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Eure Arbeitsschritte

Begonnen von TheMadZocker, 06. September 2017, 15:55:32

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TheMadZocker

Wenn man gerade richtig mit größeren Projekten anfängt, wie bei mir mit einem Buch, hat man mehr als nur eine Hürde zu überwinden. World Building, Charaktere, Progression, Zeiteinteilung, usw.
Eine der größten Hürden ist dabei die Arbeitsweise. Von einer Freundin kenne ich, dass sie klassisch wie folgt vorgeht: Planung, Rohfassung, Überarbeitung. Recht simpel, und es funktioniert auch für sie. Und für jeden dieser Schritte gibt es auch noch Unterpunkte, wie man jene Schritte bearbeiten kann. Leider habe ich meinen flow noch nicht so wirklich gefunden...

Erst kürzlich erfuhr ich von dem Schritt, erst alle interessanten Abschnitte zu schreiben, und die uninteressanten Stellen später zu schreiben. Auch das lief ins Leere, da ich 1. den Bezug zwischen den Stellen irgendwann verlor oder gar lächerlich wirkte, als ich es dann ausschrieb, 2. die Charaktere und ihre Entwicklung nicht mehr nachvollziehen konnte, und 3. die uninteressanten Stellen halt... uninteressant sind, die möchte man einfach nicht schreiben und irgendwann verläuft das dann im Sande.
Bisher schrieb ich einfach ins Blaue hinein, da es meist mehrere kleinere Texte waren, die zwar einen Zusammenhang hatten, aber die Charakterprogression eher in den Hintergrund rückte. Sie war vorhanden, ja, und sie war gut, ja, aber sie war im Text selbst halt nicht vorhanden, bzw. zu schwach für ein Buch (mMn). Und diese TExte hatten einen 2-jährigen Anlauf, aber 2 Jahre für 1 Geschichte wäre dann doch ein Preis, den ich nicht zahlen würde.
Nochmal zu den 3 genannten Schritten: Ich schreibe gerne ins Blaue hinein, da ich so die Welt und die Charaktere selber kennenlerne. Aber so wie es bisher verlief, würde die Charakterprogression, wie gesagt, eher in den Hintergrund rücken, was nicht Sinn der Sache sein sollte. Im Voraus zu planen versuchte ich ebenfalls, z.B. mit der Schneeflocken-Methode oder der 5-Punkt-Struktur. Ich versuche mich gerade eerst ans Worldbuilding zu machen, damit ich dann die Geschichte drum herum aufbauen kann. Da ich dies bereits machte, habe ich eine gute Basis dafür. Aber ich merke schon, wie mir auch das langsam Kopfzerbrechen bereitet...

Was für Strukturen habt ihr denn so, um später einmal ein fertiges Projekt in den Händen zu halten? Wie stark plant ihr? Wie viel schreibt ihr? Was für Techniken zur Sortierung der Dokumente habt ihr euch angeeignet? Ich würde nämlich echt gern wissen, wie ihr so arbeitet. :)

Fianna

#1
Ich habe vor 15 Jahren auch erst die Welt und dann die Geschichte bauen wollen - inzwischen mache ich es mehr oder weniger umgekehrt. Bei mir beeinflußt der Plot stark die Welt.

Ich gehe natürlich mit einem groben Grundkonzept an meine Welt heran, beispielsweise: sehr unruhige Hintergrundgeschichte, die zu Machtwechseln/Wechsel der Herrschaftsformen führte. Diese unruhige Zeit bildet das Grundgerüst für die innere Ordnung / Gesetzgebung usw...
... allerdings fiel mir auf, während ich an meinem Kriminalplot herumwerkelte, dass die Details meiner Hintergrundgeschichte keinen Sinn ergeben. Ich hatte zwar eine genaue Abfolge im Auge, welche Personen oder Bevölkerungsschichten wann wo gemordet oder geputscht haben, um die aktuelle Situation entstehen zu lassen. Allerdings gab es nicht nur zum Zeitpunkt der Handlung, sondern auch davor innenpolitisch Verwirrung und Chaos. Dies habe relativ stringent auf einen bestimmten Punkt zulaufen lassen, aber dann dachte ich mir: das ist total unlogisch. Das würde so nicht passieren. Warum reißt das Militär nicht die Regierungsgewalt an sich?
Die Geschichte beweist in Dutzenden Fällen, dass das die zwingende Konsequenz einer solchen Situation wäre. (EDIT: Ich dachte da natürlich eher an Beispiele, die Hunderte oder Tausende von Jahren her sind - mir fällt gerade auf, dass die Formulierung einen sofort an zeitgenössische Beispiele denken lässt.)
Das wäre am naheliegendsten - aber würde nicht zu der Situation führen, die ich für den Plot brauche.
Also musste das Militär "weg".

~~~~~

Hätte ich erst nur die Welt geplottet, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, das so zu basteln. Möglicherweise, weil in der deutschen Geschichte die Forderung nach Entmilitarisierung in der jüngeren Geschichte aufkam.

Für den Plot war das aber die einzig richtige Entscheidung, weil es nur so zu der Lage kommen kann, die ich für meine Geschichte haben will.



Ich bin ohnehin ein zurückhaltender Weltenbauplotter geworden, aber seit diesem Moment halte ich mich da bewusst minimalistisch. Ich weiß ungefähr, was ich für ein Setting haben will. Und dazu kommt ja noch eine grobe Vorstellung von den Figuren, ihrem Hintergrund, den Konflikten und Zielen, die sie haben. Das alles bietet mir eine Fülle an Details, die meine Welt definieren.

Mit meiner jetzigen Arbeitsweise baut sich die Welt im Prinzip von selbst. Und alles passt super zusammen. Das wäre anders, wenn ich erst eine Welt entwerfe und dann meine Geschichte hinein pflanze.

