interessant :)

Man sollte beim Weltenbau eigentlich nie selbstverständlich davon ausgehen, dass etwas schon so sein wird, wie bei uns. Alles, was wir als Europäer kennen, ist das Ergebnis einer Geschichte, die so verlief, wie sie eben verlief.
Andere kulturelle Prägungen - andere Tabus. Andere Bauweisen. Andere Verbote.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Sunflower am 24. März 2017, 15:17:28
Was die Diskussion Menstruation oder nicht angeht, musste ich hier gerade an ein Buch denken, das ich mal gelesen habe: Fire von Kristin Cashore. Die Reihe mochte ich eigentlich gern, jedenfalls die Teile, die ich gelesen habe, aber Fire als Protagonistin ging mir unheimlich auf die Nerven. Vor allem, weil sie gefühlt alle hundert Seiten ihre Tage bekommt. (Wenn man die Rezis liest, ging es wohl nicht nur mir so  :d'oh:). Natürlich ist das irgendwo realistisch, wenn eine Geschichte mehrere Monate dauert. Aber nach der zehnten Beschreibung, wie sie ihre Tücher wechselt und was sie sonst noch so tut, dachte ich mir als Leserin, dass ich das langsam kapiert habe. An sich finde ich es schon gut, wenn Mädchen und Frauen nicht als Übermenschen oder irgendwas dargestellt werden, und es ist ja auch erfrischend, wenn die Heldin an einem Tag mal nicht die Welt retten kann, weil sie mit Bauchkrämpfen im Bett liegt. Aber ich glaube, man muss gerade bei dem Thema unheimlich aufpassen, um das richtige Maß zu finden.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Eluin am 24. März 2017, 15:20:47
Zitat von: Dämmerungshexe am 24. März 2017, 15:03:58
Das ist für mich eine der Fragen, die ich mir stelle: zu alltäglich oder doch einfach von einer patriarchalen Gesellschaft tubisiert? Wenn sich die Hälfte der Bevölkerung einmal im Monat unglaublich mies fühlt und am liebsten zuhause bleiben will aber auf die Arbeit oder zur Schule muss und dort nichtmal offen und ehrlich sagen kann, was gerade los ist ...  :zensur:
Ich glaube, das hängt echt von der Gesellschaft und den Charakteren ab. Ist es ein Thema, das sie beschäftigt - tabuisiert bspw. und hinter vorgehaltener Hand - oder ist es einfach nur "normal" sprich kein Thema für die Frau. Weder diskriminierend, noch anders wie.

@Denamio deine Idee gefällt mir ;D - So sehe ich das aber auch. Wenn es wichtig ist, rein. Sonst weglassen.

@Antonia sehr gute Einführung :jau:

@Evanesca Feuerblut Magie, Heilkräuter - Mittel gab es auch schon vor der modernen Medizin ;D  Aber andersherum merke ich bei mir auch, wenn ich Unterleibskrämpfe und co. habe trete ich das nicht unbedingt breit. Klar, manchmal ist es nicht wegzudenken, aber oft bringt eine Prota die Handlung weiter, die mit einem halben Kreislaufkollaps wegen Regelkrämpfen im nächsten Graben liegt. Klar kann ein netter Effekt sein, aber es passt halt nicht überall.

Ich persönlich mag Infodump in Romanen nicht und auch nicht etwas erwähnen, weil es sonst irgendwie zu Themen von Minderheiten und Co gehört. Ich will nicht sagen, dass solche Themen unwichtig sind. Aber nicht überall muss alles reingequetscht werden. Wo es passt, rein, wo nicht - weglassen. Genauso auch beim Weltenbau. Klar, ich als Autor sollte da mehr wissen, aber auch da muss ich nicht alles auf den Leser loslassen.

Zitat von: Sunflower am 24. März 2017, 15:17:28
Aber ich glaube, man muss gerade bei dem Thema unheimlich aufpassen, um das richtige Maß zu finden.
Finde ich auch.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Dämmerungshexe am 24. März 2017, 15:37:04
Zitat von: Eluin am 24. März 2017, 15:20:47
Ich glaube, das hängt echt von der Gesellschaft und den Charakteren ab.

