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Eure besten Schreibtipps

Begonnen von Franziska, 25. Juni 2017, 15:52:13

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Franziska

Ich versuche gerade mein Schreiben zu verbessern und mehr zu plotten. Klar gibt es jede Menge Schreibratgeber, die einem das Grundhandwerk beibringen. Ich nehme mal an, die meisten hier haben sich schon damit beschäftigt. Wir wissen, eine gute Geschichte braucht einen starken Konflikt, gut ausgearbeitete Fiuren, einen flüssigen Stil, etc.

Aber was sind so Tipps, bei denen ihr so einen Erleuchtungs-Moment hattet und die euer Schreiben richtig vorangebracht haben?

Ich habe mir einige Schreibpodcasts angehört in letzter Zeit. Eine Sache hat mir da zum Beispiel so einen Moment beschert. Eigentlich eine sehr simple Tatsache, die mir auch schon aufgefallen ist:
Die Beziehung zwischen den Figuren ist essentiell dafür, ob der Leser richtig mit der Geschichte mitfiebert. Besteht keine oder keine ausgearbeitet emotionale Beziehung zwischen den Figuren, steht weniger auf dem Spiel. Und somit wird es langweilig.
Ich will jetzt nicht ausschließen, dass es auch spannende Geschichten mit nur einer Figur gibt. Aber wenn man mehrere Figuren hat, dann kann man das auch nutzen. Das ist etwas, was mir gerade so bei Abenteuer-Plots auffällt. Oder bei Gruppen von Leuten, die zusammen arbeiten. Da habe ich es in letzter Zeit oft so gelesen oder in Serien gesehen, dass die Figuren kaum aufeinander reagieren. Zum Beispiel am Anfang von "The Expanse". Die Figuren kennen sich nicht und es dauerte mir echt zu lange, dass sie Beziehungen aufbauen. Gerade wenn man mehrere, vier oder fünf Leute hat, die sich vorher nicht kennen, ist es nicht so leicht, da für alle Beziehungen zu bilden. Oder auch bei den "Hobbit"-Filmen. Da ging es mir genauso. Die Beziehungen wirkten auf mich irgendwie gezwungen und kaum ausgearbeitet.
In einer Szene gibt es in der Serie "  Expanse" aber auch die Situation, wo zwei der Figuren erstmals aufeinander treffen und zusammen arbeiten müssen, um zu überleben. So entsteht schnelle eine Bromance zwischen ihnen. Die dann den späteren Konflikt umso stärker macht.
Oder nehmen wir Verwandtschaft. In Star Wars hätte diese eine berühmte Szene wohl kaum so gewirkrt, hätte Darth Vader nicht diese berühmten Worte gesagt. Klar ist das nun irgendwie auch ausgelutscht, aber da gibt es ja viele Varianten.
Gerade auch für Prota und Antagonisten. Eine persönliche Verbindung, durch was auch immer, wirkt einfach viel stärker.

Vielleicht ist das für euch selbstversändlich, aber mir ist so klar geworden, warum viele Geschichten für mich nicht funtktionieren.
Es könnte auch sein, dass (ich will jetzt nicht sagen, Männer), aber eher rationale Menschen nicht so sehr interessiert. Aber schaden tut es auf jeden Fall nicht.

Franziska

Ein zweiter Tipp, der für mich neu war geht um die Struktur von Szenen.
Demnach gibt es in einer Szene immer Aktion und Reaktion. Im Englischen ist die Raktion das "Sequel". Nachdem die Aktion passiert ist, wie auch immer, gibt man der Figur einen Moment Zeit, darauf zu reagieren. Das kann nur ein Satz sein oder länger. Dabei zeigt sich am besten die Entwicklung der Figur. Das ist etwas, was die meistne wohl intuitiv machen. Ich habe aber manchmal Feedback bekommen, dass meine Szenen zu aprupt anfangen und enden. Jetzt weiß ich, warum.
Für nähere Infos, die Quelle des Tipps:
http://www.helpingwritersbecomeauthors.com/sequel-scenes/

Alvin

ZitatDie Beziehung zwischen den Figuren ist essentiell dafür, ob der Leser richtig mit der Geschichte mitfiebert.
Hier sprichst du genau das an, wo es bei mir vor längerer Zeit richtig Klick gemacht hat. Ohne zwischenmenschliche Konflikte und zuvor entwickelte Beziehungen kann eine Geschichte für mich nicht wirklich funktionieren. Es mag da sicher Ausnahmen geben, doch im Großen und Ganzen kommt es darauf an. Du hast es an den Beispielen ja wunderbar erklärt.

