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Romance mit einer starken, unabhängigen Frau?

Begonnen von chaosqueen, 02. Oktober 2017, 22:37:39

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chaosqueen

Zitat von: Leann am 06. Oktober 2017, 08:13:00
ZitatWenn ich jetzt versuche, Figuren zu entwerfen, dann bekommen die irgendwie automatisch auch immer das "alles geht, nichts muss, schauen wir mal"-Label.
Daraus können ja interessante Konflikte entstehen, wenn sie auf Figuren treffen, die das so richtig nervt.  ;)

Kann es sein, dass du bei der Figurenentwicklung einfach zu sehr von dir ausgehst? Natürlich kann man eigene Erfahrungen einfließen lassen, macht man ja automatisch, aber deine Romanfiguren müssen nicht sein wie du (außer du schreibst eine Autobiographie). Entwirf doch zur Übung mal eine Figur, die absolut das Gegenteil von dir ist und schreib eine Geschichte mit ihr. Das kannst du gut so machen, wie KaPunkt vorgeschlagen hat. Vor allem brauchst du in einem Roman mehrere unterschiedliche Figuren, die sollten möglichst nicht alle gleich ticken. Für die ersten Übungen können die Figuren auch ruhig überzeichnet sein. Viel Spaß macht auch gerade, zwie völlig unterschiedliche Figuren aufeinandertreffen zu lassen, z.B. Chaotin trifft Erbsenzähler.

Du bringst mein Problem auf den Punkt: Ich habe keine Ahnung, wie Menschen ticken, die das totale Gegenteil von mir sind und kann sie daher nicht schreiben.

Ich weiß nicht, was einen Menschen dazu bringt, sich narzisstisch zu verhalten (also, psychologisch betrachtet weiß ich das schon, aber derjenige selber denkt ja nicht "meine Eltern haben mir nie Beachtung geschenkt, jetzt beweise ich ihnen, dass ich der Beste bin!", und vielleicht merkt er, dass er aneckt, aber er ändert ja nichts - warum?). Trifft auf eine Menge Verhaltensweisen zu. Ich sehe sie, ich sortiere sie irgendwohin, aber ich bewerte sie nicht.

Was ich kann: Anderen erklären, warum Dinge so laufen, wie sie laufen. Was ich nicht kann: Erklären, wie man sein eigenes Verhalten ändert. Was ich noch weniger kann: Die Motivation eines Menschen verstehen. Warum schmeißen Menschen ihren Müll auf die Straße, schreien ihre Kinder an, fahren mit 60km/h durch die Spielstraße und steigen in volle Fahrstühle ein, bevor andere aussteigen konnten?

Das sind jetzt willkürliche, banale Beispiele, aber ich kann halt nur Figuren schreiben, die sich über so etwas ärgern, weil ich das selber mache. Weil ich das nachvollziehen kann. Dann wird es authentisch. Nicht authentisch wird es, wenn ich versuche, eine Figur zu schreiben, in deren Verhalten ich mich nicht hineinversetzen kann.

@Witch: Mit Werten meinte ich eher, dass ich halt sehe, was passiert, aber nicht, warum. Ich kann (siehe oben) meinen Freunden erklären, warum ihre Beziehung nicht funktioniert (zum Beispiel, weil beide völlig unterschiedliche Ziele haben), aber ich kann die Motivation hinter den Zielen nicht unbedingt sehen und daher keine gescheiten Tipps für Veränderungen geben (wieder ein willkürliches Beispiel).

Heißt: Ich kann eine Figur lustig zusammenbasteln, ihr rote Haare, Sommersprossen, Intellekt und eine Vorliebe für braune Schlangen andichten, sie schlecht aber begeistert unter der Dusche singen lassen und einiges mehr - aber ich habe keine Ahnung, wie ich eine Figur glaubhaft schreibe, die haufenweise Eigenschaften hat, mit denen ich mich nicht auskenne.
Vermutlich ist das die Kunst des Schreibens, und vermutlich ist genau das mein Problem.