Ich meinte nicht die Gesellschaft in der die Geschichte spielt, sondern unsere - die Gesellschaft in der Autoren und Leser leben.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Eluin am 24. März 2017, 15:41:39
Zitat von: Dämmerungshexe am 24. März 2017, 15:37:04
Ich meinte nicht die Gesellschaft in der die Geschichte spielt, sondern unsere - die Gesellschaft in der Autoren und Leser leben.
Ah!
Also ich für meinen Teil hätte keine Probleme über Menstruation, Toilettengänge oder ähnliches zu schreiben - wenn es passt. Für mich ist es kein Tabu oder No go. Für mich ist es tatsächlich eine Frage vom Plot, den Charakteren usw. Auch im Alltag spreche ich durchaus offen über Unterleibskrämpfe usw. auch wenn ich sie bspw. beim Einkaufen oder so nicht jedem auf die Nase binden würde. Aber gerade wenn ich gefragt werde, dann stehe ich auch dazu.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Zit am 24. März 2017, 15:52:30
Ich finde es etwas schade, wenn eine Nichterwähnung gleich als patriarchalisch oder anti-feministisch dargestellt wird oder es völlig überlesen wird, dass ich die Einschränkung machte: "wenn alles läuft wie es soll" (heißt: ohne große Schmerzen oder anderen Komplikationen). Eine Menstruation unter so starken Schmerzen, dass nur Tabletten helfen ist nicht normal und bedarf einer ärztlichen Abklärung. Sie deshalb aber als Standart zu setzen und jeder Frau im Roman Schmerzen anzuhängen, ich weiß nicht. Und, wie gesagt, vielleicht macht die Gesellschaft auch einfach kein Aufhebens darum, oder die spezielle Figur? Mir persönlich ist es auch nicht wichtig. Es kommt, es geht und solange es dann kommt und geht, wann es soll und keine Komplikationen auftreten – was solls. Warum sollte eine Figur nicht die gleiche Einstellung vertreten und sich um wichtigere Dinge den Kopf zerbrechen wie bspw. Essensbeschaffung oder Flucht? Oder einfach die Last, die Welt zu retten, treibt sie weiter an? Das kann man dann natürlich auch schon zum Willenstest ausbreiten, wenn man es denn erwähnen will, und die Figur dadurch wachsen lassen.
Im Falle von Menstruationen muss ich aber in erster Linie immer an Riddick denken. Da hatte das Mädchen auch ihre Tage und Riddick meint nur (so oder so ähnlich): "Mach 'nen Stöpsel rein." Unabhängig davon wie man das nun gesellschaftlich bewerten möchte: Die Szene fühlte sich für mich völlig... off an, hat überhaupt nicht zum Film an sich gepasst und mich völlig rausgeworfen. (Wobei ich auch den gesamten Film sehr trashig und "b-movig" finde. Also ziemlich schlecht.)

Aber um den ganzen Thread nicht mit dem einen Thema zu kapern:

ZitatMan sollte beim Weltenbau eigentlich nie selbstverständlich davon ausgehen, dass etwas schon so sein wird, wie bei uns. Alles, was wir als Europäer kennen, ist das Ergebnis einer Geschichte, die so verlief, wie sie eben verlief.
Andere kulturelle Prägungen - andere Tabus. Andere Bauweisen. Andere Verbote.

Hm, ich weiß, was du sagen willst. Nur: Es gab auch "Wasserklosetts" lange vor dem 20ten Jahrhundert. Hatte irgendwo mal gelesen, dass ein Pharao ein extra Gebäude mit Toilette und einer Art Kanalisation hatte, bei der ein Diener mit Wasser nachspülte. (Vielleicht weiß da @Fianna mehr.) Die Baupläne für moderne Wasserklos sind auch viel älter (irgendwann in 1500?). Müsste ich alles nochmal nachrecherchieren. Dennoch hat der tolle Sonnenkönig in den eigenen Lustgarten oder bei großen Anlässen in einem extra abgesperrten Gang... sich erleichtert. Ob er auch einen Klostuhl hatte, weiß ich nicht. Davon jedoch auszugehen, dass wir als Westler ach so zivilisiert waren allzeit – näh. ;D Die Geschichte des Klos ist wohl eher eine der traurigsten und überraschendsten, weil es sehr lange gedauert hat, ehe sich so etwas durchsetzte bzw. überhaupt soetwas wie Hygiene aufkam.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Lothen am 24. März 2017, 15:58:19
Ich stimme da Eluin zu. Man darf (und sollte) alles thematisieren, wenn es passt. Badeszenen gibt es bei mir übrigens auch ständig, mindestens eine pro Buch. Das ist toll. ;D Abgesehen davon kann man durch Szenen, die mit Körperpflege zu tun haben, auch sehr schön gesellschaftliche oder kulturelle Unterschiede herausarbeiten.

