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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Nachtblick am 23. Oktober 2013, 20:51:35

Titel: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Nachtblick am 23. Oktober 2013, 20:51:35
Da es inzwischen diverse sehr heftige Diskussionen über Geschlechterrollen und Feminismus gab, wird es höchste Zeit, auch hier eine zu eröffnen, und ein paar grundlegende Dinge zu erklären. Ich mache vorher einen kurzen Exkurs, der erste Denkanstöße beinhaltet und für Leute, die sich weniger damit beschäftigen, ein paar grundlegende Dinge im Voraus erklärt. Lasst euch dabei nicht von den vielen Fachwörtern abschrecken. Sie sind im Grunde ganz leicht erklärt!

Was ist Diversität?
Diversität heißt Vielfalt. In diesem Fall geht es darum, klarzustellen, dass es Menschen gibt, die nicht heterosexuell sind, die nicht weiß sind, die nicht das Geschlecht sind, das ihnen bei ihrer Geburt zugewiesen wurde, die Behinderungen haben oder anderweitig nicht der gängigen Körpernorm entsprechen.
Diversität abzubilden ist selbstverständlich keine Pflicht. Niemand wird zu irgendetwas gezwungen. Es geht ein großes Stück weit darum, realistisch zu sein, und realistisch gesehen gibt es nicht nur weiße, heterosexuelle, schlanke Menschen.

Was bedeutet LGBT?
Lesbian (lesbisch), gay (schwul), bisexual (bisexuell) und transgender (transgender) bilden zusammen ein Acronym. Oft werden noch weitere Buchstaben hinzugefügt, zum Beispiel Q für queer (queer), I für intersex (intersex) oder A für asexual (asexuell) oder manchmal umstritten allies (Verbündete). Queer ist außerdem ein Schimpfwort, das vorsichtig und von Heteros nicht benutzt werden sollte. Im Deutschen hat das Wort als entlehnter Begriff diese problematische Konnotation nicht, aber im Englischen solltet ihr gut aufpassen.

Was für Probleme haben Menschen, die LGBT sind?
Homosexualität steht in fast 70 Ländern unter Strafe. Auch in Deutschland ist sie erst seit den 90ern entkriminalisiert, gleichberechtigt heiraten kann man immer noch nicht. Transidentitäten werden zwar gesetzlich anerkannt, aber immer noch als Witz behandelt und stigmatisiert, die Selbstmordrate von transgeschlechtlichen Menschen ist extrem hoch. Informiert darüber wird kaum und wenn, unzureichend. Gewaltverbrechen reichen von verbaler Belästigung und Mobbing bis hin zu systematischer gesetzlichen Verfolgung und Folter, die nicht gesetzlich stattfinden muss, aber oft vom Gesetz gedeckt wird, zu Mord. Das alles wird oft heruntergespielt: ,,Es gibt Wichtigeres!", ,,Warum beschwerst du dich, dass du nicht heiraten kannst, in anderen Ländern könntest du gesteinigt werden! Sei doch dankbar, dass es dir hier so gut geht!" und ,,Wir wollen gar nicht wissen, was du und deine Partnerin im Bett treiben!" habe auch ich schon öfter gehört.

Die eigentliche Frage: Was geht mich das jetzt als Autor oder Autorin an?
Inzwischen gibt es einige Filme, Serien und Bücher, die homosexuelle und bisexuelle Charaktere haben. Das sind derzeit mehr Männer als Frauen. Die überwältigende Mehrheit der Figuren bleibt jedoch hetero. Die Hauptcharaktere solcher Serien, außer explizit für Zielpublikum gemacht, sind stets heterosexuell. Homosexualität gilt als ,,komplizierter" als Heterosexualität, wird anders dargestellt, viel expliziter zensiert und bekommt selten die gleiche Aufmerksamkeit und Zeit der Story. Transfiguren gibt es so gut wie gar keine. Eine große Mehrheit nicht-heterosexueller, nicht-cisgeschlechtlicher Jugendlichen wächst auch heute noch mit dem Stigmata auf, etwas sei an ihnen grundsätzlich falsch, schmutzig, schlecht. In den Filmen und Büchern, die sie konsumieren, finden sie sich nur selten wieder. Mit ,,das war damals so" ist es nicht getan. Wer Fantasy schreibt und sich an Magie bedient, kann auch entscheiden, dass es in seiner Welt keinen oder nur geringen und verpönten Sexismus gibt. Ein Charakter, der gleichgeschlechtlich liebt, hat keine anderen Charaktereigenschaften als ein vergleichbarer Charakter. LGBT-Charaktere und -Themen respektvoll und angebracht in eine Story integrieren ist nicht schwer und nicht unlogisch.

Ich kenne aber niemanden, der LGBT ist!
Dafür ist dieser Thread da. Wenn ihr Fragen habt, kann euch hier vielleicht jemand weiterhelfen. Ich würde mich sehr über eine Diskussion freuen, hoffentlich eine positive. Ich selbst bin lesbisch und weiß und keine Expertin zu jedem der genannten Themen. Über Korrekturen von geeigneteren Personen freue ich mich sehr und entschuldige mich über eventuelle Anmaßungen und Fehler. Wenn ihr Fragen habt, und seien sie noch so grundlegend, bitte her damit. Wenn ihr unsicher seid, gern per PN!

Edit: Überarbeitet am 4. Oktober 2015, da unendlich alt.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Shin am 23. Oktober 2013, 21:30:39
Danke für den Thread, Nachtblick!
Die Begriffe verwirren mich selbst auch manchmal noch. Non-binary lese ich gerade zum ersten Mal. Statt genderqueer sage ich zu mir allerdings thirdgender. Mensch, dass es überhaupt so viele Begriffe gibt, nur um etwas zu definieren... Es wäre so viel leichter, einfach zu verstehen, dass es eben verschiedene Möglichkeiten bei Geschlecht und Sexualität geben kann.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 23. Oktober 2013, 21:32:09
Das Thema erinnert mich an einen Blogbeitrag, den ich vor einiger Zeit verfasst habe: Warum ich keine Schwulenbücher schreibe (http://www.hollow-willow.de/blog/archiv/91/2012/05/Warum-ich-keine-Schwulenbuecher-schreibe.php).

Ich bin sehr der Ansicht, dass schwul/lesbische Themen (damit meiner ich das ganze LGBTQ-Spektrum, aber ich kenne kein passendes Adjektiv dazu) längst so weit mitten in der Normalität angekommen sind, dass sie nicht als Nischenthemen oder von Spezialverlagen behandelt werden sollten, sondern als ganz normale Literatur für ganz normale Menschen. Nicht nur deswegen gibt es bei mir eine Fülle entsprechender Figuren in Haupt- und Nebenrollen, wobei auch hier die männlichen Figuren tendenziell überwiegen. Insgesamt habe ich in den letzten fünfzehn Jahren keinen Roman geschrieben, in dem sich nicht mindestens eine Figur zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt - ohne dass ich das jetzt unbedingt als etwas absonderliches oder auch nur besonderes thematisieren muss.

Es hängt natürlich immer vom Setting ab: Als mein Geisterjäger Percy im Jahr 1922 mit einem anderen Mann im Bett landet, ist das für ihn ein Schock und kann beide ins Zuchthaus bringen, also muss ich es ganz anders behandeln, als wenn ich im Jahr 2011 Damian mit einem Schulterzucken sagen lasse, dass er auch immer an die falschen Kerle gerät. Ich habe stockschwule stahlharte Krieger, bisexuelle Feen, eine lesbische Königin, und insgesamt tue ich mich deutlich schwerer, meine Figuren eine heterosexuelle Beziehung führen zu lassen, weil ich mir da die gegenseitige Anziehung viel schlechter vorstellen kann - was komisch ist, da ich ja selbst mit einem Mann verheiratet bin. Ich liebe meinen Mann, aber es fällt mir einfach schwer, in heterosexuellen Dimensionen zu denken.

In letzter Zeit arbeite ich zunehmend mit bisexuellen Figuren, was ein Balanceakt ist: Wenn Percy sich nach Howard in Marigold verliebt, sollen die Leser ja nicht denken, er ist von seiner Homosexualität geheilt, oder er will sich der Normalität anpassen, oder ich will sagen, dass die "richtige" Verbindung immer noch die von Mann und Frau ist. Bisexualität wird von vielen immer noch nicht ernstgenommen - oder man wird gleich pornopraphisch für den flotten Dreier gebucht, aber dann bitte mit zwei Frauen, damit der Mann auch was zum Zusehen hat. Obwohl ich denke, dass tendenziell jeder auf die eine oder andere Weise bisexuell ist, gibt es sehr wenig bisexuelle Promis, und ich denke, viele Leser haben an der Stelle Probleme zu akzeptieren, dass es in der Sexualität keine Frage von Entweder/Oder ist, sondern ein weites Feld von unterschiedlich ausgeprägten Neigungen.

Bei meinem Lektor habe ich mit dem Ende des »Puppenzimmers«, bei dem die Heldin ihren knackigen Kerl in den Wind schießt und am Ende die Küchenmagd küsst, offene Türen eingerannt, und bei den Leserreaktionen waren zwar viele, die das Ende ob seiner Abruptheit nicht mochten, aber niemand hat gesagt "Pfui, bäh, weiche, Satan!". Es war mehr das Problem beim Schreiben bzw. Überarbeiten, dass das Ende zwar überraschen soll, aber gleichzeitig nicht so wirken, als ob Florence eine Vollbremsung hinlegt uns sagt "Ach, übrigens, ich bin jetzt lesbisch", sondern sich diese Anziehung schon durch das ganze Buch hindurchziehen soll. Insofern haben sich keine Leser beschwert, dass es am Ende Lucy ist, sondern dass Lucy im Verlauf der Handlung selbst nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Womit ich mich schwertue, sind transsexuelle Figuren - was daran liegt, dass ich Transsexualität selbst so schlecht nachvollziehen kann. Ich weiß, wie sehr die Betroffenen unter der Situation leiden, im falschen Körper zu stecken, aber für mich wird dabei das Geschlchtliche völlig überbewertet und die Unzulänglichkeiten am Körperlichen festgemacht - ich bin jemand, dem es ziemlich schnurz ist, ob jemand jetzt Mann, Frau oder etwas dazwischen ist, ich muss keine Frau sein, um Kleider zu tragen und kein Mann für Krawatten, ich werde nicht durch mein Geschlecht eingeschränkt, sondern durch meine motorischen Störungen, mein Körpergewicht, meine kaputte Haut - ich denke, es ist wichtiger, sich selbst zu lieben als das, was man ist, und nicht hingehen und chirurgisch den Körper auf Wunschformat schnippeln. Ich bin im Leben wenigen Leuten begegnet, die eingefahrene Geschlechterrollenbilder verfolgt haben als meine transsexuellen Bekannten, und da bin ich natürlich vorbelastet.

Ich denke, es gibt einfach vieles, was sich die Leute nicht vorstellen können und bei dem dann zu Klischees gegriffen wird, nicht unbedingt aus bösem Willen oder um sich über die Betroffenen lustig zu machen (obwohl es das auch immer noch gibt) und für zu wenige Autoren, Serienschreiber etc. wirklich verstanden haben, dass sie es bei solchen Themen mit Normalität zu tun haben. Darum sind die Schwulen im Fernsehen immer noch allzu oft aufgedrehte Tucken, darum findet man lesbische Frauen überwiegend in für Männern gedrehten Pornos, und darum muss man bisexuelle Figuren mit der Lupe suchen. Aber wir haben es in der Hand, das zu ändern - nicht mit dem Holzhammer, denn damit bedienen wir selbst nur wieder Klischees, sondern indem wir unseren schwul/lesbischen/bi/trans/a/pansexuellen Figuren die Normalität zurückgeben.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Rhiannon am 23. Oktober 2013, 21:52:24
Ich gebe zu, in meinen Geschichten eigentlich bisher fast ausschließlich weiße, heterosexuelle Figuren zu haben. Aber das liegt auch zum Teil einfach daran, dass ich kaum offen homosexuelle/bisexuelle/asexuelle/transgender oder sonst von dem weiß, hetereo, cisgender abweichende Bekannte habe und während ich mir bei der Stanardbeziehung genügend Bücher als Vorbild nehmen kann, wenn ich etwas brauche, von dem ich selbst keine Ahnung habe, ist es leider bei dem, was du ansprichst, nicht so. Und weil ich auf gar keinen Fall Klischees bedienen will, gerade weil ich weiß, wie kontraproduktiv die sind, habe ich mich an dieses Thema bisher noch nicht herangetraut.
Und ich fürchte, das geht einigen von uns so.
Wenn es in den Kontext der GEschichte passt, werde ich aber in Zukunft darauf achten. Manchmal muss es eine heterosexuelle Beziehung sein: Wenn ich Kinder will, wird das in einem mittelalterlichen Setting kaum anders zu machen sein. Aber wenn ich die Beziehung schreibe, dass der Chara daran wachsen kann, kann sie auch eigentlich genau so gut homosexuell sein.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 23. Oktober 2013, 22:06:37
*g* Ich habe auch sehr wenige Elfen in meinem Bekanntenkreis und schreibe trotzdem Bücher über sie.

Mir ist nur gerade wieder einmal aufgefallen, was ich für ein Problem mit der Abkürzung "LGBTQ" habe. Zum einen finde ich, dass das T rausfällt, weil es nicht das Verhältnis des Betreffenden zu anderen Beschreibt, sondern zu sich selbst (und Transsexuelle selbst alle Spielarten der Liebe ausüben können, und zum anderen fehlt das H. Es ist sonst wieder diese Aufteilung in "Wir" und "Sie". Heterosexualität ist eine Spielart genau wie alles andere, häufiger verbreitet vielleicht, aber trotzdem. Indem wir unterscheiden zwischen LGBTQARDZDFETC und Hetero, definieren wir wieder das eine als Norm und das andere als Abweichung. Ich bevorzuge für alles den Oberbergriff "Mensch". Wir, die wir lieben. Wir, die wir sind. Wir brauchen keine Normen. Nur Normalität.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 23. Oktober 2013, 22:12:21
Rhiannon, es gibt beispielsweise für asexuelle Charaktere fast 5 Millionen (!) Hilfsseiten, wie man die schreiben kann, also welche Klischees man vermeiden soll. Einfach bei google "writing ___ characters" eingeben - "writing trans* characters", "writing lesbian characters", "writing a-romantic trans butch black bisexual women". Gibt's auch zur jeden anderen Sexualität/Identität. Alle auf dem nicht-heterosexuellen Spektrum sind sich sehr deutlich bewusst, dass da nicht alles bekannt ist und irgendwann ist man es leid, nur falsch dargestellt zu werden, deswegen gibt es super viele Anleitungen. Man hat da echt ein Ressourcen-Netzwerk, bei dem man als Autorin, die man bei "Wie verhält sich die Polizei genau in diesem einen Fall?" schon an seine Recherchegrenzen stößt und direkt jemanden vom Fach fragen muss, nur staunen kann.

Na ja, Maja, aber hier braucht ja keiner eine Anleitung, wie man Heteros schreibt, das sagt ja alles.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 23. Oktober 2013, 22:30:31
In meinen Romanen gibt es viele Figuren, die nicht heterosexuell oder cisgender sind und genau wie Maja möchte ich deshalb nicht für eine Nische schreiben, sondern für alle Leser, die historische Romane und Phantastik mögen. Was ich nicht verstehe ist, dass es immer noch viele Leser gibt, die das anders sehen. Für viele Menschen bestimmt die Sexualität der Figur das Genre und das kann ich nicht verstehen. Ist ein Roman weniger historisch, weniger Fantasy, bloß, weil der Held bisexuell ist? Für mich jedenfalls ist das nicht so und deshalb würde ich mich auch nicht mit der Einordnung in eine Nische zufrieden geben, wenn ich eben keinen Nischenroman geschrieben habe, sondern einen historischen Roman dessen Protagonist zufällig nebenbei bisexuell ist. Dieses Abschieben in Nischen ist auch bloß wieder eine Form, den LGBTQ-Leuten zu sagen, dass sie nicht normal sind, dass Bücher mit Helden, mit denen sie sich identifizieren können, eben nicht im Regal mit den "normalen" Büchern stehen und das finde ich nicht in Ordnung.

Für mich ist das keine Frage von politischer Korrektheit, sondern viel eher vom sozialen Umgang miteinander. Es hat doch nichts mit politischer Korrektheit zu tun, wenn ich der Meinung bin, dass jede Art von Liebe und Sexualität in Romanen eine Berechtigung hat, gezeigt zu werden. Aber immer noch sind besonders schwule Figuren niemals ernstzunehmende Helden in Geschichten, sondern die lustigen, etwas albernen Sidekicks und solang das so bleibt, haben wir als Gesellschaft meiner Meinung nach ein Problem. Solang "schwul" entweder für "schlecht, albern, schwach" steht oder sogar für "böse, nicht normal, verachtenswürdig" haben wir ein Problem. Ich verstehe nicht, dass es so viele Menschen gibt, für die gewisse Charaktereigenschaften mit der Sexualität zusammenhängen. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn. Und vielleicht schreibe ich auch deshalb viele LGBTQ-Figuren, weil ich Bücher schreibe, die ich selbst auch gern lesen würde und ich finde, wir brauchen viel mehr Bücher, in denen von Klischees, alten Konnotationen und dergleichen Abstand genommen wird und die Sexualität endlich in den Hintergrund rutscht und nicht mehr das Hauptmerkmal einer Figur ist.

Für mich hat das schon mal gar nichts damit zu tun, ob ich selbst betroffen bin oder nicht. Wie Maja schon sagte: Ich bin auch keine Elfe und kein Vampir, aber darüber wird trotzdem munter geschrieben. Ich finde es bezeichnend, dass es besonders in der Jugendliteratur anscheinend als normaler gilt ein Vampir zu sein, als schwul, lesbisch oder bi. Ich höre auch oft "Ich würde gern eine lesbische Heldin schreiben, aber es ist ein Jugendbuch". Als wäre Homosexualität etwas Schändliches, was man Kindern und Jugendlichen nicht zutrauen kann. Aber genau von diesem Denken müssen wir weg, finde ich, wir sollten einsehen, dass auch Homosexualität nicht nur Sex ist. Es ist genauso Liebe, Zuneigung, Freundschaft und das Bedürfnis für jemanden da zu sein, wie Heterosexualität. Und wieso das oft nicht anerkannt wird, wieso in vielen Büchern nicht-Heterosexuelle immer noch Abziehbildchen sind und das immer wieder mit Sex gleichgesetzt wird, das verstehe ich nicht, weil es viel mehr ist und das ist doch auch völlig logisch.

Was das angeht, gefällt mir auch dieser neue Trend nicht: Schwulsein als literarischer Hype nach den Vampiren. Das macht mir irgendwie Bauchschmerzen. Auf der einen Seite werden homosexuelle Menschen immer noch seelisch und körperlich wegen ihrer Sexualität misshandelt, andererseits stellt man sie jetzt als Sexsymbole hin. Wisst ihr, was ich meine, ich kann es gerade ganz schwer beschreiben. Ich sehe es natürlich gern, wenn endlich mehr homosexuelle Figuren in Romanen auftauchen, aber eben nicht wieder in einer Nische, nicht mit dem Label "Gay Romance", nicht als neuer Trend im Erotikbereich, für Leser die "sowas eben gerne lesen". Nicht auf die Sexualität runtergebrochen und nichts anderes. Das geht für mich in dieselbe Richtung wie Lesbenpornos, die ja auch nicht gemacht sind um Homosexualität authentisch darzustellen oder Identifikationsfläche zu bieten. Es ist wieder ein Trend, großteils für heterosexuelle LeserInnen gemacht, der die LGBTQ-Community nicht unterstützt, sondern hernimmt um Romane für "normale" Leser zu schaffen und sich nicht darum schert, wie es der LGBTQ-Community damit geht.

Ich hoffe, das ergibt alles Sinn, falls nicht, versuche ich es noch einmal zu erklären.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Schneeleopardin am 23. Oktober 2013, 23:40:31
Ich glaube, dass ist nicht nur in Romanen ein Problem. In Fernsehsendungen sind mir bisher kaum homosexuelle oder andere Charaktere die so sind untergekommen. Ich persönlich kenne jetzt nur Lafayette aus True Blood (in den dazu gehörigen Büchern stirbt er meines Wissens nach) und in Teen Wolf ein paar Nebencharaktere. Es gibt allerdings auch andere Serien, wo die Hauptfiguren weitaus interessanter wären, wären sie eben homosexuell – von vielen Fans wird es sogar gewünscht. Nicht, weil es sie zu etwas außergewöhnlichem machen würde, sondern viel mehr, weil sie perfekt zusammen passen und das über mehrere Staffeln immer wieder gezeigt wurde. Die Schreiber dieser Serien weigern sich allerdings strikt, sie zu einem Pairing zu machen. Entweder weil sie es nicht 'wollen' oder weil sie Angst haben, dass dadurch die Zuschauerzahlen sinken würden. Es macht aus diesen Hauptcharakteren doch niemand anderen, nur weil sie homosexuell oder bisexuell sind. Im Grunde genommen sind sie danach immer noch die Gleichen. Weder verändern sie sich äußerlich, noch muss man sie deswegen in eine Schublade stecken. Charakter A ist anschließend die selbe wie zuvor und Charakter B ebenfalls. Was sich geändert hat ist doch lediglich der Beziehungsstatus. Die Charakter sind dann zwar mit einer anderen Frau zusammen, aber das ist in meinen Augen nichts, was man als besonders darstellen sollte. Daher verstehe ich die Schreiber dieser Serien nicht – wenn sie die Chance dazu haben, so etwas darzustellen und damit die Vorurteile und dergleichen auszuräumen, warum tun sie es nicht? Würden dadurch wirklich die Einschaltquoten rapide zurück gehen? 

In meiner ehemaligen Parallelklasse war eine Schülerin, die ganz offen damit umgegangen ist, dass sie lesbisch ist. Ich habe kein einziges mal mitbekommen, dass sie deswegen angegangen worden wäre oder das man sie deswegen in eine Schublade gesteckt hätte. Ich denke es lag einfach auch mitunter daran, dass die Schüler dort ganz anders waren, wie die in meiner vorherigen Klasse. Da wurde man ja schon verurteilt, wenn man sagte, dass man das und das schreibt oder – generell schreibt. Sie schreibt über Fantasywesen, wie gestört ist das denn bitte?
Ist es nicht eher gestört und lächerlich, so zu reagieren, wenn man gar nicht wirklich etwas darüber weiß?

Ich hatte erst vor kurzem eine Diskussion mit einer Postingpartnerin. Sie war der festen Überzeugung, dass es im zehnten Jahrhundert keine Liebe zwischen Frauen gegeben hätte. Ich fragte mich dann schon, wie sie da denn drauf kommt. Immerhin gab es Liebe zwischen Männern – wieso nicht auch zwischen Frauen? Wieso soll es während dieser Zeit keine Menschen gegeben haben, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen gefühlt haben? Sicher wurde damit anders umgegangen als teilweise heute, aber Fakt ist, dass es selbst damals homosexuelle und bisexuelle etc. Menschen gegeben hat.
Nachdem ich mit Argumenten wie Sappho, der griechischen Dichterin die ja über Frauenliebe geschrieben hat, gekommen bin, hat sie allmählich eingesehen, dass ich Recht habe. Immerhin war Sappho aus dem antiken Griechenland und das zehnte Jahrhundert kam erst viel später. Dennoch war ich enorm verdutzt darüber, dass eine 24 Jährige davon ausgeht, dass es vor knapp 1000 Jahren keine gleichgeschlechtlichen Beziehungen gegeben haben soll, zumindest nicht zwischen Frauen. Von Reaktionen auf nicht heterosexuelle Charaktere will ich gar nicht anfangen.
Vor allem im RPG Bereich verhält es sich als totale Modeerscheinung und diejenigen, die solche Charakter nicht aus 'Modegründen' spielen, sondern eine ernsthafte Beziehung zu einem anderen Charakter aufbauen wollen, haben dann oft gar keine Chancen. Die Charaktere, die aus einer reinen Modeerscheinung als lesbisch, schwul oder bisexuell gespielt werden, haben oftmals dann in der ganzen Spielzeit kein einziges Mal Kontakt zu einem anderen Charakter mit diesen sexuellen Vorlieben. Aber: Es ist total cool, wenn mein Charakter schwul/lesbisch/bisexuell ist!
Kann ich teilweise echt nur den Kopf drüber schütteln, zu mal es ja auch viele Spieler oder im Falle eines Romans auch Leser gibt, die eben genau das sind – und an dieser Stelle würde ich persönlich mich auch verletzt fühlen, weil es einfach nicht okay ist, wenn man so damit umgeht.

Man will ja mit seinem eigenen ungewöhnlichen Hobby auch nicht, teilweise sogar lächerlich, nachgemacht werden. Das würde der Betroffene ebenso als Beleidigung empfinden und die Reaktion darauf wäre entsprechend. Aber das scheinen viele zu vergessen.

Mir persönlich macht es nichts aus, was teilweise wohl auch daran liegt, dass meine Eltern da schon früh angefangen haben, mir und meiner Schwester zu erklären, dass dabei gar nichts schlimmes ist und sie auch hinter uns stehen würden, wenn Eine von uns jetzt lesbisch oder bisexuell wäre. Bei vielen anderen in unserem Alter (14 und 16) scheint das ja nicht der Fall zu sein. Bei uns wurde auch nie mit dem Finger auf jemanden gezeigt, der so ist – wenn man einen Menschen nicht mag, liegt es doch meist eher daran, was er tut oder wie er sich Gegenüber einem verhält.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Veldrys am 24. Oktober 2013, 11:07:36
Ich habe in meinen Geschichten sehr viele Figuren, die nicht heterosexuell sind. So ist zum Beispiel der Magier Thanor bisexuell und viele Jahre in eine Frau verliebt, die seine Liebe jedoch nicht erwidern kann, bevor er, Jahre nach ihrem Tod, mit einem Mann doch noch sein Glück findet. Die Dämonenkönigin Nali'sha teilt nur mit Frauen ihr Bett und hat auch nur weibliche Dienerinnen. Transpersonen kommen bei mir allerdings weniger häufig vor (ich habe zwei Figuren, die mehr oder weniger trans sind).

In meinen Geschichten sind Homosexuelle und Transpersonen nicht anders oder pervers, sie werden vollständig akzeptiert und als normal angesehen – weil sie das ja auch sind (mit einigen Ausnahmen – wenn die einzig mögliche Thronfolgerin lesbisch ist und sich weigert, mit einem Mann ins Bett zu gehen, damit die königliche Familie nicht ausstirbt, kann das schon zu einer Krise führen).

Ich habe mir schon öfter Sorgen gemacht, dass die Tatsache, dass ich zum Beispiel über einen offen bisexuellen Mann schreibe, die Chancen, irgendwann dessen Roman zu veröffentlichen, verringert oder dass ich in irgendeine Nische gedrängt werde, nur, weil mein Protagonist auch Männer liebt (obwohl seine Sexualität in keiner Weise das Hauptthema seiner Geschichten ist). Die meisten Leser sind ja heterosexuelle Männer und Frauen und wollen wahrscheinlich über jemanden lesen, der ihre Orientierung teilt und mit dem sie sich identifizieren können.

Ändern werde ich meine Geschichten aber trotzdem nicht.

In den Medien, im Fernsehen und in Filmen sind homosexuelle und transidente Personen ein Stück weit in der Normalität angekommen, das ist wahr. Transfrauen werden heute nicht mehr als übergroße, seltsame Wesen präsentiert, denen man ihre Vergangenheit noch deutlich ansieht, und Homosexuelle werden auch oft als ganz normale Menschen dargestellt, aber außerhalb dieses Bereiches muss sich noch immer viel ändern. Wie Nachtblick geschrieben hat, werden Homosexuelle sowie Transpersonen noch immer diskriminiert. Man muss nur einen Blick auf Russland und das Verbot von Homosexuellenpropaganda werfen. In Litauen, das in der EU ist, haben Transpersonen keinen rechtlichen Status, und die Selbstmordrate von Transpersonen beträgt an die 30%.

Selbst in Österreich, wo ich lebe, ist die Situation nicht immer ideal (auch wenn sie heutzutage schon viel besser ist als noch vor 10 oder 20 Jahren). Besonders auf dem Land, wo auch ich aufgewachsen bin, werden Homosexuelle und Transpersonen noch immer diskriminiert, wie ich am eigenen Leib erfahren musste (ich bin trans und wurde in der Schule deswegen gemobbt und misshandelt). Ich weiß nicht, wieviel wir als Schriftsteller wirklich dazu beitragen können, dass sich etwas ändert, aber vielleicht hilft es zumindest ein wenig, wenn der eine oder andere Leser mitbekommt, dass auch etwas anderes als heterosexuelle Menschen, die sich in ihrem Körper vollständig wohlfühlen gibt und dass das gar nicht so abnormal ist.

Wie Kati geschrieben hat, gilt es als normaler, über einen Vampir zu schreiben als über einen homosexuellen Menschen. Ich habe das auch in dem Rollenspiel, das ich moderiere erlebt. Da spielen die Leute munter Untote oder Gestaltwandler, aber einen Schwulen – oder ein Mitglied des anderen Geschlechts? Das fällt ihnen angeblich so schwer, obwohl die Menschen gar nicht so verschieden sind und aus mehr als ihrer sexuellen Orientierung oder dem, was sie zwischen den Beinen haben bzw. nicht haben bestehen.

Einen Schwulenhype habe ich allerdings noch nicht bemerkt. Ich lese sehr viel, und die meisten Figuren sind noch immer heterosexuell.

An Maja, weil du den Fokus von Transpersonen auf das Geschlechtliche erwähnt hast, es ist (leider) noch immer so, dass das Geschlecht großen Einfluss auf das Leben hat und ein Mann und eine Frau manchmal ganz anders behandelt werden. Aber vor allem ist es schwer, sich so anzunehmen, wie man angeblich ist, wenn einem das Gehirn von frühester Kindheit an sagt, dass der Körper eigentlich anders aussehen sollte. Dass sehr viele (besonders ältere) Transpersonen eingefahrene Rollenbilder verfolgen, habe ich leider mittlerweile auch schon gemerkt, so sind viele Transfrauen sehr feminin, während sich einige Transmänner oft recht machohaft geben. Vielleicht glauben sie dadurch, eher in ihrem Wunschgeschlecht angenommen zu werden?

Aber ich mache jetzt lieber Schluss, damit mein Beitrag nicht länger wird, als er ohnehin schon ist. Wenn irgendjemand von euch Hilfe bei der Beschreibung homosexueller oder transidenter Figuren brauchen sollte, könnt ihr mir schreiben! Ich helfe gerne!
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Churke am 24. Oktober 2013, 11:41:42
Es ist Mode in unserer egozentrierten Wohlstandsgesellschaft, die gesellschaftlich anerkannte sexuelle Selbstverwirklichung als alleiniges Lebensziel zu proklamieren.
Das kann man in die Literatur mitnehmen - um den Preis, andere Themen in den Hintergrund zu schreiben.

Und was die vermeintlich falsche Darstellung solcher Charaktere betrifft: Ich denke, dass die absichtlich so sind, um den Regeln des Genres zu entsprechen. Man braucht einen dramaturgischen Grund, die sexuelle Orientierung einer Figur in den Vordergrund zu stellen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Nachtblick am 24. Oktober 2013, 12:28:18
Mein Gott, machst du das, ohne zu merken, was du da tust? Wenn ich homophob bin, ist meine erste Reaktion vielleicht nicht, in einen pro LGBT-Thread zu rennen, außer, ich wäre ein Troll. Das eine kann ich dir guten Gewissens unterstellen, das andere möchte ich nicht wirklich erst austesten. Also halt dich hier bitte raus, wenn du denkst, dass du es verkraften kannst.

An alle anderen, die nichts von meinem persönlichen Problem mit Churke wissen: Ich habe gute Gründe, dass ich Leute wie ihn und mich zu meinem Selbstschutz gern aktiv aus einer ,,Diskussion" halten möchte. Er verstehst mich bewusst falsch und behauptet, ich wollte ,,die sexuelle Orientierung einer Figur in den Vordergrund [...] stellen". Das stimmt natürlich nicht, das habe ich auch im Eingangspost betont. Ich möchte, dass LGBT etc.-Charaktere und -Romanzen gleichberechtigt in den Medien existieren können, ohne ein Charakter nur um sein Coming Out herum existiert und ausschließlich über seine Sexualität definiert wird.
Wie immer ist das einzige Bedenken, dass Homophobe damit haben, dass es ,,andere[n] Themen" in den Hintergrund stellt. Dass das nicht der Fall sein muss, wenn man sich einfach ein Stück weiterbildet und lernt, LGBT-Figuren/Frauen/Nicht-Weiße respektvoll zu schreiben, erklärt sich von selbst und entlarvt die Weigerung, solche Figuren zu schreiben, zumindest ein Stück weit einfach als Faulheit, die man natürlich prima verstecken kann mit Argumentationen, in denen Begriffe wie ,,es ist Mode" (gleicher Ton wie: Es ist eine temporäre Erscheinung, ein Trend!), ,,Wohlstandsgesellschaft" (gleicher Ton wie: Andere Leute haben richtige Probleme!), ,,gesellschaftlich anerkannte sexuelle Selbstverwirklichung" (gleicher Ton wie: Es gibt keine Diskriminierung gegen die LGBT-Community mehr, das ist längst gesellschaftlich anerkannt!) und ,,proklamieren" (gleicher Ton wie: Das muss doch wirklich nicht jeder wissen!).
Leute wie ich können also laut Churke nur in einer Narrative vorkommen, wenn es einen dramaturgischen Grund für uns gibt. Man könnte über mich nur Geschichten erzählen, in denen es der Aufhänger und ein Problem ist, dass ich in einer lesbischen Beziehung bin. Eine Geschichte, in der ich vollkommen selbstverständlich und ohne oder mit nur geringer Erklärung mit einer Frau zusammen bin, genauso, wie Heteros mit ihren Hetero-Partnern gezeigt werden, sei nicht möglich.

Das ist nicht richtig.
Das ist auch nicht fair.

Es ist niemandes Pflicht, über irgendetwas zu schreiben. Natürlich nicht. Aber wer ein Stück Realität und Fantasy mit einer bereiteren Figurenbesetzung als nur zehn Personen schreibt, der sollte mit dem Begriff ,,Diversität" etwas anfangen können und so weit Einsicht in die Realität haben, dass er oder sie einsieht, dass es natürlich nicht nur eine Kategorie von Menschen gibt. Wenn in deiner Welt Feen und Elfen vorkommen, dann kannst du auch LGBT-Leute schreiben. Du musst natürlich nicht, aber es gibt keinen Grund, diese Leute außen vor zu lassen, genauso wie es keinen guten Grund gibt, eine Story ausschließlich mit Männern oder Frauen zu bevölkern.
Es ist auch niemandes Pflicht, über Themen zu schreiben, von der er oder sie nichts hält oder die ihm oder ihr nicht wichtig sind. Dann darf man sich allerdings nicht wundern, für diese Weigerung unrealistisch oder ignorant genannt werden. Mit einer solchen Haltung wie Churke sollte man sich nicht beschweren, wenn man homophob genannt wird.

Die Diskussion, ob das alles eigentlich überflüssig ist, gibt es im gleichen Wortlaut mit guten Frauencharakteren (Diskussion im Bereich Feminismus) und guten Nicht-Weißen (Diskussion im Bereich Rassismus und Kulturaneignung).

Wir sind kein Trend, wir sind kein Witz, wir sind keine komplexen Figuren, für die man ein Diplom braucht, um sie zu schreiben. Und für Leute, die es ernst meinen und nicht trollen: Hier darf sehr gern eine Diskussion entstehen, wie, wo und warum. Aber nicht mit dir, Churke. Sorry.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Cairiel am 24. Oktober 2013, 12:31:06
Zitat von: Churke am 24. Oktober 2013, 11:41:42Und was die vermeintlich falsche Darstellung solcher Charaktere betrifft: Ich denke, dass die absichtlich so sind, um den Regeln des Genres zu entsprechen. Man braucht einen dramaturgischen Grund, die sexuelle Orientierung einer Figur in den Vordergrund zu stellen.
Sorry, aber: Hallo?!? Es gibt so viele verschiedene Menschen unter Homosexuellen, Transsexuellen etc., wie es sie bei Heteros gibt. Und warum soll ich nen Grund dafür brauchen, einen schwulen Prota zu haben (ganz abgesehen davon, dass ich als Schwuler mich damit wohler fühle, haha)?! Welchen Grund hast du denn, deine Figuren hetero, cis und vermutlich weiß zu machen?

Ich habe leider gerade nur mein Handy (und sitze im Unterricht  ;D ), aber später werde ich noch mehr zum Thema und den andren Beiträgen schreiben.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 24. Oktober 2013, 14:42:13
Zitat von: VeldrysEinen Schwulenhype habe ich allerdings noch nicht bemerkt. Ich lese sehr viel, und die meisten Figuren sind noch immer heterosexuell.

