Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00

Titel: Intrigen
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatHallo an alle Tintenzirkler!

Ich hoffe, das ganze paßt hier hinein, aber was ich persönlich mal ganz interessant finde bzw. mir auch vorstellen kann, es zu besprechen:

Intrigen

Wie kann man eine solche aufbauen? Wie spielt man Leute gegeneinander aus?


Wäre schön, da mal ein paar Tips und Hinweise, auch in Form von Buchempfehlungen, zu bekommen.

Gruß

Feuertraum



Wie spielt man Leute gegeneinander aus? Puh... gibt es darür funktionierende "Rezepte"? Meiner eigenen Erfahrung nach braucht man dafür einfach ne manipulatorische Ader... :(

Auf jeden Fall finde ich es grundsätzlich am interessantesten, wenn nicht nur einer manipuliert und einer manipuliert wird, sondern jeder ein wenig Puppe und Puppenspieler zugleich ist... Leider beschränken sich mein Erfahrungen mit intrigen bis jetzt großteils auf Rollenspiele, aber nciht auf irgendwas Geschriebenes...

Lastalda
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Arielen am 01. Januar 1970, 01:00:00
Was Intrigen angeht, so kann ich durchaus die alten Soaps wie Denver und Dallas empfehlen, durch die Machenschaften J.R.s habe ich einiges gelernt. Allerdings nur am Anfang. Intrigen zu spinnen muß einem auch liegen, das stimmt. Denn Intrigen sind feine Andeutungen und Gesten, die Leute in eine bestimmte Richtung lenken. Wenn ich Intrigen entwickelt habe, dann geschah das eher Intuitiv, ich habe sie nicht konstruiert, und später eigentlich kaum nachbearbeitet. Die meisten meiner langen Stories beinhalten Intrigen.

Wichtig und durch den Computer jetzt möglich ist es auch, beim Schreiben einer Intrige immer wieder zurück zu springen und in den vorderen Teilen des Romans die kleinen, feinen Andeutungen einzuarbeiten.

Was für Tipps könnte ich geben? Sicher ist die Intrige Palpatines, Anakin Skywalter in Teil 2 und 3 iauf die dunkle Seite zu locken sehr einfach skizziert, aber die Intrige ist da - und gerade, weil wir als Zuschauer das wissen, kann das gut analysiert werden. Denn man merkt schon, wie er sich einswchmeichelt...

Nett sind auhc die Intrigen in "Chalions Fluch", eines der besten aktuellen Bücher. Die Intrigen haben es auch in sich, der Hauptcharakter ist nicht dumm, und vor allem - die Autorin verliert die Fäden nicht aus der Hand.
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
WÄh... ich hasse es, Intrigen zu spinnen. Ich bin nicht gerade das, was man intrigant nennt... ich hasse es einfach, meine Sachen von hintenherum anzugehen, ich löse sie lieber durch Frontalangriff(nicht immer das schlaueste, aber egal).

Deswegen dauern Intrigen bei mir immer ewig... einmal hat mich so ein Ding ein halbes Jahr lang aufgehalten, weil ich die mir zusammenklamüsern musste. Was war ich froh, als das vorbei war.
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Arielen am 01. Januar 1970, 01:00:00
Na ja, es ist auch nicht so einfach glaubwürfige Intrigen zu spinnen, manchmal hat man die zündende Idee, manchmal eben auch nicht und da reicht auch der Frontalangriff - und wer weiß, ob so was nicht auch der Auftakt für eine Intrige sein kann...
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich liiiiiebe Intrigen - nur leider bin ich nicht gut darin, sie zu schreiben....
Für eine Intrige brauche ich erst mal eine Art Planskizze, damit ich nicht nachher ein totales Chaos baue. Sonst geht die Intrige nach hinten los, was ja schon ziemlich peinlich wäre...  :P
Bisher habe ich es immer vermieden, Intrigen zu spinnen, aber für die Schattenhüter brauche ich eine so groß angelegte Intrige, daß sie quasi weltumspannend ist... das die Szenen noch nicht mal angegangen sind, versteht sich von selbst...  8)

Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Rei am 01. Januar 1970, 01:00:00
Puh, Intrigen... Meine Charaktere verschwören sich ab und zu gegen mich, wenn ich beim Schrieben nicht aufpasse, aber bewußt habe ich bisher vermieden, Intrigen in meinen Geschichten zu spannen. Warum? Ich traue mich einfach nicht. Was, wenn meine Charaktere Lunte riechen? Und dann auch noch zu früh?

