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Nachnamen - förderlich oder hinderlich?

Begonnen von Amaretin, 13. September 2011, 16:30:26

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Pestillenzia

Ich antworte mit einem entschiedenen "Kommt ganz drauf an..."  ;)

Spaß beiseite. Bei mir kommt es auch auf die Welt und die dortigen Umstände an. "Farben der Finsternis" beginnt in unserer Welt, Mara bekommt aber trotzdem keinen Nachnamen, weil nach der ersten Szene sowieso schon die Welt gewechselt wird und in dieser einen Szene der Nachname nicht reinpasst sondern nur künstlich hineingequetscht wirken würde.

In Lamoridia gibt es auch keine Nachnamen in unserem Sinn, allerdings unterscheiden sich manche Völker z.B. durch eine spezielle Endung der Vornamen von anderen oder sie bekommen etwas Ähnliches wie das schottische Mc oder das irische O', um zu sagen "Abkömmling von" oder "aus dem Ort Sowieso".

Mein im Hinterkopf geparkter Krimi spielt im München der Gegenwart; da wiederum bekommen alle Nachnamen. Bis auf die Sagengestalten natürlich, die bekommen entweder nur Vornamen oder - wenn es Gestalten sind, die es nur einmal gibt - behalten ihren angestammten Namen (wie z.B. der Goggolori -  das wäre eine Schande, den durch einen Vornamen zu verdrängen).

Mogylein

Hey,

ich mache mir, wenn die Umstände meiner Figur es erlauben bzw. nötig machen, eigentlich immer Gedanken um den Nachnamen. In der Jetzt-Zeit oder in Parallelwelten, die ebenfalls Nachnamen eingeführt haben, in historischen Settings, die nicht so lange zurücklegen, dass es keine Nachnamen gibt, in Sci-Fi.
Wenn der Kerl oder das Weib einen Nachnamen hat, dann gebe ich ihm auch einen. Ob er in der Geschichte auftaucht oder nicht (manchmal ist es einfach nicht nötig, sich so anzusprechen), ist eine ganz andere Sache. Ich weiß so vieles über meine Leutchen, was nie in der Geschichte auftaucht. Ich weiß, ob sie in einem Krankenhaus oder zuhause geboren wurden, ob sie Geschwister hatten und wie sie sich am liebsten fotographieren lassen, damit sie zufrieden mit dem Bild sind. Das heißt aber nicht, dass ich all diese Informationen auch unterbringen muss.
Und wenn die Situation es dann doch mal verlangt, ist das kein Problem, weil ich den Nachnamen ja schon kenne.

Nur bei meinem letzten NaNo-Projekt hatte mein männlicher Hauptcharakter keinen. Plötzlich musste er aber vom Arzt mit ebenjenem angesprochen werden. Schnurstracks entwickelte er sich zu Noah Gurkensalat  :rofl:
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Mika

Interessantes Thema :)
In meinem Kind der Veränderung gibt es keine Nachnamen, obwohl es wie bei Pestillenzia in der wirklichen Welt beginnt und meine Prota auch von dort stammt, hat es sich einfach gar nie ergeben einen Nachnamen zu erwähnen. So etwas hätte in der High Fantasy Welt wahrscheinlich nur für Verwirrung gesorgt. Dort habe ich eigentlich ganz bewusst auf Nachnamen verzichtet, die Welt ist eher mittelalterlich konzipiert und im Mittelalter waren Nachnamen ja bekanntlich rar gesäht. Warum sonst heißen mittelalterliche Autoren zum Beispiel Wolfram von Eschenbach, Walter von der Vogelweide oder Hartmann von Aue. Alles keine Namen sondern lediglich Bezeichnungen wo sie hergekommen sind.