Churke

Zitat von: TheMadZocker am 06. September 2017, 15:55:32
Erst kürzlich erfuhr ich von dem Schritt, erst alle interessanten Abschnitte zu schreiben, und die uninteressanten Stellen später zu schreiben.

Das halte ich für ziemlichen - Entschuldigung - Bullshit. Uninteressante Stellen verdienen es nicht, geschrieben zu werden. Bei dir hat es dann ja auch nicht funkioniert...  :wart:

Zitat von: TheMadZocker am 06. September 2017, 15:55:32
Nochmal zu den 3 genannten Schritten: Ich schreibe gerne ins Blaue hinein, da ich so die Welt und die Charaktere selber kennenlerne. Aber so wie es bisher verlief, würde die Charakterprogression, wie gesagt, eher in den Hintergrund rücken, was nicht Sinn der Sache sein sollte.

Wenn ich weiß, wo ich hinwill, ergibt sich der Rest von selbst.
Dass der Junge, der das Schwert aus dem Stein zieht, ein anderer ist als der König, der in der Schlacht fällt, ist offensichtlich. Da brauche ich mir über die Charakterentwicklung keine großen Gedanken zu machen, sie ist einfach da.

canis lupus niger

#3
Zitat von: TheMadZocker am 06. September 2017, 15:55:32
Erst kürzlich erfuhr ich von dem Schritt, erst alle interessanten Abschnitte zu schreiben, und die uninteressanten Stellen später zu schreiben. Auch das lief ins Leere, da ich 1. den Bezug zwischen den Stellen irgendwann verlor oder gar lächerlich wirkte, als ich es dann ausschrieb, 2. die Charaktere und ihre Entwicklung nicht mehr nachvollziehen konnte, und 3. die uninteressanten Stellen halt... uninteressant sind, die möchte man einfach nicht schreiben und irgendwann verläuft das dann im Sande.

Tja, genau das ist aber meine Herangehensweise.  Die "interessanten Abschnitte" zu schreiben, macht mir am meisten Spaß, wodurch die Motivation zum danach oder parallel stattfindenden Plotten und zum Fertigschreiben überhaupt erst entsteht.

Den Bezug verliere ich viel eher, wenn ich mich vor dem eigentlichen Schreiben erst endlos mit irgendwelchen Formalien herumquälen muss. Und "Flow" kommt dann gar nicht erst auf.

Uninteressant wird für mich die Geschichte beim X-ten Überarbeiten, wenn ich die ganzen Plotwendungen, Dialoge und Pointen schon auswendig kenne. Aber das ist dann eine Sache der Disziplin. Und es täte mir viel zu sehr um die liebevoll geschriebene Geschichte leid, wenn ich zu diesem Zeitpunkt aufgeben würde.

Zitat von: Churke am 06. September 2017, 16:27:49
Zitat von: TheMadZocker am 06. September 2017, 15:55:32
Erst kürzlich erfuhr ich von dem Schritt, erst alle interessanten Abschnitte zu schreiben, und die uninteressanten Stellen später zu schreiben.

Das halte ich für ziemlichen - Entschuldigung - Bullshit. Uninteressante Stellen verdienen es nicht, geschrieben zu werden. Bei dir hat es dann ja auch nicht funkioniert...  :wart:
Wie Recht Du hast! Nicht jede Szene ist ein Highlight, denn es ist nicht möglich, dass etwas nur aus Sahnehäubche besteht. Aber man kann, ... man sollte jede Szene zu etwas Unverzichtbaren und Lesenswerten machen.

Appletree

Hallo TheMadZocker

Ich schreibe gerade zum ersten Mal ein Buch,  bin also keine Expertin.

Aber bei mir war es so, dass ich erst mal einfach drauflos schrieb.
Die 'Rohfassung' war auch schnell fertig, ich glaube binnen 5 Wochen (ca 250 Normseiten)

Dann fing ich erst an, mir darüber klar zu werden, dass das ein Buch sein könnte, wenn ich wüsste, wie man eines schreibt ...

Also habe ich mich viel mit dem Handwerklichen drumherum befasst und es Schrittweise bearbeitet.

Mittlerweile, und mit etwas mehr Können, sieht das so aus:

-Ich teile das Buch in drei Teile.
Jeder Teil hat eine Haupthandlung, (die durchaus von Hauptkonflikt meines Protagonisten abweichen kann)

-Ich lege fest, was in dem jeweiligen Teil passieren MUSS um Ergebnis XY zu erreichen.

-Ich führe nebenstränge/Geschehen hinzu und lasse sie paralell zur Haupthandlung laufen.

Dann plane ich die erforderlichen Szenen grob vor.
- Wo?
- Was?
- Warum?

Meine Texte fallen IMMER zunächst grob und unschön aus.

Denn ich schreibe (leider) in "Schichten".

- Reine Handlung mit 'nackten' Dialogen.
- Ausarbeitung inner Dialog des Perspektivträgers
- Aktionen zwischen Dialogen oder Gesten/ Mimik
- Dann Atmosphäre


Anschließend bearbeite ich abschliesend sowohl Inhalt wie auch Schriftbild.

Wie du siehst: Das Überarbeiten nimmt bei mir sehr viel Raum ein.
Ich finde meine Baukastentechnik mühselig und bisweilen extrem nervig, aber so komme ich tatsächlich am besten klar. Ich kann einfach nicht sofort einen schönen Text schreiben und ehe ich gar keinen schreibe, mache ich es eben so.

Liebe Grüße
Sarah

criepy

Für mich hat sich "ins Blaue schreiben" nicht bewährt. Jedes Projekt das ich so begonnen habe, hab ich gegen die Wand gefahren weil mir erst auffällt, wenn etwas nicht funktioniert, wenn ich bereits feststecke. Da hilft der Rote Faden auch nicht und mit dem genaueren plotten fahre ich im Moment ganz gut.
