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Das Aussehen unserer Helden

Begonnen von Coppelia, 10. Februar 2008, 07:55:26

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Zit

Ich stelle mir gerade vor, was passiert wäre, wenn Watson Holmes nicht so detailreich beschrieben hätte ...
Auf der anderen Seite ist Holmes ein Ausnahmecharakter und stammt aus einer Zeit, die Äußerlichkeiten mit Persönlichkeiten eng verband. Aber ich bin mir sicher, dass Doyle nie gedacht hätte, dass seine Figuren einmal so berühmt werden und sich vorallem auch lange halten.
Allgemein beschreibt Watson auch die Klienten recht ausführlich. Sicherlich damit Holmes seine Deduktion ausleben kann und dem Leser überlegen ist, der letztlich das gleiche sieht wie die Figuren.

Äußerliche Beschreiben dienen also nicht nur der Atmosphäre, sondern hängen auch von der Perspektive und dem Perpsektivträger ab und können den Charakteren/der Charakterdarstellung dienlich sein.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Aphelion

Für mich ist "nicht deutsches" Aussehen so selbstverständlich, dass ich es oft gar nicht ausdrücklich erwähne. In Kurzgeschichten erst Recht nicht. Ich lasse so etwas lieber nebenbei einfließen, als ausdrückliche Beschreibungen zu verwenden.
Namen spielen da denke ich eine große Rolle. Wenn ich Klaus, Dieter und Gustav auf nächtliche Streifzüge gehen lasse, denkt man wahrscheinlich an ein anderes Aussehen, als wenn es Achmed, Mohammed und Mercan sind. Oder Vladimir, Boris und Igor.

Andererseits: Ich kenne eine sehr dunkelhäutige Inderin, die einen urdeutschen Namen hat. Selbst das ist kein hiebfester Anhaltspunkt. Und manchmal macht es auch verdammt viel Spaß, damit zu spielen. Wie bei Ingrid Noll, deren stickender Prota mit Hang zum Kitsch sich erst ganz zum Schluss als Mann entpuppt. Aber das nur nebenbei.

Zitat von: ZitkalasaÄußerliche Beschreiben dienen also nicht nur der Atmosphäre, sondern hängen auch von der Perspektive und dem Perpsektivträger ab und können den Charakteren/der Charakterdarstellung dienlich sein.
Die Hautfarbe erwähne ich z.B. auch dann nur, wenn sie für die Geschichte wichtig ist oder wenn Gegensätze aufeinanderprallen. In einer meiner Geschichten taucht beispielsweise eine bildhübsche dunkelhäutige Französin als Protagonistin auf, meine Prespektivträgerin ist ein blondes Mauerblümchen. Natürlich fällt "ihr" so etwas dann ins Auge.

Glatze? Verpasse ich Charakteren durchschnittlich oft, wenn man sich nur meine Menschen ansieht. Bei einer anderen Spezies fallen die Haare auch oft weg.

In meiner Vorstellung sind Charaktere öfter dunkelhäutig, asiatisch usw., als ich es sage. Ich mag es auch gar nicht unbedingt, wenn jemand nur deshalb z.B. ein südländischer Typ sein muss, damit es ja nicht rassistisch wirkt. Ich mag lange Beschreibungen des Aussehens aber ohnehin nicht, wenn es sich um Menschen handelt und eigentlich vollkommen egal ist. Da sollte man sich nicht so unter Druck setzen, finde ich. Wir brauchen beim Schreiben keine Quoten.
Wenn man unterstellt bekommen sollte, die Charaktere seien ja alle irgendwie "deutsch", dann kann man eher die Frage zurückgeben: Warum hast du sie denn so interpretiert, ich habe das doch nie geschrieben? Ob etwas rassistisch wirkt, liegt nämlich *auch* daran, wie der Leser drauf ist.