Was Menstruation angeht, muss ich sagen, dass ich selber noch nie Probleme deswegen hatte (weder vor der Pille noch währenddessen) und daher auch gar nicht auf die Idee gekommen wäre, das zu thematisieren. Ehrlich gesagt hat das für mich auch nicht viel mit Feminismus oder korrekter Darstellung weiblicher Figuren zu tun. Es ist eine Körperfunktion, nicht mehr und nicht weniger. Sicherlich können wiederkehrende Regelschmerzen bei einer Frau durchaus Plotrelevanz kriegen - gerade dann, wenn sie in einem sehr ungünstigen Moment auftauchen -, aber das können ein Reizdarmsyndrom, chronische Migräne oder Hömorrhoiden auch. ;)

Außerdem hab ich mir gerade "Toilettenszene" auf meine To-do-Liste geschrieben. Musste da an die Latrinen im alten Rom denken, die waren ja quasi so was wie ein informeller Treffpunkt. Die Idee gefällt mir. ;D

/EDIT: Hat sich mit Zit überschnitten.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Antigone am 24. März 2017, 20:58:15
Zitat von: Eluin am 24. März 2017, 14:35:54
Was ich nicht mag, sind Spiegelszenen, um das Aussehen vom Charakter zu beschreiben. Das ist sooo 0815 mittlerweile.

War das nicht schon vor 10 Jahren 0815?  ;)

Ich finde die Erwähnung von Toiletten wohldosiert ganz gut, um das Flair der Zeit/der Gsellschaft/der Welt zu charakterisieren. Es macht ja einen Unterschied, ob man als Steinzeitmensch plaudernd im Gebüsch hockt oder als victorianische Dame allein beim Gedanken an einen Nachttopf fast in Ohnmacht fällt...

Aber in eine echte Szene verpacken würde ich das nur, wenn es plotrelevant ist. Sonst wird sowas recht schnell langweilig.

Ich hatte tatsächlich mal eine Szene, wo die Heldin ganz schweren Reisedurchfall bekommt, es gerade mal zum Nachttopf schafft und deswegen den Anschluss an ihre Reisegesellschaft verpasst.... Ich vermute allerdings, dass ein potentieller Lektor das dann rausgeschnitten hätte...

lg, A.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Aphelion am 25. März 2017, 01:50:19
Spiegelszenen mag ich als Leserin, obwohl ich nur einmal eine solche geschrieben habe. Aber das ist ja immer das gleiche Thema, das auch bei Epilogen, Prologen usw. immer wieder auftauch: ,,Wenn es gut gemacht ist ..."

Bäder und Kanalisation benutze ich in einer Geschichte gezielt, um Unterschiede zwischen Städten deutlich zu machen. Wie gut oder schlecht es einer Gegend geht, lässt sich daran gut verdeutlichen, wie ich finde. Spontan fällt mir auch ein, dass sich schlechte Sanitärbedingungen auch im Sinne von Chekhovs Pistole nutzen lassen, wenn später z.B. eine Seuche ausbrechen soll.

Wenn jemand in einem mobilen Lager sein Zelt in Windrichtung der Latrinen aufschlagen musst, hat das zudem eine soziale Bedeutung. In einem Buch, auf dessen Titel ich leider nicht mehr komme, waren die Toiletten außerdem ein guter Orientierungspunkt. Dadurch war beim Lesen ungefähr klar, wo sich die Figuren räumlich befinden.

Toilettengänge erwähne ich ab und zu, beschreibe sie aber nicht im Detail. Wie andere hier schon angemerkt haben, sind sie dann eher Gelegenheiten für Auszeiten, um sich vom Acker zu machen oder um auf jemanden zu treffen.

Zitat von: Zitkalasa am 24. März 2017, 15:52:30Eine Menstruation unter so starken Schmerzen, dass nur Tabletten helfen ist nicht normal und bedarf einer ärztlichen Abklärung. Sie deshalb aber als Standart zu setzen und jeder Frau im Roman Schmerzen anzuhängen, ich weiß nicht
Das habe ich mir um ehrlich zu sein auch gedacht.