Zitat von: Trippelschritt am 06. Oktober 2017, 07:40:53
In kleinen Dingen des Alltags kannst Du es ja, denn würdest du es nicht können, würdest Du überall scheitern.

Story of my life. Tatsächlich scheitere ich in ziemlich vielen Bereichen. Und tatsächlich kann ich hervorragend nachmachen, aber wenig wirklich eigenes erschaffen.

Das mit den Zielen ist interessant, das behalte ich auch mal im hinterkopf. Eine Freundin von mir (deutlich jünger als ich) sagte mit 20: "Ich bin seit vier Jahren mit meinem Freund zusammen. Ich mache jetzt meine Ausbildung fertig, arbeite noch ein, zwei Jahre, dann heiraten wir, bauen ein Haus und bekommen Kinder". Und ich hab bei mir gedacht "klar, du bist jung, schauen wir mal, wie es wirklich laufen wird".
Sie war 22 oder 23, als sie eine Eigentumswohnung gekauft haben, knapp 25, als ihr erstes Kind geboren wurde, hat kurz nach ihrem 25. Geburtstag geheiratet und mit 27 ein Haus gebaut. Ein Jahr später kam ihr zweites Kind zur Welt, und alles, was am Plan nicht stimmt, ist eine geringfügige Verschiebung im Ablauf und die Tatsache, dass das zweite Kind auch ein Junge wurde und nicht wie geplant ein Mädchen.

Das ist jemand mit krassen Ja-Zielen. Mein totales Gegenteil. Bewundernswert. Und unter anderem dadurch motiviert, dass ihre Herkunftsfamilie total kaputt ist und sie ihren Kindern eine heile Welt bieten wollte (und sich halt auch). Aber wenn ich versuche, das nachzuvollziehen, lande ich halt bei psychologischen Erklärungen, aber nicht bei echten Emotionen. Ich lande immer bei Klischees, wenn ich versuche, Figuren zu schreiben, deren Motivation und Handeln von meinem abweicht.

Ich lese wahnsinnig gerne Romane, die von den Figuren getragen werden. Eines meiner liebsten Bücher ist "Die Korrekturen" von Jonathan Franzen. Man kann das Buch darauf herunterbrechen, dass es die Geschichte einer mehr oder weniger völlig normalen Familie mit all ihren kleinen und großen Problemen ist. Ich kann mich nicht mal an eine konkrete Handlung erinnern, nur an das Gefühl beim Lesen und daran, wie unglaublich genial ich die Figuren und ihr Handeln beschrieben fand. Ich bewundere das. Aber ich produziere nur Abziehbilder. Und das liegt nicht nur daran, dass ich in letzter Zeit wenig schreibe, das war schon immer so. Ich erschaffe nichts Neues, ich kopiere nur. Das mache ich sogar in meinen Träumen, da recycle ich ganze Settings. ::)

Das ist schon fast wieder ein eigenes Thema wert ...

Tigermöhre

Hast du mal versucht kurzfristige Motivationen für deine banalen Beispiele zu finden?

Also, der Typ, der nur schnell nach Hause will, und darum die Abkürzung durch die Spielstrasse nimmt? Oder der, der schon den ganzen Tag Rücksicht genommen hat, und jetzt echt kein Bock mehr hat, den Fahrstuhl zu verpassen.
Der, der resigniert seinen Müll rumschmeisst, weil da sowieso schon soviel liegt. Und der, dem die frechen Kinder schon wieder auf der Nase herumtanzen.

Es könnten natürlich auch egoistische Arschlöcher sein, die nie gelernt haben Rücksicht zu nehmen. Aber häufig sind es eben so kleine Auslöser und an denen könntest du ansetzen.