HauntingWitch

Zitat von: Melenis am 25. März 2012, 03:47:57
Na ja, ich habe mir heute bei der Arbeit mal darüber Gedanken gemacht und ich weiß nicht, was ich davon halten soll... irgendwie macht es mich auf jeden Fall nachdenklich...
Erzählt mal, wie das bei euch so ist :)

Die Frage gehe vermutlich so in die Richtung: Hilfe, meine Protagonisten sehen alle zu ähnlich aus! ;) Ich denke, dass das völlig normal ist. Bei jedem neuen Charakter, den ich erfinde, versuche ich, etwas Neues zu schaffen, das ich nicht schon tausend Mal hatte, aber es klappt selten. Meine Jungs haben praktisch immer lange Haare, niemals einfach nur langweilig braune und die Schwarzhaarigen entpuppen sich meistens als abgeänderte Versionen meines Lieblingssängers. Ausserdem habe ich in jedem Skript einen rothaarigen Menschen und wenn es Frauen sind, werden sie zu Feen. Während dem Schreiben und Entwickeln fällt einem das natürlich nicht auf und im Nachhinein denke ich dann meistens so: Hm, was, wenn das alles eines Tages veröffentlicht wird? Ist das nicht etwas auffällig? Aber dann sehe ich mir die Vampir-Chroniken von Anne Rice an, in denen auch immer wieder dieselben Ausgestaltungen auftauchen und denke daran, dass es mich beim Lesen kein bisschen gestört hat. Ich denke, da sind es die Details, die dann doch eine gewisse (relative) Vielfalt ausmachen.

Das Meiste andere, was ich dazu denke, hat Lavendel schon gesagt. Neben Ästhetikvorstellungen und persönlichen Vorlieben, denke ich, kommt nur noch der Inspirationshintergrund (das Wort hat sich bei mir irgendwie eingebürgert) dazu. Was bringt einen dazu, einen Charakter zu entwickeln oder eine bestimmte Szene zu schreiben? Wie kommt man darauf und was fühlt man in dem Moment? In welchem Zustand befindet man sich? Das sind alles Dinge, die einen unbewusst beeinflussen. Schaue ich einen Gothic-Film, so sind die Szenen, die ich danach schreibe automatisch düsterer. Höre ich basslastige Dampflock-Musik, wird die Stimmung einer Sequenz "schneller", aufgewühlter. Versteht ihr, was ich meine? Genau gleich ist es bei Charakteren. Bei mir geht das sogar über das Aussehen hinaus, bis in ihre Eigenschaften und teilweise sogar ihre Lebensgeschichten.

Melenis

Wie bereits geschrieben, die Sache ist mir bei der Arbeit aufgefallen. Ich bin Samstags immer beim Lidl an der Kasse, und bei uns kommen zu 33% Russen, Polen, usw. 33% Türken und 33% Deutsche. 1% sind Portugiesen :D Da ist mir aufgefallen, das mir diese "Vielfalt" einfach fehlt. In einem anderenThread habe ich meinen Charakter Panos vorgestellt, der laut Name ein Grieche ist - was für mich eine Premiere ist, da ich noch nie einen Griechen in meiner Geschichte hatte. Eine türkischstämmige Person hatte ich auch noch nie, obwohl ich mal unsterblich in einen Jungen aus der Türkei verknallt war (und wenn er bei mir einkaufen geht immer noch ein bisschen bin  :rofl:). Es hat also nicht nur was mit Ästhetik und so zu tun... ich stehe total auf gebräunte Typen mit dunklen, braunen Kuschelaugen, besonders dann, wenn sie noch einen kleinen Wohlfühlbauch haben :D Aber so ein Mann ist in meinen Geschichten z.B. noch nie aufgetaucht - warum eigentlich nicht? Ich hatte ursprünglich vor, einen Türken in mein derzeitiges Projekt einzubauen, aber irgendwie passt es gerade nicht, vielleicht reicht es gerade mal zu einer Statistenrolle.

Natürlich könnte ich das wie zum Beispiel Aphelion lösen und die Hautfarbe, bestimmte Merkmale nicht explizit beschreiben, aber trotzdem stellt man sich die Leute ja meistens irgendwie vor, und bei mir sind sie meist... na ja, weiß. Wobei ich mal auf der Tintenschnipsel-Seite einen Tintenschnipsel gelesen hatte, wo es um eine kleine Liebesszene ging. Da habe ich mir den Mann ganz anders vorgestellt, als er dann tatsächlich war. Ich glaube, der Schnipsel war von Sprotte, da war es dann ein rothaariger Typ, ich dachte, er wäre dunkelhäutig :D Das passiert mir auch, und da frage ich mich natürlich auch: Okay, warum dachtest du, er wäre dunkel? Denkst du da gerade rassistisch, in Klischees? Ich finde das Thema wirklich interessant, weil die Charaktere auch viel über uns aussagen, und mich zumindest zum Nachdenken anregen. 