Wir wollen ja beim Leser Emotionen erzeugen, und das geht eben sehr gut, indem man sie über Interaktionen zwischen Charakteren hervorruft. Etwas, das ich gelernt habe, ist, dass es nicht reicht, dem Leser Emotionen vor die Füße zu werfen. Dann driftet alles schnell in Melodrama ab und der Leser bekommt zwar erzählt, was eine Figur fühlt, doch miterleben kann er diese Gefühle nicht (hier kommt es natürlich in der konkreten Umsetzung auf gutes "Show don't tell" an).

Ich glaub Sol Stein hatte in seinem Buch ein Kapitel drüber geschrieben, oder so, ist schon etwas her, seit ich das gelesen hab... Das war auf jeden Fall für mich so ein AHA-Moment :vibes:

Tanrien

Scene-Sequel benutze ich zusammen mit 7-points auch zum Plotten. Aus dem gleichen Buch (Techniques of the Selling Writer von Dwight Swain) wie der letzte Tipp kommt auch ein guter Tipp zum Strukturieren von Einheiten, die gefühlt gleichzeitig passieren, die man aber sortieren muss:
A. Motivating Stimulus
B. Character Reaction
B.1 Feeling
B.2 Action
B.3 Speech
(Seite 56 der (24sten?) Paperback Ausgabe)
Das fand ich sehr erleuchtend, als ich es das erste mal gelesen habe.

Worauf ich in letzter Zeit bei allen Medien, die ich konsumiere, mehr geachtet habe, waren... cycles, Kreise, also dass Anfang und Ende verbunden und beispielsweise  genaue Gegenteile sind - für Charaktere, für den Plot...

Christopher

Tatsächlich ist das einzige was mir gerade als gutes Beispiel einfällt, etwas was jemand hier im Forum gesagt hat. Es war glaube ich im Dialoge Thread. Ich finde es aber gerade nicht  :hmmm:


Sinngemäß ist war es so, dass man sich für einen guten Dialog vor Augen halten sollte, dass jede beteiligte Figur ein Ziel bei dem Dialog hat. Das muss nichts großes sein. Das kann auch der Ticketverkäufer sein, der bloß will, dass der Spinner (der Prota) schnell fertig macht, damit er gleich in den Feierabend gehen kann. Oder der Lehrer, der schon lange keinen Enthusiasmus mehr hat und bloß die Stunden irgendwie voll kriegen und am Ende seines Monats sein Gehalt kassieren will.

Sich die Motivation und Gedanken hinter den Figuren klar zu machen, auch wenn es nur Randfiguren sind, kann Dialoge ganz erheblich bereichern und lebendiger machen. Klingt logisch, wurde mir aber erst nach dem Beitrag hier klar :)
Be brave, dont tryhard.

Marta

Spontan fallen mir eine Menge Schreibtipps ein, der wichtigste war aber wohl der: Nicht zurückhalten. Einfach drauflosschreiben, so bombastisch, übertrieben und kitschig der Text mir auch vorkommen mag. Lesergefühle lassen sich nicht kalt manipulieren, das wäre viel zu einfach. Ich muss all die Emotionen selbst fühlen und beim Schreiben ungefiltert aufs Papier klatschen, wenn ich die Leser mitziehen will. Ich weiß nicht, ob das für jeden funktioniert, aber für mich war es eine Erleuchtung.
Wie alle wichtigen Dinge habe ich es mehrfach gelernt. Einmal von meiner ersten Lektorin, die meinen Text als »seltsam unemotional« bezeichnet hat. Ich hatte beim Schreiben die ganze Zeit im Hinterkopf gehabt, dass jemand das Manuskript lesen wird und versucht, cleverer zu sein, als ich bin. Dann habe ich es bei irgendeiner Autorin (ich glaube, Jennifer Crusie) als Schreibtipp gelesen.
Und, um zu einer etwas peinlichen eigenen Erfahrung zu kommen: Einmal war ich mit einer Freundin etwas (viel) trinken, torkelte nach Hause ... und als ich ins Zimmer kam, fiel mir ein, dass ich morgen noch eine Aufgabe für einen Online-Schreibkurs abgeben musste. Ich tippte also wild schwankend einfach drauflos, hatte das Gefühl, den übelsten Müll von mir zu geben und habe es trotzdem abgeschickt, weil ich keine Wahl hatte. Der Schreiblehrer meinte, das sei ein absolut professioneller Text und ich hätte mich rasant weiterentwickelt.
Ich musste lernen, Kontrolle abzugeben und das fiel mir überhaupt nicht leicht. Aber am nächsten Tag liest sich der Text immer viel besser, als ich dachte. Und die schlimmsten Klischees (und dreifachen Ausrufezeichen!!!) kann ich noch streichen.