Ich hatte immer das Problem, dass ich nur einige Szenen im Kopf hatte und mich nur darauf gefreut habe - die Lücken zu füllen ist mir dabei nicht immer geglückt. So hab ich immer eine Szene auf die ich mich mal mehr, mal weniger freue und kann auch besser am Ball bleiben. Außerdem hab ich mit Szenenplan mehr das Gefühl, dass sich tatsächlich was bewegt, was meiner Motivation auch sehr hilft.

Ansonsten läuft alles ziemlich parallel bei mir, immer abhängig davon wie wohl ich mich mit der Geschichte fühle und wie es sonst läuft. Recherche, plotten, Weltenbau etc mache ich alles zusammen. Manchmal mehr von einem, wenn ich gerade Lust dazu habe. Aber grundsätzlich achte ich darauf, beim plotten immer 2-3 Kapitel vor dem Schreiben zu sein, wenn ich nicht komplett bis zum Ende plotte.
Überarbeitung kommt manchmal erst ganz zu Schluss, manchmal schon ein bisschen vorher. Wenn ich eine Geschichte monatelang nicht angefasst habe, lese ich lieber nochmal alles durch und überarbeite nebenbei, damit ich wieder besser einsteigen kann und die gröbsten Fehler beseitigen kann. Szenen verschieben oder neu schreiben, streichen oder anders aufziehen gehört da teilweise auch dazu, aber auch zu meinem "normalen" Schreibprozess.
Das alles frisst viel Zeit, ja, aber ich liebe es Kreuz und Quer zu arbeiten. Die unterschiedlichen Arbeiten helfen mir auch dabei am Ball zu bleiben.

Christopher

Ok, das wird nun ein etwas längerer Post, aber vielleicht hilft es dir, wenn ich wirklich haarklein aufzähle, wie ich so arbeite.

1. Idee finden

An allererster Stelle steht das finden der Idee. Eine Idee kann einen überall und jederzeit anspringen, wichtig ist, sie mindestens noch am selben Tag zu notieren, bestenfalls schnellstmöglich. Anschließend lasse ich sie eine weile "garen". Sie ruht also, ich hab sie im Hinterkopf und prüfe, ob sie Potenzial für eine ganze große Geschichte hat. Das prüfe ich, indem ich mir z.B. Szenen ausmale, mögliche Ausgänge etc. und sehe, ob mir das gefällt oder eher in "gähn" landet. Gefällt sie mir gut genug, geht es weiter.

2. Anfang und Ende

Bevor ich mir Gedanken über Weltenbau, Charaktere usw. usf. mache, will ich erst mal wissen wo ich anfange und wo es hingehen soll. Anfang und Ende müssen von vornherein feststehen. Dann kann ich von Anfang an auf etwas hinarbeiten, es kommt eine Konstante in die Geschichte, ein Fixpunkt. Sie wird besser fokussiert und das Thema stellt sich heraus.
Mit Anfang und Ende meine ich nicht die konkrete Szene sondern die Ausgangssituation und das Ende. Hamlet erfährt dass sein Vater ermordet wurde. Am Ende des Stücks sterben alle.

3. Pitch

Ich versuche, den Fokus der Geschichte herauszustellen. Worum geht es überhaupt? In zwei, maximal drei Sätzen. Das ist das wichtige, der Hauptplot. Alles andere Nebensache. Nicht unwichtig, aber Nebensache. Sich darauf festzulegen hilft auch später ungemein beim Exposé.

4. Materialzusammenstellung

Was brauche ich, um die Geschichte vom Anfang zum Ende zu führen? Welche Eigenschaften muss der Prota am Anfang und am Ende haben? Welche Nebencharaktere brauche ich? Welche Antagonisten (oder antagonistische Kräfte)?

5. Plot

Was muss passieren um vom Anfang zum Ende zu kommen? Was sind die Schlüsselszenen? Was passiert dazwischen? Was unterstützt die Entwicklung der Geschichte? Was ist schreibenswert? Das male ich mir in wochen-/monatelangen Gedankenspielen aus und führe es zusammen.

6. Weltenbau

Wieder nach Bedarf ausgerichtet. Ich suche nach Ideen um die Welt interessant zu machen, schaue was der Geschichte hilft und was nicht, bastel die Schauplätze, die wichtigen Orte, alles was die Menschen so bewegt in der Welt.


Bis hierhin dauert das ganze gerne mal sehr lange. Im Grunde alles ein Reifeprozess nach finden der Idee. Das lässt sich auch beschleunigen wenn man sich daransetzt und das ganze gründlich durchdenkt, anstatt auf zufliegende Ideen zu warten. Wenn man aber gerade an einem anderen Projekt arbeitet, kann man vielleicht die eine oder andere Idee dort gar nicht brauchen, dafür für das Projekt danach, so wachsen die Dinge allmählich, während ich an etwas völlig anderem arbeite.

7. Schreiben

Hierbei überlasse ich mich gerne dem "Flow". Ich habe angefangen als Bauchschreiber und mache es auch immer noch gerne. Hier und da kostet mich das auch mal ein paar Seiten oder ein ganzes Kapitel, wenn ich hinterher feststelle, dass es nicht in die Geschichte passt oder es mir unmöglich macht zur nächsten wichtigen Szene zu kommen, aber manchmal macht es die Geschichte auch besser. Dann wird der Plan angepasst und verändert. Wichtig dabei ist aber, dass Anfang und Ende stets gleich bleiben, denn das ist ja mein Fokus. Ändere ich den mitten in der Geschichte, passt der ganze Rest nicht mehr so recht ins Bild.