Momentan stehe ich aber auch vor dem Problem mir zum ersten Mal wirklich Nachnamen ausdenken zu müssen, ein Urban Fantasy Projekt ohne Nachnamen wäre irgendwie seltsam. Ich bin erstaunt wie schwer es mir fällt, durch das deutsche Setting klingen alle Namen so schrecklich gewöhnlich, aber was solls? So ist das scheinbar wohl. Ich werde mir aber die Tipps die hier gegeben wurden noch mal genauer zu Gemüte führen oder vielleicht das ein oder andere Telefonbuch, mal sehen.
Ob die Namen dann allerdings tatsächlich so oft Anwendung finden werden weiß ich noch nicht, aber ich bin gespannt darauf es herauszufinden :)

Erdbeere

Ich schliesse mich der Nachnamen-Fraktion an. Soweit ich mich erinnern kann, haben bei mir immer schon praktisch alle Figuren einen Nachnamen gekriegt. Und wenn nicht, dann mindestens eine nähere Bezeichnung, z.B. woher die Figur stammt.
Nachnamen finde ich wichtig für das tiefere Verständnis einer Figur. Man kann sehr gut damit spielen (das Beispiel von Harry Potter, wo die Nachnamen meist abfällig verwendet werden, wurde ja schon erwähnt), Spitznamen für eine Figur daraus machen und und und. Vielleicht schämt sich die Figur ja sogar für ihren Nachnamen, oder muss ihn ablegen, weil "das Böse" hinter ihm her ist ("Auenland - Beutlin!").

Zur Zeit streite ich mit einer meiner Figuren um ihren Nachnamen. Ich schreibe aktuell Steampunk, da brauchts einfach Nachnamen. Einer meiner lieben Protas weigert sich wehement, seinen Nachnamen zu akzeptieren und hat ihn schon dreimal geändert. Jetzt passt er schon wieder nicht.  ::)

Rakso

Ich finde, wie so manch anderer hier, es kommt ganz auf die kulturelle Prägung und die Zeit an, in der Geschichten spielen.

Die Zeit ist deshalb wichtig, weil es nicht zur jeder Zeit Nachnamen, Geschlechternamen, usw. gab, sondern man einfach "nur" einen Namen hatte. Ein gutes Beispiel wäre das Osmanische Reich, da hatten die meisten Bewohner bis ins 19./20. Jahrhundert hinein keinen offiziellen Nachnamen. Es brauch den Leser nicht zu interessieren, ob es in einer vorangeschrittenen Zeit in deiner Welt Nachnamen gibt oder nicht. Für die Geschichte an sich ist es nicht wichtig.

Ich finde, die Art und Weise, wie man Figuren je nach Kultur in Romanen anredet, gibt der Geschichte etwas tiefe. Die Welt wirkt diferenzierter und nicht einfach stereotypisch dahingeklatscht. Auch schön ist, wenn man eine Struktur hinein bringt, eine Art Namenssystem, je nach Kultur unterschiedlich. In Deutschland entwickelten sich Nachnamen aus Berufen, Herkunft und (personifizierten) Adjektiven. In Ungarn bilden sich früher die Namen vornehmlich aus Adjektiven, das ist der Grund, weshalb bei einem Ungar der Nachname vor dem Vornamen steht. Sinti und Roma unterscheiden zwischen Familiennamen (Name des Vaters/Mutter), einem "Gadže-Namen" (der offizielle Name) und einem "Roma-Namen" (so wird man halt in der Familie oder von Freunden gerufen). Es gibt also ganz unterschiedliche Systeme, auch in der Benennunge, wie schon angesprochen wurde.

Wie gesagt, natürlich müssen die Namen ins Setting passen. Stammesorganisierte Gesellschaften haben mit, wenn überhaupt, nur Geschlechternamen (Gens) usw., da spielt der Vorname ja nur eine Rolle. In einer post-industrielen Gesellschaft wird eine Nachname wohl unentbehrlich sein. Woraus der sich entwickelt hat, ist für den Leser eher uninteressant, aber es wäre unlogisch, wenn keiner da wäre.

et cetera

Wenn das Setting in unserer Welt liegt, haben meine Figuren alle Nachnamen. Bei einer reinen Fantasywelt kommt es sehr darauf an. Z.B. gebe ich gerne Charakteren von adeliger Herkunft einen Nachnamen, lasse ihn aber bei einfachen Bauern oft weg. In meinem letzten Roman habe ich das von den verschiedenen Kulturen abhängig gemacht, ob ein Charakter einen Nachnamen hat oder nicht.