HauntingWitch

Zitat von: Melenis am 25. März 2012, 14:57:08
Wobei ich mal auf der Tintenschnipsel-Seite einen Tintenschnipsel gelesen hatte, wo es um eine kleine Liebesszene ging. Da habe ich mir den Mann ganz anders vorgestellt, als er dann tatsächlich war. Ich glaube, der Schnipsel war von Sprotte, da war es dann ein rothaariger Typ, ich dachte, er wäre dunkelhäutig :D Das passiert mir auch, und da frage ich mich natürlich auch: Okay, warum dachtest du, er wäre dunkel? Denkst du da gerade rassistisch, in Klischees? Ich finde das Thema wirklich interessant, weil die Charaktere auch viel über uns aussagen, und mich zumindest zum Nachdenken anregen.

Das wiederum hängt glaube ich vom Erfahrungshintergrund des Lesers ab. Man kann einen Charakter noch so genau beschreiben, jeder Leser wird ihn sich ein wenig anders vorstellen. Ich habe vor längerer Zeit einmal ein Experiment mit einem Kumpel gemacht, der gut zeichnen kann. Ich wollte wissen, wie ein Buchcharakter in Realität so aussehen könnte und habe ihm die entsprechenden Beschreibungsszenen aus dem Buch vorgelesen, damit er ihn zeichnet. Ich war gelinde gesagt geschockt, wie sehr das Bild (und somit auch die Vorstellung meines Kumpels) von meiner eigenen Vorstellung abweichte. Und das obwohl es  in dem Buch insgesamt eineinhalb Seiten Beschreibungstext zu dem Typen gibt.

Genauso ging es mir mit einem meiner Protas, als ich einer Freundin einen kurzen Auszug zum Lesen gegeben habe. O-Ton: "Der sieht ja aus wie der heisse Typ aus meiner Lieblingsband!" Und ich dachte so: Nein, nein, bitte, alles, nur das nicht. Nicht, dass ich den Typen aus ihrer Lieblingsband nicht ebenfalls attraktiv fände, im Gegenteil. Nur bin ich der Meinung, dass mein Protagonist ganz anders aussieht. Es lebe die Individualität.  ;D

Aphelion

Zitat von: HauntingWitch am 25. März 2012, 15:08:37
Das wiederum hängt glaube ich vom Erfahrungshintergrund des Lesers ab. Man kann einen Charakter noch so genau beschreiben, jeder Leser wird ihn sich ein wenig anders vorstellen.
Das finde ich wiederum so genial am Lesen und es hilft auch, sich mit Protagonisten zu identifizieren oder sich hinein zu versetzen. Selbst, wenn also die Beschreibung äußerlich ganz anders rüberkommt, ist das "Gefühl" rübergekommen, die "Aura" eines fiktiven Charakters. Das würde ich in deinem Fall eher als Kompliment betrachten, dass dir das offensichtlich gelungen ist. :)

Lavendel

Zitat von: Melenis am 25. März 2012, 14:57:08
Natürlich könnte ich das wie zum Beispiel Aphelion lösen und die Hautfarbe, bestimmte Merkmale nicht explizit beschreiben, aber trotzdem stellt man sich die Leute ja meistens irgendwie vor, und bei mir sind sie meist... na ja, weiß.

Die Helden in den meisten Kinofilmen oder Serien sind Weiße. Manchmal gibt es einen Schwarzen in US-Produktionen, aber wie viele Filme kennt ihr, in denen sagen wir mal ein Pakistani oder gar ein Russe Held ist? Klar, es gibt sie, aber im quantitativ ist das gar kein Vergleich, und sie werden auch meist nicht von so vielen Leuten gesehen. Dafür, dass wir so viele Mitbürger mit Migrationshintergrund haben, hatten wir zum Beispiel erst ein einziges Mal einen Tatortkommissar mit türkischen Wurzeln. Man orientiert sich eben auch immer an den Strukturen der Geschichten, die man kennt.