Meine Schreibgeschwindigkeit ist im Durchschnitt etwa bei 1k Wörtern pro Stunde. Mal schneller, mal langsamer.

Entweder beim schreiben direkt oder nach "Fertigstellung" hole ich mir 1-2 Betas ran die mir sagen was gut und was schlecht ist. Kritik richtig aufzunehmen und aufzuarbeiten ist ein ganzes Thema für sich, mein Leitsatz dazu ist aber: "Wenn jemand etwas kritisiert hat er meistens Recht, sein Vorschlag zur Verbesserung hingegen ist meistens falsch."
Nicht auf meinem Mist gewachsen, aber schlag mich wenn ich noch wüsste, wer es in dem Sinne gesagt hat ;D

8. Korrektur

Das läuft dann in folgenden Unterschritten ab:
1. Kapitel mit Nummer+Name als Datei wird auf Rechtschreibung korrigiert
2. Selber noch mal komplett gegenlesen, dabei bewusst Rechtschreibfehler, Satzbau etc. ignorierend, ggf. Überarbeitung/Streichung/Hinzufügen von weiten Teilen
2. Betalesern geben, Hinweise und Anregungen von Betalesern umsetzen, Namensänderung auf Nummer+Name (Alpha)
3. erneute Rechtschreibkorrektur, Verbesserung von Satzbau, Wortwahl, etc. das volle Programm, Namensänderung auf Nummer+Name (Beta)
4. Erneut selber durchlesen, Unterbrechungen im Lesefluss identifizieren, Rechtschreibfehler finden, Satzbau verbessern, Szenen anpassen, nochmal das volle Programm, Namensänderung auf Nummer+Name (fertig)

9. Fertigstellung

Das ist der Schritt wo ich versuche zu erkennen, wann ich wirklich "fertig" bin. Das ist recht schwierig, auch beim 5. mal durchlesen findet man Stellen die man verbessern kann/will. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo das alleine arbeiten nichts mehr wirklich verbessert. Hat man den Punkt erreicht, kann es noch mal ein paar Wochen/Monate ruhen lassen um dann mit Abstand noch mal klarer zu sehen, wo vielleicht Fehler und Problemchen liegen oder ob es gut ist so wie es ist.
Be brave, dont tryhard.

Appletree

Das werde ich mir mal ganz FETT irgendwo aufschreiben und verinnerlichen.


Zitat von: Christopher am 06. September 2017, 17:58:14
9. Fertigstellung

Das ist der Schritt wo ich versuche zu erkennen, wann ich wirklich "fertig" bin. Das ist recht schwierig, auch beim 5. mal durchlesen findet man Stellen die man verbessern kann/will. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo das alleine arbeiten nichts mehr wirklich verbessert. Hat man den Punkt erreicht, kann es noch mal ein paar Wochen/Monate ruhen lassen um dann mit Abstand noch mal klarer zu sehen, wo vielleicht Fehler und Problemchen liegen oder ob es gut ist so wie es ist.

Czara Niyaha

Danke für Deine ausführliche Antwort @ Christopher

Ich bin momentan noch in der Findungsphase, wie es sich für mich am besten und vor allem effektivsten schreibt. Aus dem Bauch heraus schreiben habe ich früher sehr oft gemacht, was irgendwann dazu geführt hat, dass ich nach etlichen Seiten selbst den Überblick verloren habe.
Allerdings merke ich bei meinem aktuellen Projekt, dass ich mich auch gerne in völlig andere Richtungen führen lasse von meinen Charakteren. Das kann gut sein, ist es aber nicht immer. Daher hänge ich derzeit an dem Schlussteil meiner Story. Ehrlich gesagt, bin ich manchmal schon echt gefrustet, weil ich den Eindruck habe, dass ich die Fäden beim Schreiben verloren habe und es irgendwie nicht mehr sinnvoll (zumindest nicht ohne große Plottlöcher...) zusammen geführt bekomme.  ???
Dennoch ist mein Ergeiz da, mich dieser Herausforderung zu stellen und ich hoffe sehr, dass ich bis zum Nano mein überarbeitetes Projekt fertig in den Händen halte. Der Feinschliff der kommt dann später. Ich glaube ich brauche dann erstmal eine Abwechslung und eine völlig neues Projekt!
Solange es Visionäre und Träumer gibt, die den Funken der Hoffnung in sich tragen und das Licht in den Herzen anderer entzünden, ist diese Welt nicht verloren.

(Eden Chry'Salis)

TheMadZocker

Das sind alles recht anregende Antworten, hui. Mal sehen...

@Fianna
Das ist ein sehr guter Ansatz, finde ich. Unruhen auf der (gesamten) Welt und eine bestimmte Weltordnung waren beide Male (in beiden meiner Großprojekte, versteht sich) ein zentrales Grundgerüst. Allerdings waren es beide Male Kriege zwischen den verschiedenen Ländern. Im 2. Projekt (meinem Buchprojekt) ist dies nicht groß anders, zumal der Krieg dort eine sehr zentrale Rolle auf der Welt als Ganzes einnimmt. Es kommt dann aber immer auf den Punkt zurück, dass ich mich für eine der Ären entscheiden muss und auf dieser Welt dann meinen Plot drum herum bauen muss. Wobei dieses Mal allerdings Rebellion auf Regierung trifft...