Ich finde es okay, wenn es im Setting Sinn macht, aber pauschal vermisse ich Menstruationen in Büchern eigentlich nicht. (Genauso wie nächtlichen Samenerguss, sonstige Körperausscheidungen, Aufstoßen, ...)

Ich finde es auch wichtig, dass normale Körpervorgänge umgekehrt nicht unnötig mystifiziert werden, was beim Thema Menstruation durchaus ab und zu vorkommt und mich dann unglaublich nervt.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Klecks am 25. März 2017, 09:39:27
Ich sehe da zwei Aspekte.  :hmmm:  Einerseits kenne ich meine Figuren mit allem, was sie ausmacht, und habe auch kein Problem damit, sie auf die Toilette oder bei einer Katzenwäsche/Dusche zu begleiten. Das und ihre Sexualität sind ja sehr intime Vorgänge, und je intimer ich eine Figur kenne, desto besser kann ich sie schreiben. Andererseits ist da die Frage, ob die Leser diese intimen Vorgänge mitbekommen müssen, um sie besser kennenzulernen - auf die ich persönlich antworten würde, dass die Leser das nicht brauchen, genau so, wie sie viele andere Dinge nicht wissen müssen. Ich schreibe also durchaus hin und wieder, dass eine Figur aufs Klo geht/sich erleichtert/sich wäscht/duscht, aber das war es - es sei denn, mehr ist handungsrelevant, aber das ist selten.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: canis lupus niger am 27. März 2017, 18:40:24
Hygiene- und Sanitäreinrichtungen, bzw die Benutzung derselben erwähne ich nur, wenn es für die Geschichte wichtig ist, also so gut wie nie.

In meinem aktuellen Manuskript ist das Schaufeln von Latrinen (in einem militärischen Lager) ein Streitpunkt, ebenso wie die Frage, ob man Abfälle in den nahegelegenen Fluss schmeissen sollte oder nicht. Oder die Frage, warum man sich nach dem "Gang" die Hände waschen sollte, um Himmels willen! Bei diesen Diskussionen kommen verschiedene Ideologien zum Ausdruck, die für den Plotverlauf von Bedeutung sind.   

In einer anderen Situation wird einem gefesselten Gefangenen verweigert, ihn zur Verrichtung seines "Geschäft" loszubinden, was als ziemlich fiese Art der Demütigung gedacht ist.

Ohne so eine entscheidende Bedeutung finde ich es unsinnig, triviale Themen wie sanitäre Verrichtungen anzusprechen. Das ist nicht nur langweilig, sondern kann sogar wie im Fall der Menstruation auf manche Lesergruppen abstoßend wirken. Männer finden den Gedanken, glaube ich eher ekelig (bis auf seltene Ausnahmen). Und auch für uns Frauen ist diese Geschichte nichts, worüber man unbedingt lesen möchte. Manchmal, wie gesagt, kann es stil- und plotrelevant sein, für eine realistische Fantasy im Sinne von GoT oder First Law, aber wo nicht: Weglassen!

Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Faye am 27. März 2017, 19:41:50
Als Leserin fehlt mir dieses Thema in Büchern nicht direkt. Wenn so etwas kurz erwähnt wird, stört es mich nicht und meist ist es auch ganz interessant, wie die Hygiene und die sanitäre Situation in einer anderen Welt ist, da man sich diese dann nochmal besser vorstellen kann. Vor allem in historischen Romanen, aber auch in manchen Fantasy-Romanen halte ich für sinnvoll, wenn man sich darüber Gedanken macht.
Und wie canis lupus niger sagt, kann es natürlich auch für den Verlauf der Geschichte wichtig sein. Trotzdem würde mich eine ausführliche und immer wiederkehrende Beschreibung der Hygiene oder dergleichen eher stören, wenn sie nicht unbedingt notwendig ist.
In meinen bisherigen Projekten kam dergleichen auch nie wirklich vor, wenn dann in einer sehr kurzen Erwähnung, meist nur in einem Satz, da ich es sonst etwas überflüssig finde.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Dämmerungshexe am 27. März 2017, 20:46:38
Ich habe meinen Startpost jetzt nochmal durchgelesen und ich weiß einfach nicht woher der Eindruck kommt, dass ich nach andauernden Beschreibungen dieser Vorgänge verlangt habe, von denen hier immer und immer wieder abgeraten wird.  ???