Archivarin

Ich bin im echten Leben sehr harmonieliebend und muss mich überwinden, meine Figuren so richtig leiden zu lassen - deshalb für mich ist das wichtigste: gemein, gemein, gemein sein!
Auf den "Tipp" hab zwar schon sehr früh in meinen Schreibübungen gestossen, grundlegender geht es ja auch praktisch nicht. Eigentlich ist er so grundlegend, dass man ihn gar nicht erwähnen müsste, aber er ist trotzdem einer der wichtigsten für mich geblieben. Ohne Konflikte geht nichts, auch wenn die mir nicht gefallen!

Dämmerungshexe

#7
Das hier habe ich inzwischen fast immer im Kopf während ich schreibe: "Don't just write words. Write music." (Gary Provost)

Link: Grafik Gary Provost
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Silvia

@Marta  ;D
Das kommt mir bekannt vor. Wenn es bei mir im Text Richtung emotionales Drama oder ähnlichem geht, steh ich mir gern mal selber innerlich im Wege, weil ich ein bisschen Schiss habe, zu sehr zu übertreiben. Das ist mir bei meiner Lieblingsfanfiktion aufgefallen. Zum zweiten Mal so ein emotionales Kapitel hochgeladen und wieder vorher gedacht: Meh, hoffentlich war das jetzt nicht zu viel und ein Leser haut mir das dann im die Ohren.  ;D Zuvor war der Text irgendwie etwas ... zu schablonenhaft und ich hatte dann mit Hilfe eines leckeren Glas Wein ein bisschen mehr von dem reingebracht, was noch gefehlt hat *hust*
Dabei fiel mir dann auf, dass ich diese Gedankengänge schon mal hatte und damals alles genau richtig gewesen war. Wie sich jetzt auch herausstellte.
Fazit für mich also: Schreibs hin, kitschig oder übertrieben dramatisch oder so, kürzen kann man immer noch. Und wenn ich denke, es ist zu viel, dann ist es genau richtig gewesen. Nur meine Angst vorm bewertenden Leser spricht da. Die kann also ruhig stille sein. ;-)

Außerdem schrieb mal in einer Zeitschrift jemand so wunderschön: Hänge an eine Problemlösung ein UND, ein ABER oder ein "UND DARÜBER HINAUS" an. Das scheinen so einige Autoren zu machen, die ich lese. Daraus lassen sich echt fiese Sachen bauen. ;-)

Silvasurfer

#9
Ein sehr spannendes Thema, um es zu verfolgen.
Schon seit dem ich ein kleines Kind bin, habe ich mir Welten ausgedacht und sogar ab und zu im Feuereifer über sie Geschrieben, alles unvollendete Geschichten. Erst 2016, mit 26 Jahren habe ich etwas erkannt, was meine Herangehensweise von Grund auf verändert hat und kann auch folglich nur über die Herangehensweise berichten, und darüber, wie es sich anfühlt und zwar okay, schmerzhaft aber gut, was meiner Meinung das wichtigste ist. Alles was ich darüber als Ergebnis sagen kann, ist dass ich eine Geschichte noch nie so weit ausgereift habe, wie diese.