Dass manche Sachen unlogisch und irgendwann sogar lächerlich wirken, ist auch mir nicht fremd. Im aktuellen Projekt musste ich bereits 3 Mal gedanklich gegen den großen Plotpunkt steuern, weil es irgendwann zu lächerlich wurde, bis ich mir dann total unsicher über dieses Projekt war. Z.B. ob ich jetzt meine Protagonisting gefangen nehmen lasse oder nicht, mich allerdings in eine Zwickmühle reingearbeitet habe, da beide Wege ins Nichts führen würden bzw. zu unspektakulär wären. Ich könnte auch einfach eine Gesprächsszene dort einbauen, wo sie mit ihrer besten Freundin über das Geschehene quatscht und sagt, was sie gerade fühlt. War allerdings zu dem Zeitpunkt eher lame, da das Gespräch tiefschürfend, aber doch recht langweilig zu lesen war - und dabei ist der Plot Twist noch nicht mal eingetreten!

Ich für meinen Teil brauche eine Welt, eine Grundlage. Wo die Länder grenzen haben und die Natur erschaffen wird. Im Laufe meiner kleinen Sammlung habe ich irgendwann mal beschlossen, eine Kreaturen-Enzyklopädie zu basteln. Egal, der Punkt ist, dass die Welt erst existieren muss, oder zumindest ein größerer Schauplatz, der wichtig für den Plot ist (z.B. die Königreiche, Sklavenlager, Städte und Dörfer), dann einen "leeren" Charakter, der etwas cooles (in meinen Augen) durchlebt und darauf braut das dann aus - eine Ausgangssituation, ein Orientierungspunkt.

Ja, Letzterem stimme ich zu. Dass die Welt sich von alleine aufbaut, ist ebenfalls wahr. Als ich mir dann z.B. das Königspaar erdachte, war ihr Reich auch gleich mit dabei. Sie würden zwar keine zentrale Rolle in der Geschichte einnehmen, aber immerhin habe ich mir damit einen Rückzugspunkt erschaffen, wo ich quasi jederzeit hinkann - auch mit meinem Protagonisten, oder zumindest auch mit einem der späteren Hauptdarsteller. :)


@Churke
Jap, dachte ich mir auch, aber probieren geht bekanntlich über studieren... :pfanne:

Dies merkte ich erst letztens, als ich eine Geschichte weiterschrieb und die Gedanken eines Charakters zu Papier brachte. Da kamen die Fragen und Wendungen von ganz allein. Wäre trotzdem nicht schlecht, sich irgendwie in eine Richtung fortbewegen zu können, sodass die Charaktere das erreichen würden, was sie sich nicht nur physisch, sondern auch moralisch vorgenommen haben. Bei der Antwort von Christopher werde ich etwas mehr darauf eingehen.


@Appletree
Ach wo! Es ist schön, jemanden von der gleichen Sparte zu sehen, wie mich. ;D

Rohfassung schön und gut, überarbeiten tu ich ebenfalls nicht zum ersten Mal. Mein persönliches Problem ist allerdings, dass ich ziemlich stur bin, was Geschichtsabläufe betrifft. Heitß, habe ich mich einmal festgesetzt und es niedergeschrieben, verbessere ich höchstens nur noch Grammatik-, Satzbau- und Rechtschreibfehler. Hat auch bisher super geklappt - bei RPG-Forenspielen oder Kurzgeschichten. Bei einem Buch ist das leider etwas anderes, was ich später schmerzlich erfahren musste. Und dieses ganze Theorie hin und her jonglieren geht mich auch auf den Kopf. Vieles überdenke ich dann irgendwann so hart, dass ich den Faden verliere und mein Hirn komplett abstürzt. Böde Sache.
Womöglich bin ich aber auch ein wenig zu perfektionistisch. Ich möchte am Ende nämlich eine Geschichte haben, auf die ich voll und ganz stolz sein kann! Ohne nachher dabei sagen zu müssen "Diese Stelle fand ich schon damals kacke. Das ist keine gute Geschichte..."
Da ich mich an (für mich) herausragend geschriebene Geschichten orientiere, scheint das noch etwas zu hoch für mich zu sein. Es anders zu machen würde mich allerdings auch nicht zufrieden stellen. "Ganz oder gar nicht" ist da meine Vorangehensweise. Es muss nicht beim ersten Anlauf perfekt sein, um Gottes Willen, damit habe ich schon meinen Frieden gemacht, dass dies nicht so sein wird! Aber so die Richtung zu haben, oder die groben Szenarien, von denen ich denke, dass sie episch (und prägnant) sind, würde ich schon sehr gerne haben.
Das mit dem Festlegen, was auf jeden Fall am Ende passieren MUSS, ist ein sehr interessanter Absatz. Herzlichen Dank dafür! Und generell für deinen Input, ich werde mir das im Kopf nochmal vor Augen führen.


@criepy
Kreuz und quer arbeiten kann ich so gar nicht!
Dies resultiert dann leider wieder ins Überdenken und dem totalen Hirnausfall. Leider... Oder zumindest geht das nicht, wenn ich ein Ziel vor Augen und ein Projekt offen auf meinem Monitor habe. Ich springe gerade ebenfalls momentan wie ich lustig bin von Projekt zu Projekt. Problem ist dabei leider nur, dass ich mit nichts fertig werde...


@Christopher
DAS ist ein recht guter Arbeitsweg! Vor allem das "Anfang und Ende festlegen" hat meine Augenbrauen nach oben schnellen lassen. Ich glaube, ich las diese Idee einst ebenfalls irgendwo, kam aber nur noch nicht dazu, es auszuprobieren. Das Ding ist, ich habe tatsächlich eine ungefähre Vorstellung davon, was am Anfang passieren und am Ende für ein Ergebnis rauskommen soll. Das Zentrale Thema ist hierbei nämlich "Stärke", sowohl physisch, als auch moralisch. Die Antagonisting hat nämlich große Angst davor, in ihren holflosen Status zurückzufallen, wo sie nichts als Dreck zwischen den Zehen hatte, später aber zur mächtigsten Rebellenanführerin wurde. Und dies soll sich auch auf die Protagonistin auswirken und sich die Fragen stellen:
Bin ich stark genug, sie aufzuhalten?