Ich meinte damit, dass die wenigen Figuren, die nicht heterosexuell sind, nicht in den Büchern auftauchen um LGBTQ-Leuten Identifikationsmöglichkeit zu geben, sondern wieder so zugeschnitten sind, dass heterosexuelle sie als Figuren akzeptieren können. Sie werden nicht für LGBTQ-Leute geschrieben, sondern für heterosexuelle Leser und ich glaube, deshalb fallen sie so oft ins Klischee: Hauptsache, der "normale" Leser hat etwas, dass er so kennt, damit er ja nicht erst zum Nachdenken kommen muss. Mir ist aufgefallen, dass es in vielen neueren Urban-Fantasy-Romanen für Jugendliche den schwulen besten Freund gibt, das ist zumindest in dem Genre neu. Und ganz oft sind das totale Abziehbilder, eben das alte Klischee. Als wäre es jetzt modern schwule Figuren in seinen Romanen zu haben (lesbische oder bisexuelle Figuren habe ich nicht annähernd so oft gesehen, so viel dazu), aber eben nicht, weil man LGBTQ-Teenager unterstützen, realistisch darstellen oder ihnen eine Figur zur Identifikation geben möchte, sondern, weil man einen Sidekick braucht und dann so tun kann, als wäre man total weltoffen, weil man eine schwule Figur im Roman hat.

Du hast Recht, es gibt kaum Romane mit homosexuellen Helden... weil es den Autoren leider nicht darum geht, Liebe, Freundschaft, Sexualität und derlei Dinge realistisch darzustellen, sondern viel eher darum nach außen hin den Schein zu wahren total offen und tolerant zu sein - das unterstelle ich denen jetzt einfach mal. Sonst würden sie LGBTQ-Figuren schreiben, die genau wie ihre heterosexuellen Freunde Helden sein können, facettenreiche Figuren sind und deren Sexualität eben nicht im Vordergrund steht. Aber meistens sind das Figuren, die jedes Klischee bedienen und deren einzige richtige Eigenschaft eben "schwul" ist, und das macht mich krank. Es ist ein Stempel, der der Figur aufgedrückt wird, ohne, dass sich die Autoren trauen, sich weiter damit zu beschäftigen und der Figur mehr Facetten zu geben und sie wie einen Menschen darzustellen, nicht wie eine Art Requisite im Theater, die man dazu stellt, um eine gewisse Wirkung zu erzielen. Ich will endlich mehr Figuren lesen, die Helden sind oder Bösewichte, was erreichen, ihre Alltagsprobleme haben, Hobbies, gute und böse Seiten und eben am Rande LGBTQ-Figuren sind. NICHT vorrangig eben "schwul" oder "lesbisch" sind und das war's dann mit der Charakterisierung.

Und das ist eben das Problem: Diese Figuren werden immer noch für heterosexuelle Menschen geschrieben, damit sie das Gefühl haben können, weltoffen zu sein, weil sie ja ein Buch mit einer homosexuellen Figur lesen. Diese Figuren werden nicht geschrieben, weil man einem breiten Publikum zeigen möchte, dass auch LGBTQ-Leute ganz normale Menschen sind und schon gar nicht FÜR LGBTQ-Leute. Sie sind da, um Toleranz vorzuheucheln oder auch für den Sensationsaspekt: Figuren, die "anders" sind, sind aufregend! Aber nicht für realistische Repräsentation und schon mal gar nicht für LGBTQ-Jugendliche. Und deshalb stimmt es zwar, dass LGBTQ-Figuren in immer mehr Serien, Romanen und Filmen auch vorkommen dürfen und angenommen werden, aber solang das eben nur diese Abziehbildchen sind und keine richtigen Menschen, nur Nebenfiguren ohne eigene Hintergrundgeschichte, solang sie für heterosexuelle Leser geschrieben sind und nicht für LGBTQ-Leser, bringt uns das kein Stück voran.

Zitat von: ChurkeMan braucht einen dramaturgischen Grund, die sexuelle Orientierung einer Figur in den Vordergrund zu stellen.

Ich möchte eigentlich nicht auf Churkes Kommentare eingehen, weil sie nie etwas zur Diskussion beitragen und sich meistens lesen, als hätte er die anderen Beiträge nicht gelesen oder absichtlich falsch verstanden, aber zu der Aussage selbst möchte ich etwas sagen, weil einem die nicht nur hier begegnet, sondern auch fast überall sonst. Ich habe schon oft die Frage gehört "Wieso ist diese Figur jetzt lesbisch?", auch von Betalesern, die das ganz sicher nicht böse gemeint haben. Aber eines der großen Probleme ist, dass viele Leute meinen, alles, was von der geliebten "Norm" abweicht, braucht eine Daseinsberechtigung. Und das macht mich irgendwie traurig.

Die Daseinsberechtigung von LGBTQ-Figuren liegt ganz allein darin, dass es sie gibt. Genau, wie die Daseinsberechtigung von heterosexuellen Figuren darin liegt, dass es sie eben gibt. Wenn mich jetzt jemand fragt, wieso ich einen Vampir in meiner Geschichte habe, gut, darüber kann man sich unterhalten. Aber ich muss mit niemandem darüber diskutieren, wieso ich eine lesbische Figur schreibe: Leute, wacht doch mal auf. LGBT-Figuren sind kein Plottwist, keine Modeerscheinung wie Vampire, kein literarischer Trend und schon gar keine Fabelwesen, über die man nur in Büchern lesen kann. Das sind echte Menschen, wie jeder ach so normale heterosexuelle cisgender auch und jeder, der behauptet es bräuchte einen dramaturgischen Grund, wenn man homosexuelle Figuren schreibt, hat anscheinend genau das noch nicht kapiert. Homo- oder bisexuell sein ist kein "Trend" oder eine literarische Spielerei, es ist nichts Neues, das hat es immer gegeben. Und warum wir im Jahr 2013 immer noch darüber diskutieren, dass LGBTQ-Figuren einen "dramaturgischen" Grund brauchen, als wären sie ein neuer Plottwist oder ein plötzlich auftauchendes Fabelwesen, begreife ich nicht. 
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Franziska am 24. Oktober 2013, 14:50:54
Ich schreibe hauptsächlich  LGBTI-Figuren, meistens schwule. Ich sehe sehr viele Queerfilme, lese viele Bücher mit schwulen Figuren. Daher meine ich, mich ein wenig auszukennen. Mich interesiert es, wie diese Figuren in den Medien repräsentiert werden und ich sehe da eine deutliche Verbesserung. Keine  LGBT-Figuren im Fernsehen? Was guckt ihr denn? Also klar, Queer as Folk ist für ein schwules Zielpublikum gemacht. Aber Serien wie Buffy (lesbische Beziehung), Modern Family, Rosanne etc. waren da sicher grundlegend. Was ich schön finde ist, wie selbstversändlich heute  LGBT-Figuren in Serien vorkommen. Nur um mal ein paar zu nennen: Downton Abby, Taras Welten, Glee, True Blood, Smash, Orphan Black, American Horror Story, Lost Girl, Gossip Girl, Greys Anatomy, Six Feed under ... und meine Lieblingsserie: Torchwood, sicherlich auch bahnbrechend, was eine bisexuelle Hauptfigur angeht. Und in Miracle Day hat Jack sogar einige deutliche Sexszenen.
Natürlich kann man sagen,  LGBT-Figuren werden immer noch zu einseitig dargestellt, es werden vor allem schwule oder lesbische Figuren, manchmal bisexuelle gezeigt, trans oder intersexuelle dagegen kaum. Die Figuren sind meistens Nebenfiguren und seltener Hauptfiguren.
Aber da hat sich doch schon eine Menge getan und es tut sich noch mehr. Ich bin da eigentlich recht optimistisch.

Weniger optimistisch bin ich bei Büchern, weil deutschsprachige Bücher einfach nicht das Publikum erreichen, was englischsprachige Fernsehsendungen erreichen.
Es stimmt nicht, dass  LGBT-Figuren nur in Büchern von Genreverlagne erscheinen. Ich würde sogar sagen, es spielt keine Rolle welche Sexualität oder Gender eine Figur hat, wenn das Buch gut genug ist, wenn es anspruchsvoll geschrieben ist. Anders sehe ich das bei Genreliteratur. Abgesehen von Fantasy und SF, wo ja  LGBT-Figuren eine längere Tradition haben, auch wenn das in den sechzigern mehr war, als heute - würde ich denken, dass die Leser eine bestimmte Erwartung an ein Genre haben und wenn das nicht erfüllt sind, sind sie enttäuscht. Ich lese nicht viele andere Genre als Fantasy, deshalb kann ich das nicht so gut beurteilen. Einen schwulen Kommissar, das ist vielleicht noch interessant. Aber wenn die Leser eine Romanze zwischen Mann und Frau erwarten, dann wollen sie auch nichts anderes lesen. Und warum sollte man sie dazu zwingen. Ich sehe nicht, was so schlimm daran ist, Bücher in Genre einzusortieren. Wenn zwei Männer auf dem Cover sind, dann will ich nicht ,dass der Typ am Ende mit einer Frau zusammenkommt. Ich glaube schon, dass Leute toleranter werden, wenn sie mit  LGBT-Figren konfrontiert werden, Leute die Fernsehen gucken sind toleranter, dazu gibt es Studien. Aber funktioniert das auch bei Büchern? Vielleicht wenn das Schwulsein der Figur nur ein Nebenaspekt ist und Hauptsächlich ist der Kriminalfall interessant und nebenbei erfährt der Leser, der Kommissar ist in einer glücklichen schwulen Beziehung. Es gibt genug Beispiele, dass diese Bücher bei großen Verlagen erscheinen können.
Leider noch häufig, nachdem sie schon Bestseller waren und dann übersetzt werden, ja.
Ich weiß nicht, aber wenn es hauptsächlich um die Liebesbeziehung im Buch geht, warum soll das dann nicht zu erkennen sein? Ich lese gerne darüber, ich lese weniger gerne Liebesgeschichten zwischen Mann und Frau, soll ich jetzt in jedem Buch erstmal quer lesen, um keine Heteroliebesbücher lesen zu müssen? Ich finde es gut, wenn ich auf FF anklicken kann: Slash. Weil ich das lesen möchte, wenn mir danach ist. Deshalb würde ich es auch nicht schlimm finden, wenn meine Bücher bei einem Genreverlag erscheinen. Auch wenn ich es natürlich noch besser finden würde, würden sie bei einem großen Verlag erscheinen und Bestseller werden. Klar, ich würde es toll finden, wenn es den Lesern egal ist, welches Geschlecht oder Gender die Figuren haben. Aber soweit meine Beobachtung: die meisten Verlage veröffentlichen es nur als Übersetzung. Muss man sich nur mal trauen und es versuchen? Ich weiß es nicht, es gibt immer mal Beispiele, wo es doch genommen wurde, gerade im Jugendbuchbereich. Aber zu sagen, ich  möchte, dass das jeder liest, deshalb soll der Leser vorher gar nicht erkennen, dass  LGBT-Figuren vorkommen finde ich etwas merkwürdig. Wie gesagt, wenn es eine Nebenhandlung ist okay. Aber ich weiß ja meistens vorher auch, ob die Figur jung oder alt ist, ob das Buch in Hamburg oder Venedig spielt. Ich verstehe schon, wenn man sagt, es sollte Selbstverständlich sein, dass diese Figuren vorkommen. Man sollte sich dafür nicht rechtfertigen müssen klar. Aber ich kann doch niemandem vorschreiben, es interessant zu finden, darüber zu lesen und ich möchte auch die Leute nicht mit meinen Büchern erziehen. Und wenn ich das Buch in das Genre: schwule Literatur einordne, dann erreiche ich damit glaube ich mehr Leute, denen das das Buch gefällt, als wenn ich es nicht tue. (wie gesagt, solange die Liebesbeziehung oder das Schwulsein, Lesbischsein etc. das Hauptthema des Buches ist)

edit: hat sich mit Kati überschnitten. Klar, die Figuren sollten nicht nur darüber definiert werden, dass sie schwul sind oder trans, sonder dreidimensional sein, und realistisch wirken. Das für heterosexuelle Zielgruppe schreiben sehe ich auch als Problem, wobei das wie ich finde schon viel besser ist als in den Neunzigern. Eben deshalb, weil ich mir nicht denken möchte: ich muss da jetzt aber noch eine heterosexuelel Identifikationsfigur einbauen, sehe ich es nicht als schlecht an, wenn ich sage: ich schreibe für eine Zielgruppe, die es selbst betrifft oder sich besonders dafür interessiert. Dann mache ich keine Kompromisse. Natürlich wäre es schöner, wenn gar keine Kompromisse mehr gemacht werden müssten klar, aber dann bräuchten wir über das Thema auch gar nicht mehr zu reden.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 24. Oktober 2013, 15:04:12
Zitat von: FranziskaAber zu sagen, ich  möchte, dass das jeder liest, deshalb soll der Leser vorher gar nicht erkennen, dass  LGBT-Figuren vorkommen finde ich etwas merkwürdig.

Das hat doch auch keiner gesagt? Zumindest mir geht es nicht darum meine Leser deutlich gesagt zu veralbern. Ich will nur nicht in einer Nische stehen. In meiner Lieblingsbuchhandlung gibt es ein Regal für "Romance", da stehen eben Liebesgeschichten, auch Erotik und derlei. Es gibt ein Regal für "Krimi", da stehen dann Krimis und Thriller. Und es gibt eine ganz kleine Ecke "Schwule und Lesben" (heißt wirklich so, kein Witz), da stehen dann mal sieben, acht Bücher. Und ob das eine Liebesgeschichte ist oder ein Krimi ist dann egal. Und das stört mich so. Ich möchte nicht, dass mein historischer Roman in so eine Nische geschoben wird bloß, weil meine Heldin zufällig lesbisch ist. Das Buch kann bei den anderen historischen Romanen stehen, finde ich. Und mein Thriller bei den Krimis. Damit veralbere ich keine Leser. Man liest ja wohl einen Krimi nicht wegen einer möglichen Liebesgeschichte. Und, wenn man eine Liebesgeschichte kauft, steht der Name von Protagonist und Love Interest meist dick im Klappentext, da gibt es auch keine Möglichkeit veralbert zu werden.

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Cairiel am 24. Oktober 2013, 16:01:45
So, jetzt bin ich ganz da. Entschuligt bitte, dass mein letzter Beitrag ein wenig schärfer klingt, ich musste mich kurz fassen.

Ich finde, dass sich die Situation von LGBTQ-Themen in der Fantasy in den letzten Jahren deutlich gebessert hat. In den letzten Publikumsverlagsbüchern, die ich gelesen habe - was bei den vielen tollen Zirklerbüchern zugegeben schon eine Zeit zurückliegt - gab es immer mal wieder v. a. schwule Figuren am Rande. "Das Lied von Eis und Feuer" z. B. oder auch "Der Name des Windes", in der völlig natürlich damit umgegangen wird, dass zwei Randfiguren zusammen sind. Es gibt auch eine Handvoll, in Publikumsverlagen erschienene Romane, in denen die Hauptfigur homosexuell ist (von den Büchern, die mir im Kopf herumschwirren, habe ich die Titel vergessen, aber es gibt sie). Und vor kurzem habe ich mitbekommen, dass ein heteroseuxeller Autor eine Geschichte mit zwei schwulen Hauptfiguren geschrieben hat - das ist als Normalzustand wünschenswert, natürlich, aber es ist eben kein Normalzustand und es hat mich ehrlichgesagt überrascht. Und ich musste beschämt feststellen, dass ich unbewusst davon ausgegangen bin, dass so ziemlich alle Geschichten mit schwulen Hauptfiguren entweder von Frauen oder LGBTQ-Menschen geschrieben werden.  ;D

Schade finde ich nur, dass man als Autor dann immer wieder zu hören bekommt, man hätte nur aus politischer Korrektheit LGBTQ-Menschen eingebaut, sofern deren Sexualität/Selbstwahrnehmung nicht die zentrale Rolle des Buches spielt.  :wums:  Das wurde hier schon öfter erwähnt, aber das kann man in meinen Augen gar nicht oft genug sagen. Es fühlt sich tatsächlich so an, als wären Menschen wie ich nur eine Modeerscheinung. Plötzlich aufgetaucht, weil es ja jetzt halbwegs akzeptiert und ein wenig weiter in die allgemeine Wahrnehmung gerückt ist.

Zitat von: SchneeleopardinMan will ja mit seinem eigenen ungewöhnlichen Hobby auch nicht, teilweise sogar lächerlich, nachgemacht werden. Das würde der Betroffene ebenso als Beleidigung empfinden und die Reaktion darauf wäre entsprechend. Aber das scheinen viele zu vergessen.
Dass der Vergleich hinkt, muss ich dir hoffentlich nicht sagen, oder?  ;D   Für ein Hobby kann man sich wenigstens noch bewusst entscheiden und alle damit verbundenen Konsequenzen freiwillig auf sich nehmen. (Klar wäre es gelinde gesagt schrecklich, wenn man mit seinem Hobby nicht akzeptiert wird, nur weil es ungewöhnlicher ist, aber at the end of the day bleibt es etwas, für das man sich aus freien Stücken entschieden hat.)

Zitat von: SchneeleopardinMir persönlich macht es nichts aus, was teilweise wohl auch daran liegt, dass meine Eltern da schon früh angefangen haben, mir und meiner Schwester zu erklären, dass dabei gar nichts schlimmes ist und sie auch hinter uns stehen würden, wenn Eine von uns jetzt lesbisch oder bisexuell wäre. Bei vielen anderen in unserem Alter (14 und 16) scheint das ja nicht der Fall zu sein. Bei uns wurde auch nie mit dem Finger auf jemanden gezeigt, der so ist – wenn man einen Menschen nicht mag, liegt es doch meist eher daran, was er tut oder wie er sich Gegenüber einem verhält.
Ich wünsche mehr Kindern Eltern wie die euren! Meine sind in der Hinsicht furchtbar. Ich weiß noch ganz genau, wie mein Vater mich als kleines Kind mal beiseite genommen hat und mir voller Verachtung eine Transfrau gezeigt hat. Mein jüngster Bruder wurde in der Schule gemobbt und mein Vater hat mir an den Kopf geworfen, dass ich daran schuld wäre, weil ich schwul bin (die Mitschüler meines Bruders kennen mich nicht und wohnen alle weit weg ...). Überhaupt war es mir lange Zeit verboten, das Wort "schwul" oder irgendetwas anderes, was mit LGBTQ zu tun hat, in der Nähe meiner Geschwister auch nur zu erwähnen, weil ich sie sonst ja anstecken könnte.  :wums:  Meine Mutter ist selbst bi und alles, was lesbisch ist, ist in Ordnung. Der Rest von LGBTQ ist es nicht. Aber zumindest scheint sich mein Vater langsam damit abzufinden, dass er mich nicht ändern kann, und immerhin überwiegt bei ihm seine Liebe zu mir über seine LGBTQ-Phobie, auch wenn wir ab und an noch aneinander geraten, weil er von Trans*-Menschen z. B. grundsätzlich mit den Pronomen ihres ursprünglichen körperlichen Geschlechts spricht. Ich hasse das. Ihm geht es so gut, weil er im richtigen Körper geboren wurde und noch dazu der Norm entspricht, der Hauptgruppe, die sich keine Sorgen darum machen muss, für das, was sie sind, totgeschlagen zu werden (so passiert in unserem Nachbardorf). Und statt sich seines Glücks, zumindest was die "richtiger Körper"-Sache betrifft, bewusst zu sein, macht er andere Menschen runter, die dieses "Glück" nicht hatten. (Ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine.  :versteck: )

Zitat von: Veldrys am 24. Oktober 2013, 11:07:36
In Litauen, das in der EU ist, haben Transpersonen keinen rechtlichen Status, und die Selbstmordrate von Transpersonen beträgt an die 30%.
Darf ich - rein aus Interesse - fragen, woher du diese Zahl hast?
Um ehrlich zu sein glaube ich solchen Selbstmordratenzahlen generell nicht. Dafür ist es in viel zu vielen Fällen unklar, warum sich ein Mensch das Leben genommen hat. Gerade bei Transsexualität kann ich mir vorstellen, dass bei einem Menschen, der es noch nicht offen nach außen gezeigt hat, dass er im falschen Körper steckt, und sich dann umbringt, schnell nicht erfasst wird, warum dieser Mensch das getan hat. Vermutlich wird es von den wenigen Menschen, die davon gewusst haben, auch noch verschwiegen - sei es, weil sie nach dem Tod nichts mehr aufwirbeln wollen, oder weil sie ein Problem damit hatten, oder, oder, oder ... Nein, solchen Zahlen glaube ich nicht.

Zitat von: Veldrys am 24. Oktober 2013, 11:07:36
Einen Schwulenhype habe ich allerdings noch nicht bemerkt. Ich lese sehr viel, und die meisten Figuren sind noch immer heterosexuell.
Gerade im Anime-/Manga-Bereich sind viele Mädels unterwegs, die sehr auf Schwule abfahren ... Wie lange das schon der Fall ist, kann ich aber nicht sagen, und ich habe den Eindruck, dass nur wenige von denen auf Bücher "überschwappen".
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: HauntingWitch am 24. Oktober 2013, 16:31:13
Zitat von: Churke am 24. Oktober 2013, 11:41:42
Es ist Mode in unserer egozentrierten Wohlstandsgesellschaft, die gesellschaftlich anerkannte sexuelle Selbstverwirklichung als alleiniges Lebensziel zu proklamieren.
Das kann man in die Literatur mitnehmen - um den Preis, andere Themen in den Hintergrund zu schreiben.

Was hat denn das bitte mit dem Thema zu tun? Es ist keine Mode, es ist ein natürliches, legitimes, menschliches Bedürfnis seine Sexualität offen ausleben zu wollen. Man entscheidet sich nicht einfach dazu, weil es gerade ,,im Trend liegt" (was es nicht tut, weil Natur keine Trenderscheinung ist, aber egal). Man ist es oder nicht, so wie die Schöpfung einen nun einmal geformt hat. Ganz genau wie man Europäer, Afrikaner oder Chinese ist oder nicht. Genauso wie man entweder Träumer oder Realist, dieses oder jenes Sternzeichen ist oder nicht. Das ist kein Kleidungsstück das man sich anzieht, das ist einem natürlicherweise gegeben und es ist traurig, dass es noch immer so viele Menschen gibt, die das nicht verstehen wollen.
So Punkt, sonst steigere ich mich noch in Wut.

Zum Thema selbst, erst einmal danke Nachtblick für den spannenden Thread. Ich finde das durchaus interessant und kann als jemand der sich da noch nicht soo auskennt bestimmt einiges davon mitnehmen. ;) Ich möchte demnächst auch anfangen, mir entsprechende Romane zu Gemüte zu führen.

Was meine eigenen Geschichten betrifft, geht es mir ähnlich wie Rhiannon. Zwar habe ich bei meinem Erstling einen Protagonisten, der bisexuell ist und auch eine Beziehung mit einem anderen Jungen hat. Ich hoffe, das ist mir gelungen, ich denke, es ist nicht allzu schlecht. Mühe bereitete mir das Schreiben nicht, im Gegenteil, es hat mir Spass gemacht. Um es ,,richtig" darzustellen denke ich, benötigt es sicher Auseinandersetzung mit der Thematik und ein gewisses Interesse daran. Erfahrung? Beschränkt sich bei mir auf sehr, sehr wenige Menschen, die ich im Laufe meines Lebens getroffen und mit denen ich gesprochen habe. Deshalb bin ich bisher noch nicht weiter über diese Romanpassage (die doch recht lang ist) hinausgegangen. Wobei ich jetzt natürlich auch keine Ahnung habe, wie das letztlich tatsächlich rüberkommt.

Ein völlig anderer Aspekt, der bei mir auch zum Tragen kommt, ist, dass meine Charaktere sich sehr intuitiv entwickeln. Sie kommen quasi, wie sie kommen, genau wie meine Plots. Ich kann also gar nicht festlegen, der ist jetzt homosexuell (oder was auch immer ;)), sondern er ist es oder nicht. Die meisten sind es nicht. Nicht wegen einer Abneigung meinerseits, sondern weil es nicht so kommt. Vielleicht fehlt mir aber auch ein gewisser Zugang, weil ich selbst hetero bin und das besser kenne und daher wie automatisch eher darauf zusteuere? Bezogen auf Musik z.B. schreibe ich ja auch nie über Protagonisten, die z.B. HipHop hören. Ich ordne ihnen immer Musik zu, die ich selbst zumindest ansatzweise kenne. Einfach, weil ich da einen besseren Zugang dazu habe. Das ist aber nicht willkürlich, das passiert.

Und das waren auch schon meine 5 Cents, denn mehr weiss ich schlicht nicht. Dann werde ich mal gespannt die anderen Beiträge weiterverfolgen. :)

@Schneeleopardin und Cairiel: Meine Eltern sind auch homophob, vor allem mein Vater. Er hält es für unnatürlich. ::) Und man kann ihnen auch nicht gut zureden, sie gehen einfach nicht darauf ein. Dabei habe ich von ihnen einst noch Toleranz gelernt. Traurig.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Veldrys am 24. Oktober 2013, 16:36:03
Zitat von: Cairiel am 24. Oktober 2013, 16:01:45
Darf ich - rein aus Interesse - fragen, woher du diese Zahl hast?
Um ehrlich zu sein glaube ich solchen Selbstmordratenzahlen generell nicht. Dafür ist es in viel zu vielen Fällen unklar, warum sich ein Mensch das Leben genommen hat. Gerade bei Transsexualität kann ich mir vorstellen, dass bei einem Menschen, der es noch nicht offen nach außen gezeigt hat, dass er im falschen Körper steckt, und sich dann umbringt, schnell nicht erfasst wird, warum dieser Mensch das getan hat. Vermutlich wird es von den wenigen Menschen, die davon gewusst haben, auch noch verschwiegen - sei es, weil sie nach dem Tod nichts mehr aufwirbeln wollen, oder weil sie ein Problem damit hatten, oder, oder, oder ... Nein, solchen Zahlen glaube ich nicht.

Auf diversen Seiten, die sich mit Transsexualität befassen, findet man solche Zahlen. Auch wenn du zum Beispiel in Google "suicide rate of transsexuals" oder Ähnliches eingibt, spuckt dieser immer irgend eine hohe Zahl aus. Wie du aber geschrieben hast, bei einem transsexuellen Menschen, der noch nicht geoutet war, ist es wahrscheinlich schwer, die wahre Selbstmordursache zu ermitteln, da diese eventuell totgeschwiegen wird. Man sollte wahrscheinlich einmal recherchieren, woher diese Internetseiten ihre Informationen haben.

ZitatGerade im Anime-/Manga-Bereich sind viele Mädels unterwegs, die sehr auf Schwule abfahren ... Wie lange das schon der Fall ist, kann ich aber nicht sagen, und ich habe den Eindruck, dass nur wenige von denen auf Bücher "überschwappen".

Vielleicht liegt es daran, dass ich noch nichts von den vielen schwulen Figuren und Mädels, die auf Schwule abfahren gemerkt habe. Ich bin nicht sonderlich an Animes und Mangas interessiert.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Franziska am 24. Oktober 2013, 17:02:57
ZitatGerade im Anime-/Manga-Bereich sind viele Mädels unterwegs, die sehr auf Schwule abfahren ... Wie lange das schon der Fall ist, kann ich aber nicht sagen, und ich habe den Eindruck, dass nur wenige von denen auf Bücher "überschwappen".

Einen Trend sehe ich da nicht, im Gegenteil. Das ganze fing wohl so vor fünfzehn Jahren oder früher tatsächlich mit den Mangas an. Früher war ich recht viel in speziellen Archiven dabei, aber die meisten gibt es inzwischen nicht mehr. Mangas lese ich schon lange nicht mehr. Eigentlich sind doch fast alle Verlage die Gay Romance veröffentlichen auf ein weibliches Zielpublikjum ausgelegt. Die Betonung liegt auf Romance. Und auch fast alle Autoren in dem Genre sind Frauen. Ich habe das Gefühl, dass immer merh Autorinnen, die früher nur im Internet veröffentlicht haben jetzt bei Verlagen erscheinen oder Selfpublishing machen, um auch was daran zu verdienen und mehr Leser zu erreichen. Ich habe es auch gemacht und habe das Gefühl, Leser suchen verzweifelt nach guten Büchern, deshalb lesen wohl auch so viele auf Englisch.

@Kati: wie ich im restlichen Post sagte: ich sehe es genauso wie du. Solche Regale in Buchhandlungen oder Bibliotheken finde ich schwachsinnig. Außerdem wird kaum ein ungeouteter Schwuler sich vors Schwule Regal in der Bib stellen. ::) Dagegen finde ich es durchaus sinnvoll, dass es Genreverlage gibt. Bei Amazon kann man Bücher in mehrere Kategorien einordnen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 24. Oktober 2013, 17:45:53
Zitat von: FranziskaEigentlich sind doch fast alle Verlage die Gay Romance veröffentlichen auf ein weibliches Zielpublikjum ausgelegt. Die Betonung liegt auf Romance.

Das ist genau das Problem, das ich mit der Sache sehe. Viele Gay Romances sind auf heterosexuelle weibliche Leser ausgelegt und haben großteils auch nicht den Anspruch, LGBTQ-Leuten zu gefallen oder sie realistisch darzustellen. Ich sage nicht, dass das für jedes Buch gilt, es gibt sicherlich ganz tolle, genauso wie es grottenschlechte gibt, aber ich habe ein Problem damit, dass in vielen modernen, westlichen Ländern Homosexuelle noch immer nicht heiraten dürfen, aber in Romance und Erotikromanen für heterosexuelle Frauen dürfen sie vorkommen, da dürfen sie zur Unterhaltung herhalten. Das ist keinesfalls böse gemeint, ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine? Da wird mit zweierlei Maß gemessen und irgendwie gefällt mir das nicht. In Fiktion wird es angenommen, von einigen Lesern sogar explizit gewünscht, aber in der Realität kümmern sich die wenigsten Leser aktiv darum, dass es gesellschaftlich mal vorwärts geht. Und das meinte ich mit dem Vergleich zu Vampiren und anderen Fabelwesen: Besonders männliche Homosexualität wird als literarisches Genre immer salonfähiger, aber trotzdem gibt es noch eine breite Wand aus Ablehnung aus der Gesellschaft gegen Homosexualität im wahren Leben. Das ist nicht immer latente Homophobie, aber eben dieses gewisse Unbehagen, was sehr viele Menschen immer noch mit LGBTQ in Verbindung bringen.

Zitat von: FranziskaDagegen finde ich es durchaus sinnvoll, dass es Genreverlage gibt. Bei Amazon kann man Bücher in mehrere Kategorien einordnen.

Ich glaube, der Unterschied ist, dass es mir bei Liebesgeschichten einfach total egal ist, ob zwei Männer, zwei Frauen, Mann und Frau oder noch andere Konstellationen. Mir ist wichtig, dass die Beziehung überzeugend geschrieben ist. Wenn man natürlich explizit das eine lesen will und das andere auf keinen Fall, ist es sicherlich schon sinnvoll im Genre Romance und Erotik zu trennen, da hast du völlig Recht. Mir ging es nur darum klarzustellen, dass Bücher, in denen die Liebesgeschichte einer anderen Handlung untergeordnet ist, meiner Meinung nach eben nicht in diese Nischenverlage und Regale gehören. :) Weil du ja sagtest, du fändest es merkwürdig dem Leser vorzuenthalten, dass LGBT-Figuren vorkommen. Ich denke, dass wollte hier keiner so ausdrücken und ist auch nicht Ziel der Sache. Allerdings könnte man da wieder nachhaken und sagen: Mir wird als LGBTQ-Person ja auch vorenthalten, dass in dem Buch heterosexuelle Paare vorkommen, dass steht ja auch nirgendwo explizit drauf.

Und das ist wieder diese Erwartenshaltung von "Norm" und "alles andere". Warum muss gelabelt werden, dass meinetwegen eine lesbische Liebesbeziehung vorkommt, aber es muss einfach hingenommen werden, wenn eine heterosexuelle Beziehung vorkommt? Da warnt mich ja auch keiner vor, das muss ich dann so hinnehmen. Weil hetero normal ist? Das finde ich nicht so toll, um ehrlich zu sein. Ich spreche jetzt wirklich nur von Geschichten, in denen die Liebesgeschichte nur die zweite Geige spielt, bei Romance und besonders Erotik ist das ja nochmal eine andere Sache. Deshalb finde ich es albern alles, was auch nur im entferntesten eine Liebesbeziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Figuren beinhaltet so zu labeln, obwohl eigentlich eine ganz andere Geschichte im Vordergrund steht. Kann man das heterosexuellen Lesern nicht zutrauen? Aber wieso zwingt man dann den LGBTQ-Leuten, die vielleicht eine Minderheit sind, aber trotzdem eine ganze Menge, regelrecht heterosexuelle Liebesgeschichten auf, da wird ja auch keine Rücksicht genommen?

Das sind alles nur mal ein paar verworrene Gedanken, mich würde interessieren, was andere darüber denken. Ich hoffe, es kommt überhaupt raus, was ich meine.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 24. Oktober 2013, 18:28:37
Zitataber ich habe ein Problem damit, dass in vielen modernen, westlichen Ländern Homosexuelle noch immer nicht heiraten dürfen, aber in Romance und Erotikromanen für heterosexuelle Frauen dürfen sie vorkommen, da dürfen sie zur Unterhaltung herhalten.
Dass gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten dürfen, liegt sicher nicht in den Händen der Autoren von Gay Romances - jedenfalls nicht mehr als in denen von anderen Wählern. Da sagt sicher keiner "Ich mache euch zu Romanhelden, aber ätschibätsch, in echt dürft ihr nicht heiraten". Ich glaube auch nicht, dass Kati das gemeint hat, aber es klingt schon ein bisschen so. Autoren, die mit homosexuellen Figuren arbeiten, tun das sicher nicht nur, damit die als Unterhaltung dienen, sondern es gibt auch Autoren, die ein Bewusstsein erschaffen wollen.

Ich denke, gerade wir als Fantasyautoren haben viele Möglichkeiten, dieses Thema zu normalisieren. Es hängt natürlich vom Setting ab - in einem Urban Fantasy-Roman, der 1922 spielt, ist ein schwules Paar Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt, das gibt die Epoche leider so vor, und wir dürfen es nicht unter den Tisch fallen lassen. Aber was ist mit High-Fantasywerken, die in unseren eigenen Welten spielen, in Gesellschaften, die wir selbst erschaffen haben? Müssen unsere Schwulren dann auch verfolgt, bedroht, ermordet werden? Dann tun wir ja quasi als Autoren so, als ob das der Status Quo ist, völlig normal, man hat ja immer schon Schwule geklatscht ... Und selbst wenn unsere Welten pseudomittelalterlich sind - es sind unsere Welten, wir schreiben keine historischen Romane, wir arbeiten mit unseren eigenen Religionen und Dogmen und können selbst entscheiden, wen wir klatschen und wen nicht. Ich bin schon in verschiedenen Fantasyromanen homosexuellen Figuren begegnet, die immer mit ihrer Sexualität haderten, immer verfolgt wurden, und in denen das Schwulsein des wesentliche Problem darstellte - und sowas nervt mich. Das reduziert am Ende die Figuren auf ihre Sexualität, und mit Berufsschwulen ist doch auch niemandem geholfen.

Ich arbeite lieber mit Welten, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen genauso unverkrampft behandelt werden wie heterosexuelle - auch wenn es immer noch Situationen gibt, in denen sich daraus Probleme für die Helden ergeben. In meiner »Fälscher«-Trilogie macht der Krieger Lorcan ein Geheimnis daraus, dass er schwul ist, nicht, weil das nicht erlaubt wäre, aber weil er ein Steinerner Wächter ist und er damit nicht nur den stahlharten Kerl markieren muss, sondnern vor allem gegen jede Regung des Herzens und alle Verführungskünste immun zu sein hat. Und selbst später, als er "nur" noch Leibwache des Prinzen ist, hält er mit seinen Gefühlen hinter dem Berg - muss ja nicht jeder wissen, dass er ausgerechnet in den Prinzen verschossen ist.

Halan und Alexander aus den "Chroniken der Elomaran", mein erstes schwules Paar überhaupt (nicht meine ersten schwulen Figuren, aber alles, was ich vorher geschrieben habe, war tendenziell asexuell, so dass sich die Frage nicht wirklich ergeben hat) müssen ihre Beziehung geheimhalten, weil sie Onkel und Neffe sind und Blutsschande auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht erlaubt ist (obwohl das Inzucht- Risiko bei Null liegt). Und meine Elfen in »Schattenklingen« schlafen so selbstverständlich mit Männern und Frauen, dass Hochelf Landras mit einiger Verwirrung darauf reagiert, dass Stadtelf Kael tatsächlich nur an Männern interessiert ist - irgendjemanden nicht zu lieben, nur weil er das falsche Geschlecht hat, ist für ihn unvorstellbar. Das hat er von mir. Monosexualität ist die größte Art von Sexismus, die ich mir vorstellen kann. Und es ist sicher ein lieb gemeinter Korb, wenn man mir sagt: »Ich habe dich ja total gern, aber ich stehe einfach nicht auf Frauen« - heißt das, wenn ich ein Kerl wäre, wär das was geworden? Sexuelle Diskriminierung!

