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Fragen zur Länge (und Übersichtlichkeit) von Romanen

Begonnen von Rabengetint, 05. April 2017, 16:34:34

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Zit

Was ist der richtige Thread für dich? Es hindert sich niemand, einen zu eröffnen. Ich finde die Sachen hier sehr relevant. Was McKee angeht: Es gibt da den wirren, anstrengenden, aber auch super Film mit Nicolas Cage, der sich standig selbst referenziert... "Adapation" heißt der. Könnte hier auch gut reinpassen, weil er am Rande die Frage Ratgeber ja/nein streift, aber selbst auch ein langer Film ist und man gut sehen kann wie er handwerklich aufgezogen ist. Natürlich liegt die Filmlänge teilweise daran, dass es zwei Handlungsstränge sind. Ohne einander sind sie aber auch ziemlich trostlos, weil der Zuschauer Erkenntnisse aus dem einen Strang in den anderen mitnimmt. Jedenfalls: Zum Studieren gut geeignet.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

HauntingWitch

ZitatBei ein paar von den Sachen muss ich mich zwar wundern (wozu hat man denn ein Outline, wenn man sich beim Schreiben nicht direkt an ihm entlang hangelt?  :hmhm?: )

Also, weil... also, ähm, die Outline ist schon wichtig, weil... ähm... :rofl: Das mache ich eben auch. Das ist wirklich eine gute Frage. Ich mache die Outline eigentlich immer als Orientierungshilfe, aber die ist nie so detailliert. Das ist mehr so ein erstes Festhalten. Abgesehen davon, würde es mir nichts nützen, das detaillierter zu machen, weil ich früher oder später sowieso davon abweichen müsste.

Das ist auch jetzt mein neues Problem. Ich bin Entdecker, ich brauche das Schreiben des Textes, damit die Geschichte sich überhaupt entwickelt. Ich kann das nicht vorher planen. Die Sache ist nur, dass meine bisherige Herangehensweise vor diesem neuen Hintergrund, dass dabei nur ein roher Ablaufentwurf herauskommt, ineffizient ist. Wie ich das löse, muss ich noch herausfinden. Vielleicht doch so etwas machen wie Elizabeth George (superdetaillierte Outline, die sie dann "fliesssender Handlungsentwurf" nennt) und direkt aus dem heraus die weiteren Schichten auftragen oder so etwas...  :hmmm: Ich muss jetzt ein wenig ausprobieren.

ZitatOder aber, vielleicht könntest du dich darauf konzentrieren, dir deine Schlüsselszenen schon mal grob von der Seele zu schreiben

Das mache ich eben schon bei der Ideenfindung. Die kommen dann später auch in diesen ersten Entwurf. Das Problem ist halt, dass ich im Gesamtkontext des Entwurfes dann vieles neuschreiben muss. Bisher ging das ja, aber in Zukunft werde ich das alles ändern müssen, wenn ich effizient sein will (und das will, ich will das Zeug ja dann auch veröffentlichen).

Rumpelstilzchen

Zitat von: Witch am 20. August 2017, 17:30:21
Das ist auch jetzt mein neues Problem. Ich bin Entdecker, ich brauche das Schreiben des Textes, damit die Geschichte sich überhaupt entwickelt. Ich kann das nicht vorher planen. Die Sache ist nur, dass meine bisherige Herangehensweise vor diesem neuen Hintergrund, dass dabei nur ein roher Ablaufentwurf herauskommt, ineffizient ist.

Nur weil du eine andere Herangehensweise hast, muss sie nicht zwangsläufig viel ineffizienter sein. Während sich bei dir die Geschichte beim Schreiben entwickeln und du dafür länger zum Schreiben und Überarbeiten brauchst, planen andere sie wochen- oder monatelang vorher und schreiben sie dann in einem Rutsch runter und brauchen dann weniger Zeit zum Überarbeiten, was aber auch keine Garantie ist, dass sich nicht mittendrin etwas ändert oder Probleme auftauchen, die bei der Überarbeitung behoben werden müssen.