Wie erlange ich Stärke?
Sind andere immer stärker als ich?
Ist meine Stärke bloß eine Illusion?

Hier kommt, was ich zuvor bei @Churke schon einbringen wollte:
Diese Geschichte wurde relativ stark von meinem Lieblings-RPG "Final Fantasy 9" beeinflusst. Die Welt, und vor allem die Charaktere waren so lebendig, ich fühlte mich wie hin und davon geblasen! Dort ging es nämlich ebenfalls anfangs um einen Konflikt. Die gierige Königin Brane versucht mithilfe mächtiger Bestien und Schwarzmagiern den "Kontinent des Nebels" und später auch die gesamte Welt zu erobern. Im Verlauf der Geschichte wird allerdings klar, dass der große moralische Schwerpunkt auf "Existenz" liegt. Dabei werden viele Fragen gestellt und geklärt, wie z.B.:
Wie ist es zu sterben?
Was ist der Sinn meines Lebens?
Warum existiere ich überhaupt?
Ich habe Angst vor dem Tod! Ich möchte und WERDE nicht sterben!

Und jeder Charakter hatte auch seinen eigenen Sinn sowie seine eigene Geschichte, wo sie sich ihren persönlichen Problemen stellen:
Braucht es wirklich einen Grund, jemandem zu helfen?
Vergebliche Liebe und die noch größere Angst, in Vergessenheit zu geraten...
Ist es überhaupt möglich, die eigene Existenz zu beweisen?
Majestätische Grazie liegt in meiner Zukunft. Aber wo finde ich mich selbst...?
Was ist meine Bestimmung? Wo liegt der Sinn meiner Existenz...?
Ich gehe meinen Weg! Wasch dagegen? Aber manchmal brauche ich eine starke Hand, mampf...!
Wo liegen meine Grenzen? Habe ich sie schon erreicht? Antworten...
Alleinsein erfüllt mein Herz mit Trauer...

Und das ist es halt, was mich an dieser Geschichte so fasziniert! Ich weiß nicht, wie gut ich die Tiefe des Spiels mit seinen Charakteren rübergebracht habe, aber für mich steht fest: Ich möchte ein ähnliches Level (vielleicht auch nicht SO tief...?) an Erzähltiefe erreichen, wie es FF9 schaffte. Ich möchte, dass meine Charaktere dadurch richtig zum Leben erwachen! Sich eine Frage stellen, die Probleme bewältigen und am Ende eine Antwort erhalten - sowohl Protagonisten, als auch Antagonisten. Ich weiß, dass Videospielskripts anders geschrieben und gewichtet werden, als ein Buch, aber diese Begeisterung für diese Geschichte möchte ich unbedingt in meine Eigene einfließen lassen.

Und da finde ich deinen Ansatz ganz interessant, @Christopher . Ich habe mir vorgestellt, wie es in FF9 hätte aussehen können: Vivi (ein künstlich erschaffener Schwarzmagier) erfährt, dass seine Zeit auf der Welt beachtlich begrenzt ist. Sie fragen sich, warum man überhaupt existiert, und was man mit der Zeit anfängt, die man erhalten hat. Und ganz am Ende kämpfen sie sogar gegen den Hirten für Leben und Tod selbst, der das Ziel hatte, alles Leben zu vernichten, der Protagonist und seine Freunde aber durch ihre Kraft beweisen, dass ihr Wille zu Leben durch das Glücklichsein mit denen, die man liebt, extrem stark ist und die Welt somit verschont bleibt.


Tut mir leid für diese Wand an Text. Vielen Dank für die bisherigen Antworten! ;D

Churke

Zitat von: TheMadZocker am 06. September 2017, 20:06:21
Und dies soll sich auch auf die Protagonistin auswirken und sich die Fragen stellen:
Bin ich stark genug, sie aufzuhalten?
Wie erlange ich Stärke?
Sind andere immer stärker als ich?
Ist meine Stärke bloß eine Illusion?

Siehst du, solche Fragen stelle ich mir frühestens bei der Überarbeitung, im Einzelnen auch erst im Lektorat. Ich lege erst fest, was eine Figur tut. Die Charakterentwicklung erarbeite ich dann anhand der Entscheidungen, die die Figur treffen muss. Typischerweise bei der Überarbeitung. Ich scheue mich auch nicht, Charakterzüge wieder raus zu schmeißen, wenn ich das Gefühl habe, dass es nicht funktioniert.
Deine vorgenannten Fragen würde ich einfach unter "Selbstzweifel" einsortieren. Für mich wäre klar, dass diese nicht allzu ausgeprägt sein können, denn wer führen will, darf sich nicht zu viele Zweifel erlauben. Ich würde Ereignisse einbauen, die das Selbstvertrauen der Figur zwangsläufig erschüttern. Wenn du ständig auf die Fresse kriegst, stellst du dir irgendwann zwangsläufig die Frage, ob du auf der Veranstaltung richtig bist.  ;)
Und dann würde ich bem Schreiben eben schauen, was man daraus machen kann. Die Figur muss die Krise ja auch irgendwie überwinden, wenn es kein Drama werden soll.
Und wenn ich fertig wäre, würde ich mir das alles noch mal anschauen und an ein paar Schräubchen drehen. Wahrscheinlich würde ich etliche Seiten heraus kürzen, ich neige bei der Charakterentwicklung gerne zu Redundanz und Wiederholungen. In anderen Szenen würde ich den Charakter noch deutlicher heraus arbeiten.

Appletree

Zitat von: Churke am 06. September 2017, 21:44:47
Zitat von: TheMadZocker am 06. September 2017, 20:06:21
Und dies soll sich auch auf die Protagonistin auswirken und sich die Fragen stellen:
Bin ich stark genug, sie aufzuhalten?