Aber eine gut gemachte Intrige lese ich immer wieder gern.
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Naja, ich bin eigentlich der Meinung, daß ich meine Charaktere erfinde und lenke, nicht umgekehrt. Darum mache ich mir keine Sorgen, daß die Charas die Intrige zu früh aufdecken...  ;)
Aber die Leser sollen die Intrige möglichst auch erst erkennen, wenn es zu spät ist und das empfinde ich als die wahre Schwierigkeit.
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Rei am 01. Januar 1970, 01:00:00
Das Problem ist, daß ich so ziemlich ohne Zeittafel schreibe (das schränkt mich zu sehr ein). Daher kann es eben auch passieren, daß einer zu früh über etwas stolpert.

Eben, wie schafft man es, daß der Leser erst gar nicht merkt, daß da was am Laufen ist? Das finde ich faszinierend, wenn es jemand richtig gut kann.
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatEben, wie schafft man es, daß der Leser erst gar nicht merkt, daß da was am Laufen ist? Das finde ich faszinierend, wenn es jemand richtig gut kann.

Das kommt ganz auf die Perspektive an. Als ich 1991 eine Novelle mit Namen "Der Intrigant" schrieb, war natürlich allen Lesern klar, daß es um eine Intrige ging, war doch das Ganze in Tagebuchform aus Sicht des verhinderten Intriganten Cedric verfaßt. Erst die letzte Seite - ein Anhang aus der Feder seines Freundes Robin - enttarnte die wahre Intrige: Nämlich Robins gegen Cedric. Von der letzterer niemals etwas gemerkt hat.
Grundsätzlich gilt, je naiver die Perspektive, desto länger bleibt die Intrige unentdeckt. Hat man dagegen die Sicht eines Paranoiden Scheißerchens, wird das Buch vor Intrigen nur so wimmeln, und der Leser muß herausfinden, welches nun der wahre Ring ist.

Man kann so sehr schön mit den Erwartungen der Leser spielen, bis sie selbst paranoid werden und Intrigen sehen, wo keine sind, und dabei die offensichtliche Intrige direkt vor ihrer Nase übersehen. Sowas macht Spaß. Und ich liebe es, meine Leser an der Nase herumzuführen. Darum arbeite ich sehr gern mit Intrigen. Nur abnutzen darf man das Thema natürlich nicht.
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Konstanze am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich hasse Intrigen, ich hasse sie wirklich!
Wenn ich ehrlich bin, dann lese ich auch nur sehr selten gern über Intrigen - und trotzdem mußte ich es mir unbedingt in den Kopf setzen meine beiden Romane, an denen ich versuche zu arbeiten, auf einer großen Intrige aufzubauen...

Und so wie es gerade vorran geht, habe ich mir damit wohl eine Lebensaufgabe gestellt, ich denke einfach zu gradlinig. Aber eine Zeitlinie sollte ich mal ausarbeiten, vielleicht hilft das weiter. >seufz<

Gruß,
Konstanze
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Ehana am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich liebe Intrigen und will unbedingt welche in mein Projekt einbauen, nur habe ich absolut keine Ahnung, wie... ich würde mich also über noch mehr Beispiele und Inspirationsquellen freuen. :)
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Aneirin am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hallo Rei,

ZitatEben, wie schafft man es, daß der Leser erst gar nicht merkt, daß da was am Laufen ist? Das finde ich faszinierend, wenn es jemand richtig gut kann.

Warum soll der Leser eigentlich nicht merken, dass da eine Intrige läuft. Das Schöne bei Intrigen für die Zuschauer ist doch, dass sie zusehen können, wie da einer in sein Unglück rennt. Oder dass sie mitfiebern können, dass im letzten Moment die Sache noch kippt und der Held den Braten riecht und gerettet wird.