Schreib so, wie es für dich am besten passt, denn was bringt es dir, wenn du dich durch eine Arbeitsweise quälst, die dir keinen Spaß macht und du deshalb länger brauchst. Veröffentlichen kannst du deine Romane trotzdem, dafür spielt es keine Rolle, ob du nun bspw. sechs oder sieben Monate brauchst, um einen fertigzustellen.

Belle_Carys

@Trippelschritt  Leser und Text sind aber untrennbar miteinander verbunden. Ein Text ist ja kein Selbstzweck. Und es ist der Text, der diese Reaktionen überhaupt erst bedingt, dementsprechend ist seine Struktur und seine erzählerische Kraft das, was Emotionen auslöst oder eben nicht.
Ich glaube, mein grundlegendes Problem mit deiner Argumentation ist nicht der akademische Gehalt sondern dass ich den Anspruch der Tiefgründigkeit nicht als Maßstab an jede Szene, sondern an einen Text als ganzes anlege. Wenn jede Szene "tiefgründig" ist, dann ... nein danke. Das möchte ich nicht lesen. Aber eventuell definieren wir die Sache mit der Tiefgründigkeit ja auch einfach wirklich sehr unterschiedlich. Das war aber ja auch nicht die Frage, sondern ob Tiefgründigkeit und Länge einander bedingen, und das verneine ich für mich einfach.

Was die Tiefe einer Figur angeht, die ergibt sich natürlich immer daraus, wie viele ihrer Facetten ich meinem Leser vermitteln kann. Ist sie "nur" Magierin oder ist sie Magierin, Mutter, Schwester, Geliebte, Witwe, Akademikerin und Angehörige einer Minderheit? Jeder von uns vereint viele Dinge in sich, und wenn Figuren tatsächlich plastisch und "echt" werden sollen, dann muss das für sie ebenso gelten. Genauso wie eine jede Situation eine Fülle von möglichen Lösungen, Möglichkeiten zum Scheitern oder Gelingen in sich trägt. Und selbstverständlich sollte eine repräsentative Auswahl dessen auch angesprochen und dargestellt werden. Zu versuchen, dass ständig und in Gänze auszuschöpfen, wäre allerdings nicht die Maßnahme meiner Wahl und das vermittelt mir dein Beispiel und deine Beschreibung ein wenig. Ja, Dinge müssen ausgestaltet werden und gerade wenn Bücher in den ersten Entwürfen zu kurz sind, Plots zu geradlinig aufs Ziel zulaufen oder Leser das Gefühl bekommen, sie werden durch die Handlung getrieben ohne je Zeit zu haben, Figuren oder Welt einfach mal wahrzunehmen, dann fehlt es an diesen Dinge.
Die Ausgestaltung des Romans dahin gehend ausarten zu lassen, dass möglichst viel in möglichst kleinen Raum gestopft wird, um nur ja alle Aspekte, Möglichkeiten und Ansätze auszuschöpfen, halte ich allerdings für in die andere Richtung fehlgeschlagen.

Hier, wie überall, gilt es für mich, das richtige Maß zu finden, und da spielt das hinein, was @Zitkalasa angesprochen hat: Relevanz. Muss der Leser das wissen, oder genügt es, wenn ich als Autorin das weiß? Nicht jeder Einfall, nicht jedes Wissen, das ich über meine Figur habe, gehört aufs Papier.

Zitat von: Witch am 20. August 2017, 17:30:21
Abgesehen davon, würde es mir nichts nützen, das detaillierter zu machen, weil ich früher oder später sowieso davon abweichen müsste.

Das ist auch jetzt mein neues Problem. Ich bin Entdecker, ich brauche das Schreiben des Textes, damit die Geschichte sich überhaupt entwickelt. Ich kann das nicht vorher planen.

Ich hab früher auch so geschrieben und bin damit regelmäßig vor die Wand gefahren (und stehe mit dem Manuskript, das ich gerade überarbeite, vor einem riesengroßen Trümmerhaufen. Ein lustiger Trümmerhaufen mit kreativen Ideen und Figuren, die toll sind. Aber eben trotzdem einem Manuskript mit Totalschaden). Ich hab die letzten anderthalb Jahre damit verbracht, mich vor allem theoretisch mit dem Schreiben zu beschäftigen, anderen Autoren "über die Schulter zu schauen", meine alten Prozesse zu reflektieren und zu hinterfragen und festgestellt: ich habe zu wenig geplant. Inzwischen klopfe ich alles komplett ab und stelle sicher, dass die Handlung meine Figuren entspricht (ihre Persönlichkeit, Vergangenheit und Handlungsmotivation also zu dem passen, was sie tun, und die nachfolgende Entwicklung daraus logisch nachvollziehbar resultieren), klopfe den Plot auf alle möglichen Inkonsistenzen ab etcetera. Dann, habe ich beim Schreiben festgestellt, weicht nachher auch nicht mehr soviel vom Outline ab. Weil das organisch ist, und sich aus den Realitäten der Figuren und der Welt ergibt. Funktioniert gut für mich, ist aber auch aufwändig und sicher nicht was für jedermann. Ich würde mal sagen, ich werde in Zukunft 2 bis 3 mal so lange brauchen, das ganze zu planen wie es dauert das zu schreiben (ich schreibe allerdings relativ zügig). Und ich rechne fest damit, dass es danach trotzdem ein bis zweimal überarbeitet werden muss bis erstmalig das Stadion von "braucht nur noch stilistische Schönheitskorrekturen" erreicht ist (und ich gehe mal davon aus, jeder potentielle Verlag hätte dann immer noch jede Menge anzumerken  :rofl:). Effizienz ist gut und schön, aber für mich steht inzwischen Qualität an erster Stelle, und die dauert bei mir, vor allem weil ich mir gern komplizierte (und rechercheintensive) Dinge ausdenke, die dann logischerweise auch jede Menge Potential zum scheitern in sich tragen. Manche Dinge merkt man erst hinterher. Und eine erste Fassung ist eine erste Fassung, und die Überarbeitung davon meiner Meinung nach meist nochmal ähnlich aufwändig, selbst wenn man keinen Ausschuss produziert hat.

Dementsprechend bin ich da ganz bei @Nina Wenn es dir leicht fällt, die erste Variante, die erstmal eher ein Skelett ist, runter zu schreiben und du damit schreibend entdeckst, wo deine Geschichte lang läuft ... dann ist das dein Prozess. Dann nimmst du dir halt danach das Ding und erstellst dir vielleicht an Hand des vorhandenen Textes ein Outline und guckst, wo das Schwächen hat und an welchen Stellen sich der passende Raum für Subplots und ein bisschen schmückendes Beiwerk ergibt. Es gibt ja Gott sei Dank kein Richtig oder Falsch für den Prozess... nur Dinge die individuell funktionieren oder eben nicht.  ;D Und ganz ehrlich, ich finde das Ausloten, wie man seine eigenen Fähigkeiten am produktivsten einsetzt, inzwischen wirklich einen der spannendsten Teile am ganzen Schreiben. Neben dem Schreiben an sich, versteht sich.


Trippelschritt

Ich glaube Belle, dass wir gar nicht weit auseinander sind mit unseren Meinungen und vielleicht in unserer Diskussion nur die kleinen Unterschiede betonen. Sicher sind Leser und Text untrennbar miteinander verbunden, wie auch Autor und Text untrennbar miteinander verbunden sind. Aber nicht völlig deckungsgleich und deshalb schaut ein Autor manchmal verwirrt auf die Reaktionen seiner Leser. Aber was ich für wichtiger erachte ist die Erfahrung, dass man durch eine Verschiebung der Perspektive bei ein und demselben Gegenstand manchmal völlig neue Erkenntnisse gewinnt. Deshalb spreche ich lieber über Texte als über Leser und Autoren.
Und ja, ich bin der Meinung, dass Tiefgründigkeit ein entscheidender Faktor für die Länge einer Geschichte ist. auch wenn sich Tiefgründigkeit bereits im Aphorismus wiederfinden lässt. Doch gilt diese Abhängigkeit nur in einer Richtung. Je tiefgründiger ich meine Geschichte anlege, desto länger wird sie. Wenn alle anderen Faktoren gleich bleiben. Andererseits gilt nicht, dass lange Geschichten immer tiefgründig sind. Ich kann auch unzählige Seiten mit Geschwafel füllen.
Wo ich Dir völlig zustimme, ist Deine Behauptung, dass der Maßstab für die Tiefgründigkeit einer Geschichte immer die ganze Geschichte ist. Und ich stimme Dir auch zu, dass eine Geschichte voller tiefgründiger Szenen einfach over the top und damit ungenießbar ist. Aber es gibt keine tiefgründige Geschichte ohne tiefgründige Szenen und ich hatte eine Szene als Beispiel zur Erläuterung der Ideendichte gewählt.
Ich denke, ein Teil unseres missverstänsnisse ist, dass ich nicht allgemein über Tiefgründigkeit gesprochen habe, sondern am Beispiel einer Szene darüber, wie Ideendichte und Tiefgründigkeit miteinander verbunden sind. Das, was Du über Tiefgründigkeit einer Geschichte geschrieben hast, ist auch meine Ansicht der Dinge.
Und noch ein letzter Satz zum Autor, auch wenn ich lieber über Texte spreche. Schließlich hat eine Autorin hat diesen Thread gestartet. Jeder macht es anders. Ich muss immer mit der ganzen Fülle beginnen, aber ich habe auch nie einen Plan, sondern nur einige fixe Orientierungspunkte. Da arbeitet es sich anders, als wenn ich zuerst ein Gerüst brauche, das ich später füllen muss. Bei mir enrtsteht das Gerüst während erst des Schreibens. Und trotzdem: Dieser Aspekt spielt nur eine Rolle, wie man zu seinen Ideen kommt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es einem Autor hilft, seinen eigenen Kreativitätsprozess zu kennen und nicht gegen diesen anzuschreiben. Glücklich sind die, die ihn intuitiv verstanden haben. Alle anderen müssen ihren Weg erst noch finden. Aber ein Trost ist, dass der eigene Kreativitätsprozess sich auch wandeln kann, wenn man nicht vesucht es zu erzwingen. Aber das sind alles persönliche Erfahrungen und müssen nicht für alle anderen gelten.

Danke schön für diese sehr interessant Diskussion mit Dir.
Liebe Grüße
Trippelschritt

HauntingWitch

Zitat von: Nina am 20. August 2017, 19:15:11
Nur weil du eine andere Herangehensweise hast, muss sie nicht zwangsläufig viel ineffizienter sein. Während sich bei dir die Geschichte beim Schreiben entwickeln und du dafür länger zum Schreiben und Überarbeiten brauchst, planen andere sie wochen- oder monatelang vorher und schreiben sie dann in einem Rutsch runter und brauchen dann weniger Zeit zum Überarbeiten, was aber auch keine Garantie ist, dass sich nicht mittendrin etwas ändert oder Probleme auftauchen, die bei der Überarbeitung behoben werden müssen.

Das stimmt natürlich auch wieder. Ich habe dieses Gefühl nur, weil ich bisher schon immer recht lange gebraucht habe (eineinhalb bis zwei Jahre pro Roman) und deshalb nun nicht sicher bin, wie das sein wird, wenn ich eben mehr Zeit für die Überarbeitung brauche. Aber wie gesagt, ich werde ausprobieren müssen, was funktioniert.

Vielen Dank auf jeden Fall für eure Meinungen. :)

Culham

Vor einiger Zeit neigte ich auch dazu, möglichst viele Perspektiven einzunehmen, um Komplexität zu erzeugen. Ich glaube nun allerdings, dass man damit schnell über das Ziel hinaus schießt. Ganz im Ernst, viele meiner Lieblingsfiguren in Romanen sind Figuren, die keine Perspektive haben... Vielleicht weil es dann für den Leser leichter ist, etwas in die Figur hineinzuprojizieren. Vielleicht ist es meine Besonderheit als Leser, ich weiß es nicht. Auf alle Fälle mache ich es beim schreiben inzwischen auch so. Ich reduziere die Perspektiven auf ein Minimum, wobei ich die anderen Perspektiven aber kenne. Es lässt einfach mehr Geheimnisse. Manchmal lese ich bspw die Perspektiven von Bösewichten und bin dann enttäuscht und denke mir, dass der Autor das besser sein gelassen hätte, weil so die Geheimnisse verloren gehen...