Wie erlange ich Stärke?
Sind andere immer stärker als ich?
Ist meine Stärke bloß eine Illusion?

Siehst du, solche Fragen stelle ich mir frühestens bei der Überarbeitung, im Einzelnen auch erst im Lektorat. Ich lege erst fest, was eine Figur tut. Die Charakterentwicklung erarbeite ich dann anhand der Entscheidungen, die die Figur treffen muss. Typischerweise bei der Überarbeitung. Ich scheue mich auch nicht, Charakterzüge wieder raus zu schmeißen, wenn ich das Gefühl habe, dass es nicht funktioniert.

Das finde ich sehr interessant, denn bei mir war es so, dass ich absolut nicht weiter Schreiben konnte, wenn meine Figuren aus dem angelegten Rahmen fielen.

Sie waren zwar anfänglich noch roh, doch im meinem Kopf waren sie bereits fest umrissen, zumindest unterbewusst.

Demzufolge habe ich alles an meine Figuren bzw deren Charaktere angepasst. Sie haben einfach nichts getan, was nicht zu ihnen passt. So entstanden dann auch viele Konflikte für meine Leutchen, denn sie werden häufiger in Situationen gebracht, mit denen sie nicht gut zurecht kommen.

Es wäre für mich undenkbar gewesen, es andersherum zu machen, also meine Protagonisten an die Story anzupassen.

Ich glaube das könnte daran liegen, dass bei mir die Figuren VOR der Handlung der Story da waren.

Evanesca Feuerblut

Also zum Thema "Nur die interessanten Abschnitte schreiben funktioniert nicht": Ich habe auf die Weise neun Bücher beendet. Das hat so funktioniert, dass ich im Laufe der Monate an Vorarbeit, in denen ich mit anderen Dingen beschäftigt war (Kurzgeschichten, Überarbeitung, Uni) immer dann, wenn mir was eingefallen ist, die Szene auch aufgeschrieben habe. Das waren dann jedes Mal flashfictionartige Schlaglichter, die natürlich spannend waren.
Dazu habe ich mir allerdings in Stichpunkten notiert, was vorher passiert sein müsste, damit es dazu kommt. Und was ungefähr hinterher passieren müsste (auch wenn ich gerade keine Lust hatte, das zu schreiben.)
Bei der Rohfassung habe ich das Ganze vervollständigt, allerdings auch da die Rohfassungen der einzelnen Kapitel in allen neun Büchern größtenteils à la Flashfiction eingebaut: Kapiteleinstieg mitten in der Handlung, Kapitelausstieg offen.
Die Rohfassungen sind zwar katastrophal geworden, aber immerhin fertig und das ist in der Zwischenstufe alles, was zählt. Jetzt bin ich bei der ersten Überarbeitung (also beim Auffüllen) bei Band 9 angekommen und all jene Szenen, die ich nicht geschrieben habe weil ich damals "keinen Bock" auf sie hatte, erweisen sich auf einmal als interessant und wichtig. Und ich habe an Skills zugewonnen, um sie auch so umzusetzen.
Es kann also schon klappen, man muss nur dranbleiben. Und man muss sich vom Gedanken lösen, die Rohfassung habe schon irgendwie dem fertigen Produkt zu ähneln, das nimmt Druck. Klar, durch Erfahrung macht man immer weniger BLÖDE Fehler. Aber bei Buch Nummer 17 macht man trotzdem noch welche und das ist okay so.

Du musst aber wissen: Ich gehöre zu den Autor*innen, die ähnlich wie Appletree erstmal die nackte Handlung, die Dialoge und vielleicht noch rudimentäre Gefühle schreiben. Handlung steht im Vordergrund, ich will ja wissen, wie es dazu kommt, dass all die spannenden Dinge passieren, die mir so eingefallen sind und ich will es SCHNELL wissen, also hetze ich furchtbar durch die Rohfassung. Das merkt man auch meinen NaNoWriMo-Schnipseln in den jeweiligen Threads an, da ist am nächsten Tag die Handlung immer schon Lichtjahre weiter, weil ein Tagessoll bei mir auch schon mal fünf Kapitel füllen kann oder so.
Andere neigen da zu mehr Schwafelei, die nachträglich weggekürzt werden muss. Da sind alle unterschiedlich.

Ich schaue mir auch erst nachträglich an, wie meine Charaktere nun geworden sind und verstärke diese Charakterzüge in der Überarbeitung so, dass sie durch Handlungen von Anfang an deutlich werden. Die Entwicklung, die ich vorher nur andeute bzw. durch die ich durchhetze, mache ich dann in Ruhe.

Vielleicht ist das dein Problem: Du hast deine Charaktere so lebendig vor Augen, dass du das Gefühl hast, beim Schreiben nicht an dein Kopfkino heranzureichen.
Ist okay. Jede*r Leser*in wird nämlich laut narrativer Philosophie (und der hänge ich an) ohnehin was völlig anderes sehen als du gesehen hast. Wenn du weißt, dass du - selbst WENN du DEIN Kopfkino perfekt ins Buch überträgst - es trotzdem nicht in die Köpfe der Leser*innen transportiert wird, nimmt das Druck von dir.
Ich hatte ein ähnliches Problem bei der Rohfassung: Einen epischen Endkampf am Ende von Band 9, alles genau vor Augen. Das, was ich aufs Papier geworfen habe, ist Murks. Aber hey, dann muss ich den halt überarbeiten.

@Appletree bei mir sind auch die Charaktere vor der Story da. Oft Jahre vorher. Aber sie verändern sich trotzdem oft beim Schreiben.

Trippelschritt

#13
Es gibt ungefähr so viele Arbeitsansätze wie es Schreiber gibt, was so viel bedeutet wie: Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Es gibt drei Grundtypen mit vielen Übergangsmöglichkeiten.

