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Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein

Begonnen von Anaya, 19. Oktober 2013, 12:46:38

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Tinnue

ZitatDer Stil und die Stimmung sind heute ein anderer als damals, aber definitiv besser. Gefühl und Hingabe allein machen keinen guten Text, egal wie viel man davon hineinsteckt. Ein wenig Können muss schon dabei sein.

Das kann ich so auch unterschreiben.

Rhiannon

Wenn man es darauf anlegen würde, würde man bestimmt für jeden Schreibratgeber ein Buch finden, das funktioniert, die in dem Ratgeber aufgestellten Regeln aber alle missachtet. Aber das soll nicht heißen, dass die Ratgeber schlecht sind. Nur, dass die Frage nach dem "Wie muss ein Buch geschrieben werden" in meinen Augen nicht so pauschal beantwortbar ist.
Man sollte sein Handwerkszeug beherrschen. Wenn ich Musik mache, darf man von mir auch erwarten, dass ich Noten lesen kann, oder zumindest die einzelnen Töne hören und benennen kann. Aber dann sollte ich irgendwann auch meinen eigenen Stil entwickeln, sonst interessiert sich keine Sau für das, was ich spiele.
Und so ist das mit dem Schreiben auch. Mit Checklist zu schreiben und den einen Prota genau auf Seite 456 umzubringen, weil dann die Spannungskurve usw. genau nach dem Schreibratgeber verläuft, ist Blödsinn. Dann hast du kein eigenes Buch, sondern einen Klon von irgendwas.
Wo Schreibratgeber in meinen Augen aber durchaus Sinn machen, sind später beim Überarbeiten und wenn man stecken bleibt und nicht weiß, woran es hakt.
Mach aber nicht den Fehler, dein Projekt zu zerdenken! Dqs hat den gleichen Effekt, wie wenn man beim Sport versucht, eine Bewegung mit dem Kopf zu verstehen, bevor sie der Körper begriffen hat. Es klappt gar nichts mehr.

Lavendel

Natürlich haben Schreibratgeber nicht immer Recht, und es wäre Quatsch, das zu behaupten. Grundsätzlich fassen Sie aber einen Erfahrungsschatz von mehreren hundert Jahren zusammen und bewerten ihn sozusagen nach dem aktuellen Stand. Es stimmt übrigens nicht, dass es früher keine Schreibratgeber gegeben hätte. Früher orientierte man sich halt klar Aristoteles, und das tut man übrigens im Grunde genommen auch heute noch, denn Aristoteles hat mit seiner Poetik ja das Grundlagenwerk zu Literaturtheorie geschrieben, das nach über 2000Jahren immer noch Relevanz hat.
Man sieht daran, das mal nebenbei gesagt, was für einen einschnedenden Charakter Literatur für die Menschheit hat. Seit es sie gibt funktioniert sie ungefähr gleich, was im Grunde genommen bedeutet, dass sie ausgesprochen gut funktioniert, so gut, dass sie in ihren Grundlagen eben kaum verändert ist, seit Aristoteles eine Vorlesung zur Poetik hielt.
Ich würde unseren Schreibratgeber deswegen nicht blind vertrauen, aber sie fassen in großen Teilen eben schon die theoretischen Grundlagen zusammen, die man verstehen sollte, wenn man Romane schreibt. Nein, Leser lesen nicht so wie Autoren. Sie sagen nicht: "Oh, das ist mir zu viel Infodump". Sie legen das Buch weg, weil es zu langweilig ist. Leser sagen auch: "Also da sind mir jetzt zu viele Perspektivenwechsel in der Szene." Sie legen das Buch weg, weil sie verwirrt sind und nicht mehr mitkommen.

Es ist durchaus sinnvoll, zu verinnerlichen, worum es beim Schreiben geht. Man muss dafür keine Schreibratgeber benutzen. Man kann auch andere Autoren fragen oder den Test mit Lesern machen. Wie auch immer, eine Kunst mag noch so sehr Kunst sein, sie hat immer Regeln. Die bildende Kunst zum Beispiel hat sicherlich noch viel mehr davon als die Literatur. Wer nicht weiß wie Bildkomposition funktioniert, der malt meistens schlechte Bilder, genauso wie jemand, der keine Ahnung von Farbenlehre hat oder wer nicht weiß, wie Licht sich verhält oder wer sich nicht mit Geometrie und Anatomie beschäftigt hat.

Es ist von Anfang an sinnvoll, sich mit den Regeln der Literatur zu beschäftigen. Wir leben nicht in einem luftlehren Raum sondern in einer Gesellschaft, in der es Lesegewohnheiten und Erwartungen an Romane gibt. Mit denen sollte man sich schon auseinandersetzen, denn es gibt ja nur sehr wenige Leute, die sich hinsetzen und einen Roman ganz für sich alleine schreiben und ihn niemals irgendjemandem sonst zeigen wollen.

Und wer keine "hohe" Literatur, sondern Unterhaltungsromane schreibt, der sollte sich noch um einiges genauer an die Empfehlungen von Schreibratgebern halten, denn gerade in der Genreliteratur folgt man doch oft sehr festen Formen. Das mögen einige nicht so sehen, aber nachdem man ungefähr zehn Jahre lang Literaturtheorien studiert hat, erkennt man das dann doch ganz deutlich. Manches mag intuitiv gehen, und dann kann man sich freuen, dass man es intuitiv sowieso so gemacht hat. Manches braucht aber auch Übung und das Beherrschen der Form aus dem FF.

Niemand sagt, dass man nicht mal irgendwo mit irgendwas ao richtig krass brechen kann - und man wird sicherlich auch veröffentlichte und vielleicht sogar erfolgreiche Romane finden, die sich nicht an die Regeln des Schreibratgebers halten, den man grade gelesen hat, aber das ist ja kein Grund, sich selbst nicht weiterzuentwickeln. Eine Empfehlung einfach ungefragt umzusetzen und sich mit ihr am eigenen Text auseinanderzusetzen sind schließlich zwei unterschiedliche paar Schuhe.

Franziska

Ich glaube, was einen als Autor manchmal so ärgert ist, wenn man Bestseller liest und einem fallen tausend Sachen auf, die man laut Schreibratgeber nicht machen sollte. Infodump, flache Figuren oder Logikfehler. Ich glaube es stimmt, dass normale Leser nicht so darauf achten, aber irgendwas müssen die Bestseller ja ansonsten richtig machen, wenn der Plot spannend genug ist, fallen die Logikfehler vielleicht nicht so auf etc.
Ich achte beim Plotten nicht auf Regeln aus Schreibratgebern, ich versuche nur das bestmöglichste aus meinen Texten zu machen. Ich will mir nicht sagen, ach, der Leser bemerkt diesen Fehler doch ohnehin nicht. Damit macht man es sich ein bisschen einfach, finde ich. Man muss sich ja keine schlecht geschriebenen Bücher als Vorbild nehmen.  Aber es stimmt schon, wenn man wenig anspruchsvolle Untehaltungsromane liest, dann widersprechen sie oft vielen Regeln, oder es gelten einfach andere Regeln dafür? Zum Beispiel ist mir aufgefallen, dass bei leichten Liebesgeschichten die Regel Show don't tell meistens überhaupt nicht gefolgt wird, im Gegenteil, es scheint üblich zu sein, die komplette Biographie und Motivation der Figuren auf den ersten Seiten zu erzählen. Lest mal in ein Buch von Nicholas Sparks rein, alles Bestseller. Aber ich kann so nicht schreiben, ich würde bei jedem Satz denken: das ist schlechter Stil.

FeeamPC

Im Genre-Schreiben kann ein gewisser Infodump durchaus Sinn machen. So nach dem Motto, möglichst schnell den Hintergrund erläutern, damit der Leser zu dem für ihn Wesentlichen übergehen kann- zur Liebesgeschichte z.B.
Und im Genre sind auch feste Vorgaben üblich: zwischen Seite x und y Kennenlernen, zwischen Seite y und z erster Kuss, usw.
Und selbst der allerfreiste Roman muss, wenn er Unterhaltung sein soll und nicht hohe Literatur (die meist kein Schwein liest), zumindest Basis-Regeln beachten. Kein Autor würde bei seinen Lesern gut wegkommen, wenn er den Höhepunkt ins erste Drittel packt und danach nur noch eine flache Erzählung rausplätschert. Anständige Unterhaltung braucht einen Spannungsbogen, der wie eine sich immer höher auftürmende Welle aussieht.

Remy

Ich merke bei mir selbst zur Zeit, dass ich dazu neige, mich von Handlungspunkt zu Handlungspunkt zu hangeln. Jetzt, wo ich die gesamte Geschichte in Stichpunkten vor mir liegen habe, muss ich erst einmal lernen, sie mit Inhalt zu füllen, anstatt sie abzuarbeiten. Dazu kommt bei mir, dass ich das Gefühl hab, kaum noch neues zu entdecken. Bei komplett freiem Schreiben kreiert man die Welt aus dem Stehgreif, was mich immer sehr fasziniert. Bloß kommt da bei längeren Werken selten etwas schlüssiges bei rum.
Ich glaube, ich sollte versuchen zwischen den trockenen Plotpunkten noch emotionale Entwicklung einfließen zu lassen, um das Konstrukt zu polstern. Und dann sollte ich mir viiiiel Zeit nehmen, mit an der Handlung entlang zu hangeln, ohne im Hinterkopf den nächsten Schritten entgegenzufiebern. Ist schwierig. Ich bin leider ein absoluter Chaot und tu mich mit sehr kontrolliertem Schreiben schwer. Also zwinge ich mich dazu und sehe später, wo ich das Sprachliche vernachlässigt habe. Ich bin dazu übergegangen, vor dem Schreiben jedes Kapitels, das vorherige zu lesen. Das hat mir sehr geholfen, in den Fluss zu kommen, nichts doppelt zu schreiben, und ich sehe vor allem dadurch, ob ich alles richtig gemacht hab. Das kann ich leider oft direkt nach dem Schreiben nicht mehr gut beurteilen, mit ein wenig Abstand gehts dann.

Das sind nur so meine derzeitigen Eindrücke zum Thema des kontrollireten Schreibens. Schreiben ist schwer.

Liebe Grüße, Remy

Thaliope

Die Schreibratgeber sind ja eigentlich keine Leseratgeber. Also, für den Leser kommt es darauf an, ob das Buch "funktioniert", ob es eine bestimmte Wirkung erzielt. An welche Regeln sich der Autor dabei gehalten hat, ist für den Leser ja eigentlich total egal. Deshalb halte ich das Ausmaß, in dem sich ein Autor an einen Schreibratgeber hält, nicht für ein geeignetes Bewertungskriterium für die Qualität eines Buches.
Wie man selbst als Autor allerdings eine bestimmte gewünschte Wirkung erzielt, dabei kann einem ein Schreibratgeber natürlich sehr wohl helfen. Man kann aber auch auf eigene Faust Texte analysieren, die man für gelungen hält, ein Teil davon passiert sicher auch unbewusst beim Lesen, und manch einer hat die Strukturen allein durchs Lesen so verinnerlicht, dass er sie nicht mehr aus einem Ratgeber zu lernen braucht  - das könnte man dann durchaus als Talent bezeichnen.
Sklavisch alles umzusetzen, was ein Schreibratgeber vorgibt, treibt aber auf Dauer auch unschöne Blüten ...

Zitat von: Franziska am 20. Oktober 2013, 11:31:25

Aber es stimmt schon, wenn man wenig anspruchsvolle Untehaltungsromane liest, dann widersprechen sie oft vielen Regeln, oder es gelten einfach andere Regeln dafür? Zum Beispiel ist mir aufgefallen, dass bei leichten Liebesgeschichten die Regel Show don't tell meistens überhaupt nicht gefolgt wird, im Gegenteil, es scheint üblich zu sein, die komplette Biographie und Motivation der Figuren auf den ersten Seiten zu erzählen. Lest mal in ein Buch von Nicholas Sparks rein, alles Bestseller. Aber ich kann so nicht schreiben, ich würde bei jedem Satz denken: das ist schlechter Stil.

Dieses leidige "Show don't tell", das ja in bestimmten Bereichen wirklich berechtigt ist (vor allem, um Emotionen anschaulich und erlebbar zu machen) führt ja leider in seiner übertriebenen, sklavischen Umsetzung dazu, dass die Kunst des Erzählens ziemlich ins Hintertreffen gerät. Gut zu erzählen ist sicherlich schwierig, aber ich finde es ziemlich schade zu sehen, dass sich die Unterhaltungsliteratur immer mehr dem Film angleicht, wo alles szenisch dargestellt wird, anstatt die Kunst der eloquenten, unterhaltsamen Narration zu pflegen - wohldosiert und an den richtigen Stellen eingesetzt, versteht sich. Ich finde, gerade in diesem Bereich kann man am effektvollsten mit Sprache in all ihren Spielarten arbeiten.

Nur Regeln zu kennen, reicht nicht aus. Man muss auch erkennen, wann welche Regel angebracht ist und sinnvoll eingesetzt werden kann. Da könnte ich mir vorstellen, dass es manchmal mehr bringt, erfolgreiche Literatur und/oder Literatur, die man selbst für sehr gelungen hält, daraufhin zu analysieren, was der Autor da richtig macht, weil es das eigene Denken, das Sprach- und Geschichtengefühl fordert und fördert.

LG
Thali

Kati

Zitat von: RemySchwieriges Thema. Ich mag Ratgeber nicht sonderlich. Ich denk da zurück an das, das man so als die großen literarischen Meisterwerke bezeichnet und denke mir, die hatten auch keine Ratgeber.

Mein Problem mit Ratgebern ist, dass sie sich sehr endgültig lesen und doch jeder Ratgeber auch irgendwie was anderes erzählt. Ich finde Ratgeber schon gut, aber nicht als Anleitung, wie man einen Roman zu schreiben hat, sondern als Anregung für Ideen und Eingebungen, die man umsetzen könnte, aber natürlich nicht muss. Und man muss bedenken, dass sich auch die "Regeln" mit der Zeit verändern. Viele Klassiker würden heute so gar nicht mehr verlegt werden, weil sie nach den Regeln einer anderen Zeit geschrieben sind. Deshalb sind sie nicht schlechter oder besser als neuere Werke, aber eben anders. Und ein Schreibratgeber aus den 1970ern ist heute, ich wage es mal das so zu behaupten, nicht mehr so viel wert, weil sich Geschmäcker, Schreibregeln und Muster in den 40 Jahren wieder verändert haben. Im Grunde ist Literatur, wie ja auch schon angemerkt wurde, sicherlich gleich geblieben, aber durch die verschiedenen Geschmäcker, gesellschaftlichen Normen und auch wichtigen Ereignisse und Meinungen der verschiedenen Epochen verändert sich ja doch einiges. Nichts bleibt immmer ganz genau gleich und was 1970 vielleicht gar nicht ging, macht heute jeder zweite Autor oder andersrum. (Obwohl es natürlich auch gerade spannend wäre, zu schauen, was vor vierzig, fünfzig Jahren an "Regeln" zum Schreiben genauso war wie heute oder was doch anders geworden ist...)

Ich finde den Mythos vom "Talent" auch etwas überholt und lästig. Schreiben ist kein magisches Zeug, das ein paar wenigen "Talentierten" vorbehalten ist. Es mag Leute geben, die schneller besser werden, als andere und ich will auch gar nicht behaupten, dass "Talent" kein Faktor ist, aber mit oder ohne Talent ist es beim Schreiben wie überall sonst auch wichtig zu lernen, Hilfe anzunehmen und nicht mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. "Ich bin Künstler, ich mache alles wie ICH will" ist die schlechteste Einstellung die man haben kann, denn so lernt man nichts. Schreiben ist auch irgendwo ein Handwerk, etwas das man nicht nur lernen kann, sondern lernen muss, Talent hin oder her, und alle Kritik und Hilfe abzublocken, weil man Künstler ist, bringt gar nichts. Deshalb finde ich den Blick in den Schreibratgeber gar nicht verkehrt. Welche der Ideen und angesprochenen Taktiken man anwendet, sollte man jedoch immer selbst entscheiden, aber man kann den Ideen gegenüber ruhig offen sein und ihnen eine Chance geben.

Ich denke, es ist wichtig, sich mit den Regeln befasst zu haben oder wenigstens zu wissen, was die verhasste Spannungskurve überhaupt ist und wie sowas funktioniert. Wenn man das weiß, kann man natürlich munter was anderes machen, aber man hat es im Hinterkopf, man weiß ungefähr, was geht und was gar nicht geht. Dasselbe gilt für Show-don't-tell. Wenn ich nie davon gehört habe und einfach mache wird das sicherlich nicht besser, als, wenn ich weiß, was das ist und mich in manchen Situationen bewusst dagegen entscheide, es umzusetzen. Ein Maler klatscht ja im besten Fall auch nicht einfach irgendwelche Farben auf die Leinwand, sondern macht sich vorher Skizzen von seiner Komposition und sicherlich auch über symbolische Bedeutung von Formen Gedanken. Wenn er die symbolische Bedeutung der Formen aber nicht kennt, hat er irgendwo Kreise, wo Kreise das Gegenteil von dem bedeuten, was er eigentlich ausdrücken möchte (blödes Beispiel, aber ihr versteht schon :D). Und beim Schreiben ist es doch dasselbe. Natürlich kann man nette Texte schreiben, ohne die Regeln zu kennen, aber, wenn man die Regeln kennt, kann man viel besser damit spielen und sie viel gezielter einsetzen oder auch brechen, um einen klareren, besseren Text zu schreiben. 

Snöblumma

Ob man nun wirklich Ratgeber braucht, darüber lässt sich sicher trefflich streiten. Was man meiner Meinung nach aber wirklich braucht, um für Publikum zu schreiben, ist das Handwerkszeug. Das kann man sich selbst erarbeiten, indem man vergleichbare Bücher / Bücher, die gut gelaufen sind / Bücher, die man selber gut findet, analysiert und sich abguckt, wie andere gewisse Dinge gemacht haben, oder indem man Ratgeber liest und sich mit Literaturtheorie auseinandersetzt. Aber ganz ohne wird meiner Meinung nach das Schreiben für Publikum nicht funktionieren. Sobald ich mit meinem Werk an die Öffentlichkeit will, werde ich mit Lesererwartungen konfrontiert. Nur wenn ich diese Erwartungen zu einem gewissen Grad erfülle, kann ich Erfolg haben. Das bedeutet nun nicht, genau dasselbe zu schreiben wie alle anderen vor einem, aber wenn ich einen Liebesroman schreibe und der Love Interest taucht auf Seite 300 das erste Mal auf, wird meine Zielgruppe mir das Buch um die Ohren werfen.

Solange ich natürlich einfach nur für mich schreibe und die Geschichten in meinem Kopf zu Papier bringen will, kann ich machen, was ich will, klar, keine Frage. Das war bei mir aber nie Ziel, sondern ich wollte auch, dass ein (wie begrenztes auch immer) Publikum meine Geschichten zur Kenntnis nimmt - und das ist es meine Aufgabe, die Geschichten so zu verpacken, dass sie bei meinen Lesern ankommen. Dazu gehört Sprache, Emotion, Leidenschaft - aber auch schnödes Handwerkszeug. Plotaufbau, Charakterentwicklungen, Figurenkonstellationen, Genreregeln, all das muss man schlicht und ergreifend lernen, wie in anderen Berufen auch. Da hilft es nichts, einfach zu schreiben. Kann natürlich gut gehen, aber wenn ich konstant dasselbe Niveau halten will, muss ich wissen, was ich da tue. Auch wenn ich dann mal mit einer Regel breche, muss ich wenigstens wissen, warum. Warum diese Regel? Warum an dieser Stelle nicht? Was bewirke ich damit bei meinen Lesern?

Es darf selbstverständlich nicht zu einer verkopften Angelegenheit werden, in der ich nur noch Regeln befolge. Love Interest auf Seite 3, Bösewicht auf Seite 10, erster Streit auf Seite 15 usw... auch das spürt der Leser, wenn nur noch das Standardgerüst verwendet und nicht mehr mit Emotion gefüllt wird. Ich denke, es ist wichtig, sich nach einer Phase des Einfach-Drauflos-Schreibens hinzusetzen und die Regeln zu lernen. Dann wird eine Phase kommen, in der man relativ krampfhaft die Regeln einhält. Und irgendwann werden einem die Regeln in Fleisch und Blut übergehen, und man wird wieder freier werden - und das ist, denke ich, das, wo man versuchen sollte, sich hinzuentwickeln, wenn man wirklich für Publikum schreiben will.

Von Genreliteratur brauchen wir nun gar nicht erst anzufangen, denn da sind die Regeln noch strikter... :D aber selbst die Fantastik folgt bestimmten Regeln. Ein High Fantasy Epos ohne Oberbösewicht? Eigentlich undenkbar. Eine Heldenreise ohne Bedrohung? Langweiliger Unsinn. Ein Abenteuerroman ohne Ziel? Ganz nett, aber sicher nicht das, was jeden vom Hocker reißt. Und da kommt man, wenn man nicht wirklich intensiv selbst anhand von Vorbildern arbeiten will, an Ratgebern einfach nicht vorbei. Kurz gesagt: ich finde Ratgeber einfach einen effektiven Werk, sich das Handwerk beizubringen, das man einfach braucht. :D

Coehoorn

#24
Klar ist Talent nicht alles aber wenn man einfach nicht schreiben kann hilft einem auch der beste Ratgeber nicht weiter. Ja, ein Ratgeber kann eine Hilfe sein aber hier liegt die Betonung eben auf "kann". Ich bezweifle auch, dass nur wenige Menschen Talent haben. Viel mehr würde ich behaupten, dass das Talent nicht gefördert oder erkannt wird. Ich denke da an eine Krimigeschichte einer guten Freundin, die einfach nur grottenschlecht war. Ihr fehlte einfach jegliche Fähigkeit dazu eine halbwegs zusammenhängende und durchdachte Geschichte zu konzipieren. Dafür war ein Gedicht von ihr, das ich mal lesen durfte, ein wahrer Balsam für die Seele. Ich zum Beispiel werde nie in der Lage sein ein Instrument zu spielen, ohne mir dabei sämtliche Finger auszurenken und was das "Schreibtalent" angeht.... naja das wollen wir erst noch sehen wenn ich mir den ersten Betaleser suche :D

ZitatWelche der Ideen und angesprochenen Taktiken man anwendet, sollte man jedoch immer selbst entscheiden, aber man kann den Ideen gegenüber ruhig offen sein und ihnen eine Chance geben.

Dem stimme ich vorbehaltlos zu.

Die Ablehnung, die ich in meinem Post zum Ausdruck gebracht habe, bezog sich vor allem in erster Linie auf dieses "Du musst das so machen weil sonst alles was du machst doof ist, basta!", welches nach dem Startpost zu schließen sehr vielen Ratgebern anhaftet.
Als Anfänger sofort penibel auf alle Regeln und Tipps zu achten, dürfte wohl eher zu Frustration als zu Erfolg führen. Vieleicht fehlt mir da auch einfach die Erfahrung aber lieber erst mal frei schreiben, mit dem Arbeiten was man an Fähigkeiten bereits besitzt und dann Kritik und Hilfe suchen, als sich sofort nur nach irgendwelchen strengen Regeln zu richten   :)

Oder um Andrzej Sapkowski zu zitieren  ;D
ZitatNäh' rot an rot, gelb an gelb und weiß an weiß mit dem Faden. Dann wird es schon stimmen.
Andrzej Sapkowski - Die Dame vom See


Fianna

ZitatIch denke da an eine Krimigeschichte einer guten Freundin, die einfach nur grottenschlecht war. Ihr fehlte einfach jegliche Fähigkeit dazu eine halbwegs zusammenhängende und durchdachte Geschichte zu konzipieren
Das Beispiel hinkt jetzt aber etwas. Gerade Krimis und Gedichte basieren doch auf ganz genauen Regeln. Also würde ich daraus nicht ableiten, dass sie schreiben kann - aber nur Gedichte - sondern eher, dass sie da die Regeln einfach kennt und befolgt, bei der Krimistory dagegen Konzeptionsregeln nicht beachtet hat und evt zusätzlich noch "allgemeine" Schreibfehler gemacht hat.
Das hat aber nichts mit Talent zu tun, das kann man alles lernen. Allerdings nicht vom.begeisterten "Tatort"-gucken etc sondern vom Lesen oder durch Schreibratgeber.
Im Gegensatz zu Gedichten ist der Aufbau von Krimis nicht Teil des schulischen Lehrplanes und man muss da mehr Vorarbeit investieren (also allgemein, Regeln betrachten, Konzept erstellen, ggfs. Regeln brechen).

~~~~~

Als ich mir vor Jahren einen Schreibratgeber kaufen wollte, habe ich via Google eine Diskussion in der Schreibwerkstatt gefunden, die hitzig den Sinn des einen Autors oder das Verständnis des anderen einem Handwerkszeug verglich.
In den gemäßigteren oder zusammenfassenderen Beiträgen kam dann "Der Autor meint, ein Buch muss (...).so sein und deshalb interpretiert er das so..."
Also habe ich mit keinen gekauft, denn ich wollte die Methoden haben und nicht die Ideolgie des Autors aufgedrückt bekommen.

Um das Schneeflockenprinzip kennen zu lernen oder Ähnliches brauche ich keinen Schreibratgeber, es gibt x Blogs, Foren und so weiter, wo.man das finden kann..

TheaEvanda hat in diesem Forum übrigens einen genialen Artikel zum Plotten eines Kriminalromanes geschrieben ;)

Tinnue

Ich denke, dass wie in vielen anderen Dingen auch, die goldene Mitte vielleicht eine gute (bessere) Variante ist. Dieser Mittelweg muss nicht bei jedem Schreiber exakt gleich aussehen, wichtig ist einfach, sich nicht zu sehr auf eine Seite ("Regeln über alles!" <-> "Ich mache meine Regeln selbst!") versteifen sollte.

Natürlich hat alles im Leben grundlegen Regeln, die dem Ganzen zugrunde liegen, ist beim Schreiben nicht anders. Man sollte diese Regeln kennen, das macht vieles einfacher. Beim direkten Schreibvorgang ist es aber genauso wichtig, seine eigene "Stimme" zu finden und zum Ausdruck zu bringen - vielleicht auch, in dem man mit einer Regeln einmal bricht (das kann einem Buch gut tun, muss es aber nicht).
Ich glaube, ansonsten ist auch alles gesagt. Ich würde mich nur wiederholen oder andere. :)

Coehoorn

Zitat von: Fianna am 21. Oktober 2013, 08:23:41
Das Beispiel hinkt jetzt aber etwas. Gerade Krimis und Gedichte basieren doch auf ganz genauen Regeln. Also würde ich daraus nicht ableiten, dass sie schreiben kann - aber nur Gedichte - sondern eher, dass sie da die Regeln einfach kennt und befolgt, bei der Krimistory dagegen Konzeptionsregeln nicht beachtet hat und evt zusätzlich noch "allgemeine" Schreibfehler gemacht hat.

Da wäre auch mit Regelbeachtungen nichts mehr zu retten gewesen. Man hat einfach gemerkt, dass jedes Gefühl für logisches Denken beim Schreibvorgang fehlt. Sei es in der Handlung, bei den Characteren und beim ganzen Rest. Diese Fehler erstreckten sich nicht auf mehrere Seiten, sondern fanden sich innerhalb weniger Zeilen. Es war also für jeden Leser, unabhängig vom Können, sofort ersichtlich, dass das so nicht gehen kann.
Wir haben zwar alle gelernt, wie ein Gedicht aufgebaut sein muss, trotzdem kamen in unserem Jahrgang so gut wie keine guten Gedichte zustande, wenn wir selbst schreiben sollten.

Schreiben ist nunmal eine Kunst, genau wie malen, dichten, musizieren, töpfern und was es sonst noch alles gibt. Jeder kann irgendwas aber nicht jeder kann alles (Dem Himmel seis gedankt, sonst wärs ja langweilig)


Ich glaube aber ich drifte hier n bissl zu sehr ins Offtopic ein. Wenn wir über "Talent nötig oder nicht" weiterdiskutieren möchten, sollten wir vieleicht lieber einen neuen Thread aufmachen bevor sich die Damoklespfanne über dem Haupte erhebt  ;D

Alana

#28
Natürlich ist schreiben eine Kunst und jeder muss den Bereich finden, den er gut beherrscht und an dem sein Herz hängt. Ich frage mich nur, warum gerade beim schreiben immer wieder infrage gestellt wird, dass es ein Handwerk ist. Wenn einer Maler werden will und von sich behauptet, ich male eh nur gegenstandslos, ich muss nicht wissen, wie man einen Apfel zeichnet, dann würde ihm jeder einen Vogel zeigen. Selbst die modernen Maler, die nur eine Leinwand blau anmalen (was übrigens gar nicht so einfach ist), beherrschen das Handwerk bis zur Perfektion. Talent spielt sicher eine Rolle, aber Leidenschaft und Disziplin sind meiner Meinung nach viel wichtiger, genauso wie in jeder anderen Kunstform auch. Trotzdem erwarten viele, dass man es einfach so können muss. Das geht soweit, dass man von Nichtschreibenden dumm angeschaut wird, weil man Schreibratgeber liest. "Na, wenn du das nötig hast, dann kannst du ja kein guter Autor sein." Kein Witz, ist mir genauso passiert.
Alhambrana

Kati

ZitatDa wäre auch mit Regelbeachtungen nichts mehr zu retten gewesen. Man hat einfach gemerkt, dass jedes Gefühl für logisches Denken beim Schreibvorgang fehlt. Sei es in der Handlung, bei den Characteren und beim ganzen Rest. Diese Fehler erstreckten sich nicht auf mehrere Seiten, sondern fanden sich innerhalb weniger Zeilen. Es war also für jeden Leser, unabhängig vom Können, sofort ersichtlich, dass das so nicht gehen kann.

Gib ihr Zeit zu üben. War es ihr erster Versuch, einen Roman zu schreiben? Wenn sie schreibt, dann hat sie Spaß daran und das ist doch einer der wichtigsten Aspekte bei der Sache. Als ich angefangen habe zu schreiben, war Logik auch noch nicht so wirklich meins, aber das Gefühl für logisches Denken kann trainiert werden, genau wie alles andere. Natürlich kann nicht jeder supertoll schreiben, aber ich glaube, dass es jeder der wirklich will und mit Herzblut dabei ist schaffen kann, eine lesbare Geschichte zu schreiben.  ;) Man darf nur nicht beratungsresistent sein und jede Hilfe abschmettern, dann lernt man nichts.

Und, wie hier schon gesagt wurde, lesen ist ganz wichtig. Eine ehemalige Freundin von mir hat geschrieben, aber nicht gelesen (und war obendrauf für Kritik nicht zugänglich) und das hat man gemerkt. Wenn man liest und etwas gut findet, dann macht man es nach, ob bewusst oder unterbewusst, und so lernt man eine Menge, die einem sonst keiner beibringen kann. Ich glaube, der Weg zum eigenen Stil ist eine Mischung aus Stilen anderer Autoren, die man toll findet. Woher soll sowas auch kommen, wenn man keine Vorbilder, Inspiration und nichts hat. Aus dem Nichts kommt ja selten irgendwas, einen Anstoß gibt es immer.