Natürlich sollte man dabei nicht vergessen, dass es bei dem Thema nicht nur ums Aussehen geht. Wenn jemand nur anders aussieht, bringt das noch nicht unbedingt Vielfalt. Da muss auch der Hintergrund stimmen, und man sollte dann wohl auch daran denken, dass es immer einfacher ist, Klischees widerzukäuen, als das Wesen einer Figur authentisch zu beschreiben. Aber das machen wir ja eh alle, ne? ;)

Rosentinte

Zitat von: Lavendel am 25. März 2012, 21:21:07
Die Helden in den meisten Kinofilmen oder Serien sind Weiße. Manchmal gibt es einen Schwarzen in US-Produktionen, aber wie viele Filme kennt ihr, in denen sagen wir mal ein Pakistani oder gar ein Russe Held ist? Klar, es gibt sie, aber im quantitativ ist das gar kein Vergleich, und sie werden auch meist nicht von so vielen Leuten gesehen.
Das "Problem" ist ja, dass in Filmen, in denen Pakistanis oder Russen Helden sind, genau das auch ein Hauptthema des Films ist (z.B. "Kick it like Beckham"). Es ist für uns kaum normal, dass es auch asiatische oder schwarze Helden in Filmen, Büchern etc. gibt, ohne dass das besonders thematisiert wird. Hier muss wohl ein langwidriger Umdenkungsprozess stattfinden.
El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

Lavendel

Da hilft am besten gut recherchieren und selber machen. ;)

Steffi

Zitat von: Rosentinte am 25. März 2012, 21:26:59
Das "Problem" ist ja, dass in Filmen, in denen Pakistanis oder Russen Helden sind, genau das auch ein Hauptthema des Films ist (z.B. "Kick it like Beckham"). Es ist für uns kaum normal, dass es auch asiatische oder schwarze Helden in Filmen, Büchern etc. gibt, ohne dass das besonders thematisiert wird. Hier muss wohl ein langwidriger Umdenkungsprozess stattfinden.

Da muss ich ja wirklich das britische Fernsehen und Kino loben, das sich redlich bemüht, "colourblind" zu casten. Zum Beispiel ist Angel Colby, die ja bei "Merlin" die Guinevere (ich kann den Namen nicht schreiben, "Gwen" eben) spielt, eine Schwarze, und bei Doctor Who geben sie sich auch wirklich Mühe, bunt gemischt zu casten. Freema Agyeman, die in der dritten Staffel den Companion gab, war ja auch schwarz. Sicherlich gibt es da auch noch viel zu verbessern, aber die sind immerhin auf dem richtigen Weg.

Traurig finde ich auch, dass Schwarze in den USA überproportional als Bösewichte besetzt werden oder aber, wenn sie zur guten Seite gehören, ziemlich oft und recht früh das zeitliche segnen. (Bei "Supernatural" passierte das immer reihenweise, und bei "XMEN:First Class" lief es nicht anders.)

Aber ich meine, bei uns läuft es doch nicht anders. Wieviele Türken, Schwarze, Inder oder Pakistanis habt ihr denn schon in deutschen Werbespots gesehen?

Ich muss mich selber auch immer bewusst daran erinnern, meine Figuren nicht immer mit dem durchschnittlichen Europäer zu besetzen. Bei meinem letzten Projekt hab ich immerhin einen Pakistani eingebaut und eine Schwarze, aber ich musste mich wirklich zuvor bewusst daran erinnern, mal mehr Abwechslung reinzubringen.
Sic parvis magna

Mogylein

Zitat von: Rosentinte am 25. März 2012, 21:26:59
Das "Problem" ist ja, dass in Filmen, in denen Pakistanis oder Russen Helden sind, genau das auch ein Hauptthema des Films ist (z.B. "Kick it like Beckham"). Es ist für uns kaum normal, dass es auch asiatische oder schwarze Helden in Filmen, Büchern etc. gibt, ohne dass das besonders thematisiert wird. Hier muss wohl ein langwidriger Umdenkungsprozess stattfinden.