Die Erkenntnis war eine simple, eine ganz banale: Du bist der Held deiner eigenen Geschichte. Und es scheint so als ginge es in dieser Geschichte um jemanden, der es liebt zu philosophieren, sich fiktive Welten auszudenken und Geschichten über sie zu erzählen und gerade eine Novelle schreibt. Also blieb nur eine Frage offen: Was macht einen Helden aus?
Sam bringt das im Herr der Ringe Film ziemlich genial auf den Punkt, als er über die Geschichten spricht, die wirklich etwas zu bedeuten haben. Er sagt, manchmal wolle man das Ende der Geschichte gar nicht erst wissen. Wie kann so eine Geschichte noch gut ausgehen? Und genau das ist der Punkt.
Gute Geschichten beinhalten Niederlagen. Eine Schreibblockade zum Beispiel ist nicht das Ende deiner Geschichte sondern nur ein schlechtes Kapitel und gute Geschichten müssen schlechte Kapitel haben. Gerade lebe ich ein solches Kapitel, während mein biologischer Vater auch noch meint, seinen unnötigen Senf zu meiner gescheiterten Beziehung zu geben, obwohl er selbst 7 Kinder mit 4 Frauen hat.
Das Ding ist, Helden gehen einen Weg bei dem sie sich großen Gefahren aussetzen und dann kommt auch noch Pech und Schwefel dazu und doch kämpfen sie sich irgendwie dadurch. Es ist, wie wenn du dieses eine Mädchen oder diesen einen Jungen ansprichst. Deine Herzensdame aus traditioneller männlicher Sicht macht dir große Angst. Was ist, wenn sie dir ihre Nummer nicht gibt, oder wenn sich dich gar auslacht? Es ist eine völlig irrationale Angst, weil dir so vieles an ihr liegt, weil dir schon so viele wundersame Details an ihr aufgefallen sind, dass du dich fragst, was so ein tolles Mädchen überhaupt mit dir zu tun haben will. Also gehst du zu ihr und alles in dir sagt: Was machst du da bist du verrückt, geh gefälligst nach Hause und sprich sie ja nicht an, das ist das beste was du tun kannst. Das ist natürlich vollkommen rational und logisch.
So ist Angst, wenn etwas wir wirklich und von ganzem Herzen wollen. Sie ist ein Wegweiser, kein Warnschild. Geh den Weg, sprich sie an, das ist mein größter Schreibtipp. Geh aufs ganze, sprich deine HErzensdame an, trau dich dich als Schreiber zu identifizieren, wenn es das ist, was du wirklich willst, auch wenn es Angst macht, weil man ja versagen könnte.

Seit meinem 12. Lebensjahr und der Erkenntnis, dass der Weg eines Schreibers angst erfüllend ist bin ich 13 Jahre lang nicht aufs ganze gegangen, 13 lange Jahre voller unvollendeter Geschichten. Hätte hätte Fahradkette am Ende ist es egal und anfangen kann man immer. Aber so fühlt es sich nicht gut an, geh aufs ganze und dann wenn es weh tut merkst du erst, ob du es wirklich willst und gehst weiter.

Es ist ein Mythos, dass Schreiben lediglich etwas damit zu tun hat, dass man Wörter zu Papier bringt. Der Schreibprozess findet gleichermaßen vor den Schreibutensilien, wie auch im Leben statt. Ich für meinen Teil habe nach dem Gymnasium den Hotelfachmann gemacht. Ich wollte reisen und schreiben. Und immer wieder habe ich mich auch nach dem ich jetzt arbeite und Geld verdiene gefragt, ob ich noch studieren will. Als ich vor einem Jahr beschloss, der Held meiner Geschichte zu sein, wurde mir klar dass ein Studium vollkommene Zeitverschwendung für mich wäre. Ich will Bücher schreiben und keine Klausuren. Die Frage ist worin steckst du deine Ambition hinein, denn dass ist der Weg den du gehst und es ist der Weg den wir alle gehen, der die Realität bestimmt in der wir leben. Wenn es wirklich schreiben ist was du willst, kann ich nicht sagen, was passieren wird, aber ich kann sagen, wenn es der richtige Weg ist, wirst du damit zufrieden sein, ohne, dass du Erfolg erlebst.
Denn uns ist allen irgendwie klar, wenn wir diesen Weg gehen, dass wir:

-Wahrscheinlich für den Rest unseres Lebens ein bescheidenes Dasein fristen werden. Und wenn es doch Geld ist was wir wollen, ist Schreiben nicht der richtige Beruf, werde Kaufmann oder Bänker, investier dein Geld und stecke darin deine Ambitionen, das ist nichts schlimmes, wenn es das ist was du bist, ein begabter Geschäftsmann nämlich. Allerdings macht es natürlich Angst in einer Welt voller Geld einen Weg zu gehen bei dem man erst mal Jahre lang arbeitet ohne einen Penny zu verlangen. Selbst Straßenmusiker haben es so gesehen leichter, ich setz mich auf die Straße Spiel ein bisschen und hab Geld in der Tasche. Und während ich das tue werde ich sogar ein besserer Musiker mit jedem Tag andem ich ein paar Münzen mehr verdiene: Bam! Aber wenn schreiben wirklich das ist was du willst, wirst du glücklich sein ohne je einen Penny damit verdient zu haben. Jede Nacht in der du was brauchbares zu Papier gebracht hast wird du ihn gefunden haben, deinen Seelenfrieden aber ganz bestimmt kein Geld in der Tasche.

-Und noch etwas ist uns klar, nämlich dass wir ein in den Augen der meisten sehr erfolgloses Leben führen werden. Das wurde mir nicht erst mit der Zeit klar. Daher habe ich 26 Jahre gebraucht, ehe ich mich meiner Angst voll und ganz stellen konnte. Wobei nicht ganz 26 Jahre als Kind hatte ich diese Angst nicht, die wurde mir ganz klar eingepflanzt. Vielleicht hattet ihr Glück und habt Freunde oder Liebhaber gefunden, die euch unterstützen. Außer meiner Mama und einem Kumpel, den ich schon seit einem Jahr nicht mehr gesehen habe, kenne ich niemanden, der es auch nur ansatzweise verstehen könnte und selbst meine Mama unterstützt mich, weil sie eine tolle Mama ist, versteht aber nicht zu hundert Prozent, wie es ist, was auch okay ist. Sie hat ihren Traum verwirklicht ihre Realität, anderer Weg, gleiche Essenz. Und es war genau dieser Kumpel, der mir einen ersten Schubser gegeben hat. Meine Exfreundin sagte immer ich sei so unambitioniert. Recht hatte sie. Ich habe mich nie in meinem Job wohlgefühlt, wie meine Kollegen. Trotzdem habe ich unheldenhaft eine Karriere als Hotelfachmann angestrebt und mit Überstunden in 4-5 Sternehotels gearbeitet, kam Zuhause totmüde an und hab meine ganze Energie in etwas gesteckt, für das mein Herz nicht schlägt. Dann habe ich mir nach meinem letzten 4 Sterne Hotel endlich gesagt: Nie wieder! Jetzt arbeite ich in einem 2 Sterne schuppen, wo ich selbst in der Hochsaison vom Chef aus schreiben darf, wenn ansonsten alles in Ordnung ist, warum verfolge ich ambitioniert eine Karriere, die mir nicht die Freude bringt, die Schreiben mir bringt, das ist nicht heldenhaft. Der Witz ist: In dem 2 Sterneschuppen fühle ich mich sogar wohl und berichte meinen Hofakollegen immer Stolz wie wenig wir zu tun haben, während sie stolz berichten wie viel Arbeit und Streß sie haben, weil sie natürlich in einem guten Licht als Hofas darstehen wollen. So ist schreiben, irgendwan gibst du dich damit zufrieden dass du jemand bist der schreibt und nicht jemand der einen Bestseller schreiben wird oder in irgendeiner Form in guten Licht dasteht und folglich auch jemand der lange Zeit nicht viel vorzuweisen hat, außer Worte auf unveröffentlichten Papier und arbeitest halt irgendwo, kackegal wo hauptsache du kannst schreiben und dabei noch leben. Um erhlich bin ich froh das es so ist. Das trennt ein wenig Spreu vom Weizen schon von vorneherein, so wie die ersten Semester eines Physikstudiums.

Unter anderem werden wir wahrscheinlich noch viele andere Dinge in Kauf nehmen, Dinge Gefahren und Niederschmetternde Realitäten, die ich ggf. noch nicht kenne. Themen, die ich aufgrund der Länge dieses Textes nicht mehr vertiefen sondern nur noch erwähnen werde sind:
-Einsamkeit
-Hater
-Schreibblockaden
Und extreme Stimmungsschwankungen die beinahe schon Bipolar sind zwischen: Was ich gerade schreibe ist reine Genialität, das wird ein Kinderspiel. Ich mach das mit Links während ich Zeitgleich noch locker vom Hocker die Welt erobere. Oder eben: Oh mein Gott, was ich schreibe ist so grottenschlecht, ich werde es nie schaffen, ein vernünftiges Buch zu Papier zu bringen. Das Leben hat keinen Sinn ich möchte nur noch in mein Kissen weinen, bis ich eingeschlafen bin und so lange weiter weinen bis ich für immer tief und fest unter der Erde schlafe.