Grüße
Aneirin
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Termoniaelfe am 01. Januar 1970, 01:00:00
Warum soll der Leser eigentlich nicht merken, dass da eine Intrige läuft. Das Schöne bei Intrigen für die Zuschauer ist doch, dass sie zusehen können, wie da einer in sein Unglück rennt. Oder dass sie mitfiebern können, dass im letzten Moment die Sache noch kippt und der Held den Braten riecht und gerettet wird.

Ich finde es super, wenn der leser im Lauf der Geschichte zwar merkt, dass da was im Busch ist, aber bis kurz vor Schluß, keine Ahnung hat wer der Übeltäter ist. Und dann die Reaktion kommt. "Das hätte ich nie für möglich gehalten"

Diese Reaktion bekam ich von einigen meiner Testleser und es hat mich sehr gefreut.

Gruß
Renate
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Turiken am 16. Mai 2018, 08:10:45
Und wo ich schon in alten Freds fleddere, krame ich den wieder heraus. Der wurde ja regelrecht stiefmütterlich behandelt, obwohl Intrigen ein elementares Element jedes (Fantasy-)Romans sein können. :)

Ich persönlich finde es unheimlich schwer, mir in sich schlüssige, spannende und vor allem unvorhersehbare Intrigen auszudenken. Das mag zum einen daran liegen, dass ich viel zu nett bin und nicht gut "hintenrum" denken kann. Aber ich glaube, auch nette Leute sollten zumindest in der Theorie Intrigen spinnen können. ;D Ich habe beispielsweise eine schöne Idee für einen Roman, der an einem Kaiserhof spielt. Mehrere Familie konkurrieren um die Herrschaftsansprüche und versuchen natürlich, sich gegenseitig auszustechen. Dass die Konkurrenz auch mal ermordet oder zumindest diffamiert wird, gehört da ja quasi schon zum guten Ton.

Ein Punkt, über den ich z.B. schon stolpere, ist: Wie viele Leute braucht es eigentlich für eine gute Intrige? Man braucht das Opfer und den Intriganten, das versteht sich ja noch von selbst. Aber was kommt danach? Welche Optionen hat man, die Intrigen möglichst clever, wendungsreich und eben auch überraschend einzusetzen? Mittelsmänner, die bewusst oder unbewusst bei der Intrige helfen, sind mit Sicherheit wichtig. Und nach Möglichkeit sollten das Nebenfiguren sein, die ihren eigenen Platz in der Geschichte haben, unabhängig von der Intrige. So sehe ich das zumindest.

Eine weitere Frage stellt sich mir bei der Planung/Durchführung der Intrige: Der Intrigant sollte in den meisten Fällen einen logischen oder zumindest nachvollziehbaren Grund für seine Intrige haben. Um eine große Intrige, die z.B. beim großen Finale platzt, richtig zur Geltung zu bringen, muss man schauen, dass sie immer wieder im Laufe des Romans angedeutet wird, man dem Leser also durchaus Hinweise gibt, damit einen die Intrige nachher nicht wie Kai aus der Kiste anspringt. Das kann den Leser ja auch frustrieren. Aber verflucht noch eins, woher weiß ich, dass die Intrige, die ich mir so schön ausmale, nicht vollkommen durchschaubar ist und jeder Leser, der ein gewisses Maß an Leseerfahrung besitzt, nicht schon nach 30 Seiten den Braten riecht?

Maja hatte da 1970 (wie, so lange gibts das Forum schon? ;D) etwas Interessantes geschrieben:

Zitat von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Grundsätzlich gilt, je naiver die Perspektive, desto länger bleibt die Intrige unentdeckt. Hat man dagegen die Sicht eines Paranoiden Scheißerchens, wird das Buch vor Intrigen nur so wimmeln, und der Leser muß herausfinden, welches nun der wahre Ring ist.

Man kann so sehr schön mit den Erwartungen der Leser spielen, bis sie selbst paranoid werden und Intrigen sehen, wo keine sind, und dabei die offensichtliche Intrige direkt vor ihrer Nase übersehen. Sowas macht Spaß. Und ich liebe es, meine Leser an der Nase herumzuführen. Darum arbeite ich sehr gern mit Intrigen. Nur abnutzen darf man das Thema natürlich nicht.

Das wäre natürlich auch eine Option ... hier und da immer wieder Intrigen andeuten, von denen sich dann später nur zwei, drei Intrigen als "echt" herausstellen.

Wie ist eure Meinung dazu? Arbeitet ihr viel mit Intrigen? Und wenn ja, wie arbeitet ihr sie in eure Romane ein?
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Churke am 16. Mai 2018, 09:23:20
Das Prinzip von Intrigen ist einfach: Man spielt jemandem falsche Informationen zu oder verschweigt ihm Tatsachen, die dessen Entscheidung beeinflusst hätten. Auf diese Weise lenkt man ihn in eine Richtung, die ihm selbst oder einem Dritten schadet.

Intrigen sind nicht auf einzelne Personen beschränkt. Man kann auch das Volk oder den Hofstaat oder wen auch immer mit Fake News versorgen. Der Getäuschte ist immer der, dessen Unterstützung man für eine bestimmte Handlung braucht.

Wichtig sind zwei Dinge: Erstens ein Einflussmonopol auf den Getäuschten. Für den darf es keine alternativen Erklärungen geben als die Einflüsterungen des Intriganten. Zweitens: Das Opfer muss alleine stehen. Dazu isoliert man es von seinen Unterstützern.

Eine perfekte Variante ist die offene Verschwörung, bei der das Opfer die Verschwörung erkennt, aber nichts dagegen tun kann. Damit sogar ins offene Messer rennt, weil alles so im Drehbuch steht.

Das Opfer braucht also nicht naiv zu sein, da Opfer und Getäuschter sind identisch zu sein müssen!
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Gizmo am 16. Mai 2018, 11:36:28
Ich habe mich in meinem Projekt ein wenig um das Problem gedrückt. Durch wechselnde Perspektiven weiß der Leser, dass eine Intrige im Hintergrund abläuft und kennt auch die meisten der Beteiligten. Das Interessante (hoffe ich zumindest) ist also nicht die Frage, ob es eine Intrige gibt, sondern ob, wann und wie sie aufgedeckt wird bzw. welchen Schaden sie anrichtet.
Ich weiß nicht, ob ich die Fähigkeit hätte, subtile Hinweise im Text zu platzieren, ohne alles sofort zu verraten. Der Idealfall wäre, dass der Leser beim zweiten Lesen sagt: "Natürlich, wie konnte ich das nur übersehen?"

Wie viele Leute müssen daran beteiligt sein? Ich habe versucht, aus Sicht des Intriganten zu denken: Je mehr Leute davon wissen, desto höher ist das Risiko, entdeckt zu werden. Leute können sich verquatschen oder Fehler begehen, und jeder Beteiligte erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert. Ein Lösung ist, seine Gruppe in Zellen zu organisieren, in denen jeder nur über seinen Aufgabenbereich bescheid weiß, aber nicht das Gesamtbild kennt. Das geht jedoch nur begrenzt, denn bei komplexen Intrigen kann der 'Hauptintrigant' dennoch nicht alles alleine koordinieren.
Dennoch hat es einen Vorteil, viele Mittelspersonen zu benutzen: Je mehr Mittelspersonen es gibt, desto weiter kann sich der Intrigant vom Geschehen distanzieren. Unter Umständen kann er ein Netz von Sündenböcken schaffen, die jeder für sich gute Gründe für ihr Handeln hätten und auf die er die Schuld abwälzen kann.

Ich bin dabei aber ein wenig zu weit gegangen. In meinem ersten Versuch war ich mit meinem Intriganten so gründlich, dass er praktisch nicht zu fassen war. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, ihn eine Dummheit begehen zu lassen, die weder seinem bisherigen Verhalten entsprochen noch in seinem Charakter gelegen hätte.
Nur nebenbei: Dafür habe ich einmal einen schönen Ausdruck gehört - Third Act Stupidity.  :)
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: cryphos am 16. Mai 2018, 13:58:20
Zitat von: Churke am 16. Mai 2018, 09:23:20
[...]
Das Opfer braucht also nicht naiv zu sein, da Opfer und Getäuschter sind identisch zu sein müssen!
Da bin ich anderer Meinung. Erklärung folgt in Bezug auf Einzelpersonen, statt dessen kann man aber auch Gruppen nutzen:

Bei einer Intrige gibt es den Intriganten, den Rädelsführer.
Es gibt das (primäre) Schadens-Ziel der Intrige, also jemanden dem geschadet werden soll. Bei Bedarf auch sekundäre, etc. Ziele.
Es gibt das Benefit-Ziel, also jemanden dem die Intrige in erster Instanz von Nutzen sein soll. Das kann, muss aber nicht zwingend der Intrigant sein. Meist hat der Intrigant auch einen Eigennutzen an der Intrige, auch wenn er nicht das Benefit-Ziel in erster Instanz ist. In diesem Fall wäre eine Intrige in der Intrige möglich.

Dann kann es noch diverse Mittelspersonen geben. Mittelspersonen sind Wesen die wissentlich oder unwissentlich Teil der Intrige sind. Mittelspersonen können so zu Getäuschten/Opfern oder selbst zu Intriganten werden. Auch wenn Mittelspersonen zu Getäuschten/Opfern werden, sind sie nicht das (primäre) Schadens-Ziel der Intrige. Im Gegensatz zu Churke unterscheide ich also zwischen Schadensziel-Ziel und sonstigen Opfern, statt beides in einen Topf zu werfen.


Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Christian M. am 16. Mai 2018, 20:49:05
Ui, Intrigen. Ich liebe Intrigen. :buch:
Hoffe es wird nicht zu trocken, wenn ich nun schreibe. Obwohl "Lied und Eis und Feuer" auch ein gutes Beispiel für Intrigen ist, spoilere ich nicht von dort, sondern von Kate Elliotts "Sternenkrone". Aber eher mild gespoilert.

Zitat von: Gizmo am 16. Mai 2018, 11:36:28
Dennoch hat es einen Vorteil, viele Mittelspersonen zu benutzen: Je mehr Mittelspersonen es gibt, desto weiter kann sich der Intrigant vom Geschehen distanzieren. Unter Umständen kann er ein Netz von Sündenböcken schaffen, die jeder für sich gute Gründe für ihr Handeln hätten und auf die er die Schuld abwälzen kann.

Also kommt drauf an, ich denke eher - Klasse schlägt Masse. Je weniger falsche Spuren (ohne das es zu einfach wird natürlich), desto besser. Lieber 1-2 gute "Sündenböcke", als ein Dutzend eher mittelmäßige. Auch zu viele Mittelspersonen sollte er - zumindest nicht direkt - einschalten, denn je mehr von einer Intrige wissen, umso höher auch das Risiko. Besser ist es manchmal, wenn man andere dazu bringt, in der Intrige mitzumachen, ohne dass sie es wissen - also das man sie indirekt so steuert, dass sie einem entweder bewusst helfen oder sogar nicht einmal mitbekommen, wenn sie die Intrige unterstützen. Oder wenn sie es erst bemerken, wenn es zu spät ist und "das Spiel" schon vorbei ist. Durch gute Menschenkenntnis könnte der Intrigant einige andere Menschen so dazu bringen zu handeln, wie er möchte. Gut ist ebenfalls, wenn einer der "Sündenböcke" glaubt, er würde in Wirklichkeit den Intriganten für seine eigenen Zwecke/ Intrigen benutzen.

ZitatEin Lösung ist, seine Gruppe in Zellen zu organisieren, in denen jeder nur über seinen Aufgabenbereich bescheid weiß, aber nicht das Gesamtbild kennt. Das geht jedoch nur begrenzt, denn bei komplexen Intrigen kann der 'Hauptintrigant' dennoch nicht alles alleine koordinieren.
Ich denke, der gute Intrigant - deswegen braucht er oft die Intrige als eher indirekte, unauffällige Art der Beeinflussung - kann oft gar nicht alles direkt beeinflussen und nur schwer koordinieren. Besser ist es, durch gute Menschenkenntnis z.B. das Handeln anderer oder auch allgemeine Geschehnisse (einen sich anbahnenden Krieg, Streitigkeiten) voraussehen zu können oder sehr schnell darauf reagieren zu können. Der Intrigant sollte oft nur hier und da, dann aber durchaus entscheidend, die Dinge in die richtige Richtung leiten. Vielleicht kennt er auch starke Motive seiner Umgebung und kann die Menschen so beeinflussen zu handeln, wie er will.