Was ich meinte war ziemlich genau das, was zum Beispiel canis lupus niger beschrieben hat: wo es für die Handlung und das Setting wichtig und passend ist, kann es ruhig beschrieben werden. Und gerade solche Szenen in Gefangenschaft sind immer "problematisch" und ich hatte immer wieder den Eindruck, dass sich Autoren da um unangenehme Wahrheiten drücken.

Für mich gehört zum Beispiel auch dazu, dass Haare und Bart wachsen. In Königskinder gibt einer meiner Protas in einer Szene das Rasieren auf.

Bei meinen Naimaer bin ich wie gesagt gerade dabei ein Entsorgungssystem zu entwickeln, das auf Recycling setzt (in einem Reich, in dem die Resourcen immer knapper werden kann man es sich kaum leisten, etwas zu verschwenden) - chemisch/biologische Abläufe - welchen Platz hat das in der Gesellschaft?
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Churke am 30. März 2017, 14:54:48
Zitat von: Evanesca Feuerblut am 24. März 2017, 15:15:37
Man sollte beim Weltenbau eigentlich nie selbstverständlich davon ausgehen, dass etwas schon so sein wird, wie bei uns. Alles, was wir als Europäer kennen, ist das Ergebnis einer Geschichte, die so verlief, wie sie eben verlief.
Andere kulturelle Prägungen - andere Tabus. Andere Bauweisen. Andere Verbote.

Die Möglichkeiten sehe ich jetzt nicht als so überwältigend zahlreich an.
Bei größeren Städten drängt sich die Frage einer Wasserver- und -entsorgung auf. Kanalisationen gab es schon in der Bronzezeit. Für die Römer war völlig klar, dass man sauberes Wasser in die Stadt hinein und schmutziges Wasser aus der Stadt hinausbringen muss. Das frühe Christentum geißelte Hygiene dann als heidnischen Körperkult. Fromme Christen wuschen sich nicht. Mittelalterliche Städte hatten meist keine Kanalisation und bezogen "Frischwasser" aus Ziehbrunnen neben den Latrinen. Mit den bekannten Folgen. Den Zusammenhang erkannte man jedoch nicht, da sogenannte Gelehrte alternative Erklärungen anboten. Krankheiten würden durch schlechte Luft übertragen. Duften statt duschen, rieten die Experten. Solche "Fachleute" sind echte zivilsatorische Errungenschaften.  ::)

Und wenn ich mich an meinen Besuch in der DDR erinnere, dann ist die zentrale Erinnerung das Plumpsklo auf dem Gang. Im Westen war das früher auch so, da war die Toilette in der Wohnung undenkbar. Wer heute ein Haus erbt, bekommt vom Gericht zur Ermittlung des Nachlasswertes  immer noch einen Fragebogen zugeschickt, in dem er ankreuzen muss, ob die Toilette im Haus ist. Das sind uralte Fragebögen von 1950 oder so...  Hygiene und Sanitäreinrichtungen sind im ständigen Wandel. Wir merken es aber nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der Leser für von seinen Erfahrungen Abweichendes empfänglich ist.


Zitat von: Dämmerungshexe am 27. März 2017, 20:46:38
Bei meinen Naimaer bin ich wie gesagt gerade dabei ein Entsorgungssystem zu entwickeln, das auf Recycling setzt (in einem Reich, in dem die Resourcen immer knapper werden kann man es sich kaum leisten, etwas zu verschwenden) - chemisch/biologische Abläufe - welchen Platz hat das in der Gesellschaft?
Urin landet bei den Gerbern, Fäkalien kommen auf die Felder.  ;)
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Dämmerungshexe am 30. März 2017, 20:35:11
Zitat von: Churke am 30. März 2017, 14:54:48
Urin landet bei den Gerbern, Fäkalien kommen auf die Felder.  ;)

Gerber gibt es nicht als solche und es herrscht eher Wasserknappheit  ;D
Und die Felder sind keine Felder an sich.

Das ist eben das Spannende: weil man "nicht drüber spricht" macht man sich kaum Gedanken darum und kommt gar nicht auf andere Lösungen.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Lila am 31. März 2017, 02:45:50
Ein super interessantes und - wie ich finde - wichtiges Thema! Danke erst mal dafür, @Dämmerungshexe! Lustigerweise passt es sehr gut zu meiner aktuellsten Plotidee.