Was ich immer noch nicht verstehen kann, ist, wie erwachsene Autoren sagen können: »Ich kann mir einen schwulen/lesbischen/bisexuellen Charakter nicht vorstellen.« Klammert man den eigentlichen Geschlechtsakt mal aus - der natürlich Techniken beinhalten kann, die man nicht kennt - was ist daran so schwer? Ich treffe eine tolle Frau. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Mir klappen die Beine weg. Ich bringe keinen Ton mehr raus. Mein Sonnengeflecht ist strömend warm. Ich storrere und schwitze. Es ist genau das gleiche Gefühl, als wenn es mir mit einem Mann passieren würde. Liebe ist universell. Wer sich die Liebe vorstellen kann (deswegen beziehe ich mich extea auf erwachsene Autoren - als ich vierzehn war, habe ich zwar schon geschrieben, aber ich konnte mir nicht vorstelle, jemals verliebt zu sein, und erst recht nicht in einen Jungen), der kann sich die Liebe vorstellen, egal zwischen wem.

Deswegen brauche ich auch keine Anleitung "So schreibe ich einen lesbischen Charakter". Noch nicht mal mit der Einschränkung "Butch". Es gibt nicht DIE Lesbe, DEN Schwulen, DEN Bisexuellen. Es gibt nur eine Reihe von Individueen, die neben tausend verschiedenen Eigenschaften zufällig auch eine sexuelle Orientierung haben. Wenn man da nach Schema F vorgeht (»Aber in der Beschreibung steht doch ...«), dann ist man wieder bei den Berufsschwulen angekommen, die auch wieder nur eine Spielart des Quotenschwulen sind.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 24. Oktober 2013, 18:55:02
Zitat von: MajaDass gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten dürfen, liegt sicher nicht in den Händen der Autoren von Gay Romances - jedenfalls nicht mehr als in denen von anderen Wählern. Da sagt sicher keiner "Ich mache euch zu Romanhelden, aber ätschibätsch, in echt dürft ihr nicht heiraten". Ich glaube auch nicht, dass Kati das gemeint hat, aber es klingt schon ein bisschen so. Autoren, die mit homosexuellen Figuren arbeiten, tun das sicher nicht nur, damit die als Unterhaltung dienen, sondern es gibt auch Autoren, die ein Bewusstsein erschaffen wollen.

Das habe ich natürlich auf keinen Fall gemeint. Deshalb sage ich ja auch, ich drücke mich manchmal etwas ungenau aus, das tut mir Leid. Ich hatte ja auch gesagt: Es gibt solche und solche, gibt es immer. Aber ganz generell betrachtet sind das Romane für weibliche Leser, meist heterosexuell, über LGBTQ-Figuren, nicht FÜR LGBTQ-Leser und nicht zur Represäntation gedacht, sondern zur Unterhaltung. Ich meinte hier keinesfalls die Haltung der AutorInnen, sondern viel eher die Leser. Ich weiß, dass es viele Leser gibt, die sehr aktiv versuchen, etwas zu ändern. Es gibt aber auch einen ganzen Haufen von positiver Diskrimination, unter den Lesern und den Autoren. "Ich finde Schwule süß" zum Beispiel ist so ein Spruch, der da oft fällt und das meinte ich. Dieses Festnageln auf das Schwulsein, ohne mal zu überlegen, dass dahinter ein Mensch wie jeder andere steckt. Mehr meinte ich damit auch gar nicht, ich will auf keinen Fall sagen, dass diese Diskrimination mit Absicht passiert, es wirkt auf mich viel eher immer sehr, sehr unüberlegt. Als hätte die Person nicht weitergedacht, gar nicht darüber nachgedacht, dass es auch eine Form von Diskriminierung ist jemanden wegen seiner Sexualität für süß, putzig, sensibel, schwach, etc. zu halten, ohne die eigentliche Person überhaupt zu kennen. Ich verzettel mich hier schon wieder, aber ich hoffe, diesmal wird deutlicher, was ich meinte. :)

Was den Rest angeht... einfach nur :jau:. Das möchte ich einfach nur unterschreiben, genau so, wie es da steht.

Zitat von: MajaEs gibt nicht DIE Lesbe, DEN Schwulen, DEN Bisexuellen. Es gibt nur eine Reihe von Individueen, die neben tausend verschiedenen Eigenschaften zufällig auch eine sexuelle Orientierung haben.

Das ist genau das, worauf ich hinaus will und weshalb mich dieses Runterbrechen auf Sex und Sexualität in Romanen so stört, als gäbe es an der Figur nichts anderes. Ich habe dabei an Bücher wie "Evermore" von Alyson Noel gedacht, das stellvertretend für viele andere Jugendromane steht: Es gibt einen besten schwulen Freund, aber für die Handlung ist der nicht wichtig, er ist einfach da. Was man von ihm erfährt ist, dass er schwul ist, ständig einen neuen Freund hat und eben ein bisschen schrill ist. Das totale Klischee eben, runtergebrochen auf seine Sexualität und ansonsten als Figur im Roman zu nichts anderem zu gebrauchen. Und sowas hasse ich. Das meinte ich.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Franziska am 24. Oktober 2013, 19:35:03
Zitat von Kati:
ZitatDas ist genau das Problem, das ich mit der Sache sehe. Viele Gay Romances sind auf heterosexuelle weibliche Leser ausgelegt und haben großteils auch nicht den Anspruch, LGBTQ-Leuten zu gefallen oder sie realistisch darzustellen. Ich sage nicht, dass das für jedes Buch gilt, es gibt sicherlich ganz tolle, genauso wie es grottenschlechte gibt, aber ich habe ein Problem damit, dass in vielen modernen, westlichen Ländern Homosexuelle noch immer nicht heiraten dürfen, aber in Romance und Erotikromanen für heterosexuelle Frauen dürfen sie vorkommen, da dürfen sie zur Unterhaltung herhalten. Das ist keinesfalls böse gemeint, ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine? Da wird mit zweierlei Maß gemessen und irgendwie gefällt mir das nicht. In Fiktion wird es angenommen, von einigen Lesern sogar explizit gewünscht, aber in der Realität kümmern sich die wenigsten Leser aktiv darum, dass es gesellschaftlich mal vorwärts geht. Und das meinte ich mit dem Vergleich zu Vampiren und anderen Fabelwesen: Besonders männliche Homosexualität wird als literarisches Genre immer salonfähiger, aber trotzdem gibt es noch eine breite Wand aus Ablehnung aus der Gesellschaft gegen Homosexualität im wahren Leben. Das ist nicht immer latente Homophobie, aber eben dieses gewisse Unbehagen, was sehr viele Menschen immer noch mit LGBTQ in Verbindung bringen.

Also ehrlich gesagt verstehe ich immer noch nicht genau, was du meinst. Ich denke, wir sind uns darin einig, dass wir nicht möchten, dass Figuren klischeehaft und eindimensional dargestellt werden. Dein Beispiel einer Klishehaften schwulen Figur, das ist nicht das was wir wollen. Aber irgendwie klingt es jetzt so, als dürften Leute nur über schwule Figuren lesen, wenn sie gleichzeitig eine politische Kampagne organisieren. Ich glaube, die Leute, die gerne über das Thema lesen und auch schreibe, sind sich sehr wohl bewusst, dass die Situation rechtlich gesehen verbessert werden könnte. Ich weiß nicht, vielleicht lesen wir grundsätzlich unterschiedliche Texte, also weiß ich nicht, was du gelesen hast. Die Texte von Autorinnen, die ich lese, die mir gefallen, da ist Diskriminierung sehr häufig ein Thema. Es geht doch gar nicht, dass man sich nicht damit auseinander setzt. Dass gerade in Romancens, die ich selbst ziemlich selten lese, alles immer rosig dargestellt wird, das ist nun mal so. Das macht das Genre aus.

Was ich persönlich gerne mehr lesen und sehen würde sin Texte und Filme, in denen die Sexualität der Figuren selbstverständlich ist. So lange mussten die LGBT-Figuren am Ende entweder sterben oder unglücklich sein. Jetzt ist es entweder Romance gleich alles Happy End oder "Problembuch/Film" wo es wieder tragisch  endet. Natürlich gibt es Beispiele, wo das nicht so ist, und das gefällt mir persönlich am besten. Ich weiß nicht, wie es bei Literatur heißt, bei Filmen wird es als New Queer Cinema bezeichnet. Davon würde ich gerne mehr sehen und lesen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 24. Oktober 2013, 19:52:32
Zitat von: Franziska am 24. Oktober 2013, 19:35:03
Ich denke, wir sind uns darin einig, dass wir nicht möchten, dass Figuren klischeehaft und eindimensional dargestellt werden. Dein Beispiel einer Klishehaften schwulen Figur, das ist nicht das was wir wollen. Aber irgendwie klingt es jetzt so, als dürften Leute nur über schwule Figuren lesen, wenn sie gleichzeitig eine politische Kampagne organisieren.

Ich kenne das Problem der Gay Romances "nur" in der Fetischisierung von schwulen Männern und schwulem Sex. Standardgegenargumente da im Bereich der slash fanfiction sind, dass ein Großteil der Leser eben nicht heterosexuell sind, dass es durch Charakterforkussierung nicht vergleichbar mit der Porno-Fetischisierung von Lesben ist, und dass durch den kulturellen Einfluss der männliche Körper eher als "blank state" funktioniert - ein (cis) weiblicher körper ist immer ein weiblicher körper und das Bewusstsein bleibt immer da, während ein männlicher Körper nicht mit so vielen Normen, Einflüssen und Restriktionen im Denken vorbelastet ist und die Möglichkeit bietet, sich auch mal aus den Einschränkungen, die dem weiblichen Körper gesellschaftlich auferlegt sind, zu lösen.
Allerdings sind das echt Argumente, die außer dem letzten eher bei slash fanfiction greifen. Bei Gay Romances kenne ich mich nicht genug aus.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 24. Oktober 2013, 19:57:27
ZitatAber irgendwie klingt es jetzt so, als dürften Leute nur über schwule Figuren lesen, wenn sie gleichzeitig eine politische Kampagne organisieren.

Das habe ich jetzt wirklich nicht gesagt. Ich versuche es kurz: Wenn man über das Thema gerne liest, sollte man sich bewusst sein,  dass es ein wichtiges Thema ist, kein neuer literarischer Trend. Und ich weiß ja, dass das vielen klar ist, aber genauso vielen eben nicht. Wenn man über das Thema schreiben möchte, sollte man sich immer darüber klar sein, dass man nicht über obskure Fabelwesen wie Vampire schreibt, sondern über Menschen und das sind sich wirklich nicht alle. Was mir daran am wichtigsten ist und was ich jetzt wirklich oft genug gesagt habe, ist: Ich finde es unmöglich ÜBER eine Gruppe von Menschen zu schreiben, aber nicht gleichzeitig FÜR diese Gruppe. Ganz viel, was so durch's Internet schwirrt und auch verlegt wird, handelt VON LGBTQ-Menschen, ist aber FÜR "normale" Leser, spricht meist heterosexuelle Frauen. Das ist auch schön und gut. Aber es ist voller Klischees, falscher anatomischer Vorstellungen, solche Dinge. Es ist nicht FÜR LGBTQ-Leute.

Es muss doch möglich sein, auch als heterosexuelle Frau oder als heterosexueller Mann oder als sonst irgendwer, über LGBTQ-Figuren so zu schreiben, dass sich heterosexuelle Leser genauso wie LGBTQ-Leser angesprochen fühlen. Ich weiß, dass es viele Bücher gibt, in denen das gut gelingt, ich habe nicht behauptet, dass das niemals der Fall sein kann. Aber es gibt auch einen Haufen Romane, in denen LGBTQ-Figuren immer noch zur lustigen Requisite verkommen. Du schreibst ja selbst, sowas willst du nicht lesen, also sehe ich nicht, wo gerade das Problem liegt? Es geht mir doch nur darum, dass endlich die LGBTQ-Menschen auch als Zielgruppe von Mainstream-Literatur betrachtet werden und nicht nur als Handlungsbestandteil mit heterosexuellen Lesern im Kopf.

EDIT: Ich spreche hier wirklich nur von Romanen an sich, nicht explizit von Romance oder Erotik, damit habe ich nicht so viel am Hut. Die von Tanrien angesprochene Fetischisierung finde ich auch ein wichtiges Thema, aber dazu sage ich lieber nichts, dafür lese ich in dem Genre nicht genug, ich sehe es nur auf Seiten wie Tumblr, dass das Problem nicht aus der Luft gegriffen ist.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Melenis am 24. Oktober 2013, 20:02:28
Ich selbst bin ein sehr offener Mensch und hinterfrage mich diesbezüglich auch immer wieder, was man, meiner Meinung nach, sowieso immer tun sollte.

Ich denke einfach, die Welt ist ein so bunter, vielfältiger Planet, und genauso sind es Menschen auch - warum sollte ich diese Vielfalt in meinen Romanen auf ein Minimum reduzieren? Vielleicht tendiere ich eher dazu, zu bunt zu mixen; in meinem aktuellen Projekt ist eine wichtige Nebenfigur Grieche und asexuell, außerdem ist er knapp über vierzig und mit einer jungen Frau zusammen (Hauptfigur), die Afro-Amerikanerin ist und unter Depression leidet, ein Hauptprotagonist ist bisexuell und mexikanischer Herkunft und kommt später mit einem schwulen Mann, der selbst aus dem persischen Reich stammt (kommt aus der Vergangenheit  ;D) zusammen.  Die letzte Hauptfigur ist zwar heterosexuell, steht aber vor allem auf dickere Frauen. Und genauso könnte ich mit meinen anderen Projekten fortfahren, indem ein Trans-Werwolf auftaucht, oder z.B. ein Mann, der sich in ein Alien verliebt, das nicht mal im Ansatz menschenähnlich ist.

Und ganz wichtig: Bis auf die Alien-Menschen Romanze, die essentiell für den Plot ist, wird die Orientierung/Lebensweise der Personen nicht diskutiert oder ist gar Thema des Plots. Ich brauche keinen Grund, warum eine Person so oder so ist, ich dachte nämlich zuerst auch darüber nach, meine bisexuelle Hauptfigur zu einem Mädchen umzuwandeln, das dann eben heterosexuell ist und hätte damit automatisch den Partner ebenso von homo- auf heterosexuell ändern müssen. Warum ich darüber nachgedacht habe? Weil ich glaubte, damit sinken meine Chancen auf eine Veröffentlichung.
Aber mittlerweile ist es mir egal, weil ich denke, man kann eine schwule Beziehung genauso romantisch/echt/spannend erzählen wie eine hetero-Beziehung, ohne dass die beiden Männer ständig im Bett landen müssen. (Dabei ist die Hauptfigur nicht sehr sexuell aktiv, während mein heterosexueller Protagonist von einer Frau zur nächsten hüpft.) Und wenn die Verlage den Roman nicht so herausbringen wollen, ihre Schuld  ;D

Mir fällt es selbst schwer, mich genau einzuordnen und würde mich am ehesten als bisexuell bezeichnen und lebe relativ offen damit, wer mich fragt, bekommt eine ehrliche Antwort. Aber vielen geht es nicht so, und viele Personen, die wegen ihres Geschlechts/ ihrer Orientierung unsicher sind, wollen sicher nicht wissen, dass es zwar Bücher für sie gibt, aber die verstauben in einem Bücherregal, an dem gut lesbar drauf steht, dass sie anders sind als andere und deshalb ein eigenes Regal brauchen. Wenn es erotische Literatur ist, verstehe ich das, aber bei normalen Romanen, in denen die Beziehung nur eine untergeordnete Rolle spielt?

Mich stimmt es traurig, dass wir zwar bereits über Technik verfügen, ins All fliegen zu können und eine riesige, virtuelle Welt erschaffen haben, aber noch immer Probleme damit haben, Menschen so zu akzeptieren, wie sie geboren worden sind. Dabei gibt es LGBT Leute nicht erst seit gestern, auch wenn das erstaunlicherweise noch viele glauben (meinen Vater eingeschlossen  :hand:).

Andererseits bewegt sich etwas, und wenn nur langsam, aber es tut sich etwas. Macklemore, ein bekannter Rapper, hat einen Song über Homosexuelle geschrieben ("Same Love") der in den amerikanischen und deutschen Charts weit oben war/ist, und wie bereits erwähnt, gibt es in vielen Serien mittlerweile Schwule und Lesben. Am meisten überrascht hat es mich in Spartacus, einer recht brutalen Serie, die sicher in erster Linie auf männliche Zuschauer abzielt, und dort werden die beiden schwulen Männer so klasse dargestellt, dass man nur merkt, dass sie schwul sind, wenn sie zusammen sind  :-* Es gibt sogar relativ explizite Sexszenen und viele Kussszenen, aber außerhalb dieser Szenen wird ihre Orientierung nie thematisiert, und beide sind gute Gladiatoren, werden also nicht anders als die anderen Kämpfer dargestellt.

Das sind so Dinge, die mir Mut machen, aber leider muss man sich nur die Kommentare auf Youtube ansehen oder sich in seinem Bekanntenkreis umsehen um zu verstehen, warum Literatur mit LGBT Figuren immer noch in eine Nische gesteckt werden...

Edit: So viele neue Beiträge, während ich meinen getippt habe, also soviel dazu: Ich stimme Majas und Katis Beiträgen 100% zu  ;D


Grüßle  :winke:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 24. Oktober 2013, 20:36:19
Ich habe gerade mal rekonstruiert: Meinen ersten Roman mit schwulen Protagonisten habe ich 1993 gelesen. Das war "Himmelblau" von Joe Keenan, dem der Heyne-Verlag den Untertitel "Ein schriller Roman" gegeben hat - ich vermute, es war ein Versuch, das Wort "queer" zu übersetzen, aber in jedem Fall ist es typisch für eine Epoche, in dem schwul gleich schrill war und man im Fernsehen vielleicht mal eine total aufgemotzte Tucke zu sehen bekam. Aus dem Klappentext ging jedenfalls nicht hervor, dass die Hauptpersonen schwul sind, und das war mir auch eigentlich ziemlich schnurz. Aber ich hatte nach der Beschreibung "schrill" ein verrücktes, abgedrehtes Buch erwartet, eine wilde Satire, und statt dessen bekam ich ein letztlich ziemlich ruhiges, realistisches und nur bedingt witziges Buch. Es war nett, aber nicht das, was ich erwartet hätte. Schrill und schwul waren jedenfalls damals für mich keine Synonyme, und heute sind sie es immer noch nicht.

Ebenfalls Mitte der Neunziger hatte ich in Diane Duanas "Tür ins Feuer" die ersten homosexuellen Fantasyfiguren, und das in einem Setting, wo es tatsächlich nicht groß thematisiert wurde. Die Welt war so aufgebaut, dass zwar jeder Mann verpflichtet war, mit einer Frau ein Kind zu bekommen, aber ansonsten tun, lassen und lieben konnte, wie es ihm gerade gefiel, und das war ein sehr schön unaufgeregtes Buch, das ohne Klischees auskam - es ging also auch damals schon. Hat sich in den letzten zwanzig Jahren wirklich so viel getan, wie wir jetzt denken? Ich habe das Gefühl, es ist schon so. Aber wir haben trotzdem noch einen weiten Weg vor uns.

Lesbische Bücher sind mir bis jetzt deutlich weniger untergekommen - ich habe "Rubinroter Dschungel" von Rita Mae Brown gelesen, aber ich fand es extrem verbissen. Ich hätte mir etwas mehr Erotik gewüscht, aber auch wenn Sex zwischen Frauen eine große Rolle in dem Buch spielt, wollte die Autorin vielleicht von für Männer produzierten Lesbenpornos abgrenzen und verhindern, dass irgend ein Kerl ihr Buch zur sexuellen Stimulierung nutzen könnte, und darum bin ich noch nie in einem Buch mit so viel Sex derart abgetörnt worden. Natürlich, das ist ein ernstes Buch und keine Wichsvorlage, aber ich hätte mich gefreut, wenn es mir etwas mehr das Gefühl vermittelt hätte, dass es um etwas Schönes geht.

Ich tue mich auch immer schwer mit den Aussagen, dass Homosexuelle so geboren werden - nicht, weil ich das nicht glauben würde, aber weil es so entschuldigend klingt, als wäre die sexuelle Orientierung ein Gendefekt, mit dem man nur mal lebt, ich hab mir das nicht ausgesucht, ich wurde so geboren ... Ehrlich, ich habe keine Ahnung, ob ich bei meiner Geburt bisexuell war. Ich war klein und schrumpelig und gelb und völlig asexuell, was das betrifft. Es gibt keine schwulen, lesbischen, heterosexuellen Babies. Es gibt Babies, und ich denke, Babies sind grundsätzlich erst einmal bereit, jeden zu lieben. Das kristallisiert sich irgendwann heraus, üblicherweise, wenn man sich das erste Mal verliebt - ist das nicht früh genug? Ich weiß, dass das Argument "Ich wurde so geboren" gebraucht wird, um Arschlöchern zu begegnen, die jeden Schwulen gleich umerziehen wollen, und die sagen "Du hast nur nie die richtige Frau getroffen" - so wie ja auch immer noch viele denken, eine Frau wird lesbisch, weil die die falschen Erfahrungen mit Männern gemacht hat - und als nächstes gegen die Wissenschaftler hin und weisen nach, dass es tatsächlich eine genetische Komponente gibt, und auf einmal ist Schwulsein eine Erbkrankheit, und Eltern lassen ihre Embryonen per Präimplantationsdiagnostik darauf überprüfen, dass sie bloß keine homosexuellen Kinder bekommen. Da ist das gerade als Krankheitsbild aus dem ICD 10 getilgt worden, da machen ausgerechnet die Betroffnen selbst es wieder dazu. Als ob man sich sonst dafür entschuldigen müsste!

Ich bin von meinen Eltern nie nennenswert über Schwule und Lesben aufgeklärt worden - es war nichts, was irgendjemnd bei uns im Haus hätte thematisieren müssen. Ich war elf Jahre alt oder so, als meine Freundin Conny und ich uns beim Versteckspielen hinter die gleiche Ecke drückten, und ich kam offenbar zu nah an Conny heran, und sie schob mich weg und sagte: »Sonst sind wir doch schwul«. Und ich musste zu meiner Mutter gehen und mir das Wort erklären lassen. Sie sagte: »Das sagt man zu Männern, die Männer lieben«, und ich kam zu dem Schluss, dass Conny offenbar auch nicht wusste, was das Wort bedeutet, denn wir waren ja keine Männer, und außerdem hatte sie das Wort benutzt, als wäre das was Negatives.

Ähnlich entspannt hat meine Mutter reagiert, als wir beim Spielen am Bach unter der Brücke ein Magazin mit nackten Männern gefunden haben. Ich habe meiner Mutter ganz begeistert davon erzählt - nicht, weil ich das sonderlich attraktiv gefunden hätte, aber weil sich meine Mutter doch so aufgeregt hatte, dass im Wartezimmer meines Zahnarztes die "Praline" auslag und sie die Hefte voll nackter Brüste frauenfeindlich fand, und ich wollte sie damit trösten, dass es das Ganze ja auch umgekehrt für Frauen gäbe, mit nackten Männern drin. Und meine Mutter grinste und sagte: "Nein, diese Hefte sind auch für Männer." Das habe ich so hingenommen - auch wenn ich mir im Grunde meines Herzens nie vorstellen konnte, warum sich irgend jemand Bilder von nackten Männern ansehen wollen sollte.

Aber als ich mich dann mit Anfang zwanzig das erste Mal wirklich heftig in eine Frau verliebt habe, meinte meine Mutter sinngemäß, dass hätte sie doch sowieso schon gewusst. Aber nicht unbedingt seit meiner Geburt, würde ich vermuten ... Mit ihr war es dann eher der umgekehrte Fall: Als ich ihr vor einigen Jahren mitgeteilt habe, dass mein Freund und ich gerne heiraten würden, hat sie lange versucht, mir das auszureden, nach dem Motto "Aber du bist doch im Grunde deines Herzens lesbisch, du wirst ihn früher oder später für eine andere Frau verlassen, tu dir den Stress doch nicht an, du brauchst keinen Trauschein". Da sehe ich dann, dass selbst meine ab- wie aufgeklärte Mutter noch in Schubladen denkt.

Ich stelle fest, dass es nicht einfach ist, bisexuell zu sein und gleichzeitig eine christliche Ehe zu führen - nicht, weil ich denke, dass Gott oder Jesus da irgend ein Problem mit hätten, aber weil es heißt, dass ich nur entweder einen Mann oder eine Frau haben darf, wenn ich die Monogamie ernst nehme, und ich mich aber nach beidem sehne. Packt das auf die Liste für "So schreibt man einen bisexuellen Charakter" - leider interpretieren das immer noch viele (Männer, sollte ich sagen) als "unersättliche Nymphomaninnen, die mit jedem Kerl und jeder Frau ins Bett springen". Ich bin nicht nymphoman. Ich habe nur das Gefühl, dass mein Herz einmal in der Mitte geteilt worden ist und man mir bis jetzt nur eine Hälfte davon wieder eingesetzt hat, während die andere Hälfte leer ist. Und wenn wir alle einmal kugelförmig waren, ist meine Kugel nicht in zwei, sondern drei Teile zerteilt worden. Mein zweites Drittel habe ich gefunden, aber ich bin immer noch ziemlich eierig und fühle mich unrund.

Und trotzdem gibt es Leute (zugegeben, bis jetzt nur eine Person in meinem Leben), die meinen, ich könne nicht bisexuell sein, solange ich nur mit meinem Mann zusammen bin. Aber da wird die Sexualität wieder nur auf den Sex reduziert. Die Frage ist ja nicht, mit dem ich ins Bett gehe, sondern wen und wie ich liebe. Womit ich wieder bei der Literatur wäre: Wir wissen bei homosexuellen Figuren doch erst, dass sie homosexuell sind, wenn sie anfangen, rumzuknutschen, zu flirten, oder sich sonstwie über ihr Liesbesleben auszulassen. Und das tun in Büchern nun meistens nur die wenigsten Personen. Die Polizistin kann lesbisch sein, der Blumenhändler einen Fetisch haben, es steht nicht an den Leuten dran. Ansonsten erkennen wir die Schwulen nur, wenn sie tuckig sind, und die Lesben, wenn butch, und gehen davon aus, dass alle anderen Figuren offenbar "normal" sind, dann sonst würde uns der Autor doch drüber informieren. Aber eine Figur kann auch schwul, lesbisch, sonstwas sein, ohne dass ihr Liesbesleben in die Romanöffentlichkeit gezerrt werden muss. Es gibt Figuren, da ist das einfach hackegal. Vielleicht müssen wir da erst einmal bei uns selbst anfangen, wie wir die Welt sehen, wie wir denken, wie wir lesen. Und dann erst können wir damit anfangen, uns zu fragen, wie wir schreiben.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Franziska am 24. Oktober 2013, 21:29:32
@Kati:  Dann meinen wir offenbar das gleiche. :knuddel:
Vielleicht lese ich inzwischen so selektiert, dass ich auf solche Texte gar nicht mehr stoße. Früher ist mir das auch öfter aufgefallen, vor allem wenn die Texte von jungen Mädchen geschrieben wurden, die natürlicherweise wenig Wissen über männliche Anatomie haben konnten. Heute habe ich bei den Texten, die ich lese eher das Gefühl, dass weibliche Autorinnen älter sind und sich bestens informieren, soweit ich das beurteilen kann. Mein Ziel ist es auch, dass ich Leser jeglicher Sexualität anspreche, weibliche und männliche Leser und wenn mir ein männlicher Leser sagt, ihm hat mein Text gefallen, freut mich das besonders.
Ich kann mich natürlich im Internet über alles mögliche informieren. Danke für den Hinweis, man kann writing transgender characters googeln. Darauf wäre ich nicht gekommen. Ich habe schon länger eine Idee über eine Intersex-Person zu schreiben, aber ich traue mich da noch nicht ran, obwohl ich mich schon länger mit dem Thema beschäftige. Hätte ich jetzt einen Testleser/in, der mir sagt, das ist so in Ordnung, würde ich mich deutlich wohler fühlen.
Ich glaube schon, ich kann mich in alle möglichen Figuren hineinversetzen. Aber wenn man sagt, du schreibst auch über Feen und Vampire - die gibt es aber nicht in echt und es wird keine Fee oder Vampir kommen und mir sagen: so sind wir gar nicht, das hast du aber schlecht gemacht. Ich denke, das ist ein Problem, weshalb vielleicht mehr Autoren davor zurückschrecken. Man weiß nicht recht, ob man sich daran trauen soll, da das Thema so aufgeladen ist. Auch wenn man sich wissenschaftlich damit beschäftigt. Das ist so eine Grundlegende Frage. Sollte man den Betroffenen die wissenschafltiche Diskussion überlassen, gerade weil so lange von anderen über sie geschrieben wurde? Aber wenn man das tut, dann kommen z.B. diskriminierte Gruppen von Menschen, die gar keine Möglichkeit haben, sich irgendwo zu äußern nie in die Öffentlichkeit. Deshalb denke ich, kann man als Autor auch darüber schreiben, wenn man sich genug informiert. Aber ich habe eben immer noch nicht das Gefühl, dass ich gut genug informiert bin.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 24. Oktober 2013, 23:22:00
Was mir gerade beim Nochmal-Lesen dieses Threads auffällt: Es ist ja wirklich ein interessantes Thema, das wir hier haben. Aber wir sind in genau dem Grüppchen versammelt, mit dem wir bis jetzt immer über das Thema gesprochen haben - quasi die LGBTQ.Gemeinde des Forums plus der homophobe Troll. Ganz so angesprochen scheint sich die breite Masse des Forums dann doch nicht zu fühlen.

Aber das sollte uns nicht schrecken. Die kriegen wir auch noch weich. :)

Aber wir können uns ja als Ansprechpartner zur Verfügnug stellen. Dann muss man nicht mehr nach entsprechend orientierten Stereotypen googeln. Wir können jeder für uns erzählen, was es heißt, schwul, lesbishc, bisexuell zu sein. Ich rede über alles gerne außer Fetische. Fetische sind privat. Alles andere: Ich stehe zur Verfühgnug. Und ich bin ganz sicher kein Abziehbild. Wir haben vielleiccht keine echten Vampire und Elfen im Forum. Aber wir haben uns.


Besteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fynja am 24. Oktober 2013, 23:55:02
Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 23:22:00
Was mir gerade beim Nochmal-Lesen dieses Threads auffällt: Es ist ja wirklich ein interessantes Thema, das wir hier haben. Aber wir sind in genau dem Grüppchen versammelt, mit dem wir bis jetzt immer über das Thema gesprochen haben - quasi die LGBTQ.Gemeinde des Forums plus der homophobe Troll. Ganz so angesprochen scheint sich die breite Masse des Forums dann doch nicht zu fühlen.

Aber das sollte uns nicht schrecken. Die kriegen wir auch noch weich. :)


Da will ich doch mal widersprechen.  ;D Falls ich für die "breite Masse des Forums" sprechen kann - ich bezeichne mich als hetero, weil ich mich bisher nur in Jungen/Männer verliebt habe und mich bisher eigentlich auch bisher nur zu Männern hingezogen gefühlt habe, dennoch schließe ich nicht aus, dass irgendwann im Laufe meines Lebens eine Frau auftaucht, in die ich mich verliebe. (Oder sonst wer). Jedenfalls finde ich das Thema gut und wichtig, habe mir auch alle eure Beiträge durchgelesen und finde die Sichtweisen interessant.

Ich selbst habe das ein oder andere Buch gelesen, in dem schwule oder lesbische Figuren vorgekommen sind. (An Transgender oder Bisexuelle kann ich mich gerade spontan nicht erinnern) und ehrlich gesagt, versteh ich nicht, weshalb man sich als heterosexueller Leser nicht mit ihnen identifizieren können sollte. Ob ich mich mit einem Charakter identifiziere, hängt natürlich von vielen Faktoren ab, nicht aber von der Sexualität. Wenn Romanzen darin vorkommen, dann sind das Gefühle, die ich nachvollziehen kann, weil ich weiß, wie sich Verliebtheit anfühlt, und die damit verbundene Freude, Eifersucht oder Frustration. Da ist es egal, ob diese Gefühle für einen Mann, eine Frau, ein Thirdgender oder ein Alien sind - Hauptsache, sie werden nachvollziehbar rübergebracht.

Generell finde ich es wichtig, Diversität in Büchern rüberzubringen, sei es LGBT (damit meine ich auch alle anderen, der Einfachheit halber bleibe ich bei der Abkürzung LGBT) oder Behinderungen, Kulturenvielfalt,... Abgesehen davon, dass Vielfalt den Roman authentischer macht, was für ein gutes Buch ja ohnehin wichtig ist, stimme ich zu, dass insgesamt auch "Minderheiten" (das soll jetzt keinesfalls abwertend klingen) in Romanen präsent sein sollen, wie sie es auch in der Gesellschaft sind, weil sie Teil von der Gesellschaft sind - wieso also in fiktionalen Welten auslassen?

Allerdings, und das muss ich ein wenig beschämend eingestehen, sind die Figuren, die mir in den Kopf kommen, auch meistens heterosexuell und cisgender. Irgendwie denke ich oft einfach gar nicht an andere Optionen, und wenn die Charaktere einmal da sind, kann ich meistens nicht einfach die Sexualität ändern, weil das mir vorkäme wie eine Verfälschung, à "der Vollständigkeit halber ist der da dann mal homosexuell"... was ja auch falsch ist. Dass die Figuren, die mir spontan immer als Hauptfiguren einfallen, immer heterosexuell sind, will ich aber ändern.
So hatte ich hier und dar zwar bereits Figuren, die anderweitig sexuell orientiert sind, aber wohl noch zu wenige, wenn ich jetzt bewusst drüber nachdenke. In dem Projekt, an dem ich momentan am meisten arbeite, ist mein zweiter Perspektiventräger schwul, was eigentlich nur eher am Rande erwähnt wird. (Er kann in Träume anderer Leute "einbrechen" und die Versuchung, in Träume des Schwarms mal hineinzulugen, ist natürlich groß... Aber eine Rolle soll sein Schwarm eigentlich nicht spielen, also belasse ich es bei den kleinen Einwürfen, in denen mein Prota mit der Versuchung kämpft, dessen Träume ein wenig zu manipulieren...)
In einem anderen Projekt gibt es eine männliche Nebenfigur, die bereits einige Beziehungen mit weiblichen Personen hinter sich hat, sich aber im Laufe des Romans in den Freund meiner Protagonistin verliebt. Da habe ich von einigen Beta-Lesern (bzw. Beta-Zuhörern) gehört, dass es unglaubwürdig ist, wenn ein 19-Jähriger, der ja die Pubertät und die "verwirrenden Phasen" hinter sich habe, "anfangs als hetero dargestellt wird und dann schwul wird"... Ist Bisexualität also unglaubwürdig?  ??? Ich bin mir sicher, dass besagte Kommentare keinesfalls homophob gemeint waren, aber irgendwie habe ich insgesamt das Gefühl, dass Homosexualität zwar von den meisten Leuten in meinem Umkreis als normal akzeptiert wird, aber Bisexualität nicht so recht verstanden wird...
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Naudiz am 24. Oktober 2013, 23:58:03
@Cairiel: "Das Lied von Eis und Feuer" mag LGBT-Figuren enthalten. Allerdings ist es auch nicht ganz frei von Sachen, wo ich sage, das ist nur gemacht worden, um eben mal so eine Figur dabeizuhaben. Vorsicht, Spoiler: Und zwar, wenn Cersei mit Taena "schläft". Das macht sie nämlich ganz eindeutig nicht, weil sie lesbisch ist, sondern mehr oder weniger "einfach so zum Spaß", bzw. um die Loyalität der anderen sicherzustellen, wie sie es auch bei vielen Männern macht. Auf jeden Fall nicht, weil sie lesbisch oder auch nur bi wäre. Die Homosexualität ist hier also nicht vorhanden, um die Diversität herauszuheben, sondern tatsächlich als Plotpunkt. Und das finde ich wirklich diskriminierend.

Naja, und bei Goldauge und seinem royalen Freund wird der Fokus in meinen Augen auch mehr auf die sexuelle Komponente gelegt als auf die emotionale Beziehung zwischen den beiden.

Es macht mich traurig und auch ein wenig wütend, dass LGBT immer noch nicht in unserer ansonsten doch ach-so-aufgeklärten und fortschrittlichen Gesellschaft angekommen ist. In meinem Freundeskreis befindet sich so ziemlich alles, mit Ausnahme von Intersexualität. Und sie alle werden regelmäßig angefeindet und diskriminiert - sie sind froh, wenn sie einmal mit bloßem Schubladendenken und einem schiefen Blick bedacht werden. Gerade meine Freundin J. ,  die transsexuell ist, hat große Probleme mit Anfeindungen, und ist im Endeffekt deswegen in psychiatrischer Behandlung gelandet. Momentan versucht sie, ihre Geschlechtsumwandlung bei der Krankenkasse durchzubekommen. Eine sehr schwierige, nervenzehrende Angelegenheit, denn die KK sieht nicht ein, dass sie sich damit besser fühlt, sondern behandelt sie so, als hätte sie gerade eben mal aus Jux und Tollerei beschlossen, sie sei trans. Aber ich weiche vom eigentlichen Thema der Diskussion ab, deswegen belasse ich es jetzt mal dabei.