Sanjani

Ich habe gerade mal über diese Sache nachgedacht und musste über eine meiner Protas sogar etwas lachen. Bei mir im High Fantasy gibt es auch keine Nachnamen, wohl aber manchmal Zusatzbezeichnungen. Tyrion stellt sich z. B. meistens mit "Tyrion aus dem Tal der Flammen" vor. Wobei tal der Flammen die komplette Wüste einschließt und eigentlich auch keine besonders genaue Bezeichnung ist.

Lachen musste ich gerade über Nimro. Ich habe das so geschrieben, wie es kam, und ihre Zusatzbezeichnung lautet jetzt "Nimro, die kräuterfrau, von der nachts erzählt wird". das klingt schon fast ein bisschen absurd, aber um diese Dame rankt sich ein hauch von Legende, weil einige glauben, dass es sie gar nicht gibt.

Darüber hinaus hab ich mir noch nicht zu viele Gedanken gemacht. Ich nehme es meist so, wie es kommt, jedenfalls im aktuellen Projekt.

In urbanen Settings, wo ich meist auch in Deutschland bin, haben auch alle Protas Nachnamen. Meist bin ich da aber nicht besonders wählerisch. Sie heißen zwar nicht gerade Meyer oder Müller, aber ich mag mir auch nicht ewig den Kopf darüber zerbrechen, zumal die Nachnamen meist nicht besonders wichtig sind.

Umgekehrt denke ich aber auch, dass man sich in Deutschland doch allerhand Namen einfallen lassen kann, da muss der Prota nicht Andreas Müller oder Bernhard Meyer heißen. Gibt ja auch so viele Zuwanderer und ausländische Namen, die in sind, dass ich mich da im Allgemeinen ziemlich frei fühle.

Das mal mein Senf dazu.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Erdbeere

@ Sanjani: Nimro, die Kräuterfrau, von der nachts erzählt wird - genial!  :rofl:

Beate

In meinem aktuellen Projekt ist es so, dass ich zwei verschiedene "Menschengruppen" und Kulturen habe. Die eine erinnert eher an eine moderne, zivilisierte, technische Gruppe, die sehr viel Luxus genießt (aus ihrer Sicht) - dieser Personenkreis hat Nachnamen. Es wäre auch komisch einen Professor mit dem Vornamen ansprechen zu lassen ;) Allein vom gesamten Konzept dieses Personenkreises MUSS es Nachnamen geben.

Die andere Gruppe lebt eher im Sinne eines Naturvolkes (weil sie keine andere Wahl haben), es gibt nur sehr wenige in jedem Stamm, daher sind hier Nachnamen überflüssig und es gibt sie in ihrer Kultur auch nicht.

Neben dem Aussehen und den verschiedenen Lebensphilosophien ist dies ein weiteres Unterscheidungsmerkmal meiner Gruppen.

Kisara

Ich schließe mich mal Farean an, denn:

Ich bin ein großer Fan von Titeln: Parn Lacur de Fanel, erster seines Namens, Sohn von blah blah blah... - von daher liebe ich besonders in der klassischen Fantasy Häuser oder Adelsgeschlechter mit ihrem Titel als Nachnamen-Ersatz.

Klassische Nachnamen (Marie Pflaumenpfuhl oder Jens Schmidt) finde ich eigentlich komplett nutzlos - außer du willst damit explizit auf etwas hinweisen oder damit arbeiten. Besonders im Deutschen klingt es meines Empfindens wenig melodisch und wenn ich nicht gerade eine Familienintrige schreibe, dann braucht man eigentlich keine Nachnamen.
z.B. Rosamunde Pilcher mit ihren Verflechtungen und tausend Verwandtschaften und kleinen Besonderheiten braucht Nachnamen zur Orientierung. Aber in "Twilight" ist es eigentlich komplett egal, wie Bella mit Nachnamen heißt (abgesehen vom Kitsch-Faktors).

Serena Hirano

Jetzt musste ich wirklich gerade grinsen, denn just heute hab ich darüber nachgedacht, ob ich den so hübsch gesuchten Nachnamen meiner Prota in den ersten 90 Seiten überhaupt einmal erwähnt hab  :hmhm?: Wie auch immer, sie hat einen. Auch aus dem Grund, weil sie ein Mensch ist.