- Reine Bauchschreiber. Diese Gruppe ist winzig, wenn man einmal von den vielen Schreibanfängern absieht, die genau diesen Weg verfolgen, weil sie das Schreibhandwerk noch nich beherrschen. Warum auch nicht. Es macht Spaß und wenn man Glück hat ... Damit das dauerhaft läuft, muss man aber bereits eine enorme schreiberfahrung haben. Wie King zum Beispiel, der sich wirklich mit Try and Error an die Spitze geschrieben hat und anfangs enorm viele Absagen kassiert hat.

- plottende Bauchschreiber. Das sind die, die erst beim Schreiben auf Ideen kommen. Und wenn sie etwas geschrieben haben, fangen sie von vorn an und überprüfen, ob es auch etwas taugt, was sie geschrieben haben. Das ist eine Kombination von kontinuierlichem Schreiben und direktem Überarbeiten. Ein sehr umständlicher Weg, aber unumgänglich, wenn der eigene Kreativprozess so abläuft. Sollte ein plottender Bauchschreiber jemals auf die Idee kommen und zum Planschreiber mutieren, dann kommt da eine sehr blutleere Geschichte sdabei heraus.

- Planschreiber. Die wohl größte Gruppe. Erst überlegen sie, was sie schreiben wollen und wie, und dann schreiben sie. Ist so einfach, wie es klingt, vorausgesetzt man beherrscht das Handwerk.

Die wichtigsten Schritte sind überall diesselben. nur die Reihenfolge der Bearbeitung kann variieren.
1. Schritt: Man braucht eine Grundidee, eine Prämisse und ein Thema (controlling idea). Manchmal unterscheiden sie sich, manchmal stimmen sie überein.

2. Schritt: Das Setting. Der Autor muss die Welt kennen, in der die Geschichte geschieht. Bei Fantasy kann es Jahre dauern, bis man seine Welt zusammen hat, bei zeitgenössischer Literatur kennt man die Welt und muss höchstens ein paar Dinge nachrecherchieren.

3. Schritt: Man muss seine Figuren kenenlernen. Zunächst Protagonist und Antagonist. Dann die anderen Figuren.

4. Schritt: Der kann auch mit Schritt 3 wechseln: Grobplot erstellen mit auslösendem Ereignissen und Aufbau der Widerstände.
Wichtig ist, dass Plot und Figuren eine Einheit bilden. Womit man anfängt, ist Geschmacksache.

5. Schritt: Der gilt nur für Planschreiber. Die konstruieren nun einen Plot, häufig nach formalen Gsichtspunkten. Beispiel: Dreiakter mit zentralem Wendepunkt in der Mitte des zweiten Aktes.

6. Schritt: Reine Planschreiber schreiben jetzt. Alle anderen haben vorher schon geschrieben und mehrer Überarbeitungen hinter sich.


Viel Erfolg mit der Suche nach dem eigenen Weg. Alles ist möglich. Auch das Gegenteil davon. (Dürrenmatt)
wünscht Trippelschritt

Peftrako

Ich finde den Thread sehr spannend. Mein derzeitiges Projekt ("Kalte Seelen") ist mein erster richtig ernsthaft angegangener Roman. Da ich jedoch das Handwerk nicht erlernt habe, sondern quasi Quereinsteiger bin, musste ich mich auf meine Intuition verlassen.

Wie Trippelschritt schon schreibt, ich muss auch meinen eigenen Weg finden. Ganz ohne Plott sind meine früheren Versuche immer gescheitert. Entweder geriet die Geschichte zu kurz, weil beim Bauchschreiben der Plan fehlte und dann in einer Sackgasse endete oder die Idee bzw. der Plott war schon so komplett, dass ich die Lust verlor, daran zu schreiben.

Bei "Kalte Seelen" gehe ich einen Mittelweg. Ich kenne den groben Verlauf der Geschichte. Die detaillierten Szenen, die den groben Verlauf auskleiden, entwerfe ich mittels einiger Stichpunkte jedoch nur soweit in die Zukunft, dass ich für die nächsten 6-8 Kapitel Schreibstoff habe (dadurch habe ich ein Auge konstant auf die nahe Zukunft gerichtet). Dann schreibe ich die Szene, deren Anfang und Ende ich kenne, im Detail anhand meines Plotts. Oft ergeben sich dabei in der Tat Dinge (da kommt dann der Bauch-Schreiber durch), die Einfluss auf den bereits gemachten Detail-Plott haben. Bislang hielten sich die Rückkopplungen zum Glück jedoch in Grenzen.

Mangels komplettem Plott schreibe ich aber immer ein wenig mit der Angst, dass die Entwicklung in den bekannten Kapiteln das eigentlich geplante Ziel unmöglich machen kann.

Das größte Problem bei meiner Vorgehensweise ist jedoch die Charakterentwicklung. Ich bin gerade im ersten Durchlauf, habe aber jetzt schon den Eindruck, dass sich meine beiden Hauptcharaktere selbst weiterentwickeln (abhängig von den durchlebten Situationen). Wohin sie das bringen wird, weiß ich eben noch nicht. Da werde ich wohl beim Überarbeiten an den ersten Kapiteln nachbessern müssen, damit alles stimmiger wird.

Es hilft mir nun sehr, die vielen Varianten hier zu lesen, da ich mir dadurch nochmals Anregungen holen kann, wie ein Roman denn handwerklich aufgezogen werden sollte/kann.


Phantasie ist eine gläserne Blume. Sanft zu berühren, zerbrechlich und filigran. Durchsichtig kaum wahrnehmbar für die einen. Strahlend schön in schillernden Farben für die anderen. Je nach Licht, in welchem sie betrachtet wird.