ZitatDas Interessante (hoffe ich zumindest) ist also nicht die Frage, ob es eine Intrige gibt, sondern ob, wann und wie sie aufgedeckt wird bzw. welchen Schaden sie anrichtet.
Ja, das auch, unter Umständen aber durchaus auch die Frage nach der Motivation, also das "warum". Oft haben gute Intriganten mehrere starke Motive. Jetzt kommt der Spoiler aus "Sternenkrone" (mittelalterliche Fantasywelt mit Kirche, Königen etc.). Da gibt es einen Geistlichen namens Frater Hugh. Er ist loyal zu seiner adeligen Familie und seinem König, will aber auch Karriere machen und ist gleichzeitig wie besessen von einer Frau, die er haben will, aber nicht haben kann. Zudem erwirbt er sich noch im Laufe der Bücher 1-2 ernsthafte Feinde, die er vernichten will (z.B. den Ehemann seiner Traumfrau). Da gelegentlich aus Sicht Frater Hugh geschrieben wird, kann der Leser ihn einigermaßen einschätzen, weiß aber auch oft nicht welche Motivation ihn gerade am stärksten antreibt (bzw. manchmal hat er mehrere Intrigen parallel aus verschiedenen Gründen, oder eine Intrige unterstützt sogar zwei seiner Motive unterschiedlich stark). So eine vielfältige Motivation macht sich auch gut nicht nur beim Intriganten, sondern auch bei anderen, damit es nicht zu eindimensional und vorhersehbar ist.

ZitatDer Idealfall wäre, dass der Leser beim zweiten Lesen sagt: "Natürlich, wie konnte ich das nur übersehen?"
Ja, das ist sehr wesentlich finde ich. Hat zum Beispiel das "Lied von Eis und Feuer" ganz gut, da kann man beim zweiten Lesen überall Hinweise entdecken, die man beim ersten Lesen übersah oder falsch deutete. Finde der Leser muss nicht alles 100% rausfinden, aber das Wichtigste sollte nicht aus heiterem Himmel kommen. Ist sonst wie bei den Krimis, wo man hinterher merkt - ich als Leser hatte keine Chance, den Täter zu erkennen, weil der Detektiv plötzlich Informationen hat, die nie vorher erwähnt wurden. Sherlock Holmes (also die alten Bücher) ist da z.B. groß drin, Puzzleteile für den Leser sichtbar auszukippen und diese dann richtig zum Gesamtbild zusammen zu setzen.

Beste Grüße

Christian
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Christian M. am 16. Mai 2018, 23:23:36
Ich gebe nochmal ein bisschen Senf nach. Alles natürlich nur meine Meinung. :versteck:

Zitat von: Turiken am 16. Mai 2018, 08:10:45
Ein Punkt, über den ich z.B. schon stolpere, ist: Wie viele Leute braucht es eigentlich für eine gute Intrige?
Ich glaube, die Frage ist gar nicht so wichtig - zwei "Parteien" (können ja sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen sein, z.B. verfeindete Adelsfamilien gegeneinander), nämlich Intrigant und "Opfer". Man braucht dann eventuell noch "falsche Fährten", aber ich finde auch nicht zwingend. Solange z.B. die Motivation, das Ziel der Intrige und ähnliche Dinge offen sind, könnte es sogar ohne falsche Fährten gehen. Vielleicht ist man auch nicht sicher, wer Intrigant und wer Opfer ist, vielleicht sind auch beide beides. Am Ende gibt es dann natürlich nur einen "echten" Verlierer. Aber so ein "Wettrennen" der Intriganten kann auch spannend sein.

ZitatDer Intrigant sollte in den meisten Fällen einen logischen oder zumindest nachvollziehbaren Grund für seine Intrige haben.
Richtig, und ich sage noch mehr - klassische schwarz/ weiß Charaktere sind nicht so gut geeignet für Intrigen bzw. haben selten eine spannende und vielschichtige Motivation oder differenzierte Ziele, die sie erreichen wollen. Widersprüche oder zumindest Vielschichtigkeit in den Personen sind hilfreich.