Jedenfalls finde ich es sehr schade, dass LGBT in der Literatur immer noch dermaßen stigmatisiert wird. Nischenverlage, gesonderte Regale in Buchhandlungen, in der auch Romane landen, in der die Sexualität der Hauptfiguren nur eine untergeordnete Rolle spielt, der Missbrauch von LGBT-Figuren als Zeichen der Toleranz des Autors oder schlimmstenfalls als Wichsvorlage ... die Liste ist lang und ein Punkt trauriger als der andere.
Auch J. ist das aufgefallen. Sie ist vor einiger Zeit auf den Geschmack der Fantasy gekommen und liest sich jetzt kreuz und quer durch das Genre. Sie fragte mich einmal, ob es denn auch klassische High Fantasy mit realitätsnah dargestellten Schwulen und Lesben gibt - dass transsexuelle Figuren eine erschreckende Seltenheit in der Literatur haben, ist ihr schon lange bewusst. Da stand ich lange da und wusste nicht recht, was ich sagen sollte. LGBT in der klassischen High Fantasy? Das ist mir ehrlich gesagt noch nie begegnet. Denn wenn LGBT in einem High Fantasy-Roman vorkommt, wird er schon nicht mehr als klassisch gehandelt, sondern als etwas Besonderes. 'Klassisch' bedeutet für den größten Teil der Leser eben immer noch, dass Männlein Weiblein liebt. Das ist eben "normal" für die meisten Menschen in unserer Gesellschaft. Um das in der Literatur zu ändern, müsste sich erst einmal die gesellschaftliche Einstellung zu LGBT ändern. Davon ist aber leider noch nicht ganz so viel zu sehen, auch wenn es hier in Deutschland sicherlich weitaus mehr akzeptiert wird als zum Beispiel in Russland - aber dass Schwule und Lesben auch hier nicht heiraten dürfen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Homosexualität für die Behörden eben immer noch eine Abnormalität ist, der nicht die selben Rechte zustehen wie Heterosexuellen.

Jetzt habe ich leider den Faden verloren, was ich noch alles sagen wollte ... Es ist so ein unglaublich komplexes Thema, und ich bin ein wenig müde. Deswegen mache ich an der Stelle einmal Schluss und schreib die Tage noch einmal etwas dazu.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 25. Oktober 2013, 00:25:38
Zitat von: Fynja am 24. Oktober 2013, 23:55:02
Ist Bisexualität also unglaubwürdig?  ??? Ich bin mir sicher, dass besagte Kommentare keinesfalls homophob gemeint waren, aber irgendwie habe ich insgesamt das Gefühl, dass Homosexualität zwar von den meisten Leuten in meinem Umkreis als normal akzeptiert wird, aber Bisexualität nicht so recht verstanden wird...
Ganz viele Leute glauben einfach nicht, dass es Bisexualität gibt... in der Realität... Das reflektiert dann natürlich auf die Literatur, wobei ich das Gefühl hatte, dass es in der Urban Fantasy mehr bisexuelle Hauptcharaktere gibt, in letzter Zeit bzw. mehr als in anderen Sparten.

Naudiz, es gibt gerade auf tumblr ganz oft Listen ("Fantasy books written by black queer women", "Sci fi books written by women with trans' characters", "Urban fantasy with asexual characters") mit Bücher-Titeln. Zwar auf Englisch, weil "sowas" natürlich selten übersetzt wird, und halt eher die "kleineren" Verlage, aber kleiner heißt ja auf dem englischsprachigen Markt schon recht groß. Leider lässt sich das auf tumblr immer so schwer suchen, aber ich kann mal die Augen offen halten, wenn deine Freundin auch englisch lesen mag?

Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 23:22:00
Besteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?
Hab da keine wirkliche Meinung zu; wenn es eine gibt, trete ich bei, aber ist halt die Frage, wer noch und was für Themen dann da entstehen. Das "Problem" mit der öffentlichen Diskussion hier wie in anderen social justice Themen ist ja eigentlich momentan, dass öfters nicht nur bei Null, sondern bei minus fünfhundert mit Erklärungen anfangen werden muss, aber hier z.B. hat Nachtblick ja geschafft, es gut zu unterbinden.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Naudiz am 25. Oktober 2013, 00:38:53
Zitat von: Tanrien am 25. Oktober 2013, 00:25:38
Naudiz, es gibt gerade auf tumblr ganz oft Listen ("Fantasy books written by black queer women", "Sci fi books written by women with trans' characters", "Urban fantasy with asexual characters") mit Bücher-Titeln. Zwar auf Englisch, weil "sowas" natürlich selten übersetzt wird, und halt eher die "kleineren" Verlage, aber kleiner heißt ja auf dem englischsprachigen Markt schon recht groß. Leider lässt sich das auf tumblr immer so schwer suchen, aber ich kann mal die Augen offen halten, wenn deine Freundin auch englisch lesen mag?

Danke für das Angebot, Tanrien. Ich habe J. auch schon gesagt, dass es das im englischsprachigen Raum weitaus häufiger gibt, aber sie kann nur ganz spartanisch Englisch, deswegen kommt das für sie leider nicht wirklich in Frage. (Zur Erklärung: J. ist über fünfzig und hatte in der Schule nie Englisch.)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 25. Oktober 2013, 01:10:39
Diesen interessanten Artikel über den Präsenzwandel von LGBT-Menschen in den Massenmedien fand ich gerade über das Bildblog und möchte ich euch nicht vorenthalten: http://www.vocer.org/de/artikel/do/detail/id/569/beistellschwule-und-dekolesben.html

Noch eine Anekdote aus meinem Autorenleben: Im Sommer 2009 war ein (angeblich) mittelgroßer Verlag [im Nachhinein zähle ich ihn doch eher zu den kleinen] sehr interessiert an meinen "Chroniken der Elomaran". Eigentlich. Denn der Lektor hatte bei näherer Betrachtung eine ganze Reihe von Problemen mit dem Buch und mir. Worüber er aber gar nicht hinwegkam, war die Homosexualität der Hauptfiguren. In einer langen Mail an meinen Agenten hat er sich sehr despektierlich über Szenen ausgelassen, in denen das thematisiert wurde. Ich zitierre ihn mal ganz dreist:

Zitat von: Lektor G. vom S.-VerlagWenn ich gemein wäre, würde ich sagen, das ist ein Roman für schwule Emos, vielleicht käme man da der Wahrheit sogar ziemlich nahe. Weil ich schon mal bei dem Thema bin: Manche Passagen, wenn es um Anders Sexualität ging, fand ich einfach nur peinlich, zum Beispiel die Szene im und um den Badezuber an Lorimanders Hof, die ich einfach gestrichen habe. Was ich an dieser Konstellation dramaturgisch nicht gut finde, dass sowohl Anders als auch Halan schwul sind. Da werden wir fast alle jungen weiblichen Leser verlieren, und das ist die Mehrzahl aller Fantasyleser. Aber davon mal abgesehen fände ich es dramaturgisch viel besser, wenn Halan nicht schwul wäre und sich eigentlich für Frauen interessierte und das ein Handlungselement wäre, dann würden sich die beiden Protagonisten nicht so ähnlich sein und Andres Wutausbrüche und Eifersuchtsanfälle einen nachvollziehbaren Grund haben.

Für mich war da eigentlich schon klar, dass ich mit dem Lektor nicht mehr warm werde. Ich hatte kein Interesse daran, wesentliche Plotelemente umzustellen, vor allem nicht solche, die mir wirklich wichtig waren, um mich bei Lesern oder Lektoren einzuschleimen, deren Einstellung ich ablehne. Aber nachdem wir dem Lektor erklärt haben, dass die Figuren schwul bleiben, und dass junge Mädchen sowas überhaupt ganz toll finden, hat sich dieser Lektor nie wieder bei der Agentur oder mir gemeldet. Das ist aber das einzige Mal, dass ein Lektor Probleme mit der Sexualität meiner Figuren hatte. Es hat mir aber auch schon gereicht. Sowas hören zu müssen, im Jahr 2010, finde ich schon ziemlich heftig.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Golden am 25. Oktober 2013, 05:55:03
Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 20:36:19
Ich tue mich auch immer schwer mit den Aussagen, dass Homosexuelle so geboren werden - nicht, weil ich das nicht glauben würde, aber weil es so entschuldigend klingt, als wäre die sexuelle Orientierung ein Gendefekt, mit dem man nur mal lebt, ich hab mir das nicht ausgesucht, ich wurde so geboren ... Ehrlich, ich habe keine Ahnung, ob ich bei meiner Geburt bisexuell war. Ich war klein und schrumpelig und gelb und völlig asexuell, was das betrifft. Es gibt keine schwulen, lesbischen, heterosexuellen Babies. Es gibt Babies, und ich denke, Babies sind grundsätzlich erst einmal bereit, jeden zu lieben. Das kristallisiert sich irgendwann heraus, üblicherweise, wenn man sich das erste Mal verliebt - ist das nicht früh genug? Ich weiß, dass das Argument "Ich wurde so geboren" gebraucht wird, um Arschlöchern zu begegnen, die jeden Schwulen gleich umerziehen wollen, und die sagen "Du hast nur nie die richtige Frau getroffen" - so wie ja auch immer noch viele denken, eine Frau wird lesbisch, weil die die falschen Erfahrungen mit Männern gemacht hat - und als nächstes gegen die Wissenschaftler hin und weisen nach, dass es tatsächlich eine genetische Komponente gibt, und auf einmal ist Schwulsein eine Erbkrankheit, und Eltern lassen ihre Embryonen per Präimplantationsdiagnostik darauf überprüfen, dass sie bloß keine homosexuellen Kinder bekommen. Da ist das gerade als Krankheitsbild aus dem ICD 10 getilgt worden, da machen ausgerechnet die Betroffnen selbst es wieder dazu. Als ob man sich sonst dafür entschuldigen müsste!
Naja, im Grunde genommen ist es aber doch so. Also entweder es ist genetisch definiert - ob man dann von einer Krankheit spricht ist natürlich so eine Frage (bräuchte man die Definition von Krankheit) - oder es ist nicht genetisch, müsste dann aber auch therapierbar sein. Dann sollte es natürlich noch so eine Art "Mittelding"(?) geben... also gut, muss es ja quasi immer :D... mh... :hmmm:

Wieso man keine Präimplantationsdagnostik durchführen sollte verstehe ich aber nicht. Man könnte dem Kind Leid ersparen und wenn man kein schwules Kind möchte, sollte man auch die entsprechenden Medizintechniken nutzen dürfen. Ihr wisst ja, pro Choice und so.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 25. Oktober 2013, 05:57:22
@golden
Do not troll the feeds. Bitte.



Präimplantationsdiagnostik ist eine super Idee. Da kann man den unerwünschten Gesellschaftsmüll schon im Vorfeld aussortiere. Wie hier im Forum mit den Bewerbern. Blöd nur, wenn man sich dabei mal vertut und doch das Arschloch übersieht. Aber nach deiner Argumentation ist es vielleicht okay, dann eben zur Spätabtreibung zu greifen und den Troll zu bannen. Spart ihm vestimmt eine Menge Leid. Pro choice. Jau. Bin ich.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Golden am 25. Oktober 2013, 06:01:14
@Maja: Ich habe nicht getrollt, aber okay.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Veldrys am 25. Oktober 2013, 06:25:34
Ich finde es sollten nicht nur LGBTQ-Personen über die Thematik wissenschaftlich diskutieren oder grundsätzlich über sie schreiben (können oder dürfen). Ich finde auch, es ist gar kein so großes Problem, sich in jemanden, der anders ist, hineinzuversetzen. Manche Menschen tun zum Beispiel so, als ob Männer oder Frauen zwei verschiedene Spezies sind und als ob ein heterosexueller und ein homosexueller Mensch ganz anders sind, dabei sind wir alle Menschen und empfinden Liebe, wir lieben nur auf eine andere Art. Wir haben mehr gemeinsam, als uns unterscheidet. Auch ein transsexueller Mensch besteht nicht nur aus dem Gefühl, im falschen Körper zu sein, es ist nur ein Aspekt von vielen, der eine Person ausmacht.

Maja, ich wäre sehr interessiert an einer LGBTQ-Arbeitsgruppe und würde dort auch gerne mitmachen.

Bezüglich ,,Das Lied von Eis und Feuer" es stimmt, es gibt ein paar LGBT-Figuren, aber außer der Sache mit der von Naudiz erwähnten Personen wird das eher nur angedeutet (in der Serie wird das deutlicher gezeigt – ihr könnt euch vielleicht denken, von welchen zwei männlichen Personen ich schreibe).

Vielleicht liegt es an uns, etwas gegen den Mangel an LGBTQ-Figuren in der klassischen Fantasy zu tun.

Präimplantationsdiagnostik, da stellen sich bei mir die Haare auf. Dann würden wahrscheinlich eine ganze Menge Homosexuelle wie auch Transsexuelle einfach aussortiert werden (genauso wie Behinderte), und dann würden der Welt einige sehr interessante Menschen entgehen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Coppelia am 25. Oktober 2013, 06:41:20
@ Naudiz
Ich habe die Szene aus "Feuer und Eis" nicht gelesen, aber ich verstehe gerade nicht, was du daran diskriminierend findest. Habe ich dich richtig verstanden? (Spoiler)  Cersei schläft mit einer Frau, um deren Loyalität sicherzustellen, obwohl sie eigentlich hetero ist. Was ist denn daran diskriminierend? Das ist eine Aktion, die man vermutlich moralisch verurteilen würde, aber man würde doch den Vorwurf Cersei machen (weil sie "sich verkauft" gegen Loyalität und dabei sogar ihre eigenen Vorlieben zurückstellt), nicht der lesbischen Frau. Ok, vielleicht würde man ihr auch einen Vorwurf machen, wenn sich ihre Loyalität auf diese Weise kaufen lässt, aber das wäre doch nicht anders, wenn es sich um einen Mann handeln würde.
Aber wie gesagt, ich kenne die Szene nicht. Vielleicht ist sie besonders voyeuristisch geschrieben oder so.
Vielleicht stolpere ich jetzt darüber, weil in meinen Romanen mitunter ähnliche Dinge vorkommen: Menschen, die ihre Körper verkaufen, um politische Vorteile zu erlangen. Ja, auch gegen ihre persönlichen sexuellen Vorlieben. Und mein Protagonist mag es nicht - nicht, weil er Homosexualität verurteilen würde, aber weil er sich nicht verkaufen will. Er verachtet diejenigen, die es tun. Ich hoffe, ich kann das deutlich machen.

Einer meiner Romane hat einen bisexuellen Antagonisten (http://www.deviantart.com/art/Talvar-Uncovered-199789810). Bisher war hier noch überhaupt nicht dir Rede davon, ob es eigentlich zulässig ist, nicht-hetero-Figuren auch mit negativen Eigenschaften zu versehen (müsste es wohl, wenn man sie genauso wie alle anderen Figuren behandeln darf). Er ist eine ziemlich komplexe Figur, und seine sexuelle Ausrichtung steht überhaupt nicht im Vordergrund. Für einen Antagonisten ist er sogar recht sympathisch. Seine Bisexualität ist aber plotrelevant. Und es kommt auch tatsächlich noch eine andere Figur vor, vermutlich homosexuell und nicht der Antagonist, sein langjähriger Liebhaber nämlich. Dummerweise stirbt er sehr früh. ::)

Na ja, ich bin gespannt, was im Lektorat mit diesen Plotelementen passiert. Ich habe so den Verdacht, dass sie nicht im Roman bleiben werden, weil sich jemand dadurch diskriminiert fühlen könnte, und das möchte ich auf keinen Fall. Aber ich mache mir in der Hinsicht auch immer viele, viele Sorgen, weil ich mich selbst früher so oft diskriminiert gefühlt habe. Allerdings wegen anderer Dinge.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Veldrys am 25. Oktober 2013, 06:50:35
Natürlich ist es zulässig, nicht-hetero-Figuren auch mit negativen Eigenschaften zu versehen, genauso wie es heterosexuelle Antagonisten gibt. Warum sollte es nicht zulässig sein?

Ich finde, homosexuelle und heterosexuelle Figuren sollten genau gleich behandelt werden, dazu zählt auch, dass sie manchmal böse sein dürfen.

Solange man seine Bösewichte nicht aus purem Schwulenhass schwul macht, ist meiner Meinung nach alles in Ordnung.

Ich habe zum Beispiel, wie ich schon geschrieben habe, eine Dämonin, die sich in ihrem Palast nur mit halbnackten, jungen Frauen umgibt.

Auch meine anderen schwulen, bisexuellen und lesbischen Figuren sind nicht immer strahlende Helden.

Das wäre langweilig.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Naudiz am 25. Oktober 2013, 06:58:11
@Coppi: Das Handeln der guten Dame selbst ist für mich nicht diskriminierend, da habe ich mich vielleicht ausgedrückt. Mir ging es darum:

ZitatDie Homosexualität ist hier also nicht vorhanden, um die Diversität herauszuheben, sondern tatsächlich als Plotpunkt. Und das finde ich wirklich diskriminierend.

Für mich war diese Szene einfach total unpassend und unnötig, auch, weil sie nur wenig zur Handlung beigetragen hat. Sie wirkte sehr danach, als wollte Martin jetzt einfach nur unbedingt eine lesbische 'Beziehung' einbringen, weil die noch in der Menge fehlte (Danys Übungen mit Doreah zähle ich nicht dazu - das hatte später ja noch Bedeutung). Worum es mir bei meiner Bemerkung also ging, war, dass ich Homosexualität, die nur um eines Plotpunkts willen eingeführt wird, nicht gutheiße. Damit wird die Daseinsberechtigung der Homosexualität nämlich auf einen bloßen Storyanteil degradiert. Wenn der Plotpunkt nicht wäre, wäre die Homosexualität nicht - und das geht für mich gar nicht.

Ich hoffe, meine Aussage ist dir jetzt ein bisschen klarer. Manchmal habe ich einfach Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden.

Über die Frage, ob man LGBT-Figuren auch mit negativen Eigenschaften belegen kann, ohne eine falsche Nachricht zu vermitteln, habe ich auch schon nachgedacht. Ich kam für mich selbst zu dem Schluss, dass man alles machen kann und sollte, was man will, da es im echten Leben ja auch Schwule gibt, die gleichzeitig Fieslinge sind. Leute, die es falsch auffassen und sich drüber aufregen, wird's ohnehin immer geben.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Coppelia am 25. Oktober 2013, 07:04:10
Leider verstehe ich es immer noch nicht. :) Du meinst, die Szene hätte wenig zur Handlung beigetragen, sprichst aber zugleich von "Plotpunkt" und "Storyanteil". Das impliziert für mich, dass sie doch handlungsrelevant ist. Aber wie gesagt, ich kenne sie nicht, und offenbar reden wir auch schon gar nicht mehr von der Sache selbst, also können wir damit auch aufhören. ;)

Na hoffen wir, dass nicht zu viele Leute meine Story falsch auffassen ... vielleicht kann ich noch ein bisschen mehr political correctness einbringen. Ist auch nicht so leicht, wenn man eine Hauptfigur hat, die nicht ganz so aufgeschlossen ist wie man selbst, und sich alle politischen Feinde über den armen Mann das Maul zerreißen. :hmmm:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Naudiz am 25. Oktober 2013, 07:07:23
Kurz gesagt: Mich störte, dass die einzige Daseinsberechtigung der 'Homosexualität' war, zur Story beizutragen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Leann am 25. Oktober 2013, 08:29:23
Als ich gestern die Überschrift gelesen habe, hab ich erstmal gestutzt und so eine Art Gebrauchsanweisung erwartet. Das hätte mir gar nicht gefallen, da ich immer noch selbst entscheiden möchte, wie ich was schreibe. Aber mittlerweile habe ich glaub ich kapiert, wie das gemeint ist und finde diesen Thread sehr interessant. Er hat mich auch mal wieder dazu gebracht, darüber nachzudenken, warum in meinen Werken homosexuelle Menschen vorkommen. Ergebnis: Keine Ahnung! Wenn Figuren homosexuell sind, dann sind sie das nicht, weil ich politisch korrekt sein oder eine Quote erfüllen will. Sie sind es, weil es mir Freude macht, sie so zu erfinden und über sie zu schreiben, genauso wie ich den Figuren andere Eigenschaften verleihe.
Außerdem ist die Homosexualität bei mir eher kein Hauptthema. Es ist eben so, dass einige meiner Helden sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen, aber auch keine große Sache. In meiner speziellen Fantasy-Welt ist das auch kein Problem und die Figuren werden nicht hauptsächlich durch ihre sexuellen Vorlieben definiert, sondern durch ihren ganzen Charakter. Sie sind ganz genauso vielfältig und unterschiedlich wie heterosexuelle Figuren, und das entspricht ja auch der Realität.
Darum frage ich mich, ob ich da jetzt echt spezielle Informationen benötige, bevor ich über "LGBT-Menschen" schreiben darf. Wenn ich über ihre Situation in Deutschland schreibe, oder z.B. die Handlung in der Kölner Schwulenszene spielen würde, dann würde ich mich da sicher informieren, genauso wie ich auch bei anderen mir unbekannten Szenen recherchieren würde, aber in meiner Fantasywelt herrschen doch ganz andere Regeln. Wenn ich z.B. über jemanden schreiben würde, der gehörlos oder blind ist oder sonst ganz anders als ich, z.B. super Geige spielt oder eine Sportskanone ist etc., hätte ich da schon einige Fragen, aber für mich ist Liebe immer Liebe und Sex immer Sex. Das entspricht meinem Erfahrungshorizont. Klar, da gibt es ganz viele Variationen, aber bisher habe ich die eher nicht an gleichgeschlechtlichen Präferenzen festgemacht.

So, das war jetzt was persönliches, ich habe mir auch noch allgemeine Gedanken gemacht zum Thema "Sind Schwule / Gay Romance jetzt Trend". Ich sehe das nicht als Trend an im Sinne eines Modetrends, der hochschwappt und in absehbarer Zeit wieder abebbt, sondern als gesellschaftliche Entwicklung. Als Beispiel sind mir hosentragende Frauen eingefallen. Ja, das Beispiel hinkt, weil Bekleidung eine Entscheidungsfrage ist und sexuelle Präferenzen nicht, aber darum geht es mir jetzt auch nicht. Früher war es verpönt und ein Tabu, dass Frauen Hosen anzogen. Irgendwann machten das aber einige Frauen und zogen Unmut auf sich, aber auch Interesse. Es wurde eifrig diskutiert und ein paar wenige Firmen produzierten Damenhosen. Heute kräht kein Hahn mehr danach, wenn Frauen Hosen anhaben. Niemand denkt daran, dass es überhaupt mal ein Konflikt-Thema war.
So wünsche ich mir das auch für das LGBT-Thema. Ich finde es nicht schlimm, dass es im Moment noch eher Nischenverlage sind, die entsprechende Bücher rausbringen und gehe davon aus, dass schwule, lesbische etc. Figuren in Romanen bald so weitverbreitet sind, dass auch Publikumsverlage mitziehen. Und irgendwann kommt niemand mehr auf die Idee, überhaupt darüber zu diskutieren.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Aphelion am 25. Oktober 2013, 08:39:44
Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 20:36:19
Ich habe gerade mal rekonstruiert: Meinen ersten Roman mit schwulen Protagonisten habe ich 1993 gelesen. Das war "Himmelblau" von Joe Keenan, dem der Heyne-Verlag den Untertitel "Ein schriller Roman" gegeben hat - ich vermute, es war ein Versuch, das Wort "queer" zu übersetzen, aber in jedem Fall ist es typisch für eine Epoche, in dem schwul gleich schrill war und man im Fernsehen vielleicht mal eine total aufgemotzte Tucke zu sehen bekam.

Es könnte auch der Versuch gewesen sein, ein Wortspiel mit "gay" zu übersetzen. "gay" hat diverse Bedeutungen, die mit "schwul" z.T. überhaupt nichts zu tun haben.

Das ist insofern imho auch ein Problem, als dass man mit teilweise unpassenden Begriffen hantieren muss, wenn es um die sexuelle Orientierung geht. Auch im deutschen, auch (und insbesondere) wenn man bedenkt, wie der Begriff "schwul" unter bestimmten Jugendlichen (und nicht nur dort) verwendet wird. Nämlich als Beleidigung und Abwertung.

Ich persönlich lese keine Fantasy-Bücher über lesbische Magierinnen, weil es mir egal ist, welche sexuelle Orientierung eine Figur hat. (D.h. ich suche nicht gezielt nach solchen Büchern, aber ich lese sie schon. ;)) Ich will ein Buch über eine Magierin lesen, ob sie transgender, transsexuell, lesbisch, bi oder sonstwas ist, ist mir vollkommen egal. Insofern finde ich z.B. den von Maja beschriebenen Ansatz sehr gut.

(btw.: transgender und transsexuell wurde hier im Thread an mehreren Stellen bunt durcheinandergeworfen. ;) Da gibt es Unterschiede.)

Etwas Zwiegespalten sehe ich aber die Frage der "Nischenromane". Einerseits finde ich es nicht sinnvoll, nicht-hetereo&cis-Sexualitäten als etwas darzustellen, dass nicht "zum Rest" gehört und damit zu diskriminieren, wie es schon mehrfach angesprochen wurde. Andererseits frage ich mich aber auch, ob man es Menschen vorwerfen kann, sich speziell solche Literatur herauszusuchen, weil sie darauf anspringen. Das würde ja bedeuten, nun umgekehrt jene zu verurteilen, die z.B. als heterosexuelle Frauen erotische "Schwulenromane" lesen, diese auch persönlich als erotisch empfinden und damit keine politischen Absichten haben, sondern z.B. sexuelle Anregung suchen.

Edit 22.2.2019: Ich sehe genau diesen Punkt schon seit längerer Zeit deutlich kritischer als 2013. Es ist nicht okay, Menschen zum Fetisch-Objekt zu machen und sie auf ihre Sexualität zu reduzieren. Dass manche das extrem tun, ist mir damals nicht bewusst gewesen, und wie so oft sind Extreme echt blöd. Insofern habe ich diese Frage für mich inzwischen beantwortet: Sich verstanden und repräsentiert fühlen wollen: unbedingt! Aber bitte keine Dauer-Fetisch-Show von Heteros für Heteros mit Nicht-Hetero-"Darstellern", ohne Rücksicht auf Verluste...

Die lesbischen Antagonistinnen fallen mir in letzter Zeit aber etwas zu häufig auf. Vielleicht wegen des Stereotypes der Femme Fatale, zu der Homosexualität "so gut passt" - vor allem aus männlich geprägter Sicht, die (leider) auch viele Frauen zu eigen haben. Gewissermaßen als Steigerung der perfekten Männerverführerin, die aber selbst von ihrem "Opfer" nicht verführt werden kann und damit absolut dominant ist.

An sich sehe ich solche Konstellationen nicht als problematisch an - aber wie gesagt, es häuft sich in letzter Zeit doch arg.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Ary am 25. Oktober 2013, 09:38:43
ZitatBesteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?
Ich wäre dabei.

Ich finde die ganze Diskussion hier sehr interessant, denn so intensiv habe ich mich mit dem Thema und den vielen Facetten sexueller Orientierung noch nie befasst, höchstens für mich selbst, als ich feststellte, dass ich Männer und Frauen gleichermaßen attraktiv finde und mich selbst auch als Bi-Menschen sehe. Ich bin wie Maja mit einem Mann zusammen, aber ich habe manchmal auch dieses Gefühl von "es fehlt etwas". Manchmal denke ich, dass der Mensch für Monogamie einfach nicht gemacht ist.

In meinen Romane arbeite ich schon recht lange mit verschiedenen sexuellen Orientierungen. In "Feuersänger" ist das Volk der Nithyara sehr frei im Umgang mit Sexualität, es wird nichts tabuisiert, es gibt gleichgeschlechtliche und Hetero-Paare, oft auch funktionierende Dreiecksbeziehungen. Den Nithyara ist das Gechlecht nicht wichtig, es geht darum, sich beim jeweils anderen geliebt und geborgen zu fühlen. dass das hin und wieder auch zu Sex führt, liegt in der Natur der Nithyara, die nun wahrlich keine Kinder von Traurigkeit sind.

In meinem NaNo-Projekt gehe ich ebenfalls recht freizügig mit dem Thema um. Zwei Figuren sind bekennend homosexuell, zwei sind bi. Die Gesellschaft verfolgt Homosexuelle nicht, das Thema ist nicht tabu, wenn auch nicht wirklich salonfähig. Der homosexuelle Held der Geschichte gilt als verrucht und gefährlich - aber nicht als krank oder verabscheuenswert.

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: HauntingWitch am 25. Oktober 2013, 10:31:49
ZitatWas mir gerade beim Nochmal-Lesen dieses Threads auffällt: Es ist ja wirklich ein interessantes Thema, das wir hier haben. Aber wir sind in genau dem Grüppchen versammelt, mit dem wir bis jetzt immer über das Thema gesprochen haben - quasi die LGBTQ.Gemeinde des Forums plus der homophobe Troll. Ganz so angesprochen scheint sich die breite Masse des Forums dann doch nicht zu fühlen.

Aber das sollte uns nicht schrecken. Die kriegen wir auch noch weich.

"Breite Masse" hier.  :winke: Zumindest schätze ich mich als das ein. Ich habe nur vor längerer Zeit einmal festgestellt, dass es durchaus auch Frauen gibt, die ich so attraktiv finde, dass ich mir vorstellen könnte, mit ihnen zusammen zu sein. Keine Ahnung, ob das jetzt etwas bedeutet, denn dazu gekommen ist es noch nie.

ZitatBesteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?

Vielleicht später, wenn ich etwas mehr Ahnung habe.

ZitatIn einem anderen Projekt gibt es eine männliche Nebenfigur, die bereits einige Beziehungen mit weiblichen Personen hinter sich hat, sich aber im Laufe des Romans in den Freund meiner Protagonistin verliebt. Da habe ich von einigen Beta-Lesern (bzw. Beta-Zuhörern) gehört, dass es unglaubwürdig ist, wenn ein 19-Jähriger, der ja die Pubertät und die "verwirrenden Phasen" hinter sich habe, "anfangs als hetero dargestellt wird und dann schwul wird"... Ist Bisexualität also unglaubwürdig?  Ich bin mir sicher, dass besagte Kommentare keinesfalls homophob gemeint waren, aber irgendwie habe ich insgesamt das Gefühl, dass Homosexualität zwar von den meisten Leuten in meinem Umkreis als normal akzeptiert wird, aber Bisexualität nicht so recht verstanden wird...

Ich finde es nicht unglaubwürdig. Aber bei vielen scheint das auch nicht ins Weltbild zu passen. Ein Bekannter von meiner Mutter war zwanzig Jahre verheiratet, hatte Kinder mit der Frau und sich dann mit über vierzig noch in einen Mann verliebt und seine Frau verlassen für den. Sie hat das gar nicht vertragen, ,,vor allem, weil es ein Mann ist" (o-Ton) und seine Tochter hat mit ihm gebrochen, sie hasst ihn jetzt. Meine Eltern solidarisieren mit den beiden, weil: ,,So etwas kann man ja nicht bringen." Das habe ich schon damals nicht verstanden, habe mir aber auch noch keine Gedanken drüber gemacht. Ich meine, dass er sie verlassen hat, war natürlich schlimm für sie und das kann man meinetwegen daneben finden. Aber dass so darauf herumgeritten werden musste, dass der andere ein Mann ist...  ::)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 25. Oktober 2013, 11:27:58
Zitat von: Leann am 25. Oktober 2013, 08:29:23
Darum frage ich mich, ob ich da jetzt echt spezielle Informationen benötige, bevor ich über "LGBT-Menschen" schreiben darf.

Na ja, das betrifft das L und das G ja eher weniger, aber wie Maja schon geschildert hat, verstehen viele (auch viele Autoren) Bisexualität falsch und schreiben das dann auch so (Alle Bisexuellen sind nymphomane Einhörner, etc.) und bei trans* Charakteren gibt es ja unglaublich viel auch an biologischem Wissen, was da rein muss, sobald man sich irgendwie in Richtung Hormone und Geschlechtsanpassung bewegt, und praktische Sachen wie Fragen, wie man Brüste effektiv abdeckt/verschwinden lässt. Aber generell ist es natürlich sinnvoll, auch verschiedene Diskriminierungserfahrungen einzuholen, weil man sich viele davon als heterosexuelle cis-Person nicht so vorstellen kann, und es dann bei zehn Schwulen in einem Roman irgendwann unwahrscheinlich wird, dass keiner von denen jemals irgendwas negativ erfahren hat, nie bei einer Gruppe von glatzköpfigen Männern die Straßenseite gewechselt hat, etc.

Zitat von: Naudiz am 25. Oktober 2013, 07:07:23
Kurz gesagt: Mich störte, dass die einzige Daseinsberechtigung der 'Homosexualität' war, zur Story beizutragen.
Ich verstehe, was du meinst: Wenn die einzige "lesbische" Szene, die Martin einbringt, eine ist, in der die Charaktere nur aus politischer Motivation handeln, während schwule/gleichgeschlechtliche Paare/Charaktere und vor allem heterosexuelle eine Masse an Szenen und verschiedenen Darstellungen und mit unterschiedlichsten Motivationen (sowas wie, oh, ich weiß nicht, Liebe) bekommen, ja, dann stört das.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Naudiz am 25. Oktober 2013, 12:34:03
Zitat von: Tanrien am 25. Oktober 2013, 11:27:58
Ich verstehe, was du meinst: Wenn die einzige "lesbische" Szene, die Martin einbringt, eine ist, in der die Charaktere nur aus politischer Motivation handeln, während schwule/gleichgeschlechtliche Paare/Charaktere und vor allem heterosexuelle eine Masse an Szenen und verschiedenen Darstellungen und mit unterschiedlichsten Motivationen (sowas wie, oh, ich weiß nicht, Liebe) bekommen, ja, dann stört das.

Danke, Tanrien. Du hast es in Worte gefasst bekommen. Genau das meinte ich.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Coppelia am 25. Oktober 2013, 13:08:22
Ich verstehe es jetzt auch. :) Sonst hätte ich noch gefragt, ob Homosexualität denn keine Plotrelevanz haben darf - das hätte ich etwas seltsam gefunden. Heterosexualität kann doch auch Plotrelevanz haben. Und wie!
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Merwyn am 25. Oktober 2013, 14:01:32
Sehr, sehr interessanter Thread :)
Ich bin eigentlich der stille Mitleser, aber nachdem die "Außenstehenden" jetzt schon dazu aufgefordert wurden, sich mal zu äußern, melde ich mich auch, und hoffe mal, dass ich mit meiner Einstellung keinem auf die Füße trete ;)

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Grey am 25. Oktober 2013, 15:07:59
Darf man hier auch konkrete Beispiele anbringen? In meinem aktuellen JuBu-Projekt hat sich der beste Freund der Heldin nämlich als schwul vorgestellt - nachdem Kati sich aber nun mehrfach so leidenschaftlich gegen den schwulen besten Freund ausgesprochen hat, bin ich ein wenig verunsichert, ob ich das wirklich machen soll, oder ob ich etwaige LGBTI-Leser damit eher vor den Kopf stoße. Deswegen wäre ich für ein paar Meinungen dankbar.

Vorweg: Nein, ich definiere den Jungen nicht über sein Schwulsein. Wer meine Jugendbücher gelesen hat, der weiß, dass Liebesgeschichten dort eher im Hintergrund ab- und mitlaufen. Tatu und Kyra sind seit dem Kindergarten beste Freunde, und eigentlich war er als LoveInterest geplant. Nun beharrt er aber darauf, schwul zu sein. Kyra ist trotzdem in ihn verliebt, kann das aber nicht zeigen, weil sie natürlich weiß, dass er schwul ist und daraus demnach wohl nie eine Beziehung wird. So viel zum Emotionschaos das, wie gesagt, eher am Rand der Hauptstory abläuft.

Darüber hinaus hat Tatu allerdings eine durchaus tragende Rolle in der Geschichte, er ist eine coole Sau und eine absolute Charismaschleuder. Und er ist Halbkoreaner - was mich ins Grübeln bringt, ob schwul und halbkoreanisch dann nicht too much ist.

Aber eigentlich will ich das so nicht sehen. Natürlich wird er über seine Herkunft und seine sexuelle Orientierung auch definiert, aber eben nicht nur. Er hat sich bei mir so vorgestellt, er ist ein total liebenswerter Typ, und irgendwie sträubt sich in mir alles, ihn nicht genau so zu schreiben, bloß weil man mir vorwerfen könnte, das wäre "gewollt" und "für die Quote". Aber dass man es mir vorwirft, das will ich natürlich auch nicht. Daher bin ich mir jetzt wirklich etwas unsicher, ob ich es so durchziehen soll.

