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Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein

Begonnen von Anaya, 19. Oktober 2013, 12:46:38

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Anaya

Die im Titel gestellte Frage beschäftigt mich schon seit einiger Zeit, genauer gesagt, seit ich mich mit Rezensionen befassen muss.

Es gibt ja nun massenhaft Schreibratgeber von klugen Köpfen, regelrechte Schreibschulen/-seminare und Autoren oder Hobby-Schreiber, die nicht müde werden, angehenden Schreiberlingen zu erklären, wie genau 'das' Buch auszusehen hat.
Da liest man von Infodump und Cliffhangern, Spannungskurven und Perspektiven. Man liest und liest und liest, bis man ganz wirr im Kopf ist und keinen vernünftigen Satz mehr zustande bringt - denn jedes Wort will auf die Goldwaage gelegt und zurechtgerückt werden.

Im Grunde ist mir schon klar, dass Menschen, die sich viel mit dem Schreiben befassen, anders lesen als Otto-Normalkonsument. Aber schreiben wir nicht zum größten Teil für genau den?

Ich denke, 'normale' Leute lesen ohne viele Hintergedanken und beurteilen ein Buch einfach danach, ob ihnen die Schreibweise zusagt, ihnen die Handlung spannendes Lesevergnügen bereitet und die Charaktere ihre Sympathie haben.
Wenn Infodump ihr Interesse weckt, mögen sie ihn. Wenn am Ende eines Buches kein Cliffhanger süchtig nach einem zweiten Band macht, werden sie den trotzdem lesen, wenn ihnen das erste Buch gefallen hat. Und wenn z.B. die Hauptfigur sie in ihren Bann ziehen konnte, fehlen ihnen auch nicht diverse Neben-Charaktere, die die Geschichte nach allen Seiten 'aufbauschen'.

Keine Ahnung, ob ich da jetzt total daneben liege - oder ob überhaupt richtig rauskommt, was ich meine ...  :-\
Falls jemand meiner Intention folgen kann ... wie seht ihr das?

Eleanor

ZitatMan liest und liest und liest, bis man ganz wirr im Kopf ist und keinen vernünftigen Satz mehr zustande bringt
Ja da muss ich dir Recht geben Anaya, ich habe mir einmal "Aufzucht und Pflege eines Romans" von Sol Stein durchgelesen und hinter her habe ich mich fast geschämt für das, was ich schreibe und gehofft, dass Sol Stein es niemals lesen wird  ;). Ich finde es stimmt, dass viele Leute, wenn sie ein Buch lesen es nicht abwerten werden, weil die Spannungskurve nicht perfekt aufgebaut war oder ein Konflikt nicht gut genug aufbereitet war.  Als Ideen- und Anregungsgeber sind solche Bücher eigentlich ganz gut. Es macht einen aber nur verrückt zu versuchen jeden einzelnen Ratschlag daraus zu 100 % zu befolgen und das Buch soll ja schließlich hinterher von dir und nicht dem Ratgeber geschrieben worden sein.  :)

Churke

Zitat von: Anaya am 19. Oktober 2013, 12:46:38
Ich denke, 'normale' Leute lesen ohne viele Hintergedanken und beurteilen ein Buch einfach danach, ob ihnen die Schreibweise zusagt, ihnen die Handlung spannendes Lesevergnügen bereitet und die Charaktere ihre Sympathie haben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Buch gefällt, dürfte signifikant höher sein, wenn es den "Regeln" entspricht.

"Schadenzauber" habe ich einfach so geschrieben, wie es mir richtig vorkam. Das Egebnis war eine formal und stilististisch absolut perfekte Novelle, da kann man alle im Wikipedia-Artikel aufgezählten Stilmerkmale abhaken. Ich hatte mich vorher nie mit Novellen beschäftigt, aber form follows function.  :)


Coehoorn

Ich kann diesen ganzen Ratgebern ehrlich gesagt nichts abgewinnen. Versuch doch einfach frei nach Schnauze zu schreiben. Es gibt Dinge, die kann man lernen aber wie bei den meisten Dingen brauch man ein Talent dazu um sie gut zu können und schreiben gehört meiner Meinung nach dazu.
Klar wird man besser, klar kann man sich neue Sachen aneignen aber diesen ganzen Stuss mit Spannungskurven und Co, nach x Seiten muss ein Protagonist sterben und das Prinzip der Heldenreise ist unumstößlich und wenn du das alles machst wird aus dir ein super Autor und bliblablub...
Wenn du Talent hast, dann wirst du das schon richtig machen.

Joel

ZitatEs gibt Dinge, die kann man lernen aber wie bei den meisten Dingen brauch man ein Talent dazu um sie gut zu können und schreiben gehört meiner Meinung nach dazu.
Ich glaube nicht, dass Talent alles ist. Ein bisschen Talent mag sicher nicht schaden. Aber wie bei den meisten Dingen (meiner Meinung nach) braucht man Ausdauer/Durchhaltevermögen und den Willen, immer weiterzumachen, auch wenn es gerade einmal nicht läuft. Profifußballer sind mit Sicherheit talentiert - aber wenn sie nicht trainieren würden, würde ihnen ihr Talent vermutlich auch nicht viel helfen. Beim Schreiben würde das "Training" dann darin bestehen, dass man sich mit den Regeln auseinandersetzt (egal, ob mithilfe eines Schreibratgebers oder auf irgendeine andere Art und Weise) - und weiß, wie man damit umzugehen hat (ob und wann man sich an sich hält und wann man dagegen verstößt). Darum würde ich auch Churke zustimmen, dass ein Buch LeserInnen auch eher dann auf Anklang stößt, wenn es den Regeln entspricht.

Remy

Schwieriges Thema. Ich mag Ratgeber nicht sonderlich. Ich denk da zurück an das, das man so als die großen literarischen Meisterwerke bezeichnet und denke mir, die hatten auch keine Ratgeber.
Ich bin da allerdings auch relativ trotzig veranlagt und wenn mir jemand sagt, wie ich das, was mir wichtig ist, zu tun habe, dann reagiere ich schnell zickig.
Ich glaube im Endeffekt ist es wie so oft ein Mittelding. Natürlich ist es wichtig, zu einem gewissen Grad zu wissen, was man tut. (Ich schreibe gerne blind drauflos und falle dann regelmäßig auf die Fresse damit.) Andererseits muss man auch den Mut haben, Dinge auszuprobieren. Grenzen zu testen und mal einfach seinem Gefühl folgen. Wer zu nah an solchen Ratgebern entlang schreibt, habe ich zumindest das Gefühl, wird kaum etwas kreieren, was noch nicht da war. (Ob das in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich ist sei dahingestellt.)

Ich versuche also so zu schreiben, wie ich es für richtig halte, und suche Hilfe bei solchen Ratgebern nur dann wenn ich selbst merke, dass ich feststecke. War bei einer Kampfszene mal der Fall, ein paar Tips haben gut geholfen, das Problem zu lösen.

Außerdem habe ich irgendetwas Unschönes auf meine Tastatur gekleckert und die Tasten von K bis # und P bis , klemmen ganz fürchterlich. Vor allem der Punkt, frustrierenderweise. Das ist für die Diskussion hier absolut irrelevant, ich heische bloß nach Mitleid. Denn klemmende Tasten sind schrecklich.

Liebe Grüße

Remy

Christopher

#6
Talent ist meistens nur ein anderes Wort für "viel Übung"

Wirklich talentierte Leute, also Leute, die durch Genetische Anlagen deutliche Vorteile haben, sind so selten, dass es meistens falsch ist, von Talent zu sprechen.

Edit:

Aber um mal was zum Thema beizutragen:

Es gibt Dinge, die muss man nicht beachten. Nicht Jede Story muss eine "Heldenreise" sein. Ratgeber sprechen eher von Dingen, die in der Vergangenheit funktioniert haben.

Aber gewisse Dinge die (hoffentlich) in solchen Ratgebern stehen, sollte man beachten beim Schreiben. Bei den meisten Dingen die ich in der Vergangenheit Beta-gelesen habe und den meisten Büchern die ich weggelegt habe, geht den Autoren das Gefühl für Kulisse und Atmosphäre völlig ab. Da spielen die Geschichten in leeren, weißen Räumen in denen sich weiße DIN A4 80g/m² Papierblätter mit einem Namen drauf unterhalten. Und das geht einfach gar nicht.
Be brave, dont tryhard.

Angela

Ich halte mich für eher talentlos, was das Schreiben an sich angeht, dafür habe ich Geschichten in mir, die erzählt werden möchten. Insofern habe ich etliche Ratgeber gelesen, bilde mich auch noch weiter fort, und nehme für mich das mit, was ich nachvollziehen kann. Ich sehe 'Regeln' eher als Empfehlungen,  halte mich überwiegend daran, schlage sie aber ab und zu auch bewusst aus.
Gerade lese ich einen Juistkrimi mit unglaublich viel Infodumb über die Insel. Für mich als Juister eher überflüssig, aber für einen Juistgast vielleicht genau das, was ihm gefällt?

Antigone

Ich finde Regeln insofern wichtig, dass man sie mal kennenlernt; dass einem bewusst wird, was es gibt, und auf was man achten kann und muss.

Und dann kann man sich ganz frei dafür eintscheiden, ob und wie weit man diese beachten möchte.

Das ist wie beim Pullover-Stricken: man tut gut daran, sich mit den grundlegenden Techniken vertraut zu machen. Aber dann kann man sich entweder strikt an die Anleitung halten, oder einfach frei nach Lust und Laune drauflosstricken. Rauskommen wird wahrscheinlich in beiden Fällen ein Kleidungsstück.

Coryza

Ich muss sagen ich sehe das so wie Antigone man sollte die Grunderegelen/Grundkenntnisse haben, aber dann kann man auch frei Schnauze schreiben.

Alana

Schreiben ist ein Handwerk. Man muss wissen, was man machen kann und wie. Und dann muss man seinen eigenen Stil entwickeln und ein Gefühl dafür bekommen, wie man mit den ganzen Techniken zu einem spannenden, lesbaren Roman kommt. Was man definitiv nicht muss, ist, alle Regeln sklavisch zu beachten. Ich lese sehr gern Schreibratgeber, aber ich nehme davon nur mit, was mir sinnvoll erscheint. Dieser Zustand, den du beschreibst, ist übrigens ganz normal. Eine Fülle an Informationen kann einen sehr schnell verunsichern, bis man herausfindet, was für einen selbst funktioniert und was nicht. Und da kommen für mich die Betaleser ins Spiel. Sie sagen mir ziemlich deutlich, ob die neue Technik was taugt oder nicht. ;D
Und was die Goldwaage betrifft: Ich fand es früher immer lächerlich, dass uns im Deutschunterricht gesagt wurde, was der Autor mit diesem und jenem Wort alles ausdrücken wollte. Heute weiß ich, dass es tatsächlich so ist. Ich zumindest sitze sehr häufig lange über den Texten und überlege, welches Wort ich brauche und welches nicht. Welches vielleicht besser passen würde. Deswegen nimmt die Überarbeitung bei mir auch immer den meisten Raum ein. Mir macht es aber auch unheimlich Spaß, an meinen Texten zu feilen, bis ich damit zufrieden bin. Auch hier gilt sicher: Jeder Autor ist anders und jeder muss für sich die Methode finden, die zu einem guten Ergebnis führt und dennoch den Spaß am Schreiben erhält.
Alhambrana

Tinnue

Ich stimme da weitestgehend Alana und auch Antigone zu, daher will ich gar nicht mehr viel dazu sagen.

In meinem Fall vielleicht, dass es eine Zeit gab, wo mich dieses ganze "Himmel, die Regeln!" seeehr verunsichert hat. Ich habe plötzlich jede Stelle, jeden Abschnitt, alles in Frage gestellt ... mich immerzu gefragt "Kannst du das jetzt so machen? Muss das jetzt schneller werden, wegen der Spannung?... " und das Ende vom Lied war: Das war zwar optisch und von der Struktur her ein toller Text, aber er war seelenlos. Da war keine Atmosphäre, keine "Liebe" zwischen den zeilen zu spüren; Es war Handwerk, mehr nicht.
Und da habe ich mir dann auch geschworen: Regeln im Hinterkopf haben: Ja. Stur danach arbeiten: Nein.

Feuertraum

Ich gehöre auch zu den Menschen, die eine Lanze für die Schreibratgeber brechen. Gerade wer anfängt, wer das Handwerk des Schreibens gerade mal ankratzt, der sollte sich die Teile durcharbeiten und gerade am Anfang sich sklavisch daran halten.
Wohlgemerkt: am Anfang.
Wenn man erste Kurzgeschichten schreibt oder Szenen, einfach um zu erleben, was die und die Regel bewirkt.
Irgendwann aber, wenn man diese Regeln aus dem ff beherrscht und feststellt, das man sie nicht so anwenden kann, weil sie einem zuwider ist oder der Geschichte schadet, dann kann, ja, darf man sie brechen und so schreiben, dass es der Geschichte gut tut.
Übrigens findet man in einigen Schreibratgebern einen Tipp, den ich immer wieder hoch halte und der meine volle Zustimmung bekommt:Lesen, Lesen, Lesen und noch mehr lesen - das hilft nicht nur, ein Gespür für die Geschichten zu bekommen, es hilft auch in Sachen Rechtschreibung und Vergrößerung des Wortschatzes.

@ Joel: Seien Sie mir nicht böse, aber Ihre Aussage wegen des Talents mag ich so jetzt nicht unterschreiben. Ich glaube schon, dass jeder von uns seine Stärken (Talente) und seine Schwächen hat.
Ich bin handwerklich zum Beispiel absolut unbegabt und kann unter anderem nicht zeichnen. Da kann ich noch so sehr üben, es wird nichts. Als kleinen Ausgleich kann ich jedoch mit Worten jonglieren. Allerdings - da will ich ehrlich sein - hat es auch so einiges an Übung gebraucht, bis ich so geschrieben habe, wie ich jetzt schreibe. Und ich übe weiter... ;)
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Anaya

Danke für die vielen Meinungen! Ich merke, mir gehts schon wesentlich besser.
Was einige beschrieben haben, ist genau das, was ich meine. Zusammengefasst kommt wohl das hier

Zitat von: Tinnue am 19. Oktober 2013, 17:41:31
In meinem Fall vielleicht, dass es eine Zeit gab, wo mich dieses ganze "Himmel, die Regeln!" seeehr verunsichert hat. Ich habe plötzlich jede Stelle, jeden Abschnitt, alles in Frage gestellt ... mich immerzu gefragt "Kannst du das jetzt so machen? Muss das jetzt schneller werden, wegen der Spannung?... " und das Ende vom Lied war: Das war zwar optisch und von der Struktur her ein toller Text, aber er war seelenlos. Da war keine Atmosphäre, keine "Liebe" zwischen den zeilen zu spüren; Es war Handwerk, mehr nicht.

meinen Empfindungen am nächsten.

Kürzlich habe ich den zweiten Teil meiner Fantasy-Trilogie in Angriff genommen - und bin kläglich auf Seite fünf steckengeblieben. Klar kenne ich die Regeln, an die man sich so halten sollte ... und habe versucht, sie alle zu beherzigen. Und was soll ich sagen? Der Text liest sich, als wäre er von jemand anderem. Mein ureigenster Stil ist verschwunden und hat allgemeinem Geschwafel Platz gemacht. :(

Dazu sei gesagt, dass ich den ersten Teil geschrieben habe, wie mir die Worte in den Kopf kamen. Mit viel Leidenschaft und wahrer Liebe zu meiner Heldin und ihrem Schicksal. :)
Nach Veröffentlichung gab es dann ein paar Bewertungen, die oben genannte Punkte ansprachen und mich ins Grübeln gebracht haben.

Christopher

Dass das "Geschwafel" ist, ist vielleicht nur so ein Gefühl.

Wenn ich die ersten Zeilen die ich zu meiner Story vor inzwischen 7 Jahren geschrieben habe lese, lese ich da auch sehr viel Liebe und Hingabe raus...
...ist aber trotzdem Müll den ich heutzutage niemandem mehr antun würde. Ich werds aber gerade wegen solcher Threads behalten, um mal ein Vorher/Nachher-Bild geben zu können. Der Stil und die Stimmung sind heute ein anderer als damals, aber definitiv besser. Gefühl und Hingabe allein machen keinen guten Text, egal wie viel man davon hineinsteckt. Ein wenig Können muss schon dabei sein.

Von den Regeln wie man seinen Plot aufbauen sollte halte ich wie gesagt nichts, aber wie man einen Text an sich schreiben sollte, da gibt es sicherlich gute Ratgeber,auch wenn ich überfragt bin, welche das wären. Ich würde eher die Bücher zur Hand nehmen die ich gerne lese und sehen, wie, warum und was die Autoren da richtig gemacht haben.
Be brave, dont tryhard.