Tanrien

ZitatAber ich produziere nur Abziehbilder. Und das liegt nicht nur daran, dass ich in letzter Zeit wenig schreibe, das war schon immer so. Ich erschaffe nichts Neues, ich kopiere nur. Das mache ich sogar in meinen Träumen, da recycle ich ganze Settings.
Das wäre ehrlich gesagt mein Vorschlag gewesen, dass du einfach mal bewusst Fanfiction schreibst und mit spannenden Figuren, die nicht deine sind, arbeitest. Wenn du dann versuchst, diese authentisch - in-character - darzustellen, legst du dir praktisch nebenbei eine breitere  Palette zu, an Charaktertypen, die du schreiben kannst. Da du @Alana s Bücher ja magst und ihre Charaktere gut und gut für Romance geeignet findest, könntest du ja da anfangen. Du musst es ja nicht posten, aber es als Schreibübung betrachten.

Trippelschritt

@ Chaosqueen

Story of my life. Tatsächlich scheitere ich in ziemlich vielen Bereichen. Und tatsächlich kann ich hervorragend nachmachen, aber wenig wirklich eigenes erschaffen.

Meine Antwort darauf wäre wohl zu persönlich. Deshalb wähle ich die PM

Good luck
Trippelschritt

chaosqueen

@Trippelschritt: Danke, ich antworte nachher noch in Ruhe auf Deine PM!

@Tanrien: Fanfiction kann ich nicht. Ausprobiert, aber: Ich kenne die Figuren nicht. :d'oh: Also, es sind nicht meine. Und ich habe keine Ahnung, was sie antreibt. Echt, das klingt total bescheuert, aber ich habe nie eine Ahnung, wie ich eine Geschichte weitererzählen würde, die ich gelesen habe. Nachdem ich alle vier Teile von Twilight durchaus mit einer gewissen Begeisterung gelesen habe, würde Bella in einer FF den ganzen Tag gelangweilt herumsitzen und hoffen, dass Edward ihr Leben regelt. Und nein, das kann ich nicht schreiben, das wären dann eher die berühmten leeren Seiten, die Stephenie Meyer genutzt hat, um zu zeigen, das in Bellas Leben nichts Nennenswertes passiert, während Edward weg ist.

Was Alanas Geschichten angeht: Ich erinnere mich mehr an das Gefühl, das ich beim Lesen hatte, als an die Figuren. Bis auf eine gewisse Narbe ist mir nichts hängengeblieben.

Wenn ich lese, habe ich selten konkrete Vorstellungen der Personen. Beschreibt der Autor Einzelheiten, pappe ich diese quasi an eine bis dato völlig gesichtslose Schaufensterpuppe. Ich habe zum Beispiel extreme Schwierigkeiten damit, Figuren konkret als farbig zu assoziieren, selbst wenn aus dem Kontext des Buches total klar ist, dass der Protagonist oder sogar der überwiegende Teil des Casts farbig ist (das gleiche mit jeder anderen ethnischen Herkunft, die nicht dem WASP-Klischee entspricht).

Ich hab Literaturwissenschaft und Psychologie studiert, ich sollte eigentlich wissen, wie man Charaktere analysiert, aber wie gesagt: Analyse kann ich, Reproduktion oder sogar eigene Kreativität fällt mir schwer.
Ich glaube, als Therapeutin wäre ich super, weil ich halt gezielt die richtigen Fragen stellen und meinen Klienten zum Nachdenken bringen könnte, aber selber wissen, warum ein anderer handelt, wie er handelt: Nada. Fehlanzeige.