Was meint ihr denn? Wenn ihr sowas lesen würdet, würdet ihr direkt die Augen verdrehen? Oder würdet ihr ihm eine Chance geben? :bittebittebitte:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Cairiel am 25. Oktober 2013, 15:15:25
Zitat von: Naudiz am 24. Oktober 2013, 23:58:03
Jedenfalls finde ich es sehr schade, dass LGBT in der Literatur immer noch dermaßen stigmatisiert wird. Nischenverlage, gesonderte Regale in Buchhandlungen, in der auch Romane landen, in der die Sexualität der Hauptfiguren nur eine untergeordnete Rolle spielt, der Missbrauch von LGBT-Figuren als Zeichen der Toleranz des Autors oder schlimmstenfalls als Wichsvorlage ... die Liste ist lang und ein Punkt trauriger als der andere.
Der traurigste Punkt sind einige dieser Nischenverlage selbst, finde ich. Das einzige (!) Manuskript in meiner Schublade, das ich für veröffentlichungstauglich halten täte, aber nicht an einen Verlag kommt, ist eines mit zwei schwulen Protagonisten. (Man bedenke, was das schon wieder aussagt ...) Ich habe mich damit vor einiger Zeit bei ein paar Verlagen mit Vorrangig LGB-Literatur beworben und Absagen kassiert, bei mehreren nach der Frage, ob explizite Sexszenen darin vorkommen und wie viele. Auf mein Verneinen hin kam die Absage (bei so manch einem hatte ich den Verdacht, dass er sich nicht einmal das Exposé oder die Leseprobe angesehen hat), weil sich LGBTQ-Bücher ohne beträchtlichen Erotikanteil nicht so gut verkaufen täten. Man bedenke, was DAS schon wieder aussagt.  :wums:

Wir haben also nur Nischenverlage für LGBTQ-Themen, von denen viele schon wieder eher so in Richtung Erotik spezialisiert sind, d. h., normale Romane, in denen der Held eben einfach mal LBGTQ oder sonstwas nicht heterocisweißes ist, sind schon fast Nische der Nische. So zumindest mein Eindruck nach dem erfolglosen Bewerbungsdurchlauf.

Das war auch einer der Gründe dafür, warum ich bei meinem Gay-Romance-NaNo-Roman gesagt habe, dass ich erst einmal nicht ans Veröffentlichen denken will. Ich will mich - aus Prinzip  ;D  - nicht damit bei Verlagen bewerben, von denen ich weiß, sie würden es nur wegen der MxM-Sexszenen nehmen. Da käme ich mir so vor wie als würde ich einen Lesben-Porno für Männer herausbringen.

Auf mehr kann ich leider gerade nicht eingehen, mir läuft die Zeit schon wieder davon.


Nur ganz kurz zum Thema Präimplantationsdiagnostik:
Würde es so etwas für Schwule/Lesben/Bi-/Inter-/Transsexuelle geben, würde ich nicht existieren. Da kann ich mir zu 100 % sicher sein, weil ich meine Eltern kenne. Da ich durchaus an meinem Leben hänge und froh bin, zu existieren, auch froh darüber bin, dass mit mir ein weiterer toleranter Mensch existiert, der sich für die Rechte von diskriminierten Menschen einsetzt, fände ich das ganz und gar nicht prickelnd.

Und ja, wenn ich nicht leben würde, wäre mir viel Leid erspart geblieben. Schließlich ist alles Leben leiden, nicht?  :omn:  Warum treibt man nicht gleich auch noch alle Kinder von ärmeren Menschen ab, die es sicher auch schwerer haben werden als die von reichen, und all die von Randgruppen und religiösen Minderheiten, die Behinderten und hässlichen und nicht übermäßig intelligenten, damit wir nur noch perfekte Menschen haben, die möglichst wenig Leid erfahren müssen?



.... Ich kann es nicht lassen, also auch noch kurz dazu:
Zitat von: Grey am 25. Oktober 2013, 15:07:59
Darf man hier auch konkrete Beispiele anbringen? In meinem aktuellen JuBu-Projekt hat sich der beste Freund der Heldin nämlich als schwul vorgestellt - nachdem Kati sich aber nun mehrfach so leidenschaftlich gegen den schwulen besten Freund ausgesprochen hat, bin ich ein wenig verunsichert, ob ich das wirklich machen soll, oder ob ich etwaige LGBTI-Leser damit eher vor den Kopf stoße. Deswegen wäre ich für ein paar Meinungen dankbar.

Vorweg: Nein, ich definiere den Jungen nicht über sein Schwulsein. Wer meine Jugendbücher gelesen hat, der weiß, dass Liebesgeschichten dort eher im Hintergrund ab- und mitlaufen. Tatu und Kyra sind seit dem Kindergarten beste Freunde, und eigentlich war er als LoveInterest geplant. Nun beharrt er aber darauf, schwul zu sein. Kyra ist trotzdem in ihn verliebt, kann das aber nicht zeigen, weil sie natürlich weiß, dass er schwul ist und daraus demnach wohl nie eine Beziehung wird. So viel zum Emotionschaos das, wie gesagt, eher am Rand der Hauptstory abläuft.

Darüber hinaus hat Tatu allerdings eine durchaus tragende Rolle in der Geschichte, er ist eine coole Sau und eine absolute Charismaschleuder. Und er ist Halbkoreaner - was mich ins Grübeln bringt, ob schwul und halbkoreanisch dann nicht too much ist.

Aber eigentlich will ich das so nicht sehen. Natürlich wird er über seine Herkunft und seine sexuelle Orientierung auch definiert, aber eben nicht nur. Er hat sich bei mir so vorgestellt, er ist ein total liebenswerter Typ, und irgendwie sträubt sich in mir alles, ihn nicht genau so zu schreiben, bloß weil man mir vorwerfen könnte, das wäre "gewollt" und "für die Quote". Aber dass man es mir vorwirft, das will ich natürlich auch nicht. Daher bin ich mir jetzt wirklich etwas unsicher, ob ich es so durchziehen soll.

Was meint ihr denn? Wenn ihr sowas lesen würdet, würdet ihr direkt die Augen verdrehen? Oder würdet ihr ihm eine Chance geben? :bittebittebitte:
Ich würde ganz klar nicht die Augen verdrehen! Ich habe viele gute Freundinnen und in meiner Akademie gibt es auch so einen richtig schönen klischee-schwulen-besten Freund. Solche Menschen gibt es, in meinen Augen gar nicht mal so selten, warum sollte man da also nicht drüber schreiben dürfen? Das ist auch ein Punkt an Diversity, nicht? Wer sich darüber aufregt, soll sich imA nicht Beführwörter des Diversity nennen, weil er/sie auch schon wieder aussortiert, was nun da hineingehört und was nicht.  ::)
Ich für meinen Teil komme weitaus besser mit Frauen klar als mit Männern. Und ich denke auch, dass es daran liegen kann, dass ich schwul bin. *schulterzuck*
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Simara am 25. Oktober 2013, 18:10:37
Ich habe eigentlich einen sehr ausgewogenen Anteil an LGBT's in meinen Projekten und habe bereits verschiedenste Gesellschaftsformen durchgespielt- Von einem dystopischen Deutschland, in dem es eine Meldepflicht für Anderssexuelle gibt, die gezwungen werden sollen, wie alle anderen auch den Fortbestand der Menschheit zu gewähren, bis zu einem Fantasy Königreich in dem Geschlechterrollen schlichtweg nicht existieren. Es ist bei mir eher die Ausnahme, nur über Heteros zu schreiben und dass liegt wohl auch mit daran, dass ich früher sehr viel Selbsttherapie mit meinen Geschichten betrieben habe und es sich einfach richtig anfühlte, in meinen Büchern die Diversität zu schaffen, die ich im echten Leben vermisste. Außerdem bin ich der Meinung, dass die Thematik eine sehr attraktive für jene ist, die sich gerne mit Gesellschaftskritik beschäftigen, so wie ich. Mein  Lehrer sagt immer, das große Unglück unserer Generation wäre, dass es nichts mehr gäbe, wogegen es sich zu rebellieren lohne, doch dass sehe ich anders. Sehe ich Merkel und Putin auf dem selben Bild bekomme ich eine Gänsehaut, sehe ich die voller christlicher Nächstenliebe geschriebenen Hassplakate gewisser Fraktionen wird mir schlecht. Doch natürlich muss man in seinen Büchern ja nicht nur ernste LGBT Themen ansprechen, im Gegenteil, es gibt viel zu wenige "normale" Bücher für die Quere Jugend, in denen die Protagonisten schlichtweg LGBT sind, zumindest sehe ich das so.
Ich kann verstehen, wenn heterosexuelle Autoren sich nicht an anderssexuelle Figuren heran wagen und hoffe, dass jene, die es doch tun, sich ernsthaft informieren und nicht noch mehr Klischees verbreiten. Besonders die deutschen Medien sind von diesen nämlich noch immer überlastet.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Sin am 25. Oktober 2013, 18:15:20
Was den klischee-schwulen Freund angeht, kann ich nur sagen, dass mir das nichts ausmacht.
Während ich meinen Meister gemacht habe, waren meine zwei besten Freunde dort Schwule. Mit ihnen bin ich von ca. 300 Menschen um mich herum am besten ausgekommen. Mich würde das also gar nicht stören.
In meiner Klasse war auch eine Lesbe, mit der bin ich auch gut klar gekommen.

Zitat von: Cairiel am 25. Oktober 2013, 15:15:25
Ich habe mich damit vor einiger Zeit bei ein paar Verlagen mit Vorrangig LGB-Literatur beworben und Absagen kassiert, bei mehreren nach der Frage, ob explizite Sexszenen darin vorkommen und wie viele.
Das finde ich sowas von Schade.
Muss denn jedes Buch, in dem die Protagonisten schwul sind, gleich ein Erotikroman sein?  :nöö:
Das geht doch auch ohne den Sex-Anteil, finde ich.

Zitat von: Cairiel am 25. Oktober 2013, 15:15:25
Ich für meinen Teil komme weitaus besser mit Frauen klar als mit Männern. Und ich denke auch, dass es daran liegen kann, dass ich schwul bin.
Siehst du, mir geht es genau anders herum. Mit Schwulen komme ich toll klar, einige, die ich als meine engen Freunde bezeichne, sind das (oder Lesben).
Wobei ich mich selber wohl als Bi bezeichnen würde. Ich mag Männer, aber ich sehe auch Frauen hinterher und kann mir gut vorstellen, mit einer was anzufangen.

Bisher habe ich mir noch gar keine großen Gedanken über das ganze Thema gemacht, aber ich finde es sehr interessant, mal mit anderen darüber reden zu können. In meinen näheren Umfeld gibt es da nicht so viele Leute, mit denen man darüber reden kann.
Jeder von ihnen hat seine Haltung und eine andere Meinung ist nicht erwünscht.

In meinen Romanen/Kurzgeschichten habe ich bisher meist Heteropaare gehabt und in den letzten zwei Jahren habe ich mir vermehrt Gedanken über Schwule gemacht, bzw. über sie geschrieben.
Allerdings reizt mich jetzt die Idee, etwas im Transgenderbereich zu schreiben.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 25. Oktober 2013, 19:02:41
Zitat von: GreyDarf man hier auch konkrete Beispiele anbringen? In meinem aktuellen JuBu-Projekt hat sich der beste Freund der Heldin nämlich als schwul vorgestellt - nachdem Kati sich aber nun mehrfach so leidenschaftlich gegen den schwulen besten Freund ausgesprochen hat, bin ich ein wenig verunsichert, ob ich das wirklich machen soll, oder ob ich etwaige LGBTI-Leser damit eher vor den Kopf stoße. Deswegen wäre ich für ein paar Meinungen dankbar.

Das möchte ich mal eben klären, ich wollte keinesfalls sagen, man darf keine schwulen besten Freunde schreiben, das wäre ja quatschig. (Und dumm von mir, weil ich selbst schon einen schwulen besten Freund geschrieben habe.) Mir geht es nur um das Runterbrechen auf das "schwul". In dem Buch, dass ich als Beispiel genannt habe ("Evermore" - Alyson Noel), war die Figur eben nichts mehr außer "der Schwule" und ich finde, das hat mit dem Status als bester Freund eigentlich gar nichts zu tun. Es ging mir eigentlich wieder nur darum, dass ich Figuren nicht gern auf ihre Sexualität heruntergebrochen sehe, egal was für Figuren das sind und in welcher Beziehung sie zum Protagonisten stehen. :) Es ging mir nur darum, dass eine Figur eben mehr sein muss, als nur seine Sexualität und das hat mit bester Freund oder nicht am Ende gar nichts zu tun. Wenn deine Figur einen besten Freund hat, der vorrangig ihr bester Freund, eine interessante Figur und so ist und nicht vorrangig schwul, finde ich das sogar gut.  :jau: Sehr gut.

Zitat von: GreyUnd er ist Halbkoreaner - was mich ins Grübeln bringt, ob schwul und halbkoreanisch dann nicht too much ist.

Nichts ist too much, weil es alles gibt, finde ich. ;)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Vic am 25. Oktober 2013, 19:38:58
Das Thema erinnert mich an eine (mehr oder weniger?) lustige Anekdote, die ich in einem anderen Schreibzirkel erlebt habe ...  ;)

Und zwar hatte ich damals über ein Buch gesprochen, wo die Hauptrollen zwei Jungs sind, von denen einer türkischstämmig ist und der andere, sein Stiefbruder, eben schwul. Ich hatte damals eine Frage bezüglich "Hautfarben beschreiben", ohne politisch korrekt voll daneben zu greifen ("milchkaffeefarben" geht gar nicht, wurde mir damals gesagt) - also eigentlich ging es um Jamil und nicht um Misha.
Aber es kamen dann einige Fragen generell zum Plot und dabei habe ich nebenbei erwähnt, dass Misha nicht wegen seiner Sexualität diskriminiert wird und dass es darum auch nicht geht in meinem Plot (Urban Fantasy mit Magiern etc). Also Misha hat eine mehr oder weniger dramatische Liebesgeschichte, aber er hat halt nicht mit Diskrimination oder Homophobie zu kämpfen (sondern viel mehr mit antagonistischen Magiern).
Daraufhin wurde mir gesagt, ich MÜSSE das thematisieren, sonst sei ich offenbar homophob, wenn ich das "verschweige".
Da musste ich ein wenig lachen, denn mir als geoutete Lesbe vorzuwerfen, ich sei homophob fand ich schon echt ein starkes Stück. Ich habe dann versucht zu erklären, dass ich halt persönlich wirklich wenig schlechte Erfahrungen gemacht habe (mein Freundeskreis hat durchweg positiv reagiert, auf der Arbeit war das auch nie problematisch und meine Familie war auch eher "na ja was solls") und ich habe auch nie persönliche Krisen deswegen ausgestanden - deswegen ist das auch kein großes Thema in meinen Büchern.
Da sind oft Protagonisten schwul oder lesbisch, aber genau wie die heterosexuellen Charaktere haben die bei mir meistens ganz andere Probleme (meistens magischer Natur) mit denen sie sich herumschlagen müssen.
Coming Out Angst ist sicher ein wichtiges Thema in der Literatur, aber halt nicht meins. Weder zum lesen noch zum schreiben.
Persönlich kann ich sagen: Ich würde viel lieber über Lesben lesen, die Detektive, Astronauten, Chirurgen oder Cowboys sind und als über Lesben, die sich über nichts weiter definieren als dass sie lesbisch sind und die auch keine anderen Probleme haben ("Hilfe, die Apokalypse naht" find ich viel spannender).  Kurz ich hab diesen ganz revolutionären Gedanken, dass homosexuelle Menschen eben auch Menschen sind wie alle anderen ...  ::)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 25. Oktober 2013, 19:45:35
Ich persönlich habe niemals nur heterosexuelle Charaktäre in meinen Werken. Das ergibt sich jedoch oft einfach. Die meisten meiner Charaktere, die schwul, lesbisch oder bisexuell sind, haben mir das einfach irgendwann gesagt, ich habe es selten darauf angelegt. Dennoch thematisiere ich das Thema gerne auch bewusst, weil es meiner Meinung nach unglaublich wichtig ist, das nicht einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Ich habe in meinen Bücher selten den Anspruch, irgendwelche Botschaften zu vermitteln, hier aber schon. Transsexuelle Figuren hatte ich bisher noch nicht dabei, das bedarf einer sehr ausführlichen Recherche, wenn man nicht selbst trans ist, aber ich habe durchaus vor, das mal anzugehen. Nicht als Hauptcharakter, denn ich würde mich nicht trauen, das realistisch darstellen zu können, zumindest noch nicht, aber als Nebencharakter auf jeden Fall.

Zitat von: Kati am 25. Oktober 2013, 19:02:41
Es ging mir eigentlich wieder nur darum, dass ich Figuren nicht gern auf ihre Sexualität heruntergebrochen sehe, egal was für Figuren das sind und in welcher Beziehung sie zum Protagonisten stehen. :) Es ging mir nur darum, dass eine Figur eben mehr sein muss, als nur seine Sexualität und das hat mit bester Freund oder nicht am Ende gar nichts zu tun.

Ich denke, ich weiß, was du meinst. In diesem Zusammenhang ist mir House of Night negativ aufgefallen. Da gibt es den schwulen besten Freund und er ist eben nichts anderes als schwul. Man nehme ungefähr alle Klischees, die es über schwule Menschen überhaupt gibt und schon hat man besagte Person. Er ist eben nicht einfach nur ein Mensch, der schwul ist, seine Sexualität bestimmt gleich seinen ganzen Charakter, das ist hier das Problem. Weil er schwul ist, tut er dies und das, weil er schwul ist, mag er das und das. Nicht einfach, weil er Hans-Peter ist.
Ich kann das in gewisser Art und Weise durchaus nachvollziehen. Ich selbst gehe bei Charakteren immer von einer Grundeigenschaft aus, um die herum ich dann einen hoffentlich plausiblen und lebendigen Charakter entwickle. Ähnlich wie das Grundprinzip der Schneeflockenmethode, eine Eigenschaft und alles andere drum herum. Natürlich kann das auch mal der Kampf einer Person mit der eigenen Sexualität sein, wenn ich das thematisieren will, aber dann muss ich da auch realistisch darstellen. Wenn ich jetzt aber einfach anfange, einen Charakter zu gestalten und seine beherrschende Eigenschaft ist einfach, dass der liebe beste Freund der Heldin schwul ist, weil man sich dann ja ach so weltoffen zeigen kann, läuft da etwas falsch. Das schafft nur noch weiter Vorurteile.

Zitat von: Vic am 25. Oktober 2013, 19:38:58
Daraufhin wurde mir gesagt, ich MÜSSE das thematisieren, sonst sei ich offenbar homophob, wenn ich das "verschweige".
Da musste ich ein wenig lachen, denn mir als geoutete Lesbe vorzuwerfen, ich sei homophob fand ich schon echt ein starkes Stück. Ich habe dann versucht zu erklären, dass ich halt persönlich wirklich wenig schlechte Erfahrungen gemacht habe (mein Freundeskreis hat durchweg positiv reagiert, auf der Arbeit war das auch nie problematisch und meine Familie war auch eher "na ja was solls") und ich habe auch nie persönliche Krisen deswegen ausgestanden - deswegen ist das auch kein großes Thema in meinen Büchern.

Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt, es geht im Prinzip auch wieder darum, wie ich Homosexualität in der Literatur definiere, welche Klischees ich verwende und wie ich mit dem herkömmlichen Schema breche. Natürlich kann ich einen Roman über ein schweres Coming Out schreiben, aber ich freue mich jedes Mal, wenn jemand in einem Roman einfach mal ganz selbstverständlich schwul oder lesbisch oder was auch immer ist. Vielleicht ist gerade das auch ein wichtiger Schritt.

Zitat von: Maja am 23. Oktober 2013, 22:06:37
Mir ist nur gerade wieder einmal aufgefallen, was ich für ein Problem mit der Abkürzung "LGBTQ" habe. Zum einen finde ich, dass das T rausfällt, weil es nicht das Verhältnis des Betreffenden zu anderen Beschreibt, sondern zu sich selbst (und Transsexuelle selbst alle Spielarten der Liebe ausüben können, und zum anderen fehlt das H. Es ist sonst wieder diese Aufteilung in "Wir" und "Sie". Heterosexualität ist eine Spielart genau wie alles andere, häufiger verbreitet vielleicht, aber trotzdem. Indem wir unterscheiden zwischen LGBTQARDZDFETC und Hetero, definieren wir wieder das eine als Norm und das andere als Abweichung. Ich bevorzuge für alles den Oberbergriff "Mensch". Wir, die wir lieben. Wir, die wir sind. Wir brauchen keine Normen. Nur Normalität.

Danke. Das hat noch nie jemand so treffend formuliert und mir damit so aus der Seele gesprochen. Mir lag der Begriff schon immer ein wenig schwer im Magen und ich konnte nie so sagen warum.

Für mich persönlich gibt es kaum ein Thema, bei dem ich so rigoros auf meine Meinung poche. Ich kann mit vielem leben, aber jemand, der nicht akzeptieren kann, dass nicht-heterosexuelle Menschen nicht weniger großartig sind als alle anderen, kann nicht mein Freund sein. Ich bezeichne mich sonst als sehr offenen Menschen, meine Freunde müssen keinesfalls meine Meinung teilen (ich mag sogar Leute, die Patrick Wolf nicht mögen, das will schon was heißen), aber das sind meine Grundwerte und ich habe ein grundsätzliches Problem mit dieser Meinung. Auch wenn ich selbst nicht direkt betroffen bin, kann ich mit so einer Diskriminierung nicht leben und ich finde es wunderbar, wie viele verschiedene Menschen hier ihre Meinung offen äußern können und die Mehrheit mal wirklich auf der richtigen Seite zu stehen scheint. Ich finde es wunderbar, dass es ein Forum gibt, in dem es nicht explizit um dieses Thema geht und das homophobes Verhalten trotzdem in seinen Forenregeln verbietet und so einen Platz für solche Diskussionen liefert. Danke dafür, Maja! :knuddel:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Franziska am 25. Oktober 2013, 20:09:11
Zitat von Cairiel
ZitatDer traurigste Punkt sind einige dieser Nischenverlage selbst, finde ich. Das einzige (!) Manuskript in meiner Schublade, das ich für veröffentlichungstauglich halten täte, aber nicht an einen Verlag kommt, ist eines mit zwei schwulen Protagonisten. (Man bedenke, was das schon wieder aussagt ...) Ich habe mich damit vor einiger Zeit bei ein paar Verlagen mit Vorrangig LGB-Literatur beworben und Absagen kassiert, bei mehreren nach der Frage, ob explizite Sexszenen darin vorkommen und wie viele. Auf mein Verneinen hin kam die Absage (bei so manch einem hatte ich den Verdacht, dass er sich nicht einmal das Exposé oder die Leseprobe angesehen hat), weil sich LGBTQ-Bücher ohne beträchtlichen Erotikanteil nicht so gut verkaufen täten. Man bedenke, was DAS schon wieder aussagt.

Tja, das ist auch etwas, das mich sehr ärgert. Wobei die Verlage ja bedienen, was die Leute lesen wollen. Ich sehe das auch auf FF. Dort bekommen Texte mit Romanze und Erotik viel mehr Kommentare als wirklich gut geschriebene ernstere Texte ohne Erotik. Und es gibt inzwischen mindestens drei Verlage, die sagen: wir verlegen Romance, da muss Erotik rein. Da muss es ein Happy End geben. Das ist nicht anders als Heteroromance. Die verkauft sich auch besser als anspruchsvolle Literatur. Ich weiß also nicht, ob des jetzt wirklich daran liegt, dass es um gay Romance geht. Dann gibt es drei Verlage (Querverlag, Männerschwarm, Gmünder, vielleicht auch Incubus), die nicht diese Einschränkung haben und auch anspruchsvollere Texte veröffentlichen und sich eher auf ein schwul/Lesbisches Publikum ausrichten. Da werden aber vielleicht je vier Romane pro Jahr veröffentlicht, während die Romance Verlage ein Buch nach dem anderen raushauen.
Offenbar geht man also davon aus: Romanceleser sind eher weiblich. Sie erwarten etwas ganz bestimmtes und lesen viel. Schwule Leser wollen Bücher von schwulen Autoren, weshalb dann viele Frauen männliche Pseudonyme wählen, sie lesen weniger, sind aber nicht nur an romantsichen Geschichten interessiert sondern wollen alle Aspekte da wiederfinden. Das ist jetzt einfach das, was ich aus dem, was veröffentlicht wird, herauslese.
Und ich habe wahrscheinlich das gleiche Problem wie du. Ich schreibe selten reine Romance. Es geht bei mir zwar oft um Beziehungen aber ich möchte da auch nicht ausrechnen, wie viel Erotik ich auf wie viel Text brauche. Es geht immer auch um andere Themen wie Freundschaft und Selbstfindung etc. Andererseits schreibe ich aber auch keine mega anspruchsvolle Literatur. Also weiß ich nie, wo ich mich mit meinen Texten bewerben soll, ob ich damit bei größeren Verlagen eine Chance haben könnte. Ich glaube aber schon, dass es Leser dafür geben könnte. Also es ist schon schwierig.


Thema Fantasylisten. Da gibt es etliche, z.B. hier (http://www.glbtfantasy.com/?section=indexl):
Also bei Fantasy kann man sich wirklich nicht beklagen, es gäbe da keine Literatur. Da haben wir aber auch schon mindestens einen anderen Thread zu.

Zitat von Vic:
ZitatPersönlich kann ich sagen: Ich würde viel lieber über Lesben lesen, die Detektive, Astronauten, Chirurgen oder Cowboys sind und als über Lesben, die sich über nichts weiter definieren als dass sie lesbisch sind und die auch keine anderen Probleme haben ("Hilfe, die Apokalypse naht" find ich viel spannender).  Kurz ich hab diesen ganz revolutionären Gedanken, dass homosexuelle Menschen eben auch Menschen sind wie alle anderen ...

Das kann ich so unterschreiben. Immer nur Probleme darzustellen, die jemand mit der sexuellen Orientierung hat, finde ich auch total daneben. Das war lange genug so, wie ich schon erwähnte, ich will mehr davon, wo es kein Problem ist. Auch wenn es natürlich weiterhin Themen wie Coming out behandelt werden können sollten.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Vic am 25. Oktober 2013, 20:19:05
Zitat von: Mondfräulein am 25. Oktober 2013, 19:45:35
Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt, es geht im Prinzip auch wieder darum, wie ich Homosexualität in der Literatur definiere, welche Klischees ich verwende und wie ich mit dem herkömmlichen Schema breche. Natürlich kann ich einen Roman über ein schweres Coming Out schreiben, aber ich freue mich jedes Mal, wenn jemand in einem Roman einfach mal ganz selbstverständlich schwul oder lesbisch oder was auch immer ist. Vielleicht ist gerade das auch ein wichtiger Schritt.

Ganz genau! Genau das meinte ich.  :)
Ich finde Bücher die Coming Out-Ängste und Homophobie thematisieren wichtig und gerechtfertigt. Aber ich finde es auch genauso wichtig und gerechtfertigt, dass es Bücher gibt, wo es einfach keine große Rolle spielt ob jemand schwul, lesbisch, hetero oder trans ist und wo sich nicht die gesamte Storyline des Charakters nur darum dreht, sondern er genauso vielschichtige und interessante Konflikte und Storylines hat wie jeder weiße, heterosexuelle Protagonist.

Als Buchtipp - hier sind zwei Listen die Fantasy-Bücher empfehlen, die einen schwulen oder lesbischen Protagonisten haben:
http://booklist.rassaku.net/#POC
http://rachelmanija.dreamwidth.org/1021169.html

Wühle mich gerade selber durch.  :wolke:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Cairiel am 25. Oktober 2013, 20:52:05
Jetzt müsste es solche Listen und Rezensionsblogs halt nur noch für deutsche Literatur geben. Kennt ihr da welche? Ich würde ja selbst einen Blog für anspruchsvolle LGBTQ-Fantasy-Literatur aufmachen, aber ich habe meinen Ye Olde Independent schon.  :d'oh:  ... Aber vielleicht gibt es ja hier jemanden, der Lust hat, mit mir so etwas zusammen auf die Beine zu stellen? Dann wäre die "Arbeit" zumindest schon mal geteilt.

Ich halte mich von Gay-Romance-Büchern zugegeben ein bisschen fern, weil mich vor allem solche, die für ein weibliches Zielpublikum geschrieben sind, also die mit der vielen Erotik usw., mehr als abschrecken. Ein halbes Kapitel habe ich mal von einem gelesen und seitdem war mir klar: Nie wieder Homoerotik. Ist nicht meins, da tut mir ja schon beim Lesen alles weh. *hust*  Klar gibt es bestimmt auch hier Erotik mit Niveau, aber ich bin ein gebranntes Kind und Erotik mag ich sowieso und generell nicht so gern.

ZitatBesteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?
Hier wäre ich auch dabei. Ich würde zu gerne mehr in die Richtung schreiben.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 25. Oktober 2013, 20:59:28
Zitat von: CairielAber vielleicht gibt es ja hier jemanden, der Lust hat, mit mir so etwas zusammen auf die Beine zu stellen? Dann wäre die "Arbeit" zumindest schon mal geteilt.

Ich fände das ein interessantes Projekt, aber ich glaube, da braucht man eine ganze Gruppe für, wenn das reibungslos laufen soll. Ich habe auch ein Rezensionsblog, aber ich vernachlässige es sehr oft, einfach aus Zeitmangel. Spannend fände ich es aber und, wenn du so was mal vorhast, melde dich ruhig bei mir, ich würde da total gern helfen.

Zitat von: MajaBesteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?

Ich wäre auch dabei, ich finde das eine schöne Idee, besonders, weil es ja nur einen Bruchteil des Forums zu interessieren scheint.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Vic am 25. Oktober 2013, 21:05:11
Zitat von: Cairiel am 25. Oktober 2013, 20:52:05
Ich halte mich von Gay-Romance-Büchern zugegeben ein bisschen fern, weil mich vor allem solche, die für ein weibliches Zielpublikum geschrieben sind, also die mit der vielen Erotik usw., mehr als abschrecken. Ein halbes Kapitel habe ich mal von einem gelesen und seitdem war mir klar: Nie wieder Homoerotik. Ist nicht meins, da tut mir ja schon beim Lesen alles weh. *hust*  Klar gibt es bestimmt auch hier Erotik mit Niveau, aber ich bin ein gebranntes Kind und Erotik mag ich sowieso und generell nicht so gern.
Hier wäre ich auch dabei. Ich würde zu gerne mehr in die Richtung schreiben.

Oh mein Gott, ja. Danke!
Endlich mal jemand, dem es auch so geht.
Ich fühl mich immer total wie ein Alien, wenn ich erwähne, dass ich Sexszenen meistens überscrolle und hoffe, dass der Plot bald weiter geht ...  :buch:
Ich finde das auch gar keinen schönen Trend, dass man heutzutage das Gefühl hat jede Story braucht mindest 74 Sexszenen und alle in verschiedenen Stellungen und mindestens eine mit nem Wasserbett.
Also ich lese sehr gerne Romantik - egal ob homo, hetero oder sonstiges - aber Porn langweilt mich in der Regel maßlos.
Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 23:22:00
Besteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?

Oh, da wäre ich übrigens auch gerne für zu haben. :-)

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Coppelia am 25. Oktober 2013, 21:05:42
Was würdet ihr denn in der Arbeitsgruppe arbeiten wollen? Mein Fokus liegt ja nicht auf diesem Thema, aber ich bin einfach neugierig und würde gern mehr wissen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Cairiel am 25. Oktober 2013, 21:13:37
Zitat von: Coppelia am 25. Oktober 2013, 21:05:42
Was würdet ihr denn in der Arbeitsgruppe arbeiten wollen? Mein Fokus liegt ja nicht auf diesem Thema, aber ich bin einfach neugierig und würde gern mehr wissen.
Ich war ja noch nie in einer Arbeitsgruppe, die in eine solche Richtung geht, aber ich würde mir darunter vorstellen: Plot- und insbesondere Figurenbesprechungen, nicht nur als "Nachfrage", ob man es authentisch rüberbringt (gerade bei für nicht betroffene Menschen eher schwierigere Themen wie Transsexualität), sondern auch als eine Art "Abhandlung", wie man es selbst gemacht hat, dann natürlich themenspezifische Diskussionen, Hilfestellungen bei Problemen diesbezüglich usw.  :hmmm:

Wenn es so etwas gäbe, würde ich das aber auch für Leute wie dich öffnen, deren Fokus nicht auf dem Thema liegt, aber sich auch dafür interessieren. Man muss ja nicht gleich einen Roman schreiben, in dem eine wichtige Figur LGBTQ ist oder es anderweitig im "Fokus" liegt, sondern nur am Rande vorkommt, um gerne mehr darüber wissen zu wollen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Vic am 25. Oktober 2013, 21:27:49
Zitat von: Coppelia am 25. Oktober 2013, 21:05:42
Was würdet ihr denn in der Arbeitsgruppe arbeiten wollen? Mein Fokus liegt ja nicht auf diesem Thema, aber ich bin einfach neugierig und würde gern mehr wissen.

Ich glaube das Problem ist immer, dass solche Themen fast nur Leute ansprechen, die sowieso gerne und viel über LGBTusw Charas schreiben/lesen.
Dabei wäre das Ziel doch eigentlich, dass es für alle zur Norm wird, über die man nicht mehr groß nachdenken muss. ;)

An sich fänd ich so eine Arbeitsgruppe aber nett um konkret über dieses Thema reden zu können und die üblichen Schriftsteller-Probleme zu besprechen.
"Mein Werwolf ist transsexuell, aber aufgrund der Selbstheilungskräfte würde eine Operation nicht funktionieren und die Hormon greifen nicht. Tipps wie er sich trotzdem soweit wie möglich in die schöne Frau verwandeln kann, die in ihm steckt?"

"Meine Heldin hat einen schwulen, besten Freund - welche Klischees sollte ich unbedingt vermeiden/was geht euch dabei tierisch auf den Keks?"

"Habe eine Alienrasse erfunden, die von Natur aus Hermaphroditen sind - wer kennt sich damit aus und kann mir Tipps geben, was ich beachten muss?"

"Ein Nebenchara von mir wurde gebrainwashed und denkt jetzt er ist a.) ein Auftragskiller und b.) hetero - kennt sich jemand neurobiologisch aus und weiß, ob es Gehirnareale oder bestimmte Hormone gibt, die man mit Sexualität in Verbindung bringt?"

Solche Sachen halt. ;-)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 25. Oktober 2013, 21:30:28
Das mit der Gay Romance kann ich verstehen, Cairiel, obwohl ich ja eher die Zielgruppe bin (nah ... wahrscheinlich inzwischen zu alt). Ich habe vier Jahre in einer WG gewohnt, und da haben wir abends in der Küche gesessen und uns genau solche Geschichten vorgelesen. Ich denke, die jungen Mädchen und Frauen, die diese Geschichten lesen, sind selbst tendenziell bisexuell - warum die dann aber lieber Geschichten mit süßen Schwulen haben wollen als mit süßen Lesben, weiß ich nicht. Wobei, ich hätte ja gern mal sowas gehabt, aber irgendwie gab es das nicht. Dann aber lieber schwul. Mit Mann/Frau-Sexszenen bekommt man mich irgendwie gar nicht.

Aber wo ich wirklich Gay Romance zum Abgewöhnen gefunden habe, war im Fanfiction-Bereich. Ich habe letztes Jahr meine allererste Fanfiction geschrieben und vorher selbdt gelesen, was es da so schon alles gab (und gell, wenn man Fanfiction schreibt, ist man ja auch üblicherweise ein Fan), und das war ... ächz. Ich kann mit Slash nichts anfangen. Man nimmt zwei beliebige Figuren, erklärt sie für schwul und steckt sie miteinander ins Bett, und dann geht es so zur Sache, wie sich vermutlich vierzehnjährige Mädchen schwulen Sex vorstellen. Ich bin ausgestiegen nach einer Geschichte, wo die Autorin offenbar mal was von "man braucht ein Gleitmittel" gehört hat, den Prota zur Waffenpflegepoliur greifen ließ (aua!), und dann kam ich noch bis zu "With a well lubricated hand, he gently reached for Alistair's entrance", und dann verließen sie mich. Das ist am Ende genauso ätzend wie Lesbenpornos für heterosexuelle Männer, und ich kann vorstellen, dass solche Texte einen als Schwulen ziemlich auf die Palme bringen können.

Wir sind uns ja - bei aller Heftigkeit, mit der hier zum Teil diskuttiert wird, wobei ich sagen muss, dass ich dem Troll einen Maulkorb verpasst habe, und da es bereits das zweite Mal war, dass wir so eine Chose mit ihm hatten, ihn beim dritten Mal vor die Tür setzen werde; das war schon kein Trollen mehr, sondern echte Hetze - ziemlich einig, was wir nicht wollen: Keine Wichsvorlagen, keine Quotenschwulen, keine Beurfslesben. Das ist schon mal ein Schritt. Wir reden immer noch tendenziell viel aneinander vorbei, wir geraten uns wegen der Terminologie in die Haare - und dabei kann man schlecht von "richtig" und "falsch" sprechen, wenn selbst die anwesenden schwulen, lesbischen, bisexuellen Tintenzirkler unterschiedlich mit den Begriffen umgehen und sich mit der einen oder anderen Bezeichnung wohler fühlen, so wie ich mich immer als bisexuelle Frau und nie als LGBT bezeichnen würde, weil ich finde, dass die Verwendung von unaussprechlichen Buchstabenkombinationen (das ist ja noch nicht mal ein Acronym) nichtssagend und entmenschlichend sind, während z.B. Nachtblick immer sehr genau darauf achtet, die offziellen Bezeichnungen zu verwenden.

