• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Informationen im Subtext vermitteln

Begonnen von HauntingWitch, 16. August 2016, 13:00:21

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Klecks

Zitat von: Siara am 16. August 2016, 14:31:48
Jaja, der Subtext. Mich erinnert er immer an Wasser. Wenn man ihn fest zu packen versucht, zerfließt er.

Mir geht es da sehr ähnlich. Ich weiß insofern, was Subtext ist, dass ich es in Büchern (und Filmen) und auch beim Schreiben erkennen kann, aber ich könnte nicht sagen, was genau Subtext ist oder wie ich ihn schreibe, geschweige denn könnte ich das jemandem erklären.  :d'oh:  Dabei mag ich Subtext sehr und bin der Meinung, dass er umso besser wird, je mehr man über seine Figuren weiß - und je weniger man davon tatsächlich im Text stehen hat.

Sturmbluth

Subtext ist das Antonym vom Erklärbär  ;D

HauntingWitch

So, jetzt komme ich endlich dazu, hier richtig zu antworten.

@Fianna: Ja, das stimmt, Beispiele finden ist schwierig. Das ist es eben, was mich so anspricht. Diese zusätzliche Ebene (die für mich in dem Beispiel allein schon durch das Unausgesprochene und was darin mitschwingt entsteht). Aber dass du und auch Alana es anders empfinden, zeigt, was hier schon mehrfach gesagt wurde. Dass die Wahrnehmung des Empfängers sehr individuell ist. So betrachtet kann man das alles entspannter sehen.

@Trippelschritt: Ich hoffe, wir werden irgendwann einmal Gelegenheit haben, zusammen an einem Tisch zu sitzen. ;) Genau an diese Dinge denke ich, nur dass du das gerade viel besser ausformuliert hast, als ich. :) Dein Beispiel mit Mann und Frau ist interessant (wenn auch nicht neu), gerade diese einfachen Alltagssituationen muss ich wohl noch einmal genauer unter die Lupe nehmen.

@Siara: Das Kommunikationsmodell kenne ich, das hatte ich mal in einem Kurs. Mir ist gar nicht in den Sinn gekommen, damit aus Autorensicht zu arbeiten. :rofl: Aber das könnte ich ausprobieren.

@Kerstin: Auch eine interessante Methode, für mich aber vermutlich zu rational. Ich bin auch jemand, der die besten Sachen im Flow / unbewusst produziert und es mit zu viel Nachdenken eher kaputt macht. Mit dieser Technik würde ich vermutlich ganze Szenen zerschiessen, die vorher eigentlich besser wären. Aber für Übungszwecke bietet es sich vielleicht an.

@KaPunkt und Churke: Ich fürchte, ihr habt Recht. ;D
Meine Figuren zu kennen, ist eine meiner Stärken, denke ich. Trotzdem finde ich es schwierig. Ich habe sogar ein aktuelles Beispiel bei einem neuen Projekt. Der eine Dialog dort ist für mich völlig klar und ich empfinde ihn als gelungen. Nur weiss ich jetzt nicht, ob das, was ich sagen möchte, auch rüberkommt. Denn die Leser kennen die Figuren ja nicht so gut wie ich. Versteht ihr, was ich meine? Klar kann ich, wenn ich meine Figuren kenne, diese unterschwelligen Sachen einbauen, die z.B. zwischen einem Pärchen, das schon ewig zusammen ist, mitschwingen. Aber dann laufe ich möglicherweise Gefahr, dass es wiederum nicht verstanden wird, weil den Lesern einfach eine Information fehlt, die ich habe.
Aber wenn ich das dahin schreibe, wirkt es, als bekäme man die Information mit dem Holzhammer um die Birne gehauen. Zurück zum Beispiel aus dem King-Buch. Es hätte da auch stehen können: ,,Der Sohn, sein einziger Sohn, bedeutete ihm noch mehr, nachdem die anderen beiden gestorben waren." Oder etwas in der Art. Das empfände ich aber dann als nur noch halb so subtil, denn das ist er, der Holzhammer. Ich möchte, dass die Wichtigkeit des Sohnes für den Vater zwischen den Zeilen durchdringt und nicht da steht wie ein leuchtendes Warnschild. Deshalb gefällt mir das ja so gut, so wie es ist. Ich merke gerade, meine Gedanken drehen sich im Kreis.


Loki

ZitatMich wundert es manchmal, dass Dinge, die für mich glasklar im Subtext formuliert sind, für andere garnicht vorhanden zu sein scheinen. Ein sehr komplexes Thema.

Das denke ich auch immer. Es ärgert mich teilweise ungemein wie unaufmerksam manche Leute Bücher lesen. Trotzdem steht man ja als Autor vor der Aufgabe gerade auch solchen Menschen Spaß am Lesen haben zu lassen ...

Was den Subtext angeht mühe ich mich selbst auch oft ab, aber ich steuere teilweise bewusst auf diese kurzen Pasagen zu in denen man ein paar Brocken Information (ja nicht zu viel!) unter die Leute bringen kann.  :vibes:

Gabryel

Super interessantes Thema. Ich habe gerade letztens viel darüber nachgedacht, aus einem anderen Kontext heraus - kennt ihr Zoomania? Den Disneyfilm mit Fuchs und Hase. Während ich von vielen alten Disneyfilmen nicht sooo der große Freund war und bin, weil sie für meinen Geschmack nicht genug Tiefe hatten, mag ich gerade die neuen Filme sehr gerne, die hier und da ganz subtile Inhalte beinhalten. Okay, vielleicht war ich damals auch einfach zu jung um die zu kapieren  :rofl: Anyway.

Ich halte es für eine große Kunst, Text oder Inhalt oberflächlich schlüssig und interessant für den ... sagen wir genügsameren Geist zu halten, während man in dem Großen und Ganzen aber eine subtile Message versteckt, die der aufmerksamere Leser dann entdecken kann. An dem Beispiel Zoomania: Es geht vordergründig um einen Hasen, der seine häsischen Grenzen überwindet, und einen Fuchs, der durch dieses Beispiel dazu kommt zu beweisen, dass Füchse auch ganz anders sein können. Das ist ein Inhalt der für Kinder auch schon gut zugänglich ist. Die Wendung um den Antagonisten herum ist pfiffig, wenn auch nicht ganz neu, und hat schon eine etwas komplexere "es ist nicht immer wie es scheint"-Botschaft. Wenn man sich die Story im gesamten anschaut, kann man darin aber etwas ganz anderes erkennen: Aus einer unterdrückten Minderheit, die eigentlich eine Mehrheit ist, schält sich eine "Rachefigur" heraus, die mit Unschuldigen aus der ehemals unterdrückenden Schicht abrechnet. Es geht um Rassismus und Mobbing, jedenfalls in meinen Augen, so ganz diffus zwischen den Zeilen. Ich denke nicht, dass es jeder so sehen und auch nicht, dass jeder das verstehen muss, aber ein Werk ist für mich dann beeindruckend, wenn ich solche unausgesprochenen Fingerzeige entdecken kann.

Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass man bei dem, was ich so fabriziere, so einfach alles herauslesen kann, was ich damit gemeint habe - wenn ja, dann habe ich es zu offensichtlich gemacht :P Ich muss aber auch gestehen, dass ich nicht darauf ziele, für eine breite Masse ansprechend zu sein.

Was den Subtext an und für sich angeht, finde ich, es kommt sehr auf die Erzählweise an, oder? Wenn ich aus dem personellen Erzähler herausschreibe, impliziere ich zumindest mehr, weil meine Prota z.B. nicht darüber nachdenkt, wie viele Geschwister genau wann gestorben sind, sondern nur der kurze Gedanke ist: Das ist mein letztes Kind. Dein letztes Beispiel schlüge für mich Richtung der aktorialen Erzählweise, nüchterner und so ... aber ich bin da auch echt kein Profi. Alles gefährliches Halbwissen  :rofl:

Japaner sind übrigens die Meister des Subtexts. Es gab mal einen Fall, wo Bill Clinton wohl mit dem japanischen Premierminister etwas besprochen hat, und der Japaner beendete das Meeting mit "Wir werden darüber nachdenken." Clinton verstand das als ja, und als dann die Absage aus Japan kam, behauptete er, der Japaner hätte gelogen -  nun ist es aber so, dass ein Japaner ungern eine Absage direkt ins Gesicht erteilt, weil er das persönliche Verhältnis nicht belasten will, indem er den anderen öffentlich abweist. Also sagt er "ich denk drüber nach" und gibt dem anderen die Gelegenheit, ohne Gesichtsverlust heimzugehen und schickt dann die ausdrückliche Absage nach. Haben die Amis nicht so verstanden :D

Trippelschritt

Lol, ja, so sind Asiaten. Ich wollte einmal in Hongkong ein Buch kaufen, das leider nicht vorrätig war. Der Shopowner bedauerte das und sagte, dass es aber morgen bestimmt da sein würde. Und ich stand prompt am nächsten Tag wieder auf der Matte um genau mit derselben Botschaft wieder weggeschickt zu werden. Ein klares Nein ist einfach unhöflich.

Aber ich möchte noch etwas zu dem Punkt sagen, wie ein Autor mit Subtexten und einer hetrogenen Leserschaft aus Jugendlichen und Erwachsenen, Ungebildeten und literarisch versierten, Links- und Rechtsdenker und was man sich noch alles ausdenken kann, umgehen soll. Er wird es nie allen rechtmachen können und sollte es daher auch erst gar nicht versuchen. Ich habe in meiner Pentamuriatrilogie da lange drüber nachgedacht und Folgendes gemacht. Ich sage mal schon gleich, dass auch das nicht 100% funktioniert hat, aber ich bin mit der Resonanz der Rezensionen (die Aussagen, nicht die Bewertungsdsternchen) recht zufrieden.
Für den jugendlichen Leser sollte es eine spannende Geschichte sein, wo der Held durch seine Neugier und die Neigung auf nichts Rücksicht zu nehmen in Gefahr gerät und heil wieder raus kommt. Das ist die Geschichte ohne Subtext.
Für den Belesenen gibt es aber auch eine Geschichte darüber, wie eine Gesellschaft versucht, auf mit einer umwälzende Veränderung, die keinen Stein auf dem anderen lässt, umzugehen. Die mächtigen Magier versuchen alles zu blockieren und zu attackieren. Die Oas ihre eigenen Positionen anzupassen. Und dann einige Einzelkämpfer in der Zeit des Umbrauchs, ihren persönlichen Vorteil zu suchen. Und dann gibt es noch den jugendlichen Protagonisten, der gleubt, erst einmal verstehen zu müssen.

Und dann gibt es noch einige Subtexte, die ich nur für mich geschrieben habe. Verborgene Ideen zum Finden, wenn dem Leser etwas auffällt. Die Verbindung vieler Namen und Bezeichnungen zu Aspekten der realen Welt. Das gilt vor allem für Tiere und Pflanzen. Eine Schöpfungsgeschichte, die sich am Urknall und am Taoismus orientiert. Eine Magie, die mit Yin und Yang begann und bei den chinesischen fünf Elementen aufhört, ohne das jemals zu erwähnen. Einige Leser hat das verwirrt, aber andere haben das tatsächlich gefunden. Was für eine Freude.
Und in meinem neuen Zyklus taucht plötzlich eine neue Schöpfungskomponente auf. Der Gott Ran, dessen Namen erst sein volles Potential in der englischen Übersetzung entfaltet. Sollte das Buch jemals übersetzt werden. Ran herrscht über das Ran-Tum (engl. Ran-dom, wie Kingdom) Und Ran ist der Gott des Zufalls, dem alles unterliegt. Und wenn das niemandem auffällt? Mir doch egal. Hauptsache, es hat mir Freude bereit beim Schreiben.
Übrigens. Denamio hat mir gesagt, ich solle da bloß nicht so sicher sein, dass das niemand rauskriegt.  ;D

Also: Etwas lässt sich planen. Etwas sollte jman vielleicht tun ohne Rücksicht auf Verluste, wenn es Spaß macht. Und bei dem rEst liegt man in den Händen Rans ^^

Liebe Grüße
Trippelschritt

Khevira

Ich denke, dass man besonders bei Kurzgeschichten sehr viele Informationen über Subtext vermittelt werden, gerade weil sie eben so kurz sind und jedes einzelne Wort überlegt gewählt werden muss. Die Meisterin der Kurzgeschichten ist für mich ja Alice Munro, bei der man viel zwischen den Zeilen lesen muss. Sie schafft es mit einem Satz die Beziehung zwischen zwei Charakteren zu beschreiben und auch sehr kurzen Dialogen eine Bedeutung zu verleihen. Für mich persönlich ist es schwer subtile Informationen in meinen Texten unterzubringen. ::) Aber wahrscheinlich sind Kurzgeschichten (oder besser gesagt gute Kurzgeschichten) deshalb auch eine Kunst für sich.

HauntingWitch

Ich habe noch ein wenig darüber nachgedacht und denke auch, dass es auch viel mit dem Wissen, Hintergrund und der (Lebens-)Situation des Lesers zu tun hat. Je nachdem betrachtet man eine Aussage anders oder achtet auf andere Dinge. Deshalb sehen ja auch die einen Leute einen bestimmten Subtext und die anderen nicht. Ja, ich glaube, allen recht machen kann man es wirklich nicht. Ich möchte nur, dass beides funktioniert: Das Erlebnis für den - wie Gabryel so schön gesagt hat - genügsameren Geist und das für jenen, der eben viel Wissen (zu einem Thema) besitzt und gerne etwas mehr Gedankenfutter bekommt.  ;D

Da fällt mir gerade Terry Pratchetts "Rollende Steine" ein, nicht unbedingt wegen dem Subtext, aber wegen den Anspielungen. Die eine in dem Leserforum, in dem ich damals war, hatte geschrieben, sie hätte es schade gefunden, dass sie die einen Witze gar nicht verstanden hätte. Für mich lag die Antwort auf der Hand: Sie kannte die Musik, auf die angespielt wurde, nicht, also konnte sie den Witz gar nicht verstehen. Und auch wenn ich Pratchett super finde, möchte ich das bei meinen eigenen Werken eigentlich vermeiden. Ich möchte, dass auch jemand, der nicht das nötige Hintergrundwissen hat, es versteht. Und es für den anderen einen Mehrwert gibt, eigentlich was Fianna sagt.

Aber was ich schon als hohe Kunst empfinde, ist die schon erwähnte Serie "Gotham", dort funktioniert das wunderbar. Ich, als totaler Batman/Comic-Laie, der keine Ahnung von dieser Welt und von den meisten Charakteren in der Serie zum ersten Mal etwas gehört hat, kann das gucken und ich finde noch Subtext, eben z.B. wie in den erwähnten Dialogen. Aber ich gehe ganz schwer davon aus, dass das auch für jemanden, der die alten Geschichten kennt, interessant ist. Wenn es jemand hier besser weiss, darf er das aber auch gerne korrigieren.  ;D ;)

Tigermöhre

Ich lese hier auch interessiert mit. Denn bislang nutze ich Subtext noch nicht besonders stark, obwohl ich mich freue, wenn ich Subtext bemerke. Die vier Kommunikationsebenen nach Schulz von Thun finde ich da gerade einen sehr interessanten Ansatz. Da muss ich eindeutig mehr drüber nachdenken.


Wo man übrigens sehr viel Subtext findet, sind gute Kinderbücher.
Seitdem ich eigene Kinder habe, stelle ich immer wieder fest, wie amüsant viele Kinderbücher sind. Und ich merke, dass ich die Bücher mit einem Subtext für Erwachsene deutlich lieber vorlese, als die ohne. (Das ist übrigens bei Kinderfilmen und -serien auch so.)
Ich finde also gerade in dem Genre Subtext extrem wichtig. Einfach damit sich die Eltern beim Vorlesen nicht langweilen.

Alana

@Gabryel: Oh ja, Zoomania war generell ein toller, intelligenter Film mit vielen zeitpolitischen Anklängen im Subtext, tollen Dialogen und gigantischem Design. Generell haben viele Animationsfilme einen guten Subtext mit einer Bedeutungsebene für Erwachsene, aber ich glaube, so gigantisch wie bei Zoomania war es noch bei keinem.
Alhambrana

Gabryel

@ Alana: Ja, oder? Ich bin immer noch total hin und weg. Was mir auch ganz gut gefiel war "Ralph reicht's", aus anderen Gründen allerdings.

@ Tigermöhre: Das mit dem Subtext in Kinderbüchern habe ich auch schon festgestellt - ich habe mal versucht ein Kinderbuch zu schreiben und fragte mich dann, warum es mir nachher nicht gefiel - dann las ich über die Zeit ein paar mehr davon und war von der versteckten Message ganz begeistert. Oder dem geschickten Humor, wo man auch immer mal einen Funken Ernst drin entdecken / verstecken kann.