Und was die Idee mit den Motivationen im Kleinen angeht: Ja, klar. Kann ich mir alles vorstellen. Ich weiß es dann aber trotzdem nicht, und für mich fühlt sich der Raser, der einen miesen Tag hatte und fix nach Hause will, so entsetzlich nach Klischee an, dass ich das sofort verwerfe. ::)

Ich tauche ja in schöner Regelmäßigkeit mit Fragen wie "wie geht schreiben eigentlich" hier auf, und ich glaube, genau da liegt auch mein Kernproblem: Mir fehlt da irgendwie ein tiefgreifendes Verständnis der Materie. Und leider muss ich verstehen, was ich mache, um es machen zu können. Fragt meinen Mathelehrer, der musste mir in der Zehnten die Hintergründe der Ableitungen erklären, weil ich zwar begriffen hab, dass ich die Potenz um eines heruntersetzen und die Zahl, die vorher da stand, als Multiplikator einsetzen muss, aber ohne zu wissen, warum das so ist, konnte ich es nicht nachvollziehen und dann auch nicht rechnen bzw. Fehler finden (und nein, ich weiß nicht mehr, warum das so ist).
Oder meine einzige Pilatesstunde: Der Trainer hat so oft gesagt, wir sollen in unser Power House atmen, ohne mir erklären zu können, was genau ich physikalisch tun muss, dass ich irgendwann genervt den Kurs verlassen und mich an den Geräten im Studio abgearbeitet habe.

Trippelschritt hat schon Recht: Ich bin ein extremer Kopfmensch. Ich muss die Dinge verstehen, sonst hänge ich fest. Das betrifft so ziemlich alle Bereiche.

Naja, mal sehen, was ich draus mache. Notfalls werden es 300 Seiten Landschaftsbeschreibungen, damit haben andere auch Geld verdient. ;)

Aquamarin

Ich musste bei deiner Ausgangsidee mit der reisenden Frau gerade spontan an die Problematik vieler digitaler Nomadinnen denken. Seit einigen Jahren gibt es ja immer mehr Frauen, die ihr Leben überwiegend reisend verbringen und währenddessen ortsunabhängig digital arbeiten.

So etwas birgt im Bereich Beziehungen dann enorm viel Konfliktpotential - wenn der Partner nicht ebenfalls so lebt. Es scheint für diese Beziehungen nur die lebbaren Varianten zu geben, dass man entweder gemeinsam reist, oder aber die Beziehung auf Dauer zum Scheitern verurteilt ist. Ich überlege gerade, wie das Ganze im Bereich Romance umsetzbar wäre ...

Was, wenn die beiden sich immer nur auf Zeit sehen, weil jeder das eigene Leben für den anderen eben nicht aufgibt? Das würde ja auch eine ganze Menge an Schmachtpotential bieten ... Und zugleich sind beide eben trotzdem liebende, aber unabhängige Charaktere. Ich würde so eine Konstellation sehr spannend und lesenswert finden, aber natürlich passt das überhaupt nicht in das gängige Romance-Schema ...

HauntingWitch

ZitatIch hab Literaturwissenschaft und Psychologie studiert, ich sollte eigentlich wissen, wie man Charaktere analysiert,

Vielleicht ist genau das dein Problem? Versteh mich nicht falsch, aber manchmal kann es ein Hinderniss sein, zu viel wissen zu haben. Ein eigenes Beispiel, meine asexuelle Prota in meinem aktuellen Projekt. Obwohl ich selbst asexuell bin un deshalb weiss, was sie fühlt und viele ihrer Gedanken aus eigener Erfahrung kenne, habe ich Zweifel, ob ich das richtig rüberbringen kann. Denn sie weiss es nicht und ich weiss es. Natürlich weiss ich nun zwar, wie ich mich gefühlt habe, als ich noch nichts davon wusste, aber seit ich das Wissen habe, habe ich so einen komplett anderen Blick auf einige Dinge oder einige Situationen aus der Vergangenheit. Jetzt muss ich mich irgendwie wieder da hineinversetzen, wie das eigentlich vorher war. Glücklicherweise habe ich Kontakt zu anderen Gleichgesinnten, sonst würde ich mich wohl hoffnungslos verrennen. ;D

Dein Beispiel mit dem Narzissten halte ich übrigens für extrem. Die verstehen ja noch nicht einmal die Experten. Ich glaube, wenn man so jemanden schreiben will als Autor, braucht man enorm viel Übung und Recherche. (Und ein grosses, sehr stabiles Selbstbewusstsein). Aber du musst ja nicht gleich einen narzisstischen Charakter haben, du kannst ja mit etwas Einfacherem anfangen.