Die Themen Hygiene und sanitäre Einrichtungen halte ich grundsätzlich immer dann für erwähnenswert, wenn sie - wie z.B. in meinem aktuellen Fall - zur Geschichte passen. Sicherlich kann es nie verkehrt sein auch in scheinbar unpassenden Fällen auf Notdürfte, Regelblutungen und sonstige alltägliche Dinge hinzuweisen. Auch Weltraum-Actionheldinnen in funky Space-Suits sind vermutlich nicht vor Blasenentzündungen oder ihrer monatlichen Periode gefeit. Die Erwähnung dessen kann durchaus zu einer greifbareren, realistischeren Atmosphäre führen. Da ist im Grunde nichts dran auszusetzen, wenn es wohldosiert ist und - wie bereits erwähnt - zur Geschichte beiträgt. Beispiele wurden hier bereits genannt.
Es gibt aber durchaus auch Fälle, in denen das Anführen dieser Themen unvermeidbar ist. Ich hatte im Grunde nie Probleme damit Schmutz, Dreck, Blut und sonstige Körpersäfte zu thematisieren, wenn dies angebracht war. In meinem aktuellen Plot wimmelt es nur so davor. Mein Prota wird von seinem Stiefvater und den vier Stiefbrüdern immer wieder teilweise auf das übelste verprügel. Später kommt ein weiteres Mündel hinzu, ein Mädchen, das es sogar noch schlimmer trifft. Klar, dass sowas dann zwangsläufig seine Erwähnung finden muss. Ich bin da dann auch nicht zimperlich. Das tut mir dann teilweise für den Leser leid, weil sich sogar mir selbst beim Schreiben teilweise der Magen umdreht. Ich sollte sowas auch vielleicht nicht schreiben, wenn ich gerade esse... ::) Aber in diesem Fall ist es leider nötig, weil es einfach zur Geschichte gehört. Da wird selbstverständlich auch ein Toilettengang thematisiert, ein regelrechtes Abenteuer wohlgemerkt, da mein Prota dem weiblichen Mündel dabei helfen muss, weil sie dazu alleine nicht (mehr) in der Lage ist. In so einem Fall trägt die Thematisierung also nicht nur zur allgemeinen Atmosphäre bei. Sie ist richtiggehend für die Geschichte essentiell. Deshalb fällt es mir in so einem Fall auch überhaupt nicht schwer es einzubauen. Ich finde es schade, wenn AutorInnen sich nicht daran wagen. Es ist zwar alltäglich, aber leider immer noch weitgehend tabuisiert.
Titel: Re: Hygiene und Sanitäreinrichtungen - notwendig aber meist verschwiegen
Beitrag von: Sternenlied am 07. April 2017, 08:46:57
In Band 1 (glaube das war 1) von Throne of Glass hat Celaena ihre Tage. Das passte auch irgendwie prima in die Erzählung und hat mich nicht gestört. Bei Hexenkinder (Sabine Bürger) wurde die Prota in ein Gefängnis gesperrt ( Mittelalterliche Zeit) und bekam dort einen Eimer hingestellt. Das fand ich auch okay weil es einfach zum ganzen Setting gepasst hat.
Ich kann es auch nicht mehr sagen welches Buch aus der "alten" Drachenlanze das war, aber da wurde auch die Strassen als riesige Kloake beschrieben, Unrat und Menschliches schwamm da durch den Rinnstein..ufff. Aber passte auch um das Setting zu verdeutlichen.
Wie ihr sehen könnt, bin ich persönlich auch ein Fan davon wenn sowas das Setting unterstreicht oder unterstützt. Solange es dazu passt oder es in die Handlung passt ( zB. eine weibliche Gefangene die dringend muss/ oder ihre Tage hat..kann da schon je nach dem für einige Überraschungen sorgen)

Ich persönlich würde eine Kanalisation mit einbauen wenn ich sie für meine Geschichte brauche, das es da unten dann nicht so sauber ist kann man sich ja dann denken :) Lustig wäre es dann wenn man eine verwöhnte und verzogenen Prinzessin da unten "durchschleift"..das Gezeter kann ich jetzt schon hören ;D