Ich habe bei mir aber eine interessante, doch nicht besonders schöne Tendenz im Zusammenhang mit meinen Figuren erkannt: Die Häufigkeit schwuler Männer geht bei mir zu Lasten der weiblichen Figuren. Das heißt, ich belege einen Hauptrollenplatz eher mit einem weiteren Mann, als dass ich ihn für eine Frau bereithalte. Die Erkenntnis kam Anfang des Jahres, als ich merkte, dass ich für meine »Schattenklingen« vier männliche Hauptfiguren, aber keine einzige weibliche vorgesehen hatte, wobei die vierte Figur noch nicht aufgetreten und nur ein vages Konzept war. Vom Plot her passte es eigentlich sehr gut, diese Rolle mit einer Frau zu besetzen - "aber dann kann ja Amadis keine schwule Beziehung bekommen". Uffz. Das saß. Es war ja nicht mal so, dass Amadis bis dahin irgendein Interesse an irgendeiner Beziehung gezeigt hätte, weder zu Männern noch zu Frauen, und ich nicht schon mit Kael und Landras Raum für eine entsprechende Romanze gehabt hätte, und da meine Elfen ohnehin von Haus aus ihr Brot auf beiden Seiten buttern, hätte ich als Amadis ebensogut eine Freundin wie einen Freund verpassen können, ohne dass es der Story Abbruch gehtan hätte. Aber da saß ich, als feministische Autorin, und dachte allen Ernstes, ich habe keinen Platz für weibliche Figuren, damit meine Helden besser schwul sein können?

Das hat mich dann doch ein bisschen aufgeschreckt. Wir haben in der High Fantasy ohnehin schon einen argen Mangel an vielschichtigen weinblichen Figuren, und ich weiß schon länger, dass meine eigenen Bücher da aus dem Gleichgewicht sind, aber dass es einen Zusammenhang zwischen meinem Frauenmangel und meiner Schwulenschwemme geben könnte, war mir vorher wirklich nicht aufgefallen. Das ist auch etwas, wo wir hier im Forum alle den Hebel ansetzen können: Wir müssen jetzt nicht krampfhaft Homosexuelle Figuren in unsere Geschichten einbauen, aber wir sollten wenigstens dafür sorgen, dass wir ein ausgeglichenes Verhalten zwischen männlichen und weiblichen Figuren haben, das nicht auf zehn zu eins hinausläuft. Es wird ja jetzt niemand kommen und sagen "Mit dem Thema kenne ich mich aber nicht aus, in meinem Bekanntenkreis gibt es keine solchen Leute." ;)

Ich habe die betreffende Hauptrolle dann tatsächlich mit einer Frau besetzt. Und sie ist noch nicht mal lesbisch, nach allem, was ich über sie weiß. Jetzt fühle ich mich so viel besser: Drei männliche und eine weibliche Hauptfigur - das sind ja fast 50% Frauenanteil! Und ich weiß, dass von denjenigen, die sich hier geäußert haben, dass sie keine schwulen oder lesbischen oder sonst wie LGBTQ Figuren haben, einige dafür mit sehr interessanten Frauenrollen arbeiten (zumindest nach Lektüre der Romanthreads). Wir müssen nicht um jeden Preis jede sexuelle Spielart ins unseren Büchern unterbrngen. Das wichtigste Stück Diversität, das ich mir für die Fantasy wünsche, ist die Anerkennung, dass es auch Frauen gibt, und dass die genauso interessant, gut, böse, dumm, klug, schräg, verrückt, kaputt, heilig sein können wie ihre männlichen Gegenstücke. Darüber hinaus dürfen sie außerdem lesbisch, bisexuell, asexuell, transsexuell sein. Aber wer ausschließlich mit männlichen Figuren arbeitet, hat am Ende keine Wahl, als sie alle schwul werden zu lassen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Judith am 25. Oktober 2013, 21:38:38
Zitat von: Naudiz am 24. Oktober 2013, 23:58:03
Naja, und bei Goldauge und seinem royalen Freund wird der Fokus in meinen Augen auch mehr auf die sexuelle Komponente gelegt als auf die emotionale Beziehung zwischen den beiden.

Hier möchte ich gern noch einhaken und zwar deshalb, weil ich es interessant finde, dass genau die beiden einmal ein Beispiel dafür liefern, wie man gut mit homosexuellen Figuren umgeht (nämlich im Buch) und einmal ein Beispiel dafür, wie man schlecht mit ihnen umgeht (nämlich in der Serie).
In den Büchern kann man lange lediglich zwischen den Zeilen herauslesen, dass die beiden schwul sind, weil die beiden sich eben nicht nur darüber definieren. Sie sind eben interessante Nebenfiguren, die zufällig schwul sind, ebenso wie viele andere interessante Nebenfiguren eben zufällig heterosexuell sind.
In der Serie hingegen werden sie sofort (und im weiteren Verlauf auch fast ausschließlich) über ihre Sexualität definiert. Dazu wird Loras auch noch sozusagen als Klischee-Schwuler dargestellt - dadurch wird er noch mehr über seine Sexualität definiert und noch weniger als individueller Charakter gezeichnet.
Und was die sexuelle Komponente betrifft: Auch da gebe ich dir im Bezug auf die Serie recht, im Bezug auf die Bücher aber gerade nicht. Ich sage dazu nur: "When the sun has set, no candle can replace it."

Warum ich jetzt so ausführlich darauf eingehe, liegt daran, dass die Bücher für mich in diesem Punkt fast schon ein Augenöffner waren. Ich hatte nämlich immer das Gefühl, ich dürfte homo-/bisexuelle Figuren nur dann haben, wenn ihre Sexualität quasi plotbestimmend ist und im Mittelpunkt steht. Also genau der Vorwurf, der hier ja schon einige Male (zu Recht) aufgetaucht ist. Ich nehme mal an, dass ich zu diesem Irrglauben gekommen bin, weil es eben sonst in Büchern meist genauso ist. Und dann waren da in Martins Büchern auf einmal diese Figuren, bei denen das nicht so war; die in der Hinsicht überhaupt nicht anders geschrieben/dargestellt wurden als heterosexuelle Figuren. Das war, als ob es bei mir "klick" gemacht hätte.
Seither ist diese Scheu bei mir verschwunden. Ich muss zugeben, dass ich bisher dennoch nur eine Figur habe, die nicht heterosexuell ist, aber das liegt zum Teil auch daran, dass die meisten meiner Projekte doch schon recht alt sind. Jetzt lasse ich Figuren einfach auf mich zukommen und wie sie sind, so sind sie.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Schneeleopardin am 25. Oktober 2013, 21:40:54
Mich würde mal interessieren, ob ihr es beispielsweise in Exposés erwähnt, wenn Protagonist o. Nebenfiguren o. andere Hauptfiguren LGBTQ Charaktere sind.
Irgendwie scheint es mir, als wollte ein Lektor oder sonstiger der es in die Finger bekommt, da gerne eine "Vorwarnung" haben (auch bei normalen Fantasybüchern?). Ich persönlich würde es nicht erwähnen - ich erwähne es ja auch nicht, wenn ein Charakter heterosexuell ist. Wieso also extra nochmal betonen, dass ein Charakter bisexuell o.ä ist. Und wenn es nicht irgendwann im Laufe des Buches mal irgendwie angesprochen wird, interessiert es doch eh keinen.
Ich habe ein Buchprojekt, bei dem die Protagonistin lesbisch, wenn nicht sogar bisexuell ist - dementsprechend taucht auch eine weitere Hauptfigur auf, die lesbisch/bisexuell ist. Allerdings ist ihre Beziehung wenn überhaupt erst zum Ende hin relevant, allerdings kein Punkt, worauf sich der Plot stützt (die Protagonistin hätte genauso gut mit jemandem zusammen kommen können, der eine andere sexuelle Ausrichtung hat). Da es zum Teil in einer Fantasywelt spielt, werden sie dafür auch nicht verurteilt(dann schon eher dafür das sie Wolfwandler unter lauter Menschen sind). Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass sie keineswegs monogam leben. Sie haben zwar einen "festen" Partner, haben aber immer mal wieder andere Personen noch in der Beziehung dabei. Wenn ich das überhaupt erwähne, sicher nur am Rande irgendwo.

Zurück zu meiner Frage - würdet ihr im Exposé oder im Anschreiben eine Anmerkung machen? Ggf. erfährt es der Leser ja irgendwann in der Geschichte, aber irgendwie finde ich es falsch da eine Anmerkung zu machen. Wie gesagt, man schreibt ja auch nicht dazu, dass ein Charakter heterosexuell ist bzw. steht es auch auf keinem Buch drauf (Autor XY Titel ABC - A Heterosexual Romance Fantasy Book oder so  :no: ). Zumal das Thema des Buchprojekts ja ein ganz anderes ist und nicht speziell für Leser dieser oder jener Sparte sein soll.  Ist genauso Fantasy wie jedes andere Buch in dem Bereich auch. Nur verliebt sich Weibchen XY nicht in das gutaussehende Vampir/Elfen/beliebige Rasse einfügen BC Männchen - die Story bleibt ja die haargenau Gleiche ob nun mit normaler Romance oder homosexueller Romance, oder eben gar keiner bzw nur am Rande erwähnter.


An einer Arbeitsgruppe hätte ich im Übrigen auch Interesse.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Franziska am 25. Oktober 2013, 21:42:03
Also ich weiß nicht, ob ich eine Arbeitsgruppe brauche. Wenn ich ein Problem habe, dann ist das eigentlich nur mit Recherche zu lösen. Also wenn jetzt in der Gruppe mehrere Transsexuelle wären und ich würde gerade darüber schreiben, dann könnte mir das schon helfen. Aber ich weiß nicht, wie ich anderen damit helfe, wenn ich jetzt meinen Plot beschreibe oder so.

Also Rezensionen schreibe ich auch auf meinem Blog. Allerdings habe ich bisher noch nichts zu Fantasy geschrieben. Ich lese allerdings auch englisch und wenn ihr Romances auslasst, so wahnsinnig viele deutsche Veröffentlichungen gibt es nicht, das stimmt natürlich schon.

@Maja: Fanfiction lese ich nicht, es interessiert mich einfach nicht. Was ich allerdings lese sind originale Storys auf fanfiction.de und ich bin immer wieder überrascht, wie gute Texte ich da finde. Oft so gute Texte, wie ich sie selten als Buch gelesen habe. Das heißt ja auf jeden Fall, es gibt Autoren, die das schreiben können, aber sie finden keinen Verlag oder sind damit zufrieden, dort zu veröffentlichen und das finde ich eigentlich immer etwas schade. Weil ich mir bei tollen Texten wünsche, dass sie ganz viele Leute lesen. Ich kann euch auch Texte mit Erotikanteil nennen, die kein Porno sind sondern literarisch auf hohem Niveau und gut in den Plot eingebunden. Aber ich will jetzt niemanden überreden, das zu lesen. Nur das gibt es auch, es ist schwer zu finden und ich erstarre jedes Mal vor Ehrfurcht vor diesem Können.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Vic am 25. Oktober 2013, 21:50:01
Zitat von: Schneeleopardin am 25. Oktober 2013, 21:40:54
Mich würde mal interessieren, ob ihr es beispielsweise in Exposés erwähnt, wenn Protagonist o. Nebenfiguren o. andere Hauptfiguren LGBTQ Charaktere sind.

Ich war noch nie soweit, dass ich an einen Verlag geschrieben hätte - aber ich hab immer im Kopf, dass ich das definitiv nicht tun würde.
Einfach weil ich dann das Gefühl hätte, der Lektor/der Verlag steckt das Buch dann gleich in eine bestimmte Schublade. Und bei mir stehen einfach so viele andere Sachen im Vordergrund.
Ich hatte immer im Kopf, dass ich das gerne ganz elegant ne Weile andeuten würde, dass z.b. zwischen zwei Charakteren eine gewisse Chemie ist, die man so oder so interpretieren würde - und dann erst im zweiten Band explizit mache.  :engel:
Ich glaube das ist aber auch meine persönliche Rache für all die Male wo ich mir anhören musste, ich hätte slash googles auf.  :prost: Ich würde gerne mal eine Beziehung schreiben, wo ich tonnenweise Andeutungen liefere, aber einige der Unbelehrbaren immer noch plärren dürfen "die sind einfach nur Freunde, wieso muss man da immer was rein Interpretieren" und dann BÄM mache ich es canon.

Wie Marvel.
Als die wegen eines ihrer Superhelden-Comics Bescherdebriefe bekamen, dass sie die Beziehung zwischen zwei Jungs als sehr homoerotisch darstellen würden und dauernd Hints verstreuen würden, veröffneten sie einen Entschuldigungsbrief, der ungefähr so klang: "Es tut uns wirklich aufrichtig leid, dass wir vage Hinweise geliefert haben, dass die beiden schwul sein könnten. Mit diesem Band beenden wir die vagen Hinweise und machen es offiziell - ja, die beiden kommen zusammen und sind ein Paar. Liebe Grüße"
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 25. Oktober 2013, 21:53:36
Also, ehe das mit der Arbeitsgruppe jetzt missverstanden wird: Die Elterngruppe ist für die Eltern. Die Jugendgruppe ist für die Jugendlichen. Die Manisch Kreastiven sind für die Psychisch Kranken. Die LGBT-Gruppe wäre also für die schwul-lesbische Community des Tintenzirkels, wo weniger literarische, als mehr alltägliche Probleme besprochen werden können. Also keine geschlossene Gruppe für "Wie erstelle ich schwul-lesbische Literatur" - solche Fragen gehören für mich nicht hinter verschlossene Türen, sondern sind etwas, von denen jeder profitieren kann. Meine Bauchschmerzen wegen dieser potenziellen Gruppe ist, dass sie schon wieder zwischen "Wir" und "die anderen" unterscheidet und die Kluft noch weiter vergrößern kann. Auf der anderen Seite ist man als schwul/lesbisch/bisexuelle/trans Person im Alltag Problemen und Anfeindungen ausgesetzt, die andere eben nicht haben, die man nicht im ganzen Forum breittreten möchte, aber für dich es trotzdem gut ist, wenn man jemanden für den gemeinsamen Austausch hat, einfach zum labern.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Vic am 25. Oktober 2013, 21:56:18
@Maja: Oh, alles klar!
Dann hab ich das missverstanden.
Du hast natürlich völlig recht damit, dass das Thema literarisch gesehen für alle offen sein sollte.

Interesse hätte ich trotzdem an so einer Gruppe.  :pompom:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Coppelia am 25. Oktober 2013, 21:59:55
@ Maja
Ach so, das habe ich völlig falsch verstanden! :)

@ Schneeleopardin
Was meinen bisexuellen Anta betrifft: Ich habe es nicht ins Exposee geschrieben. Es wurde im ersten Kapitel deutlich. Bisher hat sich niemand auch nur in irgendeiner Hinsicht zu diesem speziellen Punkt geäußert (aber was nicht ist, kann ja noch werden), aber der Roman kam insgesamt gut an. Kurz gesagt, ich würde es nicht extra erwähnen. Mir scheint es kein Problem zu sein.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Rynn am 25. Oktober 2013, 22:02:05
Zitat von: Grey am 25. Oktober 2013, 15:07:59
Darf man hier auch konkrete Beispiele anbringen? In meinem aktuellen JuBu-Projekt hat sich der beste Freund der Heldin nämlich als schwul vorgestellt - nachdem Kati sich aber nun mehrfach so leidenschaftlich gegen den schwulen besten Freund ausgesprochen hat, bin ich ein wenig verunsichert, ob ich das wirklich machen soll, oder ob ich etwaige LGBTI-Leser damit eher vor den Kopf stoße. Deswegen wäre ich für ein paar Meinungen dankbar.
Ich will dazu auch kurz sagen: Ich weiß genau, was Kati meint. Ich habe Evermore gelesen und hatte genau den gleichen Gedanken: dass der "schwule beste Freund" genau das ist, ein stereotypisches Abziehbildchen, das nicht nicht ein einziges Klischee auslässt. Deshalb heißt das für mich aber nicht, dass man keinen schwulen besten Freund schreiben darf, ganz im Gegenteil. Der sollte sich eben nur nicht darin erschöpfen, dass er schwul ist.
Warum ich eigentlich antworte: Sehr erhellend fand ich vor einiger Zeit mal diese Blog-Artikel-Reihe: Avoiding LGBTQ Stereotypes in YA Fiction (http://www.malindalo.com/2010/06/avoiding-lgbtq-stereotypes-in-ya-fiction-part-1-major-lgbtq-stereotypes/). Vielleicht findet sie der ein oder andere hier interessant.

Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 23:22:00
Was mir gerade beim Nochmal-Lesen dieses Threads auffällt: Es ist ja wirklich ein interessantes Thema, das wir hier haben. Aber wir sind in genau dem Grüppchen versammelt, mit dem wir bis jetzt immer über das Thema gesprochen haben - quasi die LGBTQ.Gemeinde des Forums plus der homophobe Troll. Ganz so angesprochen scheint sich die breite Masse des Forums dann doch nicht zu fühlen.
Ich zähle mich in diesem Zusammenhang auch mal zur breiten Masse und will nur sagen: Ich schreibe selbst regelmäßig Figuren abseits der "Heteronormativität", weil ich es einfach wichtig finde, dass alle Menschen in der Literatur Figuren finden, mit denen sie sich identifizieren können, und habe schon die Diskussion damals im Kaffeeklatsch und jetzt dieses Thema hier mit Interesse verfolgt. Ich glaube nur meistens nicht, dass ich noch etwas Neues beitragen kann, und habe bei den ein oder anderen Trollantworten auch einfach Angst, hinterher noch ausfallend zu werden. ;)

Aber danke für das interessante Thema!
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 25. Oktober 2013, 22:02:54
Zum Thema Exposee:
Ich erwähne im Exposee nicht, wenn eine Nebenfigur ohne direkten Handlungszusammenhang homosexuell ist. Warum sollte ich? Das interessiert auch keinen Lektor. Wenn es eine Hauptfigur ist oder wirklich plotrelevant, oder beides, dann erwähne ich es in der Plotzusammenfassung, soweit es genug Relevanz hat. So ist in der "Gauklerinsel" z.B. Trosca, der Gegenspieler meines Helden, schwul. Im Exposee tritt er aber auf als das, was er in erster Linie ist: Ein schweinereicher Kaufmann und Verschwörer. Die Szene, in der Roashan sich mit dem falschen Codewort Zutritt zu seinem Haus verschafft und zu Trosca vorgelassen wird, weil die Dienerschaft ihn für einen Strichjungen hält, und in deren Folge Roshan mit einem nur sehr unzureichend bekleideten Herrn Konversation treibt, ohne auch nur einmal zu begreifen, was für ein Missverständnis da vorliegt, liebe ich sehr, aber sie ist nur eine Szene in einem 700-Seiten-Wälzer und muss darum nicht näher thematisiert werden.

Auch im Exposee der "Mohnkinder" wird mit keinem Wort erwähnt, dass Percy im Folgeband eine Affäre mit einem Mann beginnt. Sollte sich ein Verlag ernsthaft für die Geschichte interessieren und ich in dem Zusammenhang darauf zu sprechen kommen, dass es auch schon Fortsetzungen (eine abgeschlossen, zwei in Arbeit) gibt, werde ich diese Konstellation wohl erwähnen müssen, weil es dann durchaus handlungsbestimmend wird, und wenn dann der Verlag davon Abstand nehmen möchte, auch nur den ersten Teil zu machen, muss ich damit leben. Aber ich denke nicht, dass man einen Lektor da vorwarnen müsste. Es ist nicht jeder wieder der Herr G. vom S.-Verlag, den ich da gestern zitiert habe.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Cairiel am 25. Oktober 2013, 22:07:56
Gut geschrieben, Maja. Ich gebe dir recht, das ist auch ein sehr wichtiger Punkt und hat ja auch mit Diversität zu tun. [Nachtrag: Bezieht sich auf deinen Beitrag zum Thema Frauen. Ich schreibe offensichtlich zu langsam.  ;D ]

Ich muss gestehen, ich tendiere in meinen "richtigen" Romanen auch eher zu männlichen Figuren (in Fanfictions oder dergleichen hingegen eher zu weiblichen  :hmmm:). Serrashil, die Heldin meiner Winterchroniken, entstand einzig und alleine deswegen, weil ich jemanden brauchte, der Caraths Geschichte miterlebt, weil ich sie nicht aus seiner Sicht schreiben konnte. Das war damals ihr einziger Daseinsgrund. Ich habe mir grob Gedanken über sie gemacht, damit sie nicht blass wirkt, und ansonsten den Fokus auf meinen anderen Figuren gelassen. Im zweiten Band sollte sie dann vollständig durch Anteram als Protagonist ersetzt werden.

So war der - für mich zugegeben nicht sehr ehrvolle - Plan. Sie hat aber nicht mitgespielt, und dafür bin ich ihr ewig dankbar.  ;D  Auf einmal hat sie Wünsche und Träume und Ziele und Vorlieben und Abneigungen entwickelt, hat sich mit Göttern und Ränkeschmieden angelegt und alle meine Männer in den Hintergrund gedrängt. Weder hat sie sich mit Carath verkuppeln noch durch irgendjemanden ersetzen lassen und jetzt wird sie auch im zweiten Band meine wichtigste Figur bleiben. Sie hat mich davon überzeugt, dass ich mit weiblichen Figuren mindestens so viel anfangen kann als mit männlichen.
Mittlerweile hat sich meine Quote drastisch verbessert und mindestens 50 % aller Heratia-Romane haben eine Protagonistin. Ungeplant. Hat sich einfach so ergeben.

Gerade wenn ich eine Geschichte mit schwulen Figuren schreibe, fällt es mir ebenfalls schwer, Frauen einzubauen. Aber ich habe Arashi aus meinem schwulen NaNo-Roman zu einer Frau gemacht, obwohl ich dafür auf ein Schwulenpärchen und eine Affaire meines Protas verzichten musste, und ich bereue es nicht. Im Gegenteil, es kribbelt aufregend.  ;D  Falls Hao beschließt, trotzdem mit ihr eine Affaire zu beginnen, wird er eben bisexuell. Oder ihr schwuler bester Freund.


Zitat von: Schneeleopardin
Zurück zu meiner Frage - würdet ihr im Exposé oder im Anschreiben eine Anmerkung machen? Ggf. erfährt es der Leser ja irgendwann in der Geschichte, aber irgendwie finde ich es falsch da eine Anmerkung zu machen.
Beim Windkind würde ich es dazuschreiben, weil ... So aus Reflex eben irgendwie.  :hmmm:  Bei dem Roman, den ich derzeit in der Schublade habe, habe ich es tatsächlich nicht dazu geschrieben und mich auch bei ein paar "normalen" Verlagen beworben, die nicht explizit LBGTQ-Themen im Programm haben. Angesprochen worden bin ich darauf niemals, der Ablehnungsgrund war immer ein anderer. Wobei ich mir auch nicht sicher bin, ob das so explizit aus dem Exposé hervorging. *nachles* Hm. Auslegungssache. Es wird zumindest klar, dass sich meine beiden Kerle sehr nahestehen.

Aber du bringst mich mit deiner Frage zum Nachdenken, und das ist gut. Ich glaube, wenn ich mich mit Windkind jemals irgendwo bewerben sollte, dann werde ich es nicht erwähnen.


Zitat von: Maja am 25. Oktober 2013, 21:53:36
Also, ehe das mit der Arbeitsgruppe jetzt missverstanden wird: Die Elterngruppe ist für die Eltern. Die Jugendgruppe ist für die Jugendlichen. Die Manisch Kreastiven sind für die Psychisch Kranken. Die LGBT-Gruppe wäre also für die schwul-lesbische Community des Tintenzirkels, wo weniger literarische, als mehr alltägliche Probleme besprochen werden können. Also keine geschlossene Gruppe für "Wie erstelle ich schwul-lesbische Literatur" - solche Fragen gehören für mich nicht hinter verschlossene Türen, sondern sind etwas, von denen jeder profitieren kann. Meine Bauchschmerzen wegen dieser potenziellen Gruppe ist, dass sie schon wieder zwischen "Wir" und "die anderen" unterscheidet und die Kluft noch weiter vergrößern kann. Auf der anderen Seite ist man als schwul/lesbisch/bisexuelle/trans Person im Alltag Problemen und Anfeindungen ausgesetzt, die andere eben nicht haben, die man nicht im ganzen Forum breittreten möchte, aber für dich es trotzdem gut ist, wenn man jemanden für den gemeinsamen Austausch hat, einfach zum labern.
Oh, dann habe ich dich auch missverstanden. An so einer Gruppe hätte ich kein Interesse, dafür habe ich genügend Austauschmöglichkeiten andernorts und innerhalb des TiZis fühle ich mich nicht einer bestimmten Gruppe zugehörig. Und für einen Austausch diesbezüglich sehe ich persönlich für mich hier keinen Bedarf.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Nachtblick am 25. Oktober 2013, 23:11:14
Ich lese jetzt seit sechs Seiten fast nur mit. Wir beschränken uns hier zwar auf einen kleinen Kreis Diskutierender, aber das ist trotzdem super, und die Meinungen sind ja verschieden genug. ;) Ich muss ganz schnell was dazu loswerden, dass ich die ,,offizielle" Bezeichnung benutze. Ich persönlich sage im Gespräch und in Diskussionen meist Queer-Community, was für mich ein Regenschirm-Wort ist (umbrella term?) und alles abdeckt, ansonsten benutze ich eben LGBT oder LGBTIA. Dass man das nicht aussprechen kann, ist klar, aber bevor man auf Wortschnipsel wie ,,Homo", ,,Gay" und ,,Schwulen-" zurückgreifen muss, dann lieber ,,Queer". Geschrieben ist es da deutlich leichter.
Ich verstehe auch absolut deinen Punkt, Maja, wenn du sagst, dass wir alle Menschen sind und dass die Beschreibungen und Etikette dich stören. Aber da sind eben alle anders, und genauso, wie es Menschen gibt, die stockhetero sind, gibt es Menschen, die stocklesbisch sind. Besonders, wenn man trans* ist, ist es mit ,,wir sind alle Menschen" nicht getan. Die Oberkategorie ist selbstverständlich Mensch – aber meine queere Identität ist ein wichtiger Bestandteil meiner Persönlichkeit, auf den ich stolz bin und den ich auch gern als solchen benenne.
Was eine LGBTIA-Gruppe anginge, hätte ich auch gedacht, es ginge um einen Workshop. Ich finde aber, dass passt gut in diesen Thread, deshalb habe ich das ,,und wie man sie schreibt" dazugepackt.

Und wo ich gerade sowieso kreuz und que(e)r (hahaha) alles aufschreibe, erzähle ich jetzt was über meine Figuren, ignore me!
Mein (ruhender) Fantasyroman hat mehrere queere Paare. Weil er vermutlich drei Bände lang wird, habe ich Platz, um Figuren aus dem gesamten Spektrum zu schreiben. I mean it. Wortwörtlich das ganze Spektrum. In dem dystopischen Kurzroman, den ich im November schreiben werde, ist meine Protagonistin 11 Jahre alt und lebt in einer postapokalyptischen Welt mit Gewehren, wilden Hunden und Gelegenheitskannibalismus. Eines Tages stößt sie im Wald auf einen Mann, der dort an einen Baum gekettet ist. Nach einigem Hickhack befreit sie ihn, und sie teilen sich misstrauisch ein karges Essen. Er erzählt ihr seine Geschichte und sie ihm ihre. Irgendwann fragt er sie, ob sie sich nicht ein Haus mit einem hübschen Mann wünschte. Sie sagt ihm, dass sie mit einer hübschen Frau leben würde, und auch kein Haus, sondern eins in den Bäumen, wo es sicherer ist. Er reagiert nicht im Geringsten überrascht. Ende der Unterhaltung.
(Zugegeben ist die Novelle ein bisschen darauf angelegt, solche Erwartungen nicht zu erfüllen: In dieser Postapokalypse werden auch nicht Frauen gejagt und vergewaltigt und als Sklaven gehalten (wow, Book of Eli, ich kotze immer noch). Jeder hält gleichberechtigt eine Waffe, und jeder muss Angst haben, dass ihm oder ihr etwas passiert. Vergewaltigungen sind verpönt.)

Zum Thema ,,Ins Exposé oder nicht": Ich sitze gerade vor genau dem Problem. Es gibt viele Dinge, die ich an meinem Jugendroman mag und auf die ich stolz bin, aber besonders stolz bin ich darauf, dass ich lesbische, schwule und bisexuelle Figuren habe und dass das Thema Homosexualität als gewöhnlich und akzeptiert behandelt wird, obwohl es 1982 in Amerika spielt (in einem Staat mit Geldstrafen). Ich bin auch stolz auf meine vielen Frauencharaktere (50/50, mit einem Mädchen in der Hauptrolle) und darauf, dass ich nicht nur eine schwarze Person untergebracht habe. Während ich im Exposé natürlich problemlos auf das Frauenverhältnis hinweisen kann, ist es bei Hautfarbe und Sexualität deutlich schwieriger.
Harriet und Schill, die Zieheltern meiner Protagonistin Sofia, sie lesbisch, er schwul, sind eine Zweckehe eingegangen, um Ärger aus dem Weg zu gehen. Harriet hat nebenher eine Fernbeziehung geführt, bis sie in die Brüche gegangen ist, Schill hat später im Buch eine Affäre. Sofia hat kein Problem mit der Sexualität der beiden, und das macht sie auch deutlich.
Die beiden sind zwar nicht die einzigen queeren Charaktere, aber ich habe manchmal ein wenig Kopfschmerzen wegen ihnen, weil sie immerhin als Mann und Frau zusammenwohnen (auch wenn sie nicht verliebt sind, sondern gute Freunde) und als Ehepaar erscheinen. Sie machen zusammen sogar einen besseren Job als die Eltern von Sofias bestem Freund. Ich will auf keinen Fall die Botschaft ,,heirate doch einfach heterosexuell, dann wird sich alles lösen" vermitteln. Schill und Harriet sind unglücklich, obwohl sie Sofia lieben. Am Ende des Romans (so wie es derzeit geplant ist) stimmen sie zu dritt ab, dass sie, wenn Sofia 18 ist, die Stadt verlassen und sich trennen. Sofia wird dann im Endeffekt zwei zu Hause haben, und Harriet und Schill werden Freunde bleiben.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: TheaEvanda am 26. Oktober 2013, 11:40:37
Im Expose würde ich nicht-herterosexuelle nur dann erwähnen, wenn der Plot in etwa so aussieht:

Vorher war er sein bester Freund. Nun ist sie perfekt!

Annas Leben beginnt als Mann mit XY-Genen. Sie hat einen besten Freund, Xaver. Irgendwann erkennt nocht- nicht-Anna, dass sie eine Frau im Männerkörper ist, und beginnt den langen Weg zur Frau. Xaver unterstützt sie ohne Vorbehalte. Doch als Anna wirklich Anna wird, ist es um die Freundschaft geschehen. Xaver verliebt sich in seinen besten Freund - und überschreitet die Grenzen zum Stalking. Weder körperlich noch seelisch in der Lage, sich gegen die Übergriffe Xavers zu verteidigen, zieht Anna in eine weit entfernte Stadt und bricht alle Kontakte zu ihrer Familie und ihren alten Freunden ab. Xaver dagegen kann die Niederlage nicht hinnehmen und ...

Ist die sexuelle Orientierung nicht plotrelevant, hat sie nichs im Expose verloren. Meine schattenhaften nicht-hetero-Charaktere wurden auch nur von sehr findigen Lesern ausgemacht. Zugegeben, bei den Auftragsarbeiten bin ich auch immer sehr vorsichtig in der Darstellung. In zwei Schubladenprojekten habe ich Dreiecksbeziehungen zwischen bisexuellen und heterosexuell orientierten Charakteren. Ich gehe nicht davon aus, dass die Projekte wegen der (im Expose nicht explizit erwähnten) Ausrichtung der Charaktere abgelehnt wurden. :D

In diesem Thread lese ich viel von "schlechter" LBGT... - Darstellung. Die kenne ich auch zur Genüge.

Ich habe mal eine Gegenfrage: Welche Standardprobleme hat man als LBGT... in unserer Gesellschaft? Die Schwulen und Transsexuellen in meiner Bekanntschaft erzählen nicht viel von entsprechend gelagerten Problemen - aber sie arbeiten auch im Theater und in der Regie, also in den Zentren der anerkannten Homosexualität in unserer Gesellschaft.

Ursprünglich hielt ich den Thread für einen Ideensteinbruch in Sachen nonkonforme Charaktere. Welche mir unbekannten LBGT... Probleme kann man im Roman thematisieren? Majas Beitrag mit dem dreigeteilten Herzen hat mir ganze Welten eröffnet. Vielleicht könnten auch Andere davon profitieren?

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Veldrys am 26. Oktober 2013, 12:18:51
Vic: Es sollte eine Geschichte über den transsexuellen Werwolf geben! Das Thema klingt unglaublich originell!  ;D

TheaEvanda: Welche Probleme hat man als Homosexueller oder Transsexueller in unserer Gesellschaft? Wie ich in einem früheren Beitrag geschrieben habe, ist es, besonders in ländlichen Gebieten, noch immer ein Problem, homosexuell oder transsexuell zu sein. Wenn zum Beispiel in meinem alten Heimatdorf zwei Männer händchenhaltend herumspazierten, würden sie sehr schnell bei allen unten durch sein. Auf jeden Fall würde sehr viel getratscht werden.

Ein schwuler Bekannter meinerseits musste zum Beispiel den Kontakt zu seinen sehr katholischen Eltern abbrechen, weil sie seine sexuelle Orientierung nicht akzeptieren konnte.

Oft scheint es so zu sein, dass die Menschen ein Musterbeispiel an Toleranz sind - solange ihre eigene Familie "normal" ist. Ich habe eigentlich noch keine Eltern erlebt, die freudenstrahlend gerufen haben: "Hurra, mein Kind ist schwul/lesbisch!"

Transsexuelle andererseits werden mit ihrer Aussage, eigenlich den falschen Körper zu haben, nicht immer ernst genommen. Dazu kommt, dass die notwendigen Therapien sehr teuer sein können (allein die vorgeschriebene Psychotherapie kann bis zu 100 Euro pro Sitzung kosten) und dass die Krankenkasse nicht immer alles bezahlt. Besonders für (ältere) transsexuelle Frauen ist es ein Problem, dass man ihnen oft noch die männliche Vergangenheit ansieht. Dazu kommt die Frage, wie man seinem Partner sagt, dass man früher anders aussah und die Tatsache, dass man seine Vergangenheit oft nie ganz los wird.

Es gibt einiges, dass man thematisieren könnte.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Simara am 27. Oktober 2013, 12:41:27
Zitat von: TheaEvanda am 26. Oktober 2013, 11:40:37
Ich habe mal eine Gegenfrage: Welche Standardprobleme hat man als LBGT... in unserer Gesellschaft?

Ich selbst bin nur bei sehr wenigen Personen "geoutet" (Ich hasse dieses Wort...) und gebe daher niemandem die Chance mich für meine Bisexualität zu diskriminieren. Was ich (vor allem früher) sehr belastend fand, war die Tatsache, dass viele Leute in meiner Umgebung sich oft und öffentlich negativ und zum Teil auch beleidigend über Homosexualität geäußert haben- selbst Lehrer und Verwandte. Ich wohne ja eher ländlich, auf meiner Insel, und hier werden solche "heiklen" Themen von den Erwachsenen totgeschwiegen und den Jugendlichen verhöhnt. Dadurch entsteht auch schnell ein gewisses Gefühl der Einsamkeit, weil man das Gefühl hat, als einzige nicht der Norm zu entsprechen, obwohl dass natürlich Blödsinn ist. Doch wenn man keine anderen queeren Jugendlichen in seiner Umgebung hat, kann es schon sehr nerven, wenn die beste Freundin einen verkuppeln möchte und man ihr nicht ins Gesicht sagen kann, dass man in Mitschülerin XY verknallt ist. (Und mir kann keiner Nachsagen, ich hätte nicht versucht besagte Freundin einzuweihen. Aber sie glaubt mir nicht und denkt, es ist ein Scherz...  ::) )



Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Cairiel am 27. Oktober 2013, 12:58:05
Zitat von: Veldrys am 26. Oktober 2013, 12:18:51
Oft scheint es so zu sein, dass die Menschen ein Musterbeispiel an Toleranz sind - solange ihre eigene Familie "normal" ist. Ich habe eigentlich noch keine Eltern erlebt, die freudenstrahlend gerufen haben: "Hurra, mein Kind ist schwul/lesbisch!"
Es geht aber auch umgekehrt. Wie schon erwähnt war mein Vater ziemlich homophob, bis wir das ausgerauft haben und er mittlerweile - zumindest Homosexuellen gegenüber - ein wenig toleranter ist. Blöde Sprüche von ihm kommen ab und an (bei einem Lespenpaar: "Die macht im Bett bestimmt das Männchen! *auf eine der beiden deut*"  :wums: ), aber im Großen und Ganzen ist es besser mit ihm geworden, weil er einen schwulen Sohn hat.

@ Simara, das klingt ja echt übel ... Vor allem mit deiner Freundin.  :no:  Ich lebe auch auf dem Land und habe damit auch so meine Probleme, aber nicht so schlimm wie du. V. a. meine Freundinnen haben mich recht schnell akzeptiert, bei den Jungs in der Schule musste ich halt mit blöden Kommentaren rechnen, ging aber alles in allem und ich hatte auch männliche Freunde. Nur ab und zu kamen so Dinge, die mich wirklich gestört haben, wie z. B. als ich mit meiner damals besten Freundin spätabends über ein Volksfest schlenderte und plötzlich von ihr (zu mir!) kam: "Iiiih, da knutschen zwei Männer. Ist das abartig! Gehen wir weg ..." Was soll man zu sowas noch sagen?
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: canis lupus niger am 27. Oktober 2013, 13:19:07
Zitat von: Maja am 25. Oktober 2013, 22:02:54
Ich erwähne im Exposee nicht, wenn eine Nebenfigur ohne direkten Handlungszusammenhang homosexuell ist. Warum sollte ich? Das interessiert auch keinen Lektor. Wenn es eine Hauptfigur ist oder wirklich plotrelevant, oder beides, dann erwähne ich es in der Plotzusammenfassung, soweit es genug Relevanz hat.

Im Exposee ist für Nebensächlichkeiten ohnehin nicht genug Platz, und ich finde es großartig, dass die sexuelle Ausrichtung eines Menschen inzwischen wirklich eine Nebensächlichkeit ist - zumindest, wenn sie nicht plotentscheidend ist, wie in Deinem Beispiel.

In einem von mir sehr geschätzten, neueren Fantasyroman ist ein wichtiger Nebencharakter ein schwuler Schwertkampflehrer, also trotz seiner Homosexualität ein 'richtiger Mann'. Das wäre vor zehn, aber ganz bestimmt noch vor zwanzig Jahren völlig ausgeschlossen gewesen. Heutzutage ist das kein Problem mehr.

Zitat von: Simara am 27. Oktober 2013, 12:41:27
Ich selbst bin nur bei sehr wenigen Personen "geoutet" (Ich hasse dieses Wort...) und gebe daher niemandem die Chance mich für meine Bisexualität zu diskriminieren. Was ich (vor allem früher) sehr belastend fand, war die Tatsache, dass viele Leute in meiner Umgebung sich oft und öffentlich negativ und zum Teil auch beleidigend über Homosexualität geäußert haben- selbst Lehrer und Verwandte. Ich wohne ja eher ländlich, auf meiner Insel, und hier werden solche "heiklen" Themen von den Erwachsenen totgeschwiegen und den Jugendlichen verhöhnt. Dadurch entsteht auch schnell ein gewisses Gefühl der Einsamkeit, weil man das Gefühl hat, als einzige nicht der Norm zu entsprechen, obwohl dass natürlich Blödsinn ist. Doch wenn man keine anderen queeren Jugendlichen in seiner Umgebung hat, kann es schon sehr nerven, wenn die beste Freundin einen verkuppeln möchte und man ihr nicht ins Gesicht sagen kann, dass man in Mitschülerin XY verknallt ist. (Und mir kann keiner Nachsagen, ich hätte nicht versucht besagte Freundin einzuweihen. Aber sie glaubt mir nicht und denkt, es ist ein Scherz...  ::) )

Naja, auf dem Land ist die soziale Entwicklung schon noch ziemlich hinterher. Vermutlich liegt das an der geringen Personenzahl, mit der man sich austauschen und vergleichen kann. Es gibt zu wenige Alternativen zu der vorhandenen Personen und Gruppen. Wer weiß, wer von den  anderen nicht ebenso wie Du sein Päckchen mit sich herumträgt. Nur trauen sie sich nicht, aus dem Gruppenzwang auszubrechen. Das ist der Mechanismus, der Mobbing ermöglicht. Niemand will die Zielscheibe sein, auf die alle anderen sich einschießen. Und "geschossen" wird in jedem Fall, denn man muss ja demonstrieren, dass man selber natürlich NIEMALS aus der Reihe tanzen würden.
Je eingeschränkter die Alternativen sind, desto geringer die Toleranz. Mit diesem Mechanismus habe ich leider auch schon zu tun gehabt.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Naudiz am 31. Oktober 2013, 01:06:05
Zitat von: Judith am 25. Oktober 2013, 21:38:38
Hier möchte ich gern noch einhaken und zwar deshalb, weil ich es interessant finde, dass genau die beiden einmal ein Beispiel dafür liefern, wie man gut mit homosexuellen Figuren umgeht (nämlich im Buch) und einmal ein Beispiel dafür, wie man schlecht mit ihnen umgeht (nämlich in der Serie).
In den Büchern kann man lange lediglich zwischen den Zeilen herauslesen, dass die beiden schwul sind, weil die beiden sich eben nicht nur darüber definieren. Sie sind eben interessante Nebenfiguren, die zufällig schwul sind, ebenso wie viele andere interessante Nebenfiguren eben zufällig heterosexuell sind.
In der Serie hingegen werden sie sofort (und im weiteren Verlauf auch fast ausschließlich) über ihre Sexualität definiert. Dazu wird Loras auch noch sozusagen als Klischee-Schwuler dargestellt - dadurch wird er noch mehr über seine Sexualität definiert und noch weniger als individueller Charakter gezeichnet.
Und was die sexuelle Komponente betrifft: Auch da gebe ich dir im Bezug auf die Serie recht, im Bezug auf die Bücher aber gerade nicht. Ich sage dazu nur: "When the sun has set, no candle can replace it."

Oh, das habe ich irgendwie vergessen, dazuzusagen: Mit Goldauge und Royal meinte ich die Darstellung in der Serie, nicht im Buch.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Malachit am 31. Oktober 2013, 22:03:43
So, dann will ich den illustren Kreis mal mit meinem Senf beglücken.  ;D
Ich gebe zu, ich habe nur die ersten beiden Seiten gelesen und bitte um Verzeihung, falls ich schon Gesagtes wiederhole.

Zuerst einmal möchte ich erwähnen, dass ich erst vor Kurzem zwei Thriller gelesen habe, bei dem die Protagonistinnen lesbisch waren. Bei dem einen Roman spielte das nur am Rande eine Rolle (war nahezu selbstverständlich), bei dem anderen war es für die Handlung wichtig, wobei es dabei im Grunde um das Verlieben in die falsche Person ging. Es geht also.  ;D

Ansonsten muss ich ehrlich sagen, wer, wenn nicht der Autor kann Welten schaffen, in denen die sexuelle Orientierung kein Problem darstellt? Gerade in der Fantasy? Wer Elfen, Trolle, Dämonen usw. zum Leben erwecken kann, hat doch wohl auch die Macht, die Liebe und Zuneigung zu einem Menschen vom Geschlecht unabhängig als wichtig zu erklären.
Wir sind es, die mit dieser Selbstverständlichkeit in unseren Geschichten die Welt vielleicht ein kleines bisschen verändern können.

Ich möchte nicht darüber nachdenken müssen, ob es jetzt passt, wenn mein Prota schwul oder lesbisch oder hetero ist. Viel wichtiger als das mit wem er eine Beziehung hat, ist doch, DASS er eine feste Beziehung hat (oder eben nicht). Denn DAS sagt etwas über seinen Charakter oder sein Leben aus.

Außerdem fände ich die Welt viel schöner, wenn wir auch im realen Leben die Menschen mehr danach beurteilen würden, wie sie sich verhalten und nicht danach, mit wem sie in die Kiste steigen. Denn darauf wird es doch letztendlich bei Homosexuellen reduziert. Wie sagte ich neulich zu meiner Ma... Bei verheiratet Paaren diskutiert doch auch keiner darüber, ob Herr X noch mit seiner Frau regelmäßig GV hat.  :hmhm?:

Und wenn ich jemanden liebe, dann liebe ich den Menschen, denn im Grunde ist Liebe geschlechtsunabhängig. Genauso wie die Liebe zu jedem Menschen anders ist, weil eben auch jeder Mensch anders ist.

Übrigens gibt es mittlerweile Studien, die zeigen, dass nur die wenigsten Menschen rein homosexuell oder rein heterosexuell sind. Die große Mehrheit der Menschen bewegt sich dazwischen, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen (Wen es interessiert, dem kann ich gern den entsprechenden Artikel zukommen lassen).

Im Übrigen ticken mittlerweile auch in manchen Gegenden auf dem Dorf diesbezüglich die Uhren anders. Mein Heimatkaff (100 Einwohner) hat eine lesbische Bürgermeisterin, der Stellvertreter hat sich vor 2 Jahren als schwul geoutet und die Bürgermeisterin wurde von ihrer Freundin für einen Mann verlassen. Wie in einer Seifenoper. Trotzdem wurde sie als Bürgermeisterin gewählt, wobei das schlimmere Manko an ihr eher war, dass sie eine Zugezogene ist, hehehe.
Getratscht wir im Dorf so oder so und wenn du nichts zu bieten hat, denken sich die Tratschweiber eben etwas aus (spreche da aus Erfahrung).

Die Homophobie, die vielerorts anzutreffen ist, hat sicher verschiedene Gründe. Zum einen lässt sich schwer etwas so "plötzlich" als richtig erklären, was jahrhundertelang strafbar war. Mensch fremdelt eben damit. Und dann... glaube ich schon, dass einige schlicht Angst davor haben, selber homosexuelle Gefühle zu haben.

Vorurteile gibt es übrigens nicht nur gegen Homosexuelle, sondern auch von Homosexuellen gegen Bisexuelle. Eine lesbische Freundin meinte mal zu mir "Man müsse sich eben entscheiden." Nee, muss man nicht. Wer sagt das, dass man das muss?

Tja, und in den von uns erfundenen Welten muss man das schon mal gleich gar nicht. Da gilt: Nichts muss, aber alles kann.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 06. November 2013, 01:15:33
Auf meinem tumblr-Dashboard ist endlich mal wieder eine dieser LGBT-Literatur-Listen aufgetaucht, wenn also jemand eine Liste mit Beispielen will... Lesbian Themed Booklists (http://keptein.tumblr.com/post/66053269149/lesbian-themed-booklists), auch mit so Links zu Listen wie "Asexual Lesbian" oder "Transgender Women in Lesbian Relationships in Fiction" oder "Lesbians in Space".
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Bianca Jones am 13. November 2013, 16:28:03
Ich bin wirklich begeistert von dieser sehr interessanten Diskussion! Und muss mich auch mal kurz zur Wort melden.

Schreibtechnisch bin ich wirklich noch eine Anfängerin und stecke noch immer in meinem Erstling; deswegen habe ich jetzt noch keine große Erfahrung in der Erschaffung/Entwicklung von Figuren - kann also da noch nicht von einer Gewichtung sprechen, was sexuelle Orientierung angeht - als (hetero-) Feministin sehe ich mich eher weiblichen Figuren zugetan, obwohl meine männlichen Protas oftmals "stärker" sind, also sich mehr aufdrängen als weibliche Figuren. Was mich schon manchmal nervt... 

Nun führe ich meinen ersten homosexuellen Charakter ein und bin doch beim Schreiben sehr über meine eigenen Klischees gestolpert. Obwohl ich das im "richtigen" Leben immer blöd finde, wenn da von den "schrillen Schwulen" gesprochen wird. Da hat die Diskussion hier viele tolle Fragen aufgeworfen, am meisten fasziniert hat mich die von Maja, warum den selbst in High-Fantasy-Welten Queer-Menschen (um jetzt mal einen Begriff zu nutzen) noch immer Verfolgung ausgesetzt sind. Auch in meiner Welt ist das so (weil es hier ein hohes Ideal der "Familie" gibt) - und ich hab mich das wirkich noch nie gefragt. Sicher liegt das auch daran, dass ich - als Anfängerin - ja immer sehr nach Konflikten suche, um die Geschichte am Laufen zu halten. Aber daran werde ich jetzt noch mal arbeiten und natürlich auch an einer tiefschichtigen Figurendarstellung.

Liebe Grüße!

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Kati am 13. November 2013, 16:42:09
Zitat von: Bianca JonesDa hat die Diskussion hier viele tolle Fragen aufgeworfen, am meisten fasziniert hat mich die von Maja, warum den selbst in High-Fantasy-Welten Queer-Menschen (um jetzt mal einen Begriff zu nutzen) noch immer Verfolgung ausgesetzt sind. Auch in meiner Welt ist das so (weil es hier ein hohes Ideal der "Familie" gibt) - und ich hab mich das wirkich noch nie gefragt. Sicher liegt das auch daran, dass ich - als Anfängerin - ja immer sehr nach Konflikten suche, um die Geschichte am Laufen zu halten.

Ich glaube, das liegt auch oft einfach daran, dass man es ohne groß nachzudenken als "normal" einschätzt, dass jeder, der nicht hetero und cis ist, von der Gesellschaft benachteiligt wird. Bei uns ist das so, also denkt man gar nicht um viele Ecken und macht es im eigenen Roman ähnlich, auch, wenn der in einer Fantasywelt angesiedelt ist. Das ist ja auch nicht immer schlecht. Fantasy kann ja auch Gesellschaftskritik sein und, wenn man in einer Fantasywelt versucht, dieses Problem zu lösen, kommen da sicherlich nette Ansätze bei rum, die Menschen zum Nachdenken bringen können. Wenn man es aber nur macht, weil es im echten Leben auch so ist, finde ich das weniger ideal, weil es ja stimmt: Wir idealisieren uns unsere Fantasywelten wie wir wollen, Fabelwesen leben akzeptiert unter Menschen und dergleichen, aber viele können die Muster ihrer eigenen Gesellschaft trotzdem nicht abschütteln.

Das Problem daran, aus LGBTQ-Figuren einen Konflikt zu machen, sehe ich darin, dass es wieder eine Art "Rechtfertigung" ist, wieso diese Figur überhaupt im Roman mitspielen darf. Ich habe letztens erst etwas Ähnliches zu der Verteilung von Hautfarben in Kinderfilmen gelesen. Helden, die nicht weiß sind, werden immer mit dem Setting gerechtfertigt, das Setting ist für die Geschichte unheimlich wichtig, während bei weißen Figuren oft kein bestimmtes Setting angegeben wird, das könnte überall spielen und ist für die Geschichte auch nicht weiter wichtig. Ähnlich ist das mit LGBTQ-Figuren: Wenn sie dabei sind, wird daraus oft ein Konflikt gesponnen, mit dem man sich hinterher rechtfertigen kann, weshalb die Figur überhaupt da ist. Das ist auch alles schön und gut, aber es wäre mal schön mehr Romane und Filme zu haben, in denen die Figuren einfach sind wer sie sind, ohne große Rechtfertigung.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fianna am 27. Juli 2015, 03:22:44
Ich habe bei dem Bastei Lübbe Thriller Wettbewerb ein Expose mit einem homosexuellen Mordopfer eingereicht. Ihre Halbschwester schleust sich in ihren Betrieb ein, weil sie sich nicht vorstellen kann, dass ihre Halbschwester Selbstmord begangen habe.
Ein entscheidender Hinweis ist dann die vehemente Meinung der Arbeitskollegen, die sei ja nicht (mehr) homosexuell gewesen - weil jemand einen Mann in ihr Zimmer gehen sah. Natürlich der Mörder, der seinen Medikamentencocktail plazieren musste, damit der Mord wie ein Selbstmord aussieht.
Da der Augenzeuge auch "Selbstmord" begangen hat, ist es für die Protagonistin etwas knifflig, erstmal dahin zu kommen, dass sie weiß, warum diese Meinung (ist doch hetero) vorherrscht, und aus dem Tratsch heraus zu kitzeln, wie der Mann denn ausgesehen haben könnte. Sie kann den Augenzeugen ja nicht mehr selbst fragen.

Das Mordopfer ist auch nur Opfer geworden, weil der Mörder vorher ihre Exfreundin umgebracht hat, und sie ihn durch einen geschenkten Gegenstand mit dem Mörder in Verbindung bringen konnte.

Klingt jetzt so, als wäre die Homosexualität ein großes Ding, aber eigentlich dreht es sich mehr um das Selbstmordmotiv mehrerer Personen, obwohl das in Wirklichkeit alles Morde waren, und die Verdächtigungen und Ängste der Protagonistin, ihre neuen Arbeitskollegin seien kaltblütige Mörder (oder zumindest einer davon).

Aber nachdem ich diesen Thread zur Akzeptanz gelesen habe, kann ich meinem Freund ja mit einem Grund untermauern, warum ich dauernd "Das wird eh nichts!" sage.

Werde das aber wahrscheinlich trotzdem weiter schreiben, weil es ziemlich Spaß gemacht hat. Es spielt in einem Hotel, und ich habe da einen experimentierfreudigen Chefkoch, der sich gerne mit dem Direktor anlegt, weil er meint, man müsse doch mal Molekularküche anbieten, um sich besser zu positionieren. Das durchbricht dann schön Gespräche, die ihr Hinweise hätten geben können. Am Ende überlegt sie, ob die alle unter einer Decke stecken. Natürlich ist der Mörder aber jemand anderes.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 30. Juli 2015, 20:21:13
Da es in dem Thread ja darum geht, wie man queere Charaktere auch besser schreiben kann und negative tropes vermeidet: Hast du noch andere queere Charaktere, Fianna, möglicherweise Freunde des Mordopfers, etc.? Das wird in deinem Beitrag jetzt nicht so klar und queere Charaktere sind ja schon viel zu häufig Mordopfer, da ist es immer besser (und natürlich realistischer) noch wen einzubauen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fianna am 30. Juli 2015, 23:41:39
Nee, habe ich nicht. Das war instinktiv, denn im Hotelfach (und gerade im Bereich Küche/Restaurant) kenne ich aus keinem Betrieb einen offenen Homosexuellen.
Konservativ denkende Milieus, in denen "schwul" ein gängiges Schimofwort ist, laden nicht gerade dazu ein, sich zu outen.

Der Betrieb in meiner Novelle hält sich an das Arbeitszeitgesetz, da noch mehr als 2 Homosexuelle reinzupflanzen, schien mir doch zu märchenhaft ;)

Ich gucke sehr viele Krimis, hatte eher den Eindruck, dass queere Leute (bevorzugt Transsexuelle) den seltsamen Zeugen statt das Opfer mimen.

Da steckte jetzt keine besondere Absicht hinter. Ich dachte nur, statt dem Koch könnte doch auch die Köchin das belastende Liebespfand entdecken. Und eben als weiteres Opfer enden.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 31. Juli 2015, 00:30:31
Sobald du mehr als zehn Charaktere insgesamt hast, ist es doch total wahrscheinlich, dass mehrere queer sind. Müsste ja noch nichtmal jemand geoutetes sein oder jemand homosexuelles, die Palette ist ja größer. :) Ich will halt nur betonen, dass queere Charaktere sehr oft umgebracht oder zu Gewaltopfern werden und dann die restliche Romanwelt plötzlich nur noch heterosexuell ist. TV Tropes: Bury Your Gays (http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/BuryYourGays).

Es ist ja extremst unwahrscheinlich, dass die Halbschwester keine queeren Freunde hatte, da würde es ja "reichen", wenn die Protagonistin dann mal welche von dene im Eiskaffee trifft und die ihr Mitleid ausdrücken, oder ähnliches, wenn du deine jetzigen Charaktere nicht mehr ändern willst.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fianna am 31. Juli 2015, 00:59:23
Naja, sie arbeitet in einem Hotel, hat also wenig Freizeit (obwohl es in meinem Plot viel ist  ;D), und ist da inkognito. Die Freunde ihrer Halbschwester kennt sie nicht.

Aber ich habe eine Figur in beratender Funktion, die von dem Plan weiß und mit ihr telefoniert. Der könnte transsexuell sein.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 31. Juli 2015, 01:42:23
Zitat von: Fianna am 31. Juli 2015, 00:59:23
Aber ich habe eine Figur in beratender Funktion, die von dem Plan weiß und mit ihr telefoniert. Der könnte transsexuell sein.
Super!  :jau:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: HauntingWitch am 31. Juli 2015, 08:15:46
Zu Fiannas Problem kann ich leider nichts sagen, ich bin da zu wenig tief drin.

Aber da das Thema gerade wieder oben ist, darf ich auch eine Frage einwerfen? Wie ist das eigentlich, wenn queere Charaktere negativ dargestellt werden, also böse gesagt auch mal die Arschlöcher sind? Keine Angst, ich habe auch positive. Es ist nur, ich lese immer davon, dass man sich um positive Darstellung bemühen soll und das ist ja das Ziel, aber es gibt ja bestimmt auch homosexuelle Psychopathen, Betrüger oder weiss nicht was. Soll man die dann einfach weglassen oder... Das erschiene mir auch irgendwie unsinnig.  :hmmm:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Sascha am 31. Juli 2015, 09:12:24
Witch, ich sehe eigentlich keinen Grund, die sexuelle Identität/Ausrichtung irgendwie mit anderen Merkmalen zu koppeln. Wenn man jetzt hingeht und alle homosexuellen, transsexuellen und sonstwie "anderen" nur noch als gut hinstellt, dann ist das doch letztlich auch eine Art von Diskriminierung. Ob ein Mensch anständig oder schwerkriminell ist, sozial oder Egoschwein, das hat doch nichts mit seiner sexuellen Veranlagung zu tun.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Lothen am 31. Juli 2015, 09:20:37
Ich unterschreibe da voll bei Sascha, kann deine Bedenken aber gut nachvollziehen, Witch. Solche oder ähnliche Gedanken haben mich auch schon oft beschäftigt.

Trotzdem, ich finde, man erreicht als Autor die höchste Form der Gleichberechtigung, wenn die sexuelle Orientierung einfach keine Rolle dafür spielt, wie die Person im Handlungsgeflecht bewertet wird. Homosexuelle können, genau wie Heterosexuelle, nett, arrogant, hilfsbereit, psychopathisch, grausam, liebevoll, aggressiv oder friedliebend sein - warum sollte man sie also nicht genau in dieser Diversität darstellen?

Etwas befremdlich würde es vielleicht aussehen, wenn es nur eine homosexuelle Figur gibt und die ist Antagonist. Und natürlich dann, wenn dessen Homosexualität auch noch eine enorme Rolle spielt und negativ bewertet wird. Aber so ist es ja in deinem Fall gar nicht.

Ich bin jetzt nicht queer, aber ich käme mir irgendwie auch ein wenig verarscht vor, wenn alle Leute automatisch nett wären, nur, weil sie homosexuell sind. ;) Das wäre genauso, als wenn alle Dicken nett und freundlich wären, weil man sie ja nicht diskriminieren soll.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Simara am 31. Juli 2015, 19:43:36
Einmal am Rande: "Transsexuell" ist nicht unbedingt das beste Wort und viele, die damit bezeichnet werden sollen es überhaupt nicht mögen. Transgender und (in Deutschland) Transident sind beliebtere Alternativen. Deutschland ist was das Thema angeht jedoch allgemein recht rückständig und hat sehr binäre und vorurteilsbelastete Vorstellungen wenn es um diese Dinge geht und wenn man sich in einem Roman damit auseinander setzen möchte, sollte man sich sehr genau informieren, am Besten auch mal auf englischen Seiten.

Zum Thema "nicht heteronormative Gegenspieler": Es kommt ja leider sehr häufig vor, dass so etwas absichtlich gemacht wird, um Assoziationen herzustellen oder mit diesen beim Leser/Zuschauer zu spielen. Wenn die Figur jedoch einen ausgerundeten Charakter hat, in dem die Sexualität nur eine Facette darstellt und im besten Fall auch positive Beispiele vorhanden sind, sehe ich persönlich jedoch kein Problem.

(Zu beiden Themen könnte ich mich gerade sehr ausführlich unterhalten aber leider muss ich los. Ich melde mich die Tage nochmal zu Wort.  :winke: )
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fianna am 31. Juli 2015, 21:06:32
Das Wort hätte ich sowieso nicht verwendet.

Genauso wenig, wie ich etwas gross thematisiere oder problematisiere. Das seh ich überhaupt nicht ein. Wieso muss eine Transgender-Person automatisch einen grossen Konflikt und so weiter bekommen und "thematisiert" werden?

Die fragliche Position in meinem Plot ist ein Anwalt (oder meinethalben seit der neuesten Idee eine Anwältin), die mit der Protagonistin telefoniert und streitet. Sie tritt, plotbedingt, nicht persönlich in Erscheinung.
Soll das jetzt aus Prinzio eine heterosexuelle Person sein, weil die Story keinen Raum für einen Konflikt bietet?
Warum muss es überhaupt einen Konflikt geben?
Kann diese Person nicht einfach in dem präsentierten Umfeld, also die Freundschaft zu der Protagonistin, problemlos existieren?


In meinem Studiengang hatten wir auch einen androgynen, nicht näher erkennbaren Mitstudenten, der sich nach einiger Zurückhaltung zu unserer Erleichterung eindeutig als Frau vorgestellt hat. Und dann wurde der Kommilitone immer mit der weiblichen Namensform und "sie" angesprochen.
Ich hatte alles andere als ein aufgeschlossenes Studienfach (weswegen ich damals mit Pseudonym angefangen habe) und das hat keine Sau interessiert und musste in keiner Weise problematisiert werden.

Warum soll ich einem Statisten und Impulsgeber dann auf Teufel komm raus Konflikte und Probleme verpassen - nur weil es ein Transgender ist?


Nachtrag:
Kennt jemand noch "Dawson's Creek"? Von Jacks Gefühlen und so weiter hat man mur etwas mitbekommen, weil er mitten in der Findungs- und Outingsphase und im Hauptcast war.
Als die Bande aufs College ging, wurde das Null thematisiert. Sen Partner Toby meinte auch mal ganz neidisch, dass er eben nicht Burschenschaftsmitglied und Footballspieler und so weiter gewesen sei. Für Toby sah das von aussen nach nix aus.
Genauso finde ich nicht, dass mein/e Anwalt/Anwältin automatisch Probleme braucht, wenn man sie nur von aussen, in der Neben(-Neben)-Besetzung in einem ganz bestimmten Zusammenhang sieht.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 31. Juli 2015, 22:35:45
Ich denke, Simara meint eher, wenn du es thematisieren willst, dass du eher auf englischen Seiten schaust - als Recherchetipp, wo man nachgucken kann. Und genauso wie du über Anwälte recherchieren würdest, wenn das das Thema wäre. :) Da der Charakter aber eh nur selten auftritt und ein Nebencharakter in klarer Rolle und mit klarem "Auftrag" ist, bezweifle ich, dass da groß was sein wird, was du nachgucken musst. Und zur Not kannst du dir ja Betaleser holen, die einen Blick auf die Szenen werfen, wenn du nachher dann doch Unsicherheiten haben solltest.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fianna am 01. August 2015, 01:02:17
Ah, ich dachte ich muss jetzt direkt die Problemkeule rausholen.
Ich finde es halt schön, wenn Charaktere einfach was Besonderes sind (Meisterkämpfer und Frau, Buchfigur und nicht standard-hetero) und man es nicht begründen muss. Weil es in diesem Umfeld eben nichts Besonderes ist, sondern akzeptiert wird.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: HauntingWitch am 01. August 2015, 14:02:29
Danke @Lothen, Sascha und Simara. Ja, so sehe ich das auch, ich habe nur ein bisschen Angst, dass man mir ein diskriminierendes Bild unterstellt und ich möchte ja das Gegenteil erreichen. Ich schreibe es zu Ende und suche mir dann Betaleser.  :)

Zitat von: Fianna am 01. August 2015, 01:02:17
Ah, ich dachte ich muss jetzt direkt die Problemkeule rausholen.
Ich finde es halt schön, wenn Charaktere einfach was Besonderes sind (Meisterkämpfer und Frau, Buchfigur und nicht standard-hetero) und man es nicht begründen muss. Weil es in diesem Umfeld eben nichts Besonderes ist, sondern akzeptiert wird.

Das finde ich einen guten Gedanken, an den ich mich auch selbst halten möchte. Ich finde es nur recht schwierig, da die richtige Balance zu finden.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maja am 01. August 2015, 14:33:05
Zitat von: Fianna am 01. August 2015, 01:02:17Ich finde es halt schön, wenn Charaktere einfach was Besonderes sind (Meisterkämpfer und Frau, Buchfigur und nicht standard-hetero) und man es nicht begründen muss. Weil es in diesem Umfeld eben nichts Besonderes ist, sondern akzeptiert wird.
Ich glaube, das ist der Punkt, an dem wir grundlegend voneinander abweichen. Ich habe weibliche und nicht-heterosexuelle Figuren nicht, weil ich das für etwas Besonderes halte, sondern im Gegenteil, weil es für mich normal ist und ich mir wünsche, dass meine Leser das auch als etwas Normales wahrnehmen.


Ich habe in meinen Büchern durchgehend schwule, lesbische und bisexuelle Figuren - mal in Haupt-, mal in Nebenrollen. Insofern fand ich es ziemlich amüsant, als ich neulich eine Rezension zu »Geigenzauber« entdeckt habe, in der mir vorgeworfen wurde, dass der einzige nicht-heterosexuelle Charakter nur eine kleine Rolle spielt - wobei diese Rezensentin wohl überhaupt die erste war, die verstanden hat, dass Damian schwul ist, es wird zweimal angedeutet und spielt ansonsten keine große Rolle. Bloß, von der Konstallation des Buches her gibt es exakt zwei große Rollen, Mia und Branwell, und alle weiteren Figuren sind nur Nebenrollen. Da das Buch von Mias Liebe zu Branwell handelt und ausgerechnet dieses beiden daher nicht queer sind, blieb mir für meine LGBT-Quote nur eine kleine Rolle übrig - offenbar zu wenig. Ich hoffe, diese Rezensenten sind wieder mit mir versöhnt, wenn sie meine anderen Sachen lesen, in denen ich queere Figuren in deutlich größeren Rollen habe.

Jetzt stehe ich aber vor einem kleinen Dilemma: Ich schreibe gerade den Schluss vom »Glasaugenhaus«, meinem Nano-Roman vom letzten Jahr. Eigentlich hatte ich vor, dass Reenas Freundin Jascha, quasi die dritte Hauptfigur der Geschichte, am Ende des Buches vor dem Leser als lesbisch geoutet wird (Reena weiß das schon lange und Jascha sowieso), wenn der volle Name von Jaschas ominösem Schwarm Ole endlich als Olivia aufgelöst wird und Jascha am Ende mit Gothic-Marie zusammenkommt. Eigentlich war das so gedacht, dass ich dem Leser die lange Nase drehe, "Ich habe nie behauptet, dass Ole ein Junge ist - wovon du immer gleich ausgehst ...", um mit dem zu spielen, was Leser für selbstverständlich halten.

Auf der anderen Seite will ich aber nicht, dass Homosexualität als Knalleffekt eingesetzt wird, und ich würde natürlich lesbischen oder bisexuellen Leserinnen von Anfang an eine Identifikationsfigur haben. Dann wieder ist die "lesbische beste Freundin" so arg abgedroschen wie nur was (nur der schwule beste Freund ist schlimmer) - aber ich bin als Autorin ein Freund von Diversität, und das heißt, ich muss ab und an auch mal heterosexuelle Hauptfiguren haben, und dann bleibt die Homosexualität eben nur den Nebenfiguren vorbehalten (in anderen Büchern von mir ist es andersrum). Wie löse ich das am Besten? Ich will nicht, dass Jaschas Sexualität irgendwie als Problem thematisiert wird (Reena stört sich nur irgendwie daran, dass Jascha, wenn sie schon beste Freundinnen sind, sich nie in Reena verliebt hat), sondern als etwas, das einfach akzeptiert wird, und hänge jetzt zwischen "ganz unspektakulär am Anfang ansprechen" oder "doch lieber den Leser überraschen und mit der Erwartungshaltung spielen". Zu welchem Weg würdet ihr mir raten?
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Norrive am 01. August 2015, 15:04:36
Zitat von: Maja am 01. August 2015, 14:33:05
Eigentlich war das so gedacht, dass ich dem Leser die lange Nase drehe, "Ich habe nie behauptet, dass Ole ein Junge ist - wovon du immer gleich ausgehst ...", um mit dem zu spielen, was Leser für selbstverständlich halten.

Wie löse ich das am Besten? Ich will nicht, dass Jaschas Sexualität irgendwie als Problem thematisiert wird (Reena stört sich nur irgendwie daran, dass Jascha, wenn sie schon beste Freundinnen sind, sich nie in Reena verliebt hat), sondern als etwas, das einfach akzeptiert wird, und hänge jetzt zwischen "ganz unspektakulär am Anfang ansprechen" oder "doch lieber den Leser überraschen und mit der Erwartungshaltung spielen". Zu welchem Weg würdet ihr mir raten?

Naja, du könntest auch versuchen, einen Zwischenweg zu wählen. Nimm vielleicht einen etwas androgyneren Spitznamen für Ole (zB Oli, kann man im Kopf dann ja Oli [-via] oder Olli [-ver] aussprechen) und deute ihre sexuelle Orientierung am Anfang sehr subtil an. Manche kriegen es dann am Anfang schon raus, die anderen erinnern sich an die Hinweise und fühlen sich nicht veräppelt. UND: Knalleffekt heißt ja nicht direkt problematisch. Kommt halt darauf an, wie du das Ende und die Reaktionen auf die Beziehung mit Marie umsetzt. Nur weil es für den Leser neu ist, ist es das ja noch lange nicht für das Umfeld Jaschas im Buch. Und wenn die Charaktere mit dem Quasi-Outing normal umgehen, ist doch der Knalleffekt gar nicht mehr so groß.

Allerdings finde ich auch die lesbische beste Freundin nicht verkehrt, Klischee hin oder her. Die Freundschaft hängt ja nicht von der sexuellen Orientierung ab und das Konstrukt existiert genauso oft wie der schwule beste Freund. Ich denke, ein Klischee hat meistens etwas wahres, und wenn man alle Klischees vermeiden will kommt, man bei einer Story raus, die aufgrund des Klischeevermeidens selbst zum Klischee geworden ist. Ich habe manchmal das Gefühl, dass man gar nichts mehr schreiben kann, ohne dass irgendwer 'Klischeeeeee!!!111!' schreit, also habe ich aufgehört mir darüber Sorgen zu machen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Simara am 01. August 2015, 15:12:13
Zitat von: Maja am 01. August 2015, 14:33:05
Ich glaube, das ist der Punkt, an dem wir grundlegend voneinander abweichen. Ich habe weibliche und nicht-heterosexuelle Figuren nicht, weil ich das für etwas Besonderes halte, sondern im Gegenteil, weil es für mich normal ist und ich mir wünsche, dass meine Leser das auch als etwas Normales wahrnehmen.

Das ist sehr schön gesagt und auch genau meine Meinung zu dem Thema! 

Zitat von: Maja am 01. August 2015, 14:33:05
Auf der anderen Seite will ich aber nicht, dass Homosexualität als Knalleffekt eingesetzt wird, und ich würde natürlich lesbischen oder bisexuellen Leserinnen von Anfang an eine Identifikationsfigur haben. Dann wieder ist die "lesbische beste Freundin" so arg abgedroschen wie nur was (nur der schwule beste Freund ist schlimmer) - aber ich bin als Autorin ein Freund von Diversität, und das heißt, ich muss ab und an auch mal heterosexuelle Hauptfiguren haben, und dann bleibt die Homosexualität eben nur den Nebenfiguren vorbehalten (in anderen Büchern von mir ist es andersrum). Wie löse ich das am Besten? Ich will nicht, dass Jaschas Sexualität irgendwie als Problem thematisiert wird (Reena stört sich nur irgendwie daran, dass Jascha, wenn sie schon beste Freundinnen sind, sich nie in Reena verliebt hat), sondern als etwas, das einfach akzeptiert wird, und hänge jetzt zwischen "ganz unspektakulär am Anfang ansprechen" oder "doch lieber den Leser überraschen und mit der Erwartungshaltung spielen". Zu welchem Weg würdet ihr mir raten?

Ich kann da eher nur für mich persönlich sprechen, und ich, selber bi, würde den "Knalleffekt" nicht im Geringsten schlimm finden, gerade da so etwas ja, wie du schon sagtest, den Leser im besten Fall dazu bringt, sich mit seinen Erwartungen auseinander zu setzen. Allerdings würde ich die "Enthüllung" nicht ganz ans Ende sondern irgendwo ins hintere Drittel setzten und einfach acht darauf geben, dass tatsächlich nichts im Buch eindeutig auf das Geschlecht Olivias hindeutet
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Golden am 01. August 2015, 15:43:25
Zitat von: Maja am 01. August 2015, 14:33:05
Jetzt stehe ich aber vor einem kleinen Dilemma: Ich schreibe gerade den Schluss vom »Glasaugenhaus«, meinem Nano-Roman vom letzten Jahr. Eigentlich hatte ich vor, dass Reenas Freundin Jascha, quasi die dritte Hauptfigur der Geschichte, am Ende des Buches vor dem Leser als lesbisch geoutet wird (Reena weiß das schon lange und Jascha sowieso), wenn der volle Name von Jaschas ominösem Schwarm Ole endlich als Olivia aufgelöst wird und Jascha am Ende mit Gothic-Marie zusammenkommt. Eigentlich war das so gedacht, dass ich dem Leser die lange Nase drehe, "Ich habe nie behauptet, dass Ole ein Junge ist - wovon du immer gleich ausgehst ...", um mit dem zu spielen, was Leser für selbstverständlich halten.