Und wirst du ihn gehen, wirst du all das und noch viel schlimmeres in Kauf nehmen? Sein oder nicht sein das ist die große Frage und je nachdem, wie du diese Frage beantwortest handelst du. Und die kann man sich nur selbst beantworten. Entweder geht man den Weg und IST jemand der sich voll und ganz mit dem identifiziert, was sein Tagewerk ist: Schreiben in diesem Fall. Oder man lässt es bleiben. Dazwischen gibt es natürlich noch die, die sich mit einen Beruf identifizieren und nebenbei ein Buch schreiben. Und auch das ist okay. Aber genau das ist eben die Frage die man sich beantworten muss, welchen Weg will ich gehen, was sagt mein Herz mir, welcher Held will ich sein und dann muss man sich nur noch ans Herz greifen, denn Angst ist da, wo man hingehen will. Wenn man keine Angst und das kann ich mit Sicherheit sagen: Dann ist man auf dem Holzweg, denn Helden konfrontieren Ängste.

Natürlich gibt es auch den buddhistischen Held. Aber den mißverstehen die meisten Menschen. Sie singen let it go und probier's mal mit Gemütlichkeit und wollen Wunschlos glücklich sein und ewig in Frieden Leben... Aber ich frage mal so: Könnt ihr euch so als Schreiber und Autoren einen Protagonisten vorstellen der einfach keine Ambitionen hat und folglich nie leidet? Das wäre so ziemlich die langweiligste Geschichte, die ich jemals gelesen hätte und es ist nicht die Geschichte Buddhas nebenbei gesagt. Buddha hat eine ganz klare Ambition das Leid bekämpfen und klar beginnt das Leid mit dem Herzenswunsch, das ist nicht die große Erkenntnis sondern nur eine Tatsache. Kein Wunsch kein Leid logisch. Aber gelingt es Buddha jemals, das Leid zu beenden, nein, sondern ganz im Gegenteil. Sein Aha-Erlebnis kommt am Schluss, als er Aufgibt, aber was genau gibt er auf? Wünsche und damit das Leid oder sienen Kampf gegen das Leid? Für mich macht zweites mehr Sinn denn ein Held verändert sich im Verlauf der Geschichte. Und in dem Sinne möchte ich Bukowski, zitieren, der mich in letzter Zeit ein wenig in meiner Phantasie begleitet:

"I was blessed with a crappy life that's all... Crappy life to write about!"

Viele verwechseln Präsenz mit Status Quo. Leider kennt die Deutsche Sprache nur das Präsenz und kein present progressive. Die Portugiesische Sprache hat sogar 2 verschiedene Formen von present progressive, eine aktive, den Vordergrund (Fokus) beschreibende Form und eine passive, den Hintergrund beschreibende Form. Deshalb ist Jose Saramago auch auf Deutsch nicht so, wie auf Portugiesisch oder Englisch. Die Deutsche Sprache stellt sich in ihrer Grammatik die Gegenwart als einen Einschnitt in die Zeit vor, stakkato. Heute backe ich morgen braue ich und übermorgen stehle ich der Königin ihr Kind.
Doch Präsenz ist ein Prozess, genau wie das Schreiben eines Buches, der Weg ist das Ziel.
I am writing, that's it, that's the whole point, I am doing it, I am on my way!
Es ist wie Michael Ende sagt:

,,Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.
Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?
Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.
Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig."

Elona

Feine Idee.  :vibes:

Als ich nun so darüber nachdachte, musste ich feststellen, dass sich das bei mir gewandelt hat. Letztes Jahr hätte ich an der Stelle noch 7-point-story-structure von Dan Wells genannt, was ich mittlerweile gar nicht mehr verwende. Insgesamt habe ich festgestellt, dass ziemlich wenig bei mir funktioniert (Schneeflocken-Methode, Scene-Sequel usw.).