Wobei man nicht einfach einen schwarzen Protagonisten nach, sagen wir mal, Berlin schicken kann, ohne auf irgendeine Weise darauf einzugehen, dass er schwarz ist. Das passiert nämlich gerne, wenn man versucht, andersartige Protagonisten zu haben, wo ihre Andersartigkeit aber nicht das Hauptthema ist. Der Farbige kann in ein Fantasyepos stürzen und gut ist - aber er hatte ein anderes Leben als ein kaukasischer Mensch in Berlin und das wird sich in seiner Persönlichkeit und seinen Handlungen widerspiegeln. Einen weißen einfach schwarz anzupinseln bringt es da auch nicht.
Ich fand es schön, dass Dumbledore schwul war und es nicht wichtig, aber doch passend war. Wunderbar passend. So muss es sein, wenn man eine andersartige Figur einbringt.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

HauntingWitch

Zitat von: Steffi am 25. März 2012, 21:36:12
Ich muss mich selber auch immer bewusst daran erinnern, meine Figuren nicht immer mit dem durchschnittlichen Europäer zu besetzen. Bei meinem letzten Projekt hab ich immerhin einen Pakistani eingebaut und eine Schwarze, aber ich musste mich wirklich zuvor bewusst daran erinnern, mal mehr Abwechslung reinzubringen.

Ich denke, das hängt auch davon ab, was für einen künstlerischen und vor allem sozialkritischen Anspruch man an sich selbst und sein Buch hat. Mir gefällt das "durchschnittliche" Europäer-Aussehen zum Beispiel sehr gut, also sind meine Figuren überwiegend solche. Ich habe auch viele Osteuropäer (Russen, Ungaren), einfach weil ich deren Optik mag und die meisten, die ich bislang kennen gelernt habe, mag. Da möchte ich dann auch immer gewollt hervorheben, wie schön sie sind und weshalb. Ich habe aber kein Bedürfnis, das Gleiche für z.B. Schwarze zu tun, auch wenn sie es durchaus verdient hätten. Da stellt sich meiner Meinung nach auch die Frage, was man mit seinem Buch erreichen will, ob man diese politische Arbeit (die es ja in gewisser Weise ist) betreiben will oder ob man sich lieber einfach auf das konzentriert, was man selber bevorzugt.

Meine Protagonisten hören zum Beispiel auch alle Rock/Metal, allenfalls Songwriter-Pop. Aber ich würde niemals nur um der Toleranz willen einen Technofan oder HipHoper zum Protagonist machen. Ich habe nichts gegen diese Leute, jedem das Seine. Aber wenn mir der Enthusiasmus fehlt, diese in ein Buch einfliessen zu lassen, lasse ich es lieber bleiben. Stattdessen konzentriere ich mich auf Figuren, für die ich einen Enthusiasmus habe. Das andere wäre mir zu zwanghaft.

Da drängt sich mir die Frage auf, ob ihr bewusst vorher darüber nachdenkt, wie viel Vielfalt (sei es optisch, kulturell oder gesellschaftlich) ihr in eurem Skript haben wollt? Tüftelt ihr das vorher genauestens aus oder lasst ihr euch eher von der Geschichte leiten? Ich tendiere zu Letzerem (meistens bleibt das dann auch eine entsprechend kleine Welt, wenn man so will). Auf die Idee, mir das im Vornherein zu überlegen, bin ich bislang noch gar nicht gekommen.

Steffi

#87
@HauntingWitch: das hängt bei mir sehr von den Welten ab. Meine England-Mittelalter-Welt wird von dem Durchschnittseuropäer bevölkert, wobei ich da schon versuche, durch das Aussehen die verschiedenen Abstammungen deutlich zu machen, da es in der Welt zwei Bevölkerungsgruppen gibt.

Ich habe zwei Dystopien im Kopf, die beide auf unserer Welt basieren, und bei solchen Szenarien versuche ich bewusst drauf zu achten, mehr Vielfalt einzubringen. Eine der Dystopien ist das zuvor erwähnte Projekt. Ich neige auch automatisch dazu, alles mit Mitteleuropäern zu besetzen, schließlich schreibt man immer am liebsten über das, was man kennt, aber in diesen speziellen Fällen finde ich, dass das Worldbuilding mehr Vielfalt erfordert. Da schlägt die Idealistin in mir durch  ;D

Ich bin aber schon der Typ, der sowas vorher genau durchtüftelt. Ich achte ja sogar darauf, dass alle Namen genau zur Kultur passen und etymologisch Sinn ergeben...  ::)
Sic parvis magna

Mika

Ich muss gestehen, dass ich mir sehr wenige Gedanken über das Äußere meiner Figuren mache, einfach weil es mir am konkreten Vorstellungsvermögen fehlt. Meist verbinde ich mit einer Figur eher eine Reihe von Gefühlen, als wirklich konkretes Aussehen. Das macht es schwierig für mich und manchmal muss ich mich regelrecht erinnern sowas wie Beschreibungen in meine Geschichten einzufügen, allerdings sind diese oft sehr vage gehalten.

Klar, habe ich einen bevorzugten Typ, allerdings findet man in meinen Geschichten so ziemlich alles. Egal ob dick, dünn, dunkelhäutig oder weiß, Glatze, oder was auch immer. Einer meiner Protas meiner Schattensymbiose ist zum Beispiel dunkelhäutig, so wie es gleich mehrere in meinem "Kind der Veränderung" waren, was ist dabei? Genauso gibt es Asiaten, osteuropäische Typen, oder eher arabische Figuren. Ich habe mir allerdings nie Gedanken darüber gemacht, es ist einfach so. Genauso wie eine andere Figur Kettenraucher war, und meine Figuren nicht selten Narben haben, die für das Leben sprechen, das sie bislang bestritten haben.

Meine Figuren müssen nicht zwingend hübsch sein, attraktiv genügt mir schon (was ja ein sehr subjektives Empfinden ist) und das kann von verschiedenen Faktoren abhängig sein. Erst recht habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht "Quotenfiguren" oder ähnliches einzufügen.
Es kommt immer auf das Setting an, je multikultureller dieses ist, desto multikultureller werden die Figuren, je bunter. Ein wild zusammengewürfelter Haufen, der sich in den Ubahntunneln Londons in einem postapokalyptischen Szenario herumtreibt kann Menschen der unterschiedlichsten Nationalitäten enthalten. Das nur als kleines Beispiel. Die Figuren meiner Geschichten stellen sich mir gewissermaßen vor und ebenso steht auch schon ihr Aussehen und das Gefühl das sie mir vermitteln.

Fakt ist jedoch ich werde definitiv noch an detaillierten Beschreibungen üben müssen, oder zumindest so weit üben, dass ich mich nicht mehr ganz so vage mit meinen Beschreibungen halte. In meiner letzten Geschichte hab ich es sogar so versemmelt, dass ich gerade Mal eine Figur beschrieb ;D Aber ich denke, wenn ich erstmals ein richtiges Urban Fantasy Setting habe, wo die kulturellen Hintergründe Hand und Fuß haben müssen, sollte ich mir spätestens echt mal Gedanken darüber machen.

Ich finde es aber unglaublich interessant hier zu lesen, wie ihr mit diesen Figuren umgeht, mit dem Nationalitätenproblem usw. einfach weil ich mir bislang über sowas nur wenig bis gar keine Gedanken machte. Umso spannender ist es natürlich zu sehen welche Gedanken man sich machen kann.

Assantora

Also ich halte mich bei Äußerlichkeiten eher zurück.
Ich denke die meisten meiner Figuren sind jetzt nicht gerade die Beyonce oder Justin Timberlake, oder wie die Schönen und Reichen noch so alle heißen, sondern mehr so aus dem Leben gegriffen.
Ich lasse in Soldaten immer eine Art 'Bauernwesen' einfließen. Weiß nicht, wie ich es sonst beschreiben soll. Die sind nicht die hübschesten, aber als Vogelschäuche würden sie nun auch nicht reich ;)
Das gleiche gilt bei den Frauen. Und das ist sehr auffällig: Sie entsprechen in den seltensten Fällen meiner Traumfrau. Eigentlich sollte man meinen, dass die eigenen Vorstellung darin einfließen, aber bisher gab es noch keine Figur in meinen Geschichten, wo eine solche Frau Platz hätte. Wenn ich so darüber nachdenke, Frauen sind bei mir sowieso in der Minderheit, ist keine eine wirkliche 'Belladonna', wie der Italiener sagen würde. Die meisten sind normal, nett und hübsch. Was der Wirklichkeit entspricht :)