Beispiel aus "Lied von Eis und Feuer", Achtung Spoiler.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Oder Beispiel Fernsehserie "Sons of Anarchy" Achtung Spoiler.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Ebenso kann es spannend sein, wenn sich mitten in einer Intrige die Situation verändert, oder auch die Motivation des Intriganten - so dass man nicht sicher sein kann, ob er wirklich noch bei seinem ursprünglichen Plan und Ziel ist, oder nun doch etwas anderes vorhat.

Beste Grüße

Christian

Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Marandris am 18. Mai 2018, 19:15:41
Spontan habe ich bei Intrigen Cersei Baratheon von Game of Thrones vor Augen. Sie ist wirklich das beste Beispiel dafür und ich finde sie einfach genial :) Ich schreibe selten über Intrigen, sondern verwende lieber brutalere und offene Methoden. Intrigen kann ich mir auch sehr gut für weibliche Antagonisten vorstellen, während die männlichen Bösewichte bei mir eher direkt sind. Ich hatte nur ein einziges Mal einen männlichen Intriganten in meinem Buch. Der Antagonist, in diesem Fall ein Gestaltwandler, benutzte die Gemeinschaft der Vampirjäger für seine eigenen Zwecke. Er war der Anführer und verheimlichte seinen Leuten die Tatsache, dass auch er kein Mensch war. Der Hass der Vampirjäger kam ihm gelegen um die Vampire auszurotten und er schreckte noch nicht einmal davor zurück seine Untergebenen zu opfern.
Das war jetzt eher eine kleine Intrige und kein Intrigengespinst, das würde mich bei meinem Buch wahrscheinlich in den Wahnsinn treiben. Daher ist es interessant zu erfahren ob es gute Bücher gibt, die das Thema behandeln, außer Game of Thrones  :)
Titel: Re: Intrigen
Beitrag von: Christian M. am 18. Mai 2018, 21:32:37
***spoilerfrei***
Ja, Cersei macht das schon ganz gut, wie auch die ganze Reihe "Das Lied von Eis und Feuer" sicherlich in Hinblick auf Intrigen ganz weit vorne mitspielt. Neben Cersei fallen mir da vor allem Tyrion Lannister, Varys und Tywin Lannister ein. Mit Petyr Baelish als Intrigant bin ich nicht so ganz warm geworden, ich finde er wird sehr oft vom "Drehbuch" unterstützt. Zudem hat er doch sehr oft eher Opfer als Gegner. Mein Favorit für die coolste Intrige ist aber Doran Martell.  :wolke: Als Intrigen-Anschauungsmaterial fast schon ein "muss" die Reihe.

Vergleichbar sehe ich da am ehesten die Reihe "Sternenkrone" von Kate Elliott, leider oft vergriffen inzwischen. Da sind auch einige herausragende Intrigen und Intriganten am Werk.

Von dem Autor des "Lied von Eis und Feuer" gibt es noch die 3 Kurzgeschichten zum "Heckenritter", bis auf die erste Geschichte auch tauglich in kleinerem Maßstab was Intrigen angeht. Außerhalb des Fantasy noch "Der Pate".

Von noch älteren Büchern - kann man manchmal mit Glück schießen - wären da noch "Krieg der Träume" oder "Meister der Einsamkeit", zwei von den guten alten Silberbänden vom Moewig Verlag.

Ansonsten fallen mir da am ehesten Fernsehserien wie "Sons of Anarchy" ein, wo auch viele schöne Intrigen dabei sein. Interessant finde ich hier oft den Ansatz, dass die Protagonisten Jackson und Clay oft die Wünsche und Bedürfnisse von diversen verfeindeten Gangs, der Polizei und ihren eigenen Leuten in Einklang bringen müssen. Diese Wünsche sind oft so gegensätzlich, dass es völlig unmöglich ist, dass alle am Ende zufrieden sind. Meistens versuchen sie dann zu erreichen, dass möglichst alle einigermaßen oder "gerade so eben" zufrieden sind und niemand so unzufrieden, dass er zum Feind wird. 

Finde da auch die Fernsehserie "Black Sails" gelungen in dieser Richtung; als Film - wenn auch kein Fantasy - fällt mir als erstes "Training Day" ein.

Beste Grüße

Christian