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Frauen und das ultimative Böse - kann das nur Disney?

Begonnen von Aljana, 02. Juli 2016, 14:47:28

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Mondfräulein

Zitat von: Churke am 08. Juli 2016, 17:43:25
Zitat von: Charlotte am 08. Juli 2016, 16:52:16
(Genauso wie ein männlicher Held kleiner und schmaler sein kann, als eine Frau, das geht auch.)
Dann ist er aber kein Held, sondern ein Antiheld...  :)

ZitatEin Antiheld ist ein Figurentypus der Literatur, welcher auch oft in Filmen und Comics eingesetzt wird. Während die dramatische Hauptfigur (der Protagonist) einer Geschichte durch ihre überlegene Charakter-, Verstandes- oder moralische Stärke zur Identifikation einlädt, ist es beim Antihelden gerade eine Schwäche, die sympathisch wirkt.

Antihelden brechen mit der Möglichkeit des Eskapismus, bei der der Leser seine Wunschträume auf die Hauptfigur projizieren kann, genauso stark, schön, tapfer oder klug zu sein wie der Held der Geschichte. Dafür sind Antihelden in der Regel die vielschichtigeren, tiefer und exakter gezeichneten Charaktere, da sich hier auch Verletzungen und Schwächen einer Figur darstellen lassen.
Von: https://de.wikipedia.org/wiki/Antiheld

ZitatDer Antiheld ist die Hauptfigur in modernen Dramen oder epischen Texten und stellt den Gegenentwurf zum traditionellen positiven, aktiven Helden dar. Der Antiheld ist zumeist eine passive, resignative oder generell eigenschaftslose Person, die getrieben wird und den Einflüssen der Umwelt ausgesetzt ist – der Antiheld ist nicht in der Lage, Entwicklungen und Ereignisse aktiv zu beeinflussen.
Von: http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Antiheld

Zitatinaktive, negative oder passive Hauptfigur in Drama, Roman, Film im Unterschied zum aktiv handelnden Helden
Von: http://www.duden.de/rechtschreibung/Antiheld

Die Deutung über die Körpergröße ist da aber etwas abenteuerlich.

canis lupus niger

#61
Zitat von: Charlotte am 08. Juli 2016, 16:52:16
Es kam ja auch das Argument auf, dass eine weibliche Antagonistin in einem körperlichen Kampf mit einem männlichen Widersacher zwingend den kürzeren ziehen muss, doch das halte ich auch eher für ein Stereotyp. Nicht nur gibt es viele zierliche Frauen, die durch gezieltes Training sehr viel kräftiger und erfahrener im Kampf sind, als größere, schwerere Männer und daher auf jeden Fall gegen diese gewinnen könnten, es gibt doch auch bei Frauen gar nicht so selten Körpertypen wie zum Beispiel den von Gwendoline Christie, die groß und kräftig gebaut ist. Dass eine Frau gleich kleiner oder zierlicher sein muss, ist ja auch eher ein Klischee, aber keine Wahrheit. Einer Antagonistin, die vom Körperbau Gwendoline entspräche, steht ja auch nichts im Wege.

Auch bei körperlichen Auseinandersetzungen kommt es ja nicht immer auf die reine Körpergröße und -kraft an. Wenn der körperlich scheinbar benachteiligte Kämpfer (bzw. die Kämpferin) eine überlegene Kampfweise beherrscht, ob mit oder ohne Waffen, dann kann die rein physische Überlegenheit durchaus ausgeglichen werden. Das habe ich aktuell im dritten Band meiner Reihe thematisiert. Der Prota ist (weil einer anderen Ethnie angehörend) deutlich kleiner als die meisten Leute, denen er in den Romanen begegnet. Das trifft noch viel mehr auf seine amazonenhafte Schwester zu. Aber da sie beide als Schwertkämpfer sehr schnell sind und einen ungewohnten Stil anwenden, können sie sich trotzdem in der Regel durchsetzen.