Vielleicht wäre es für dich eine Möglichkeit, erst einmal bekannte Menschen zu Charakteren zu machen und damit zu üben? Eine gute Freundin oder Geschwister, irgendjemanden, den du wirklich sehr gut kennst. (Musst ja der Person nichts davon erzählen. ;)) Vielleicht ist es dann einfacher, sich hineinzuversetzen.

Ansonsten kann ich nichts Hilfreiches beisteuern, fürchte ich.  :hmmm:

chaosqueen

Danke, Witch - genau den Gedankengang hatte ich vorhin auch, dass ich möglicherweise zu viel analysiere. :hmmm:

Ich fürchte, meine Schwester wird mir in großen Teilen immer ein Rätsel bleiben, die wäre eine tolle Vorlage, aber da fehlt mir tatsächlich der Einblick ... Andererseits könnte ich sie als Vorlage nehmen und meine eigenen Schlüsse für das Verhalten meiner daraus resultierenden Figur ziehen. Dann habe ich am Ende womöglich eine dreidimensionale Figur, die nicht mal mehr viel Gemeinsamkeit mit meiner Schwester hat.

Ich hab jetzt endlich mal die Charaktervorlage im Scrivener auf meine Bedürfnisse angepasst (wenn ich auf Deutsch schreibe und da ist eine englische Vorlage, hemmt mich das. Außerdem fehlten mir da ein, zwei Punkte, zum Beispiel das Alter) und einfach mal drauf los gebastelt. Jetzt habe ich da eine Figur, die zwar ein paar Charakterzüge von mir hat, aber auch reichlich eigenes, um nicht ich zu sein. Und sie hat einen kleinen Bruder, einen viel größeren Dickkopf als ich (wusste gar nicht, dass das geht) und ich fürchte, der Mann, der sie davon überzeugen kann, sich auf ihn einzulassen, muss erst noch geschrieben werden. ;D

Ich glaube, ich lasse meine bezaubernde Protagonistin mal in irgendeinem fremden Kaff stranden und schaue, was ihr passiert ... :darth: Und wenn ich damit weiterkomme, ziehe ich ganz vorsichtig demnächst mal ins Romanboard ein. Bisheriger Arbeitstitel ist übrigens "Zwischen Tornesch und Timbuktu". :engel:

Danke euch allen, möglicherweise habt ihr mir geholfen, einen sehr fetten Knoten platzen zu lassen! :-*

Alana

Alhambrana

Franziska

Ich finde das Thema auch unabhängig von Chaos Frage spannend. Das begegnet mir immer wieder. Viele Leute, die das Genre nie lesen meinen, Romance wäre per se antifeministisch und natürlich gibt es viele solcher Bücher a la FoG. Ich lese ja selbst kaum Hetero-Romance. Und mir fallen Männer leichter als Frauenfiguren. Aber ich sehe da generell ein Misverständnis was Feminismus angeht.
Wie Churke schon meinte. Selbstbewusst heißt ja nicht, dass man sich nicht verliebt oder keine anderen Menschen braucht. Auch wenn bestimmte Kreise meinen, monogame Beziehungen etc. wären ja überholt. Ich finde, da wird auch sehr viel erwartet von Frauen. Sie sollen selbstbewusst sein, immer stark, Karriere machen, wissen, was sie wollen und sich selbst genug sein. Dabei mit Anfang 20 die Uni abschließen und um die Welt gereist sein. Und brauchen dafür natürlich keinen Mann. Sich nach jemandem zu sehnen, mit dem man sein Leben teilt und evtl. Kinder bekommen kann ist für mich keine Schwäche sondern ganz normal.
Ich habe manchmal das Gefühl, diese neue Generation von Leuten, die ständig um die Welt reisen, irgendwas im Internet arbeiten, polyamore Beziehungen führen etc. machen sich da auch was vor und viele werden dann mit Ende zwanzig, bis Mitte dreißig doch irgendwann sesshaft. Wer so leben will, soll das auch machen und ich habe da überhaupt nichts gegen. Nur wenn gesagt wird, als feministische Moderne Frau, müsste man das so machen. (sorry, ich habe da so einige Gespräche auf Datingseiten gehabt in letzter Zeit) Quatsch. Jeder Mensch hat seine eigenen Erfahrungen und Schwächen und bietet doch genug Möglichkeiten für Konflikte abseits von Geschlechterklischees. Mit Gay Romance mache ich es mir damit natürlich auch ein bisschen einfach. Klar gibts da auch wieder andere Klischees. Aber es ist leicher von den Rollen wegzukommen.
Wenn hier jemand gut Bücher empfehlen kann, die starke Frauen haben, aber nicht so wie Chaos anfangs beschrieben hat, also nur aufgesetzt, dann bitte her damit. Wäre vielleicht hilfreich mal zu gucken, wie das da gelöst wird.