Zwei Sachen haben mich aber in der gesamten Zeit irgendwie nicht mehr losgelassen:
Von K.M. Weiland "Creating Stunning Character Arcs" fand und finde ich auch immer noch sehr inspierend:
http://www.helpingwritersbecomeauthors.com/character-arcs-1/

Und der Blog unserer lieben @Alana zum Thema Exposé. Tatsächlich habe ich durch sie bei "Wann schreibe ich ein Exposé?" den Anstoß bekommen, es mal vorher zu schreiben und war erstaunt, wie gut das funktioniert. Mittlerweile habe ich das zwar ein wenig abgeändert, aber ohne sie wäre ich niemals auf die Idee gekommen. Danke dafür.  :knuddel:

Trippelschritt

#11
Die Ausgangsfrage lässt sich auf gleich mehreren Ebenen beantworten und dann kommt man schnell vom Hundertsten ins Tausendste. Deshalb kam mein größtes Aha-Erlebnis erst nach vielen Jahren Schreiben. Welches Talent braucht ein Autor und was muss er lernen? Für mich sind es mindestens drei Talente, über die er verfügen sollte. Mein Trost ist, dass man auch ohne diese Talente vorwärts kommen kann und sich auch da, wo das Talent fehlt, einiges lernen lässt.

1. Man braucht Erzählkraft. Darüber hört man wenig, aber jeder kennt Menschen, die hervorragend Witze erzählen können, und andere, die jeden Witz kaputt erzählen. Die einen haben ein Gefühl für Spannung, die richtige Reihenfolge von Ereignissen, Dynamik, die Orte von höhen und Tiefen und was sonst noch so alles dazu gehört. Es gibt Schriftsteller (z.B. Jeffrey Archer), die preisen ihre Kollegen als große Erzähler oder ein Land als eines, das große Erzähler hervorgebracht hat. Erzählen zu können ist ein Talent. Hat man es nicht, muss man es auf die harte Art lernen. Im Grunde genommen ist es eine Frage des Handwerks und Schreibratgeber, wie der von Rober McKee verraten, wie es geht.

2. Man braucht ein Gefühl für Sprache und am besten ist es, wenn man die Sprache liebt und versteht, was sie anbietet. Wer das nicht kennt, kann es sich aneignen. Das Lesen guter Autoren, die mit der Sprache spielen können, hilft dabei, dieses Gefühl zu entwickeln. Als ich als junger Mann die erste Seite von Ursula LeGuins erstem Band aus der Erdseetrilogie las, blieb mir der Mund offen stehen.

3. Und das dritte Talent? Man muss Ideen haben. Eine für die Geschichte an sich, eine für jedes Kapitel, eine für jede Szene, eine für jeden Beat innerhalb einer Szene und dann auch noch genügend Ideen für die Sätze, die man schreibt. Ideen zu bekommen, kann man auch lernen, auch wenn es nicht ganz so leicht ist we die beiden anderen Punkte.

Frustriert? Braucht niemand zu sein. Wer über keines dieser drei Talente verfügt, wird wahrscheinlich auch nicht auf die Idee kommen, Geschichten zu erfinden und aufzuschreiben. Aber es kann sich lohnen, darüber nachzudenken, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen, um die Stärken auszubauen und die Schwächen abzustellen.

Und nun Frohes Schaffen
wünscht Trippelschritt

Zit

#12
Hm, ich finde es gar nicht so einfach, auf den Ausgangspost zu antworten. Zum einen steht jeder hier von uns auf einer anderen Stufe in Sachen Erfahrung, Weiterbildung, persönlichem Denken, was dann auch in Tipps unterschiedlicher Stufen mündet. So ein bisschen wie Trippelschritt das schon andeutet: Der Weisheit letzten Schluss erreicht man wohl nie, wenn man immer weiter nach oben strebt. Gelegentlich vergisst man vielleicht die Höhe, aber ankommen? Nada. ;D

Das andere ist dann dein, Franziska, persönlicher Ansatz. Ich stimme dir zu, dass es ein bisschen schwer ist ab einem bestimmten Level noch Tipps zu finden, oder bahnbrechende Neuheiten. Ab einer bestimmten Stufe werden auch die Frotschritte, die man mit neuen Dingen erzielt, viel kleiner und sehen daher manchmal auch bedeutungslos aus. (Ist bei allem so. Auch Mathematiker oder Musiker kommen an einen Punkt, an dem Neues wieder kleine Schritte bedeutet.) Vielleicht liegt der Mangel darin begründet, dass diese Schritte irgendwann auch zu individuell werden? Oder die Probleme zu feingliedrig als dass man sie in Diskussionen lernen kann. Das läuft, früher oder später, auf ein "Machst du so, mach ich so" raus. Oder es gibt Dinge, die man nur von innen heraus lernen kann und nicht von außen durch Tipps? Zumindest habe ich festgestellt, dass vieles eine Frage der Perspektive ist. (Je nach Tagesverfassung, und weil ich auch recht launisch bin, wechselt die bei mir dann und wann auch mehrmals am Tag ...)
Dahingehend könnte ich jetzt zu Trippelschritt anfügen, dass ich seinen ersten Punkt sehr kritisch sehe. Nicht unbedingt in dem, was er meint, sondern weil er es als Talent bezeichnet. Für mich ist "Talent" ein so vorgeprägtes Wort, dass ich es eigentlich gar nicht mehr verwende. Von Körperfunktionen abgesehen gibt es für mich nichts, das einem in die Wiege gelegt wurde. Es gibt vermutlich Neigungen, aber letztlich hängt es vom Umfeld und den daraus resultierenden Impulsen ab, wohin sich das Kind, später der Erwachsene entwickelt. Ich mein, was sagt der angehende Buchhändler in der Berufsschule, wenn er nach dem Warum seiner Berufswahl gefragt wird? Weil ich schon immer gerne gelesen habe. Insofern, was ich sagen will, es gibt Leute, die scheinbar ein Gespür für Dramatik haben, aber wissen nicht wie vorgeprägt sie sind oder wie viel, ich nenne es mal, versteckte Erfahrung sie haben. Die können einfach viel gelesen, viele Filme gesehen oder wiederum selbst Eltern gehabt haben, die das mit der Dramatik drauf hatten. Um hier nicht allzu sehr abzudriften, äh:

Franziska, velleicht hast du einfach einen Punkt erreicht, an dem nur noch machen und rumprobieren hilft. ;D Mein eigentlicher Tipp, im Sinne des Threadtitels, wäre, über die ganzen Ratgeber und Rate hinaus nicht das eigentliche Ziel, nämlich das Schreiben, aus den Augen zu verlieren. (Zumindest muss ich mich selbst gelegentlich selbst daran erinnern, dass alle Theorie nichts hilft, wenn ich nicht schreibe. :versteck:)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Tejoka

Ich finde diesen Thread toll! :) Gerade auch, weil man nicht nur Tipps vorgesetzt bekommt, sondern auch Meinungen von anderen dazu, damit man sich besser ein Bild machen kann. ;)

Ich weiß nicht, ob ich es als meinen größten Aha-Moment bezeichnen würde, aber was ich wichtig finde: das Thema. Sich darauf zu konzentrieren, warum man überhaupt etwas schreibt, was man damit will. Das kann mich motivieren, wenn ich nicht weiter komme. Da spielt vielleicht auch was von dem mit rein, worüber @Silvasurfer spricht.
Aber sich auf das Thema zu besinnen kann auch die Geschichte selbst weiterbringen. Ich muss darauf achten, dass die Charaktere und Charakterentwicklung zum Thema und zueinander passt und nicht einfach irgendwelche Szenen oder Subplots auftauchen, die nichts damit zu tun haben. Und es kann helfen, Ideen eben für Szenen und Subplots zu finden.
Klingt irgendwie banal, ist aber, finde ich, eine wichtige Grundlage.

Franziska

@Tejoka auf jeden Fall. Manchmal finde ich das gar nicht so einfach, wie man denken könnte.

@Zitkalasa nein, das glaube ich nicht. Wie gesagt, ich möchte lernen zu plotten. Klar ist jeder auf einem anderen Level. Aber jeder Tipp kann einen ja weiter bringen. Ich glaube, amerikanische Autoren lernen das Handwerk oft besser, weil sie auch mehr Möglichkeiten dazu haben. Ich glaube, jeder der noch kein jahrelang erfolgreicher Autor ist, kann immer weiter lernen.

@Marta: Die Geschichte mit dem betrunken geschriebenen Text ist ja genial!  :rofl: Früher konnte ich mich so komplett in einer Geschichte verlieren. Ich hab einfach drauflosgeschrieben, ohne Gedanken, dass das jemand lesen wird. Leider bei mir mit dem Ergebnis, dass es auch niemand hätte lesen wollen. So unterschiedlich kann es sei.