Persönlich habe ich das mal bei einem freundschaftlichen Karate-Freikampf erlebt, in der ein kräftiger 1,90 m Mann gegen einen schlanken 1,70 m Gegner echte Schwierigkeiten hatte. Mein Nachbar auf der Tribüne murmelte lächelnd, als der "kleine" Karateka schlagartig aggressiver wurde: "Jetzt hat Frank die Kampfmaschine angeschaltet." Offenbar war Frank dafür bekannt, dass er sich nicht mit seiner scheinbaren Unterlegenheit abfinden wollte.

Aber zum Böse-Sein muss man ja nicht physisch stark sein. Für die Muskelarbeit setzen auch böse männliche Overlords gelegentlich Handlanger ein.

Fianna

Zitat von: Churke am 08. Juli 2016, 17:43:25
Lady Macbeth entspricht dem klassischen Stereotyp der Anstifterin.
Und sie wird verrückt, weil sie das schwache Geschlecht ist.
Einspruch - sie wird verrückt, weil sie nicht nur angestiftet hat, sondern auch zurück ging und die betäubten Sündenböcke mit Blut beschmiert hat. Sie muss sich mit den Handlungen ihrer abstrakt geplanten Tat auseinander setzen, außerdem verfügt sie über ein Gewissen, auch wenn sie es vorher nicht vermutet hat.
Sie ist das Paradebeispiel für: eine Tat planen und imaginieren ist etwas vollkommen anderes als sie tatsächlich auch zu begehen.


MacBeth dagegen ist dazu erzogen worden, Menschen zu töten.
Nicht die Tat an sich schreckt ihn anfangs ab, sondern die Art, wie es geschieht (heimtückisch, nicht im Kampf) und dass er eben seine Vasallenpflichten verletzt hat. Es ist der letzte Rest Anstand und Ehre, die ihn in dieser Szene so martern. Nachdem dieses Tabu jedoch gefallen ist, streift er den letzten Rest an Menschlichkeit, den er in sich hatte, ab und ist zu allem fähig.

Fianna

Jetzt muss ich noch einmal den Thread ausgraben: ich habe festgestellt, dass ich einen Antagonisten automatisch als männlich anlegen will, da die antagonistische Motivation auf einem unverarbeiteten Kriegstrauma und Wahrnehmungsstörungen beruht.
(Tatsächlich wird die Figur als Held/in eingeführt, das Ganze ist als Riddle geplottet und erst im letzten Drittel stellt sich heraus, dass der/die Erzähler/in sich unabsichtlich durch die eigenen Reihen gemetzelt hat, aufgrund dieser Wahrnehmungsstörungen.)

Also kurz gesagt: anstatt wie bei den anderen Beispielen hier eine starke Persönlichkeit und Ziele habe ich Schwäche bzw. Krankheit.
Vielleicht liegt es an den misogynen Diskussionen der letzten Tage auf anderen Social-Media-Kanälen - aber es sträubt sich alles in mir, eine derartige Negativ-Repräsentation zu beschreiben, weswegen ich die benötigte Figur instinktiv nicht als weiblich anlegen möchte.
Gerade nicht in einem angeblich vor allem von Männer gelesenen Genre wie Military Fantasy.

Wie seht ihr das?
Erst recht weiblich, wir brauchen auch Negativrepräsentationen?
Auf keinen Fall weiblich?

Oder: hängt vom Genre ab und in einem vermeintlich von Männern dominierten und vielgelesenen Genre würdet ihr welche Ansicht vertreten?

Alana

#64
Ich würde es vor allem davon abhängig machen, wie viele andere, wichtige und starke Frauenfiguren du hast, die positiv besetzt sind. Wäre es die einzige vorherrschende Frauenrolle, wäre das tatsächlich sehr negativ. Hast du noch einige andere, fände ich es weniger Klischee, eine Frau zu nehmen als einen Mann.
Alhambrana

Fianna

#65
Starke Frauenfiguren daneben wären vorhanden...
Ich habe die letzten Tage gemerkt, dass ich noch nie so richtig stark misogynen Platzhirschen begegnet bin... Und wenn ich eine Geschichte über Politik, Krieg und die unmenschlichen Anforderungen an Soldaten (eher historisch gesehen) erzählen möchte, wäre mir nicht recht, wenn hänge bleibt: Frauen habens halt nicht drauf und sind nicht befähigt.
(Und egal wieviel Mühe ich reinstecke und wie komplex diese Problematiken umgekehrt werden: wenn man das reinlesen will, kann man das.)