HauntingWitch

ZitatIch fürchte, meine Schwester wird mir in großen Teilen immer ein Rätsel bleiben, die wäre eine tolle Vorlage, aber da fehlt mir tatsächlich der Einblick ... Andererseits könnte ich sie als Vorlage nehmen und meine eigenen Schlüsse für das Verhalten meiner daraus resultierenden Figur ziehen. Dann habe ich am Ende womöglich eine dreidimensionale Figur, die nicht mal mehr viel Gemeinsamkeit mit meiner Schwester hat.

Das finde ich eine gute Idee, so ähnlich mache ich das oft auch. Bei mir funktioniert es. ;D

@Franziska: Du sprichst mir aus der Seele. Ich finde dieses "um eine starke Frau zu sein, muss man das und das und das machen oder können" total daneben, das geht wiederum in die Richtung des Extrems auf der anderen Seite vom Mäuschen. Stärke kann sich ja auf viele Arten und in verschiedenen Situationen äussern.

Schwierig finde ich die Frage, wo die Grenze ist. Der Wunsch nach einer dauerhaften Beziehung und Familie allein macht noch nicht schwach, aber wie etabliert man das gut, ohne in dieses "Mäuschen-Schema" abzurutschen?  :hmmm: Ich glaube, ein Problem ist auch, dass viele Romane nur diese beiden Extremformen (entweder "Mäuschen" oder "Schlägerbraut") abdecken und es oft kein Mittelmass gibt und nur sehr wenige Geschichten, in denen etwas in der Mitte gezeigt wird.

chaosqueen

Das Problem gibt es ja nicht nur in Romanen: Eine Frau, die selbstbewusst und tough ist und sich entscheidet, Hausfrau und Mutter zu sein, wird gerne als Heuchlerin dargestellt, die nichts aus sich macht, ihr Potential nicht ausschöpft und was weiß ich. Umgekehrt werden Frauen, die Karriere machen, dann wiederum beschimpft, weil sie sich die patriarchalen Strukturen zu eigen machen und damit die Frauenbewegung verraten (ja, beides erlebt).
Wir haben derzeit einfach keine festen Rollenbilder in der Gesellschaft, was einerseits toll ist, weil jeder sein und machen kann, was er will, andererseits aber auch dazu führt, das irgendwie alles in der Schwebe ist und man keine Möglichkeit hat, sein Verhalten anhand eines Vorbildes abzugleichen. Ich kenne mich nicht gut genug in der Geschichte aus, meine aber, dass es das so in der Form noch nie gab.
Irgendwann wird sich das wieder beruhigen und wir werden neue Rollenbilder haben. Wer weiß, vielleicht gilt dann die Familie mit gleichberechtigten Partnern, die sich Job und Haushalt zu gleichen Teilen teilen, als absolut erstrebenswert, vielleicht werden wir ins Matriarchat umkippen, vielleicht werden Tränen irgendwann ein Zeichen von innerer Stärke sein, weil man seine Emotionen zulässt - aber aktuell habe ich das Gefühl, dass fast alles ein Drahtseilakt ist, weil es immer Gruppen gibt, die dein Verhalten kritisieren, wenn es nicht ihren Idealen entspricht. :hmmm:

Und deshalb finde ich es so wahnsinnig schwer, da glaubhaft zu sein beim Schreiben. Aktuell ist meine Protagonistin Ende 20 und führt in etwa das Leben, was Franziska gerade so perfekt skizziert hat: Sie arbeitet als Freelancerin im Medienbereich, kann daher auch prima von unterwegs arbeiten und reist viel, pflegt oberflächliche Freundschaften, führt keine Beziehung und fühlt sich zwar wohl, sehnt sich aber schon nach einem Partner.
Sie ist tough, lässt sich kaum etwas sagen, zieht ihr Ding durch - alles Sachen, die als "stark" angesehen werden.
Und damit da irgendwie eine Liebesgeschichte draus wird, muss sie ja auch noch einen Mann kennenlernen, der ihr ausreichend den Kopf verdreht, damit sie zu ihm zurückkehrt. ;) Und da genau muss ich halt zusehen, dass ich die beiden so weit gleichberechtigt gestalte, dass sie eben weder das kleine Mäuschen wird, das endlich von einem strahlenden Helden auf den Weg der Tugend zurückgeführt wird, noch dass sie ihn quasi zum Frühstück verspeist und er komplett nach ihrer Nase tanzt.

Na, mal sehen.

Franziska

Ach ich denke gar nicht, dass das so schwer ist. Sie kann das ja selbst auch reflektieren und muss ja nicht ihr Leben aufgeben für den Typen.
Wenn du das so versuchst wäre das schon mal zehnmal besser als alle hetero-Romance, die ich in letzter Zeit gelesen habe.

gbwolf

#43
Zitat von: chaosqueen am 10. Oktober 2017, 12:42:19
Wir haben derzeit einfach keine festen Rollenbilder in der Gesellschaft, was einerseits toll ist, weil jeder sein und machen kann, was er will, andererseits aber auch dazu führt, das irgendwie alles in der Schwebe ist und man keine Möglichkeit hat, sein Verhalten anhand eines Vorbildes abzugleichen. Ich kenne mich nicht gut genug in der Geschichte aus, meine aber, dass es das so in der Form noch nie gab.
Janu, da hast du doch schon einmal einen Kern für deine Geschichte. Eine Frau, die nach Vorbildern sucht, die nicht weiß, ob sie romantisch sein soll oder tough oder beides sein kann/darf. Oder zwei Perspektiventrägerinnen, eine Anfang 20, eine Anfang 40, beide mit ähnlichem familiären Hintergrund, aber anderem Zeitgeistgefühl.

Edit: Und in irgendeinem Autorennewsletter bin ich vorgestern darüber gestolpert: https://marcusjohanus.wordpress.com/2017/10/01/figuren-cheatsheet-so-erschaffst-du-packende-figuren/

Ansonsten könnte ich zum Thema mehrere Seiten schreiben, aber momentan fehlt mir die Zeit für eine ausführliche Diskussion.

Churke

Zitat von: chaosqueen am 10. Oktober 2017, 12:42:19
Und deshalb finde ich es so wahnsinnig schwer, da glaubhaft zu sein beim Schreiben.

Jetzt soll deine Romance auch noch glaubhaft sein???   ;D
Ich würde knallhart mit Klischeefiguren arbeiten. Man dichtet Figuren Rollenbilder und Eigenschaften an, die völlig unrealistisch sind, aber den Erwartungen der Leser entsprechen. Der vorbestrafte tätowierte Macho auf der Harley als supertoller Vater, Hausmann und glücklicher Prinzgemahl. :wolke: