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LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt

Begonnen von Nachtblick, 23. Oktober 2013, 20:51:35

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Naudiz

@Cairiel: "Das Lied von Eis und Feuer" mag LGBT-Figuren enthalten. Allerdings ist es auch nicht ganz frei von Sachen, wo ich sage, das ist nur gemacht worden, um eben mal so eine Figur dabeizuhaben. Vorsicht, Spoiler: Und zwar, wenn Cersei mit Taena "schläft". Das macht sie nämlich ganz eindeutig nicht, weil sie lesbisch ist, sondern mehr oder weniger "einfach so zum Spaß", bzw. um die Loyalität der anderen sicherzustellen, wie sie es auch bei vielen Männern macht. Auf jeden Fall nicht, weil sie lesbisch oder auch nur bi wäre. Die Homosexualität ist hier also nicht vorhanden, um die Diversität herauszuheben, sondern tatsächlich als Plotpunkt. Und das finde ich wirklich diskriminierend.

Naja, und bei Goldauge und seinem royalen Freund wird der Fokus in meinen Augen auch mehr auf die sexuelle Komponente gelegt als auf die emotionale Beziehung zwischen den beiden.

Es macht mich traurig und auch ein wenig wütend, dass LGBT immer noch nicht in unserer ansonsten doch ach-so-aufgeklärten und fortschrittlichen Gesellschaft angekommen ist. In meinem Freundeskreis befindet sich so ziemlich alles, mit Ausnahme von Intersexualität. Und sie alle werden regelmäßig angefeindet und diskriminiert - sie sind froh, wenn sie einmal mit bloßem Schubladendenken und einem schiefen Blick bedacht werden. Gerade meine Freundin J. ,  die transsexuell ist, hat große Probleme mit Anfeindungen, und ist im Endeffekt deswegen in psychiatrischer Behandlung gelandet. Momentan versucht sie, ihre Geschlechtsumwandlung bei der Krankenkasse durchzubekommen. Eine sehr schwierige, nervenzehrende Angelegenheit, denn die KK sieht nicht ein, dass sie sich damit besser fühlt, sondern behandelt sie so, als hätte sie gerade eben mal aus Jux und Tollerei beschlossen, sie sei trans. Aber ich weiche vom eigentlichen Thema der Diskussion ab, deswegen belasse ich es jetzt mal dabei.

Jedenfalls finde ich es sehr schade, dass LGBT in der Literatur immer noch dermaßen stigmatisiert wird. Nischenverlage, gesonderte Regale in Buchhandlungen, in der auch Romane landen, in der die Sexualität der Hauptfiguren nur eine untergeordnete Rolle spielt, der Missbrauch von LGBT-Figuren als Zeichen der Toleranz des Autors oder schlimmstenfalls als Wichsvorlage ... die Liste ist lang und ein Punkt trauriger als der andere.
Auch J. ist das aufgefallen. Sie ist vor einiger Zeit auf den Geschmack der Fantasy gekommen und liest sich jetzt kreuz und quer durch das Genre. Sie fragte mich einmal, ob es denn auch klassische High Fantasy mit realitätsnah dargestellten Schwulen und Lesben gibt - dass transsexuelle Figuren eine erschreckende Seltenheit in der Literatur haben, ist ihr schon lange bewusst. Da stand ich lange da und wusste nicht recht, was ich sagen sollte. LGBT in der klassischen High Fantasy? Das ist mir ehrlich gesagt noch nie begegnet. Denn wenn LGBT in einem High Fantasy-Roman vorkommt, wird er schon nicht mehr als klassisch gehandelt, sondern als etwas Besonderes. 'Klassisch' bedeutet für den größten Teil der Leser eben immer noch, dass Männlein Weiblein liebt. Das ist eben "normal" für die meisten Menschen in unserer Gesellschaft. Um das in der Literatur zu ändern, müsste sich erst einmal die gesellschaftliche Einstellung zu LGBT ändern. Davon ist aber leider noch nicht ganz so viel zu sehen, auch wenn es hier in Deutschland sicherlich weitaus mehr akzeptiert wird als zum Beispiel in Russland - aber dass Schwule und Lesben auch hier nicht heiraten dürfen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Homosexualität für die Behörden eben immer noch eine Abnormalität ist, der nicht die selben Rechte zustehen wie Heterosexuellen.

Jetzt habe ich leider den Faden verloren, was ich noch alles sagen wollte ... Es ist so ein unglaublich komplexes Thema, und ich bin ein wenig müde. Deswegen mache ich an der Stelle einmal Schluss und schreib die Tage noch einmal etwas dazu.

Tanrien

#31
Zitat von: Fynja am 24. Oktober 2013, 23:55:02
Ist Bisexualität also unglaubwürdig?  ??? Ich bin mir sicher, dass besagte Kommentare keinesfalls homophob gemeint waren, aber irgendwie habe ich insgesamt das Gefühl, dass Homosexualität zwar von den meisten Leuten in meinem Umkreis als normal akzeptiert wird, aber Bisexualität nicht so recht verstanden wird...
Ganz viele Leute glauben einfach nicht, dass es Bisexualität gibt... in der Realität... Das reflektiert dann natürlich auf die Literatur, wobei ich das Gefühl hatte, dass es in der Urban Fantasy mehr bisexuelle Hauptcharaktere gibt, in letzter Zeit bzw. mehr als in anderen Sparten.

Naudiz, es gibt gerade auf tumblr ganz oft Listen ("Fantasy books written by black queer women", "Sci fi books written by women with trans' characters", "Urban fantasy with asexual characters") mit Bücher-Titeln. Zwar auf Englisch, weil "sowas" natürlich selten übersetzt wird, und halt eher die "kleineren" Verlage, aber kleiner heißt ja auf dem englischsprachigen Markt schon recht groß. Leider lässt sich das auf tumblr immer so schwer suchen, aber ich kann mal die Augen offen halten, wenn deine Freundin auch englisch lesen mag?

Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 23:22:00
Besteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?
Hab da keine wirkliche Meinung zu; wenn es eine gibt, trete ich bei, aber ist halt die Frage, wer noch und was für Themen dann da entstehen. Das "Problem" mit der öffentlichen Diskussion hier wie in anderen social justice Themen ist ja eigentlich momentan, dass öfters nicht nur bei Null, sondern bei minus fünfhundert mit Erklärungen anfangen werden muss, aber hier z.B. hat Nachtblick ja geschafft, es gut zu unterbinden.

Naudiz

#32
Zitat von: Tanrien am 25. Oktober 2013, 00:25:38
Naudiz, es gibt gerade auf tumblr ganz oft Listen ("Fantasy books written by black queer women", "Sci fi books written by women with trans' characters", "Urban fantasy with asexual characters") mit Bücher-Titeln. Zwar auf Englisch, weil "sowas" natürlich selten übersetzt wird, und halt eher die "kleineren" Verlage, aber kleiner heißt ja auf dem englischsprachigen Markt schon recht groß. Leider lässt sich das auf tumblr immer so schwer suchen, aber ich kann mal die Augen offen halten, wenn deine Freundin auch englisch lesen mag?

Danke für das Angebot, Tanrien. Ich habe J. auch schon gesagt, dass es das im englischsprachigen Raum weitaus häufiger gibt, aber sie kann nur ganz spartanisch Englisch, deswegen kommt das für sie leider nicht wirklich in Frage. (Zur Erklärung: J. ist über fünfzig und hatte in der Schule nie Englisch.)

Maja

Diesen interessanten Artikel über den Präsenzwandel von LGBT-Menschen in den Massenmedien fand ich gerade über das Bildblog und möchte ich euch nicht vorenthalten: http://www.vocer.org/de/artikel/do/detail/id/569/beistellschwule-und-dekolesben.html

Noch eine Anekdote aus meinem Autorenleben: Im Sommer 2009 war ein (angeblich) mittelgroßer Verlag [im Nachhinein zähle ich ihn doch eher zu den kleinen] sehr interessiert an meinen "Chroniken der Elomaran". Eigentlich. Denn der Lektor hatte bei näherer Betrachtung eine ganze Reihe von Problemen mit dem Buch und mir. Worüber er aber gar nicht hinwegkam, war die Homosexualität der Hauptfiguren. In einer langen Mail an meinen Agenten hat er sich sehr despektierlich über Szenen ausgelassen, in denen das thematisiert wurde. Ich zitierre ihn mal ganz dreist:

Zitat von: Lektor G. vom S.-VerlagWenn ich gemein wäre, würde ich sagen, das ist ein Roman für schwule Emos, vielleicht käme man da der Wahrheit sogar ziemlich nahe. Weil ich schon mal bei dem Thema bin: Manche Passagen, wenn es um Anders Sexualität ging, fand ich einfach nur peinlich, zum Beispiel die Szene im und um den Badezuber an Lorimanders Hof, die ich einfach gestrichen habe. Was ich an dieser Konstellation dramaturgisch nicht gut finde, dass sowohl Anders als auch Halan schwul sind. Da werden wir fast alle jungen weiblichen Leser verlieren, und das ist die Mehrzahl aller Fantasyleser. Aber davon mal abgesehen fände ich es dramaturgisch viel besser, wenn Halan nicht schwul wäre und sich eigentlich für Frauen interessierte und das ein Handlungselement wäre, dann würden sich die beiden Protagonisten nicht so ähnlich sein und Andres Wutausbrüche und Eifersuchtsanfälle einen nachvollziehbaren Grund haben.

Für mich war da eigentlich schon klar, dass ich mit dem Lektor nicht mehr warm werde. Ich hatte kein Interesse daran, wesentliche Plotelemente umzustellen, vor allem nicht solche, die mir wirklich wichtig waren, um mich bei Lesern oder Lektoren einzuschleimen, deren Einstellung ich ablehne. Aber nachdem wir dem Lektor erklärt haben, dass die Figuren schwul bleiben, und dass junge Mädchen sowas überhaupt ganz toll finden, hat sich dieser Lektor nie wieder bei der Agentur oder mir gemeldet. Das ist aber das einzige Mal, dass ein Lektor Probleme mit der Sexualität meiner Figuren hatte. Es hat mir aber auch schon gereicht. Sowas hören zu müssen, im Jahr 2010, finde ich schon ziemlich heftig.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Golden

#34
Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 20:36:19
Ich tue mich auch immer schwer mit den Aussagen, dass Homosexuelle so geboren werden - nicht, weil ich das nicht glauben würde, aber weil es so entschuldigend klingt, als wäre die sexuelle Orientierung ein Gendefekt, mit dem man nur mal lebt, ich hab mir das nicht ausgesucht, ich wurde so geboren ... Ehrlich, ich habe keine Ahnung, ob ich bei meiner Geburt bisexuell war. Ich war klein und schrumpelig und gelb und völlig asexuell, was das betrifft. Es gibt keine schwulen, lesbischen, heterosexuellen Babies. Es gibt Babies, und ich denke, Babies sind grundsätzlich erst einmal bereit, jeden zu lieben. Das kristallisiert sich irgendwann heraus, üblicherweise, wenn man sich das erste Mal verliebt - ist das nicht früh genug? Ich weiß, dass das Argument "Ich wurde so geboren" gebraucht wird, um Arschlöchern zu begegnen, die jeden Schwulen gleich umerziehen wollen, und die sagen "Du hast nur nie die richtige Frau getroffen" - so wie ja auch immer noch viele denken, eine Frau wird lesbisch, weil die die falschen Erfahrungen mit Männern gemacht hat - und als nächstes gegen die Wissenschaftler hin und weisen nach, dass es tatsächlich eine genetische Komponente gibt, und auf einmal ist Schwulsein eine Erbkrankheit, und Eltern lassen ihre Embryonen per Präimplantationsdiagnostik darauf überprüfen, dass sie bloß keine homosexuellen Kinder bekommen. Da ist das gerade als Krankheitsbild aus dem ICD 10 getilgt worden, da machen ausgerechnet die Betroffnen selbst es wieder dazu. Als ob man sich sonst dafür entschuldigen müsste!
Naja, im Grunde genommen ist es aber doch so. Also entweder es ist genetisch definiert - ob man dann von einer Krankheit spricht ist natürlich so eine Frage (bräuchte man die Definition von Krankheit) - oder es ist nicht genetisch, müsste dann aber auch therapierbar sein. Dann sollte es natürlich noch so eine Art "Mittelding"(?) geben... also gut, muss es ja quasi immer :D... mh... :hmmm:

Wieso man keine Präimplantationsdagnostik durchführen sollte verstehe ich aber nicht. Man könnte dem Kind Leid ersparen und wenn man kein schwules Kind möchte, sollte man auch die entsprechenden Medizintechniken nutzen dürfen. Ihr wisst ja, pro Choice und so.

Maja

#35
@golden
Do not troll the feeds. Bitte.



Präimplantationsdiagnostik ist eine super Idee. Da kann man den unerwünschten Gesellschaftsmüll schon im Vorfeld aussortiere. Wie hier im Forum mit den Bewerbern. Blöd nur, wenn man sich dabei mal vertut und doch das Arschloch übersieht. Aber nach deiner Argumentation ist es vielleicht okay, dann eben zur Spätabtreibung zu greifen und den Troll zu bannen. Spart ihm vestimmt eine Menge Leid. Pro choice. Jau. Bin ich.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Golden


Veldrys

Ich finde es sollten nicht nur LGBTQ-Personen über die Thematik wissenschaftlich diskutieren oder grundsätzlich über sie schreiben (können oder dürfen). Ich finde auch, es ist gar kein so großes Problem, sich in jemanden, der anders ist, hineinzuversetzen. Manche Menschen tun zum Beispiel so, als ob Männer oder Frauen zwei verschiedene Spezies sind und als ob ein heterosexueller und ein homosexueller Mensch ganz anders sind, dabei sind wir alle Menschen und empfinden Liebe, wir lieben nur auf eine andere Art. Wir haben mehr gemeinsam, als uns unterscheidet. Auch ein transsexueller Mensch besteht nicht nur aus dem Gefühl, im falschen Körper zu sein, es ist nur ein Aspekt von vielen, der eine Person ausmacht.

Maja, ich wäre sehr interessiert an einer LGBTQ-Arbeitsgruppe und würde dort auch gerne mitmachen.

Bezüglich ,,Das Lied von Eis und Feuer" es stimmt, es gibt ein paar LGBT-Figuren, aber außer der Sache mit der von Naudiz erwähnten Personen wird das eher nur angedeutet (in der Serie wird das deutlicher gezeigt – ihr könnt euch vielleicht denken, von welchen zwei männlichen Personen ich schreibe).

Vielleicht liegt es an uns, etwas gegen den Mangel an LGBTQ-Figuren in der klassischen Fantasy zu tun.

Präimplantationsdiagnostik, da stellen sich bei mir die Haare auf. Dann würden wahrscheinlich eine ganze Menge Homosexuelle wie auch Transsexuelle einfach aussortiert werden (genauso wie Behinderte), und dann würden der Welt einige sehr interessante Menschen entgehen.

Coppelia

#38
@ Naudiz
Ich habe die Szene aus "Feuer und Eis" nicht gelesen, aber ich verstehe gerade nicht, was du daran diskriminierend findest. Habe ich dich richtig verstanden? (Spoiler) Cersei schläft mit einer Frau, um deren Loyalität sicherzustellen, obwohl sie eigentlich hetero ist. Was ist denn daran diskriminierend? Das ist eine Aktion, die man vermutlich moralisch verurteilen würde, aber man würde doch den Vorwurf Cersei machen (weil sie "sich verkauft" gegen Loyalität und dabei sogar ihre eigenen Vorlieben zurückstellt), nicht der lesbischen Frau. Ok, vielleicht würde man ihr auch einen Vorwurf machen, wenn sich ihre Loyalität auf diese Weise kaufen lässt, aber das wäre doch nicht anders, wenn es sich um einen Mann handeln würde.
Aber wie gesagt, ich kenne die Szene nicht. Vielleicht ist sie besonders voyeuristisch geschrieben oder so.

Vielleicht stolpere ich jetzt darüber, weil in meinen Romanen mitunter ähnliche Dinge vorkommen: Menschen, die ihre Körper verkaufen, um politische Vorteile zu erlangen. Ja, auch gegen ihre persönlichen sexuellen Vorlieben. Und mein Protagonist mag es nicht - nicht, weil er Homosexualität verurteilen würde, aber weil er sich nicht verkaufen will. Er verachtet diejenigen, die es tun. Ich hoffe, ich kann das deutlich machen.

Einer meiner Romane hat einen bisexuellen Antagonisten. Bisher war hier noch überhaupt nicht dir Rede davon, ob es eigentlich zulässig ist, nicht-hetero-Figuren auch mit negativen Eigenschaften zu versehen (müsste es wohl, wenn man sie genauso wie alle anderen Figuren behandeln darf). Er ist eine ziemlich komplexe Figur, und seine sexuelle Ausrichtung steht überhaupt nicht im Vordergrund. Für einen Antagonisten ist er sogar recht sympathisch. Seine Bisexualität ist aber plotrelevant. Und es kommt auch tatsächlich noch eine andere Figur vor, vermutlich homosexuell und nicht der Antagonist, sein langjähriger Liebhaber nämlich. Dummerweise stirbt er sehr früh. ::)

Na ja, ich bin gespannt, was im Lektorat mit diesen Plotelementen passiert. Ich habe so den Verdacht, dass sie nicht im Roman bleiben werden, weil sich jemand dadurch diskriminiert fühlen könnte, und das möchte ich auf keinen Fall. Aber ich mache mir in der Hinsicht auch immer viele, viele Sorgen, weil ich mich selbst früher so oft diskriminiert gefühlt habe. Allerdings wegen anderer Dinge.

Veldrys

Natürlich ist es zulässig, nicht-hetero-Figuren auch mit negativen Eigenschaften zu versehen, genauso wie es heterosexuelle Antagonisten gibt. Warum sollte es nicht zulässig sein?

Ich finde, homosexuelle und heterosexuelle Figuren sollten genau gleich behandelt werden, dazu zählt auch, dass sie manchmal böse sein dürfen.

Solange man seine Bösewichte nicht aus purem Schwulenhass schwul macht, ist meiner Meinung nach alles in Ordnung.

Ich habe zum Beispiel, wie ich schon geschrieben habe, eine Dämonin, die sich in ihrem Palast nur mit halbnackten, jungen Frauen umgibt.

Auch meine anderen schwulen, bisexuellen und lesbischen Figuren sind nicht immer strahlende Helden.

Das wäre langweilig.

Naudiz

@Coppi: Das Handeln der guten Dame selbst ist für mich nicht diskriminierend, da habe ich mich vielleicht ausgedrückt. Mir ging es darum:

ZitatDie Homosexualität ist hier also nicht vorhanden, um die Diversität herauszuheben, sondern tatsächlich als Plotpunkt. Und das finde ich wirklich diskriminierend.

Für mich war diese Szene einfach total unpassend und unnötig, auch, weil sie nur wenig zur Handlung beigetragen hat. Sie wirkte sehr danach, als wollte Martin jetzt einfach nur unbedingt eine lesbische 'Beziehung' einbringen, weil die noch in der Menge fehlte (Danys Übungen mit Doreah zähle ich nicht dazu - das hatte später ja noch Bedeutung). Worum es mir bei meiner Bemerkung also ging, war, dass ich Homosexualität, die nur um eines Plotpunkts willen eingeführt wird, nicht gutheiße. Damit wird die Daseinsberechtigung der Homosexualität nämlich auf einen bloßen Storyanteil degradiert. Wenn der Plotpunkt nicht wäre, wäre die Homosexualität nicht - und das geht für mich gar nicht.

Ich hoffe, meine Aussage ist dir jetzt ein bisschen klarer. Manchmal habe ich einfach Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden.

Über die Frage, ob man LGBT-Figuren auch mit negativen Eigenschaften belegen kann, ohne eine falsche Nachricht zu vermitteln, habe ich auch schon nachgedacht. Ich kam für mich selbst zu dem Schluss, dass man alles machen kann und sollte, was man will, da es im echten Leben ja auch Schwule gibt, die gleichzeitig Fieslinge sind. Leute, die es falsch auffassen und sich drüber aufregen, wird's ohnehin immer geben.

Coppelia

Leider verstehe ich es immer noch nicht. :) Du meinst, die Szene hätte wenig zur Handlung beigetragen, sprichst aber zugleich von "Plotpunkt" und "Storyanteil". Das impliziert für mich, dass sie doch handlungsrelevant ist. Aber wie gesagt, ich kenne sie nicht, und offenbar reden wir auch schon gar nicht mehr von der Sache selbst, also können wir damit auch aufhören. ;)

Na hoffen wir, dass nicht zu viele Leute meine Story falsch auffassen ... vielleicht kann ich noch ein bisschen mehr political correctness einbringen. Ist auch nicht so leicht, wenn man eine Hauptfigur hat, die nicht ganz so aufgeschlossen ist wie man selbst, und sich alle politischen Feinde über den armen Mann das Maul zerreißen. :hmmm:

Naudiz

Kurz gesagt: Mich störte, dass die einzige Daseinsberechtigung der 'Homosexualität' war, zur Story beizutragen.

Leann

Als ich gestern die Überschrift gelesen habe, hab ich erstmal gestutzt und so eine Art Gebrauchsanweisung erwartet. Das hätte mir gar nicht gefallen, da ich immer noch selbst entscheiden möchte, wie ich was schreibe. Aber mittlerweile habe ich glaub ich kapiert, wie das gemeint ist und finde diesen Thread sehr interessant. Er hat mich auch mal wieder dazu gebracht, darüber nachzudenken, warum in meinen Werken homosexuelle Menschen vorkommen. Ergebnis: Keine Ahnung! Wenn Figuren homosexuell sind, dann sind sie das nicht, weil ich politisch korrekt sein oder eine Quote erfüllen will. Sie sind es, weil es mir Freude macht, sie so zu erfinden und über sie zu schreiben, genauso wie ich den Figuren andere Eigenschaften verleihe.
Außerdem ist die Homosexualität bei mir eher kein Hauptthema. Es ist eben so, dass einige meiner Helden sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen, aber auch keine große Sache. In meiner speziellen Fantasy-Welt ist das auch kein Problem und die Figuren werden nicht hauptsächlich durch ihre sexuellen Vorlieben definiert, sondern durch ihren ganzen Charakter. Sie sind ganz genauso vielfältig und unterschiedlich wie heterosexuelle Figuren, und das entspricht ja auch der Realität.
Darum frage ich mich, ob ich da jetzt echt spezielle Informationen benötige, bevor ich über "LGBT-Menschen" schreiben darf. Wenn ich über ihre Situation in Deutschland schreibe, oder z.B. die Handlung in der Kölner Schwulenszene spielen würde, dann würde ich mich da sicher informieren, genauso wie ich auch bei anderen mir unbekannten Szenen recherchieren würde, aber in meiner Fantasywelt herrschen doch ganz andere Regeln. Wenn ich z.B. über jemanden schreiben würde, der gehörlos oder blind ist oder sonst ganz anders als ich, z.B. super Geige spielt oder eine Sportskanone ist etc., hätte ich da schon einige Fragen, aber für mich ist Liebe immer Liebe und Sex immer Sex. Das entspricht meinem Erfahrungshorizont. Klar, da gibt es ganz viele Variationen, aber bisher habe ich die eher nicht an gleichgeschlechtlichen Präferenzen festgemacht.

So, das war jetzt was persönliches, ich habe mir auch noch allgemeine Gedanken gemacht zum Thema "Sind Schwule / Gay Romance jetzt Trend". Ich sehe das nicht als Trend an im Sinne eines Modetrends, der hochschwappt und in absehbarer Zeit wieder abebbt, sondern als gesellschaftliche Entwicklung. Als Beispiel sind mir hosentragende Frauen eingefallen. Ja, das Beispiel hinkt, weil Bekleidung eine Entscheidungsfrage ist und sexuelle Präferenzen nicht, aber darum geht es mir jetzt auch nicht. Früher war es verpönt und ein Tabu, dass Frauen Hosen anzogen. Irgendwann machten das aber einige Frauen und zogen Unmut auf sich, aber auch Interesse. Es wurde eifrig diskutiert und ein paar wenige Firmen produzierten Damenhosen. Heute kräht kein Hahn mehr danach, wenn Frauen Hosen anhaben. Niemand denkt daran, dass es überhaupt mal ein Konflikt-Thema war.
So wünsche ich mir das auch für das LGBT-Thema. Ich finde es nicht schlimm, dass es im Moment noch eher Nischenverlage sind, die entsprechende Bücher rausbringen und gehe davon aus, dass schwule, lesbische etc. Figuren in Romanen bald so weitverbreitet sind, dass auch Publikumsverlage mitziehen. Und irgendwann kommt niemand mehr auf die Idee, überhaupt darüber zu diskutieren.

Aphelion

#44
Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 20:36:19
Ich habe gerade mal rekonstruiert: Meinen ersten Roman mit schwulen Protagonisten habe ich 1993 gelesen. Das war "Himmelblau" von Joe Keenan, dem der Heyne-Verlag den Untertitel "Ein schriller Roman" gegeben hat - ich vermute, es war ein Versuch, das Wort "queer" zu übersetzen, aber in jedem Fall ist es typisch für eine Epoche, in dem schwul gleich schrill war und man im Fernsehen vielleicht mal eine total aufgemotzte Tucke zu sehen bekam.

Es könnte auch der Versuch gewesen sein, ein Wortspiel mit "gay" zu übersetzen. "gay" hat diverse Bedeutungen, die mit "schwul" z.T. überhaupt nichts zu tun haben.

Das ist insofern imho auch ein Problem, als dass man mit teilweise unpassenden Begriffen hantieren muss, wenn es um die sexuelle Orientierung geht. Auch im deutschen, auch (und insbesondere) wenn man bedenkt, wie der Begriff "schwul" unter bestimmten Jugendlichen (und nicht nur dort) verwendet wird. Nämlich als Beleidigung und Abwertung.

Ich persönlich lese keine Fantasy-Bücher über lesbische Magierinnen, weil es mir egal ist, welche sexuelle Orientierung eine Figur hat. (D.h. ich suche nicht gezielt nach solchen Büchern, aber ich lese sie schon. ;)) Ich will ein Buch über eine Magierin lesen, ob sie transgender, transsexuell, lesbisch, bi oder sonstwas ist, ist mir vollkommen egal. Insofern finde ich z.B. den von Maja beschriebenen Ansatz sehr gut.

(btw.: transgender und transsexuell wurde hier im Thread an mehreren Stellen bunt durcheinandergeworfen. ;) Da gibt es Unterschiede.)

Etwas Zwiegespalten sehe ich aber die Frage der "Nischenromane". Einerseits finde ich es nicht sinnvoll, nicht-hetereo&cis-Sexualitäten als etwas darzustellen, dass nicht "zum Rest" gehört und damit zu diskriminieren, wie es schon mehrfach angesprochen wurde. Andererseits frage ich mich aber auch, ob man es Menschen vorwerfen kann, sich speziell solche Literatur herauszusuchen, weil sie darauf anspringen. Das würde ja bedeuten, nun umgekehrt jene zu verurteilen, die z.B. als heterosexuelle Frauen erotische "Schwulenromane" lesen, diese auch persönlich als erotisch empfinden und damit keine politischen Absichten haben, sondern z.B. sexuelle Anregung suchen.

Edit 22.2.2019: Ich sehe genau diesen Punkt schon seit längerer Zeit deutlich kritischer als 2013. Es ist nicht okay, Menschen zum Fetisch-Objekt zu machen und sie auf ihre Sexualität zu reduzieren. Dass manche das extrem tun, ist mir damals nicht bewusst gewesen, und wie so oft sind Extreme echt blöd. Insofern habe ich diese Frage für mich inzwischen beantwortet: Sich verstanden und repräsentiert fühlen wollen: unbedingt! Aber bitte keine Dauer-Fetisch-Show von Heteros für Heteros mit Nicht-Hetero-"Darstellern", ohne Rücksicht auf Verluste...

Die lesbischen Antagonistinnen fallen mir in letzter Zeit aber etwas zu häufig auf. Vielleicht wegen des Stereotypes der Femme Fatale, zu der Homosexualität "so gut passt" - vor allem aus männlich geprägter Sicht, die (leider) auch viele Frauen zu eigen haben. Gewissermaßen als Steigerung der perfekten Männerverführerin, die aber selbst von ihrem "Opfer" nicht verführt werden kann und damit absolut dominant ist.

An sich sehe ich solche Konstellationen nicht als problematisch an - aber wie gesagt, es häuft sich in letzter Zeit doch arg.