Ziemlich unentschlossen, aber mein Bauchgefühl sagt, eine mit Absicht und Motivation handelnde Frau wäre okay, durch diese Krankheit ("Schwäche") tendenziell nicht. Die Gleichsetzung "(psychische) Krankheit gleich Schwäche" ist eines der Reizthemen, was sich mit einem Mann vielleicht besser im Genre Military Fantasy vermitteln lässt... So wahnsinnig viele positive Frauenfiguren gibts in Military Fantasy nicht (und ob ich vor diesem Projekt einige andere Projekte schreibe, macht den Kohl auch nicht fett. Außerdem brennen mir grad die Kriegstraumata auf den Fingern).

Mindi

Ich kenne mich in dem Genre nicht aus, aber vom Gefühl her würde ich auch eher eine männliche Figur in der Beschreibung sehen (wollen). Ich denke, mit einem Mann kannst du besser mit der Schwäche, (klischeehafte) Erwartungen an die Männerwelt und seinen Konflikten mit der Schwäche spielen.

Dass der Mann durch die Krankheit Schwäche zeigt und andere Frauen in der Geschichte starke Persönlichkeiten sind, finde ich selbst eigentlich nett. Ist die Frau durch die Krankheit zu dem Geworden, was sie ist, würde ich darin eher  eine Bestätigung für "Frauen gehören nicht in dieses militärische Umfeld. Einem Mann wäre so etwas doch nie passiert." sehen. Bzw. würde mir denken, dass andere das so auffassen würden.

Ich denke nicht, dass jemand eine Frau in dieser Rolle "vermissen" würde. 
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Antennenwels

Das ist eine schwierige Frage. Aber ich würde auch sagen, dass es grundsätzlich davon abhängt, wie der Rest deiner fiktiven Welt aussieht. Wenn es in der Geschichte deutlich wird, dass es sehr wohl erfolgreiche Kriegerinnen gibt und diese nicht aussergewöhnlich sind, sondern Alltag in deinem Setting, dann hätte ich wohl keine Schwierigkeiten damit die Figur als Frau zu lesen. Ganz ehrlich, mir wäre wohl nicht einmal der Gedanke gekommen, dass dies ein Problem sein könnte.
Ich kann allerdings verstehen, weshalb du zögerst und ich denke du hast insofern Recht, dass es wohl immer Leute geben wird, die dann Dinge hinein lesen, die nicht so beabsichtig waren und die Assoziation Schwäche/Krankheit Frau wäre schon eher ungünstig. Vor allem auch in einem Genre, indem männliche Charaktere dominieren. (Wobei ich hier sagen muss, dass ich selbst kaum je Military Fantasy lese und das daher nicht wirklich beurteilen kann).
Wenn du der Meinung bist, dass ein Mann besser passt, und du damit allfällige problematische Interpretationen umgehen kannst, sehe ich nicht, wieso du die Figur nicht einfach ein Mann sein lassen kannst. Solange es andere, wichtige Frauenrollen in der Geschichte gibt, wird dir sicherlich niemand einen Vorwurf machen können. 
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth

Mara

Für mich klingt auch beides möglich. Wenn du genug starke Frauen hast, kann die Hauptrolle locker ein Mann sein. Eine Frau negativ darzustellen finde ich aber auch ok, solange ihre schlechten Eigenschaften nicht als typisch weiblich oder so nach dem Motto "Mit 'nem Mann wäre das nicht passiert" dargestellt werden. Das gildt generell für die Darstellung von Minderheiten. Im Idealfall sollten in der Literatur ja alle Gruppen von Menschen bunt durcheinander in allen Arten von Rollen zu sehen sein. *träum*

Churke

Zitat von: Mara am 26. März 2019, 12:13:03
Im Idealfall sollten in der Literatur ja alle Gruppen von Menschen bunt durcheinander in allen Arten von Rollen zu sehen sein. *träum*

Donald Trump als Frau? Oder Putin? Bundeskanzler Angelo Merkel? Glaube nicht, dass das funkioniert.  :hmmm:

Antennenwels

Zitat von: Churke am 27. März 2019, 12:22:39
Zitat von: Mara am 26. März 2019, 12:13:03
Im Idealfall sollten in der Literatur ja alle Gruppen von Menschen bunt durcheinander in allen Arten von Rollen zu sehen sein. *träum*

Donald Trump als Frau? Oder Putin? Bundeskanzler Angelo Merkel? Glaube nicht, dass das funkioniert.  :hmmm:

Weshalb nicht? Ich kann mir durchaus auch eine selbstverliebte, sexistische (betrachtet Männer als unterlegen) und machthungrige Frau als Antagonistin vorstellen (sprich eine weibliche Trump Variante). Es wäre vielleicht auf den ersten Blick ungewohnt, aber doch nicht unmöglich. Natürlich sollte auch das Umfeld dazu passen; es würde besser in einer 'fiktiven' Welt funktionieren, in der Männer und Frauen mindestens gleichberechtigt sind, oder aber sogar Männer benachteiligt werden. Ob man so etwas schreiben will, wäre dann eine andere Frage.
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth

CarlH

Meine Antagonistin ist im klassischen Sinne nicht »böse«, aber die wirkt so :)
Man versteht im Laufe der Geschichte ihre Beweggründe »unvorteilhaft« zu agieren, was sie aber nicht aus der Verantwortung ihrer Taten entlässt, (und damit die Geschichte voran treibt)
Das bringt mich dazu dieser böse wirkenden Frau eine gewisse Tiefe zu verleihen, in dem sie eine Vergangenheit hat, mit einem auslösenden Moment für ihre Taten. (Eifersucht) Und ich denke, Eifersucht kennen in der Regel viele Menschen, und können sich dann in diese Frau hineinversetzen. Bildlich gesprochen, sie wird von einer schwarzen zu einer grauen Charaktere

Silvasurfer

Hmmmm.... Meinen Antagonisten habe ich mir bisher immer als Mann vorgestellt.
Das liegt einfach daran, dass ich bei ihm die Hiobsgeschichte ein wenig umdichte.
Gott lässt sich auf die Wette mit Satan ein und lässt Hiob leiden, um zu sehen, ob Hiob dann immer noch an ihn glaubt. Doch als er die Wette gewonnen zu haben scheint erinnert ihn Satan daran, dass er Hiob gegenüber unehrlich war und ihm nichts von der Wette erzählt hat. Als Hiob schlussendlich erfährt, dass sein ganzes Leiden auf eine Wette zwischen zwei Freunden beruht, dreht er vollkommen duch und reißt die Weltherrschaft an sich mit dem Ziel Gott zu töten. Wenn ich mir jetzt meinen Antagonisten als Frau vorstelle... Das wäre schon cool vor allem in der heutigen Zeit. Ich hätte zumindest kein Problem damit das so umzuschreiben, also Namen ändern und Geschlecht im Text. Charakter bleibt, da ich finde das der Charakter vom Geschlecht unabhängig sein sollte.

Churke

Zitat von: Silvasurfer am 01. April 2019, 01:16:22
Charakter bleibt, da ich finde das der Charakter vom Geschlecht unabhängig sein sollte.

Meine Gegenthese lautet, je ausgearbeiter der Charakter einer Figur ist, desto prägender wird deren Geschlecht. Wenn das Geschlecht austauschbar ist, ist die ganze Figur austauschbar, und das würde mir als Autor persönlich Sorgen bereiten.
Wenn man aus Kleopatra Kleopatrus macht, ruiniert man einen Mythos.
Oder Nero und Agrippina.

Fianna

Meine Figur ist ein traumatisierter Kriegsveteran in einem Fantasysetting (ich kann mir bezüglich der Kriegsführung also die dreckigeren Seite der Geschichte als Inspiration nehmen).

Und ich finde, da macht es bei einem kinderlosen Soldaten dramaturgisch nichts aus, ob es ein Mann oder eine Frau ist.

Nur in der Bewertung der Leser sehe ich die Gefahr, dass der Eindruck entsteht, die Soldatin sei traumatisiert wegen ihres Geschlechtes (schwach, weniger belästigt etc).
Und ich frage mich, ob es daher besser ist, einen Mann diese Rolle besetzen zu lassen.