Mein Volk der Kerenor hat dagegen keine, denn sie sind a, halt anders und b, so wenige, dass es wohl genügend Namen geben sollte, um sie für sich selbst unterscheidbar zu machen. Es besteht auch keine so streng geartete Familienbeziehung, die eine Zugehörigkeit über Namenszusätze unbedingt nötig macht.

Bisher hat es bei mir instinktiv ganz gut geklappt, aber ich befürchte bei näherer Betrachtung kann einen diese Frage wirklich in den Wahnsinn treiben, weil es wie immer eines dieser "es kommt darauf an"-Themen ist.

Für mich ist es also auch am wichtigsten:
- Welcher Rasse oder Welt gehören die Charaktere an?
- Brauche ich Nachnamen um sie zu unterscheiden oder eine bestimmte Zugehörigkeit zu erzeugen?
- Wie klingt es für den einzelnen Charakter, also würde es einer bestimmten Person ein (benötigtes) würdevolleres Auftreten verleihen, wenn er nen ellenlangen Namen
  bekommt? Dann wäre der Nachname für mich eher ein notwendiges Accessoire.

Viechi

Nachnamen find eich persönlich ganz wichtig, weil man dem Charakter damit noch weiter Tiefe geben kann. Und ja, ich bin ein Fan sprechender Namen, solange es nicht übertrieben ist und auch zum Namensgebungsprozess in der jeweiligen Welt passt.

Andererseits gibt es Settings, die ganz ohne Nachnamen auskommen und das dann für mich o.k. ist, wenn das insgesamt plausibel ist.

Was ich auch ganz toll finde, sind Beinamen... Karl der Große, Ingrid die Irre, Baltar Hans Hosenbein der Bader.... :D

Drachenfeder

Zitat von: Serena am 19. September 2011, 00:54:59
Für mich ist es also auch am wichtigsten:
- Welcher Rasse oder Welt gehören die Charaktere an?
- Brauche ich Nachnamen um sie zu unterscheiden oder eine bestimmte Zugehörigkeit zu erzeugen?
- Wie klingt es für den einzelnen Charakter, also würde es einer bestimmten Person ein (benötigtes) würdevolleres Auftreten verleihen, wenn er nen ellenlangen Namen
  bekommt? Dann wäre der Nachname für mich eher ein notwendiges Accessoire.

Kann ich fast so unterschreiben.

Bei meinem High Fantasy Projekt gibt es größtenteils keine Nachnamen. Bei meiner aktuellen Urban Story haben die Engel wie auch (natürlich) die Menschen Nachnamen. Die Nachnamen der Engel find ich besonders nett :)


Förderlich? Hinderlich? Kommt auf Welt, Story und Charas an. Wieder eine Frage die nicht definitiv beantwortete werden kann.




Arrisull

Ich persönlich finde Nachnamen wichtig, da diese schon etwas über den Charakter der Figur aussagen können (wenn man es geschickt macht).
Ich meine, Karl der Große heißt nicht umsonst Karl der Große  ;)

Aber es kommt wirklich auf das Projekt an wie Drachenfeder schon angemerkt hat. Wenn man die Figuren anhand ihres Vornamens unterscheiden kann, dann sind Nachnamen nicht von großer Bedeutung oder wenn sie keinen besonderen Umstand unterstreichen sollen.

HauntingWitch

Ich finde auch, dass es auf den Charakter und die Welt ankommt. Urban Fantasy-Menschen zum Beispiel müssen Nachnamen haben (wie häufig man sie dann braucht sei mal dahingestellt), weil sie sonst einfach unglaubwürdig wirken würden. Hingegen wenn man einen Ort hat, wo es einfach keine Nachnamen gibt, beziehungsweise Wesen hat, die einfach keine Nachnamen haben, weil das noch nie so war, dann sollten sie auch keine haben. Ich bin auch der Meinung, dass Nachnamen Charaktere irgendwie nahbarer machen. Man kann sagen, der heisst so und so, kann ihn daran aufhängen. Ein Mensch, der einem nie den Nachnamen verrät, wird automatisch irgendwie Suspekt. Hätte ich aber einen Engel, der einen Nachnamen hat, würde ich mich sehr fragen, was an dem noch engelhaft ist. Das hängt sehr stark von der Absicht ab, die man mit dem Charakter verfolgt.