Auf der anderen Seite will ich aber nicht, dass Homosexualität als Knalleffekt eingesetzt wird, und ich würde natürlich lesbischen oder bisexuellen Leserinnen von Anfang an eine Identifikationsfigur haben.
Die Erwartunghaltung der Leser resultiert ja nunmal aus der Realität und den eigenen Erfahrungen. Weshalb sollten sie also bei 90-95% Heterosexuellen davon ausgehen, dass jemand im Zweifelsfall dann nicht heterosexuell ist? Sehe ich persönlich einfach keinen Sinn drin und würde mich daran als Leser in diesem Fall auch eher stören. Wobei in diesem Fall aufgrund der Thematik auch noch ein Zeigefinger vom Autor mitschwingen würde, was ich persönlich echt unsympathisch finde (hat etwas Erzieherisches und Bevormundendes vom Autor gegenüber den Lesern), im Gegensatz zu Fällen, in denen so eine Wendung storyrelevant ist.

Wenn aber ohne großen "Kracheffekt" sich einfach ein Charakter irgendwann als schwul herausstellt, ist das soweit ja kein Problem. Wird es besonders hervorgehoben beziehungsweise wie von dir als Irreführung des Lesers geplant, hat es für mich irgendwie etwas vom nicht existierenden Mörder, weil der Prota in Wahrheit der Mörder ist und eine multiple Persönlichkeit hat. ::) Mag ich einfach nicht.

Bei deinem Fall finde ich den Namen "Oli" eher unglücklich. Auch "Ole" als eindeutig männlichen Name als Frauennamen zu verwenden ist komisch (könnte auch wieder ein Klischee sein, dass alle Homosexuellen eigentlich das andere Geschlecht sein wollen - "Herbert, die Lesbe" ;D). Mit "Oli" wird der Leser ab Anfang an wahrscheinlich merken, dass etwas nicht stimmt. :hmmm: Ansonsten wäre vielleicht ein wirklich männlicher und weiblicher Name wie "Alex" die bessere Wahl. :hmmm:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tanrien am 01. August 2015, 17:12:42
Ich würde es am Anfang erwähnen, Maja. Nicht unbedingt wegen des Überraschungseffekts/Homosexualität als Gimmick, oder weil heteronormativ denkende Leser nicht auch mal auf die Nase fallen sollen, sondern weil du, wie du sagst, natürlich da auch eine, wenn nicht sogar die Identifikationsfigur "wegnimmst". Bei einem als heterosexuell wahrgenommenen Charakter kann man ja auch einfach nicht so gut mitfühlen, gerade wenn die Romanze mit Ole/Gothic-Marie recht, vergleichsweise zu anderen Plots, präsent ist.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: HauntingWitch am 03. August 2015, 09:21:26
Zitat von: Maja am 01. August 2015, 14:33:05
Ich glaube, das ist der Punkt, an dem wir grundlegend voneinander abweichen. Ich habe weibliche und nicht-heterosexuelle Figuren nicht, weil ich das für etwas Besonderes halte, sondern im Gegenteil, weil es für mich normal ist und ich mir wünsche, dass meine Leser das auch als etwas Normales wahrnehmen.

Ich verstehe das für mich eigentlich eher so, dass man vermeintliche Besonderheiten als normal darstellt, weil jeder etwas Besonderes ist und somit wiederum jeder normal, so wie er ist, mit seinen Besonderheiten. Ich gebe meinen Charakteren auch oft "besondere" Jobs oder andere Eigenschaften, gerade weil ich diese festgefahrenen Bilder (was, der ist Rockstar, oh, das ist total aufregend - ähm, nein, nicht unbedingt) aufbrechen möchte. Nur so als Beispiel. So halte ich es auch mit der Sexualität.

Zu deinem Problem: Hm, ich bin auch hin- und hergerissen. Einerseits finde ich deine Idee, mit den Erwartungen zu spielen total super. Andererseits, stört es mich als Leser grundsätzlich, wenn ich ein ganzes Buch lang von einem Zustand X ausgehe und dann am Ende erfahre, das ist doch nicht so. Habe ich euch das mit der Haarfarbe in einem meiner Lieblingsbücher erzählt? 200 Seiten lang habe ich geglaubt, der Protagonist wäre blond und dann wird erwähnt, dass er braune Haare hat. Das hat mich gestört, weil mein inneres Bild nicht mehr stimmte. Ich denke, bei deinem Buch würde es mir ähnlich gehen, wobei ich jetzt mit diesem Post zugebe, dass ich bei Ole auch erstmal an einen Jungen denken würde. Und ich halte mich für offen, was dieses Thema angeht, also von dem her wäre es vielleicht gut.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Golden am 03. August 2015, 13:40:23
Im Grunde genommen setzt es den Leser ja auch aus der Geschichte heraus. Mit der Vorstellung eines "männlichen" Oles ergibt sich ja auch ein ganz anderes Bild für alle anderen Charaktere, die mit diesem beziehungsweise der Partnerin interagieren. Wenn dann später der "Ole" eine sie ist, verändert es ja auch nochmal grundlegend diese Personen, selbst wenn sie nur Nebencharaktere wären. Und nachträglich dann ein Gefühl zu bekommen, dass alle kein Problem mit Homosexuellen haben, wäre irgendwie auch schwer.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Thaliope am 03. August 2015, 14:08:32
Aber es gibt doch eine ganze Reihe Bücher/Flime, die genau von dem Reiz leben, dass man nach einer überraschenden Entdeckung am Ende die ganze Geschichte mit anderen Augen/in einer anderen Perspektive sieht. Und vielleicht Anzeichen oder Hinweise erkennt, die man vorher einfach überlesen hat. Ich find das Konzept spannend.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Golden am 03. August 2015, 14:27:34
Klar, wenn es funktioniert - war vielleicht einen Ticken vorschnell mit dem Schreiben. Fight Club war beim zweiten Mal anschauen echt witzig. Aber so wie ich Maja verstanden hatte, war das bei ihr eher ein absoluter Nebenstrang.

Vielleicht war mein letzter Beitrag bisschen übertrieben und zu verallgemeinert, aber bin mir nicht sicher, ob es bei dem von Maja beschriebenen Fall unbedingt funktioniert bzw. so wie sie möchte.

[EDIT: Wäre ja fast schon für einen eigenen Thread gut, wenn wir noch keinen hierzu haben.]
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Angela am 03. August 2015, 15:00:04
Bei einem Film habe ich in der Regel die Chance, die wahre Bedeutung einer Sache zu erkennen, was beim wiederholten Ansehen endgültig klar wird. (Mein Mann ist so einer, der oft exakt diese Stellen schon beim ersten Sehen mitbekommt. Der Spielverderber.)
Bei einem Buch müsste es auch so sein, sonst würde ich mich am Ende ganz arg veralbert vorkommen. Nur so, nun ist der Mann eine Frau, ätsch, das fände ich zu wenig und ärgerlich.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fianna am 03. August 2015, 22:02:26
Zitat von: Maja am 01. August 2015, 14:33:05
Ich glaube, das ist der Punkt, an dem wir grundlegend voneinander abweichen. Ich habe weibliche und nicht-heterosexuelle Figuren nicht, weil ich das für etwas Besonderes halte, sondern im Gegenteil, weil es für mich normal ist und ich mir wünsche, dass meine Leser das auch als etwas Normales wahrnehmen.
Mist, jetzt habe ich mich unklar ausgedrückt.

Ich meine damit nicht, dass ich das grundlegend als etwas Besonderes empfinde. Aber es ist schon ungewöhnlich in literarischen Subgenres, das auch entsprechend darzustellen. Ich habe z.B. vorher gesehen, was Bastei da so immer für Plots hat und da schien es nur heteros zu geben.
In den meisten literarischen Genres müssen es dann immer irgendwelche harten Konflikte sein, die heraus geholt werden im Zusammenhang mit LGTB-Figuren. Das will ich aber gerade nicht, weil ich keine LGTB-Literatur schreibe, sondern andere Subgenres (in dem Fall jetzt Thriller oder Krimi), und wenn ich da eine LGTB-Figur einbaue, dann ist die eben einfach so, ohne dass jetzt irgendwelche Konflikte ihrer Orientierung eine Rolle spielen. (Wobei, man könnte sich ja vor irgendeinem intoleraten Pack verstecken und dann zufällig in seiner dunklen Ecke Augenzeuge von etwas werden... Das wäre ein Beobachtungsposten eines Verbrechens, den man ansonsten nur schwer begründen könnte.... Aber ich schreibe doch grade keinen Krimi in unserer Welt, also raus aus meinem Kopf!)
Dann kann man mir natürliches "mangelndes Problembewusstsein" vorwerfen. Oder dass es "nur" eine Nebenfigur ist. Wie mans macht, macht mans falsch.


Das "besonders" war von mir in dem von Dir zitierten Abschnitt in rein literarischem Kontext gemeint: weil es in diesen Subgenres ungewöhnlich ist, das darzustellen. Hätte ich besser kennzeichnen sollen.

Andere Worte fielen mir da nicht ein, weil ich ansonsten "normal" als Synyonem für hetero hätte nehmen müssen, und das wollte ich nicht. Ich habe den Satz im Prinzip auf eine Weise angefangen (allgemein/gesellschaftlich), dann in rein literarischem Kontext weitergeführt und das war dann natürlich nicht ersichtlich, weil ich vergessen haben, es eindeutig dazu zu schreiben.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Moni am 04. August 2015, 09:45:58
Zitat von: Golden am 03. August 2015, 14:27:34
[EDIT: Wäre ja fast schon für einen eigenen Thread gut, wenn wir noch keinen hierzu haben.]

Es steht dir frei, einen Thread dazu aufzumachen.  ;D  (Soll heißen: husch, husch, mach mal, ich hab leider gerade keine Zeit  ;) ) In der Tat ein sehr interessantes Thema für den Workshop.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Golden am 04. August 2015, 13:37:59
Zitat von: Moni am 04. August 2015, 09:45:58
Es steht dir frei, einen Thread dazu aufzumachen.  ;D  (Soll heißen: husch, husch, mach mal, ich hab leider gerade keine Zeit  ;) ) In der Tat ein sehr interessantes Thema für den Workshop.
Habe ich frühestens heute Abend/Nacht oder morgen Zeit für. Kann ich aber machen. :)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: canis lupus niger am 24. Oktober 2017, 14:51:31
Hallo, zusammen, wenn es recht ist, hole ich diese interessante Diskussion aus aktuellem Anlass wieder ein bisschen nach oben. Ich musste nämlich Mitte Fünfzig werden, um die Maßstäbe meiner erzkonservativen Erziehung infrage zu stellen und nach echter (nicht nur intellektuell beschlossener) Aufgeschlossenheit im Zusammenhang mit sexueller Diversität zu streben.  ::) Das ist gar nicht so einfach, wisst Ihr? Aber den Anstoß dazu haben mir die entsprechenden Diskussionen hier im TiZi gegeben.

Also werde ich diese Diskussion nochmal rauf und runter durchlesen, weil ich gleichgeschlechtlichen Sex in meiner pseudomittelalterlichen Social Fantasy Reihe thematisieren möchte. In DEM Setting ist das natürlich echter Sprengstoff, bedenkt man die religiösen und sozialen Tabus, mit der Homosexualität (galt auch als "Sodomie"!) im Mittelalter belegt war, obwohl die homosexuellen Aktivitäten zwischen Angehörigen der Kirche kein rein heutiger Fakt sind.  :darth:

Argh, dadurch verschiebt sich der Schwerpunkt des dritten Bandes ganz gewaltig in diese Richtung. Aber das ist, glaube ich gar nicht schlecht, denn der bisherige Plotentwurf war ohnehin ziemlich farblos. Ich werde sehr viel fragen müssen, habe aber die Gewissheit, hier einfühlsame und bereitwillige Unterstützung zu finden. Einen bereitwilligen Helfer hab ich schon!  ;) Danke!
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: HauntingWitch am 27. Oktober 2017, 16:13:40
@canis lupus niger: Ich bin zwar noch etwas jünger (no offence), aber ich musste im Verlauf der letzten Jahre ähnliche Feststellungen bei mir machen. Es ist interessant und gleichzeitig auch ein bisschen verstörend, wie tief gewisse Vorstellungen aus der eigenen Erziehung tatsächlich sitzen. Aber seit ich hier im TiZi und auch in meinem Umfeld LGBT+-Leute kenne (und herausgefunden habe, dass ich mich auch selbst dazu zählen kann), weiss ich, dass es besser ist, einmal zu viel zu fragen als zu wenig und dann irgendeinen Nonsense rauszulassen. Also frag ruhig.  :knuddel:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Nolgar am 27. Oktober 2017, 19:22:57
Interessanter Thread. Ich habe auch einen bisexuellen Charakter in einem veröffentlichten Roman und denselben in einem noch unveröffentlichten. Anfangs fand ich es ein bisschen merkwürdig, darüber zu schreiben, zumal ich selbst hetero bin und deshalb keine entsprechenden Erfahrungen haben kann. Andererseits habe ich auch noch nie die Großen Alten beschworen oder bin in andere Dimensionen gereist, von daher also alles eine Frage der Gewohnheit  ;).
Die Bisexualität ist außerdem nicht Hauptthema der beiden Romane, ganz im Gegenteil, sie passte einfach zur Figur und erklärt ihre Beziehung zu anderen Figuren.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 27. Oktober 2017, 20:02:28
ZitatAndererseits habe ich auch noch nie die Großen Alten beschworen oder bin in andere Dimensionen gereist, von daher also alles eine Frage der Gewohnheit  ;).
Das war das, was mich dazu brachte, darüber zu schreiben. Wenn mir meine Charaktere über sich verraten, dass sie pansexuell sind, sind sie es halt.
Und dann spielt es keine Rolle mehr, ob ich die Erfahrung gemacht habe. Mit Recherche, einer Portion gesundem Menschenverstand und etwas Wissen darüber, was anatomisch nicht funktioniert, kriegt man auch die Sexszenen hin, die jenseits der eigenen Erfahrung liegen.
Ich kann mich ja auch in Römer*innen, Vampir*innen und Magier*innen hineinversetzen, letztere auch von einem anderen Planeten. Wieso soll ausgerechnet die Sexualität eine Hürde sein?
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: AlpakaAlex am 01. Februar 2019, 16:11:16
Das Thema ist für mich (als pansexuelle* Enby) durchaus ein wichtiges. Deswegen kommen - oh wunder - in meinen Geschichten immer massenhaft LGBTQ* Figuren vor.

In meiner Romanreihe ist die Protagonistin bisexuell und weint zu beginn gerade ihrer lesbischen Exfreundin hinterher (die in späteren Bänden auch noch einmal eine größere Rolle spielt). Auch im erweiterten Cast haben wir recht viel Diversität. So hat das Werwolfsrudel, das eine Zentrale Rolle in der Geschichte spielt, eine aroace Anführerin und ein vorkommender Werwolf in der Geschichte ist schwul (und zudem neurodivers). Auch unter den Magiern finden wir vor allem bi- und pansexuelle relativ häufig, haben sexuelle Innuendos doch in vielen magischen Ritualen eine größere Bedeutung.

Generell ist die magische Gesellschaft deutlich offener der Homosexualität und auch Transgender und anderen Dingen gegenüber. Magie ist halt ein großer ausgleichender Faktor, da Magie hier vieles kann. Es ist magisch zumindest für Lesben möglich von ihren Lebensgefährtinnen schwanger zu werden. Wobei das halt eben der große Faktor ist: Schwangerschaft. Denn das ist die eine Sache, die in meiner Welt oft von Mitgliedern der magischen Community erwartet wird. Sie müssen Kinder zeugen, damit die Community am Leben bleiben kann.

Was ich übrigens nicht mache, ist tiefgehend über Homophobie, Biphobie und dergleichen zu schreiben. Ich bin es einfach leid, dass es dahingehend so viel Kram gibt, dass in Geschichten immer LGBTQ* als etwas gesondertes und mit viel Leid dargestellt werden müssen. Das mag ich nicht sehen und ist als betroffene Person auch immer wirklich furchtbar. Man bekommt den Eindruck, man könne als LGBTQ* Person kein normales Leben führen. Deswegen schreibe ich über Charaktere, die ein (für das, was sie sind) normales Leben führen. Wenn sie leiden, liegt es nicht daran, dass sie LGBTQ* sind, sondern dass sie bspw. als Werwölfe großgezogen wurden. Und dieses Leid trifft die heterosexuellen Rudelmitglieder oft genau so, wie die anderen.

Allerdings bring ich am Rand ab und an Themen wie Bi-Erasure ein. Allerdings werden die nicht zum Anker für ein ganzes Drama-Lama.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Trippelschritt am 02. Februar 2019, 16:15:36
Oh Wunder,
dass ich hier Ähnlichkeiten finde, hätte ich bei meinem Ansatz nicht vermutet. Zwar habe ich nur brave Heteros (na ja fast), aber dafür ein paar Prozesse des Geschlechterwechsels, für die es biologische Vorlagen gibt. Bei den Drachen ist das auch ganz klar geregelt, sodass es keinerlei Prpblem gab und gibt. Aber durch ein paar Entscheidungen gibt es auch Halbdrachen mit einer zweiten Vernunftseite. Und die dadurch entstehenden Probleme sind für die Halbtiere völlig unerwartet und sehr verwirrend. Das wird mir jetzt erst so richtig klar. Da können nach Ausarbeitung noch ein paar interessantes Dinge entstehen.

Gimme 5
Trippelschritt
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Luna am 03. Februar 2019, 20:36:39
Ich muss zugeben, dass ich mich nicht allzusehr damit beschäftigt habe, wie man soetwas einbaut oder schreibt.
Der Grund ist recht einfach: Als betroffene möchte man einfach sein wesen normal ausleben, ohne dass andere das "abnormale" andauernd zu Gesicht bekommen, oder einen darauf ansprechen, oder dass es als etwas "besonderes" wahrgenommen wird.

"Betroffen sein" klingt jetzt erstmal schlimmer als es ist - man fühlt sich eigentlich relativ normal, abgesehen von kleinen inkongruenzen - aber wenn man in ein gewisses rollenbild gedrängt wird, weil das der "Norm" entspricht ...

Vielleicht kann ich das auch irgendwann einmal in einer Geschichte verarbeiten. Wenn ihr soetwas schreibt, dann denke ich kann man in den Details besonders viel über die Gesellschaft ablesen; mehr noch als über den Charakter selbst. Es ist nur ein Merkmal für die Figur, aber eines dass die umgebende Gesellschaft besonders genau beschreiben kann.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: PBard am 04. Februar 2019, 09:02:29
Zitat von: NelaNequin am 01. Februar 2019, 16:11:16Was ich übrigens nicht mache, ist tiefgehend über Homophobie, Biphobie und dergleichen zu schreiben. Ich bin es einfach leid, dass es dahingehend so viel Kram gibt, dass in Geschichten immer LGBTQ* als etwas gesondertes und mit viel Leid dargestellt werden müssen. Das mag ich nicht sehen und ist als betroffene Person auch immer wirklich furchtbar. Man bekommt den Eindruck, man könne als LGBTQ* Person kein normales Leben führen.

Zitat von: AngelFilia am 03. Februar 2019, 20:36:39Der Grund ist recht einfach: Als betroffene möchte man einfach sein wesen normal ausleben, ohne dass andere das "abnormale" andauernd zu Gesicht bekommen, oder einen darauf ansprechen, oder dass es als etwas "besonderes" wahrgenommen wird.

Ich finde, ihr sprecht da einen immens wichtigen Punkt an.

Es war unabdingbar, daß wir eine zeitlang vermehrt Bücher hatten, die sich intensiv mit den Problemen auseinandergesetzt haben. Du kannst ein Problem schließlich nicht angehen, wenn 95% der Bevölkerung gar nicht erkennen, daß es dieses Problem überhaupt gibt.

Aber gefühlsmäßig sind wir einfach längst schon an einem Punkt angekommen, wo das Ziel nicht mehr Aufmerksamkeit sein sollte, sondern eben Normalität. Ich roll ja inzwischen selbst schon mit den Augen, wenn mal wieder das nächste Machwerk mit "LOOK! WE HAVE GAY PEOPLE! SHOCKING!"-Tagline auf den Markt kommt. Wenn mal wieder der mahnende Zeigefinger erhoben und mit gestrenger Miene dem Leser aufgezeigt wird, daß er ein homophober Neo-Nazi ist, wenn er das achso besondere Transsexuell-Lesbische-Mobbing-und-Vergewaltigungs-Opfer nicht auf ein hohes Podest stellt.

Wirklich schön ist es, wenn in einer Geschichte einfach ganz normale Leute vorkommen, die ganz normal über ihre Partner sprechen, ganz normale zwischenmenschliche Probleme haben. Nur daß eben der Partner mal dasselbe Geschlecht hat, oder halt mal jemand früher ein anderes Geschlecht hatte, oder eben mal so und mal so ist - ohne das gleich zum zentralen Thema der Story oder zum großen Plot-Twist zu machen. Das funktioniert selbst dann, wenn in der Geschichte die Gesellschaft rundherum erzkonservativ und homophob ist, indem man einfach Gedanken und Verhalten dieser Charaktere als etwas völlig Normales darstellt.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Lothen am 20. Februar 2019, 11:11:53
Zitat von: PBard am 04. Februar 2019, 09:02:29
Wirklich schön ist es, wenn in einer Geschichte einfach ganz normale Leute vorkommen, die ganz normal über ihre Partner sprechen, ganz normale zwischenmenschliche Probleme haben. Nur daß eben der Partner mal dasselbe Geschlecht hat, oder halt mal jemand früher ein anderes Geschlecht hatte, oder eben mal so und mal so ist - ohne das gleich zum zentralen Thema der Story oder zum großen Plot-Twist zu machen.
Das sehe ich genauso - und da sehe ich auch die Chancen für Nicht-Betroffene, Diversität in ihren Geschichten Raum zu geben. Nämlich indem diverse Figuren nicht als Plothook oder zentraler Aufhänger fungieren, sondern einfach existieren. Ich schreibe gerne Geschichten mit queeren Figuren, aber ich möchte keine Geschichte "über Queerness" schreiben, das käme mir (als cis-hetero) doch seltsam vor.

Positiv ist mir das gerade bei "Zerrissene Erde" von N.K. Jemisin aufgefallen. Da gibt es eine Nebenfigur, die trans Frau ist. In einem Satz wird erwähnt, dass sie einen Penis hat, die Prota wundert sich kurz, aber dann ist das Thema abgehakt. Hat mir sehr gut gefallen.

Michelle Jansen hat das Thema in einem Blogartikel übrigens auch noch einmal sehr gut auf den Punkt gebracht, finde ich: Klick (https://stuermischeseiten.de/2019/01/16/own-voices-eine-bewegung-ein-diskurs-viele-narrativen/).
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: PBard am 21. Februar 2019, 07:45:15
Zitat von: Lothen am 20. Februar 2019, 11:11:53Michelle Jansen hat das Thema in einem Blogartikel übrigens auch noch einmal sehr gut auf den Punkt gebracht, finde ich: Klick (https://stuermischeseiten.de/2019/01/16/own-voices-eine-bewegung-ein-diskurs-viele-narrativen/).
Danke für den Link, sehr interessanter Artikel. :jau:

Wobei ich das auch ein wenig kritisch sehe.

In weiten Teilen seh ich vieles ja ähnlich, aber für mich fängt die Problematik bei Aussagen wie "Habe ich das Recht darüber zu schreiben" an. Denn das hat in meinen Augen mal prinzipiell jeder, und das ständige Herumreiten auf Spezialrechten für betroffene Personen macht mir als eben solche das Leben in letzter Zeit ziemlich schwer.

Nach meiner Selbstfindung war ich persönlich nie "in the closet", wer mich auf die Punkte angesprochen hat, in denen ich von "der Norm" abweiche, der hat immer schon eine offene und ehrliche Antwort bekommen. Das hat früher oft erst einmal zu einem Themenwechsel geführt, manchmal zu interessierten Nachfragen, selten zu "Oh, du auch!"-Bekundungen. Direkte Abneigung und Diskriminierung waren da tatsächlich sehr, sehr selten.

(Die Diskriminierung kam in anderen Situationen, aber das wär jetzt zu offtopic.)

Heutzutage gehen die Standardantworten aber leider oft in Richtung "Shit, wieder so'n scheiß SJW", "Lustig, wie viele Leute plötzlich was Besonderes sein wollen, seit Heteros nicht mehr in sind" oder (für mich das Schlimmste) "Toll, jetzt darf ich also jedes Wort dreimal im Mund herumdrehen, nur um bloß nicht dein zartes Seelchen zu verletzen?".

Wir haben meiner Meinung nach einen Punkt erreicht, wo wir durch mahnende Finger und das Pochen auf Rechten, die "normalen Leuten" verwehrt bleiben sollten, das Gegenteil unserer einstigen Ziele erreichen. Der Artikel fängt in der Hinsicht ja auch sehr gut an, versucht auch immer wieder ansatzweise, eher in Richtung Bitte zu gehen - aber hätte vermutlich ein wesentlich höheres Überzeugungspotenzial erreicht, wenn er konstant bei diesem Tenor geblieben wäre.

Da draußen sind jede Menge Leute, die uns gegenüber prinzipiell positiv eingestellt wären, die durchaus zu einem Umdenken bereit wären, die aber langsam die Schnauze voll haben von der ständigen Umkehrdiskriminierung. Sätze wie "Habe ich das Recht darauf" lösen genau diese unerwünschte Abwehrhaltung aus, von der weiter unten die Rede ist.

Prinzipiell hat jeder das Recht zu schreiben, worüber er will - und ich habe das Recht, es nicht zu lesen. Schön wäre natürlich, wenn bei solchen Geschichten ausdrücklich dabeistehen würde, ob sie aus eigener Erfahrung geschrieben wurden (wobei: wenn es NICHT ausdrücklich dabei steht, kann man im Normalfall ohnehin davon ausgehen, daß sie von einem Nichtbetroffenen geschrieben wurden).

Aber ich falle da vermutlich einfach generell aus der Rolle, ich denke nämlich ... *bedeutungsschwangere Pause* ... daß die Welt auch keine neuen Bücher "über Queerness" von Betroffenen braucht. *entsetzte Stille breitet sich im Raum aus* ;D

Wie gesagt, meiner Meinung nach brauchen wir in der heutigen Zeit vor allem Normalität. Ich will nicht schon wieder den nächsten Schocker über Diskriminierung lesen, ich will mich auch nicht mit einer Figur identifizieren, weil sie "meine Probleme" teilt, und mich interessiert keine Aufarbeitung, weil mir diese zum Hals raushängt. Ich will keine Extra-Mascherl, keine Extra-Rechte, kein Rampenlicht und keine Schreibverträge, weil ich einer diskriminierten Minderheit angehöre. Und ganz sicher will ich nicht ständig in eine Opferrolle gedrängt und von den "Normalen" getrennt werden.

Ich will Normalität, ich will einfach als Personen gesehen werden - und ich will, daß queere Figuren in Geschichten einfach als Personen gesehen werden. Von daher würde ich mir wünschen, daß auch - nein, gerade - andere Betroffene normale Bücher schreiben, bei denen Andersartigkeit und Diskriminierung gerne auch mal thematisiert werden, aber eben NICHT im Mittelpunkt stehen. Was bringt mir ein "Own-Voice"-Buch, in dem immer wieder auf Diskriminierung herumgeritten wird - wenn ich stattdessen ein Buch lesen könnte, in dem mir vom Autor vermittelt wird: "Das ist ganz normal. DU bist ganz normal."
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Yamuri am 21. Februar 2019, 08:09:03
Was ich mich manchmal frage ist. Weshalb machen wir einen so großen Unterschied? Über Drachen, Orks, magische Wesen, über Außerirdische, Weltraumreisen etc. schreibt jeder ohne sich die Frage zu stellen: darf ich das obwohl ich es nie erlebt habe? Märchen/Sagen/Mythen berichten uns von fantastischen Geschichten, die der Fantasie der Schreiber entsprungen sind.

Nur weil jemand ein reales Thema aufgreift, darf er es plötzlich nicht mehr? Woher kommt das? Warum darf ein Nicht-Betroffener sich ein Thema nicht genauso zu Herzen nehmen wie ein Betroffener? Es wird quasi implizit unterstellt, wenn man nicht betroffen sei, könne man sich dafür gar nicht interessieren, dann dürfe einem das Thema auch nicht nahe gehen, man dürfe weder Interesse daran haben, noch anderweitig sich damit befassen. Genau dadurch entstehen aber Vorurteile. Wenn ich mich mit dem Thema nicht auseinandersetzen darf, weil ich bin ja nicht betroffen, wenn ich es nicht thematisieren darf, dann führt das zu mehr Unwissen gegenüber dem Thema und damit wird das Thema auch befremdlicher. Insofern finde ich es sogar wichtig, dass Leute, die es eben nicht betrifft sich auch damit auseinander setzen, die es thematisieren und damit für sich erschließen. Das erzeugt eine Nähe zwischen den Nicht Betroffenen und den Betroffenen aus der gegenseitiges Verständnis für das Gegenüber erwachsen kann und damit der Entstehung von Vorurteilen entgegen gewirkt werden kann, besonders dann wenn es eben ernsthaft betrieben wird.

@PBard: Was du in einem letzten Absatz ansprichst finde ich super. Ich mag Diversität und bringe es ganz bewusst in meine Texte ein (habe bisher aber nur einmal vier Kurzgeschichten im Rahmen einer Anthologie rausgebracht). Bei mir wird das Thema selbst nicht im Vordergrund stehen. Es wird einfach so sein, dass es Diversität gibt und dieses auch als Normal angesehen wird. In einem Projekt habe ich zwar ein wenig das Thema Vorurteile drin, die dann aber abgebaut werden und letztlich nicht das Hauptthema sind. Ich finde auch, dass es mehr solche Bücher geben sollte wie du es ansprichst, wobei ich beim Thema LGBT wohl selbst zu den Betroffenen zähle, auch wenn ich damit nicht hausieren gehe. Ich bin da einfach ganz bei dir, warum können wir alle uns nicht einfach als Menschen sehen und unsere Unterschiedlichkeit als Zeichen der Vielfalt in der Natur betrachten, die das Leben spannender und interessanter macht. :)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 21. Februar 2019, 08:29:09
Was ich außerdem problematisch finde, ist, dass man quasi gezwungen wird, sich zu outen, um sich zu legitimieren. "Ich bin Own Voice, weil ich (hier Buchstaben einfügen) bin!" macht mir Bauchschmerzen.
Ich will lieber selbst entscheiden, wem ich wann und wie sage, wo ich in der Buchstabensuppe schwimme, als dazu gezwungen zu werden, weil ich zufällig cis bin und ein perfektes Passing als Hetero habe.

Mit Fingerspitzengefühl, Recherche und gesundem Menschenverstand sollte man als Autor*in doch alles schreiben können.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Tintenteufel am 21. Februar 2019, 08:37:40
Ich misch mich mal ein, weil ich die nächsten neun Stunden im Bus sitze, aber nur das Handy dabei habe.

Ehrlich gesagt verstehe ich das Problem nicht.
D.h. ich verstehe nicht, wieso ich Diversität in meinen Geschichten Raum geben sollte. Weder interessiert mich das Thema inhaltlich besonders (hat wenig mit Ablehnung zu tun, mich interessiert Kunst über "Issues" einfach nicht, egal ob es um Diversität, Klimawandel oder ähnliches geht) noch habe ich überzeugende Argumente gehört, wieso es mich als Schriftsteller strukturell anzugehen hätte. (Als Schriftsteller, nicht als Mensch, ich bitte das zu beachten.)

Dann wieder fühle ich mich zwischen Hammer und Amboss gefangen.
Einerseits wird mehr Repräsentation gefordert - oder Präsentation, ich möchte mich nicht an dem Wort aufhängen - und andererseits wird mir per Own Voice oft signalisiert, dass ich keine Ahnung habe und das Thema denen überlassen sollte, die etwas davon verstehen. Ich finde das an sich okay, ich bin weiß, männlich, hetero und Mitteleuropäer, die Welt dreht sich schon genug um mich.

Von daher ist meine persönliche Lösung schlicht, das Thema gar nicht erst anzugehen. Meine Charaktere sind allesamt entweder asexuell und verdorben oder omnisexuell und verdorben. Sexualität und Identität sind zwar Themen für mich, die kann ich aber auch behandeln, ohne LGBTQ+ Charaktere als Sprachrohr zu benutzen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Coppelia am 21. Februar 2019, 08:39:16
Ich muss mich da @Yamuri und @Evanesca Feuerblut anschließen.

Wenn man zu den Betroffenen gehört, ist es auch dann nur möglich, genau die Art von Betroffensein zu literarisieren, die man selbst erlebt hat, oder wird einem dann zugetraut, sich auch in andere Arten des Betroffenseins hineinzuversetzen? Wenn ja/nein, wer entscheidet darüber?

Und wer überprüft, ob ein*e Autor*in jetzt überhaupt betroffen ist oder ausreichend oder in der "richtigen" Weise? Im Internet lässt sich ja viel behaupten. Und auch ich würde persönliche Dinge lieber für mich behalten.

Was ich in dem Blogartikel ebenfalls nicht nachvollziehen kann, ist das Argument, dass die Betroffenen quasi zum Verstummen gebracht werden, wenn nicht Betroffene (auch) etwas zu dem Thema schreiben. Wieso das denn? Ok, bei einem Buch kann man nicht "dazwischen reden", aber es gibt viele Möglichkeiten, Diskussionen zu führen, wenn ein Buchinhalt nicht zur Zufriedenheit ausfällt.
Das Argument, dass die Stimme der Betroffenen in dem einen Text nicht laut wird, weil der Text von einer nicht betroffenen Person stammt, verstehe ich natürlich. Aber das bedeutet doch nicht, dass das für die gesamte Diskussion, für sämtliche existenten Texte zutrifft.

Ich schreibe auch ehrlich gesagt einfach für jede Person, der meine Geschichten gefallen, nicht explizit für Betroffene oder nicht Betroffene. Natürlich mache ich mir meine Gedanken, wie das ankommt, was ich schreibe, recherchiere u. ä. Erlebt habe ich schon einiges - auch die Reaktion, dass bei der Darstellung von Selbstverständlichkeit von einer betroffenen Person beanstandet wurde, das sei in einem Fantasy-Setting unrealistisch und die Figuren sollten doch besser diskriminiert werden (das Projekt war Highland Quest). Aber auch die Reaktion einer anderen betroffenen Person, die die Darstellung des Antagonisten und der Diversität in "Talvars Schuld" besonders gut fand.

Ich kann nur sagen, ich tue mein Bestes, aber vermutlich werde ich nie jede*n zufriedenstellen können. Wenn irgendwas nicht hinhaut, gern immer Bescheid sagen. Ich glaube, wichtig ist es, nicht in Klischees zu verfallen, keine "Rezepte" anzuwenden, sondern immer aufmerksam und sensibel das einzelne Buch/Figur zu betrachten, an dem man gerade arbeitet. Womit ich nicht sagen will, dass man damit nicht auch mal daneben liegen kann.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Nebula am 21. Februar 2019, 09:11:35
Zitat von: Tintenteufel am 21. Februar 2019, 08:37:40
Von daher ist meine persönliche Lösung schlicht, das Thema gar nicht erst anzugehen.

Ich finde, das ist die richtige Lösung.

Ich finde auch, es ist nicht gut, dass einige Leser die Autoren am liebsten zwingen würden Diversität in den verschiedensten Formen in ihre Geschichten einzubauen oder ihnen Vorwürfe machen, wenn sie es nicht tun. Meiner Meinung nach ist es schädlich für die Bewegung der Gleichberechtigung, wenn ein Haufen Autoren schlecht geschriebene, sich gezwungen anfühlende oder gar vollkommen klischeehafte LGBT-Charaktere hinzufügen, nur um die Quote zu erfüllen. Da bekommt die Allgemeinheit ein schlechteres Bild, als wenn es einen kleineren Prozentsatz gut geschriebener, realistischer Charaktere gäbe.

Von daher denke ich, wer diese Themen/Charaktere in seine Geschichten einbauen möchte, soll es tun, egal ob er persönliche Erfahrung hat oder nicht. Wer nicht, soll es lassen und schreiben, was er möchte. Am besten ist es immer, wenn sich das Geschriebene ganz natürlich anfühlt. :)

Als mixed-raced child ist es für mich zum Beispiel ganz natürlich Charaktere der unterschiedlichsten Ethnien und Hautfarben einzubauen, von Transsexualität dagegen verstehe ich nicht viel, also zwinge ich mich nicht selbst dazu das einzubauen. Dafür wird es irgendwo einen anderen Autoren geben, der sich genau dieses Thema auf die Fahnen geschrieben hat. Deswegen denke ich, es ist am besten diese Themen als Autor nur anzugehen, wenn man sich wirklich ernsthaft dafür interessiert oder eine Botschaft rüberbringen will, nicht nur um die unsichtbare Quote zu erfüllen, damit einem ein Leser am Ende auch wirklich keine Vorwürfe machen kann.

Und wie bei so vielen Themen, wird es glaube ich immer irgendwen geben, der sich am Ende aufregt, egal wie man es macht. :D Von daher würde ich mich nicht einschüchtern lassen über ein Thema auch ohne Eigenerfahrung zu schreiben. Gute Recherche ist da natürlich immer von Vorteil!
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Trippelschritt am 21. Februar 2019, 09:22:50
Leser, die gerne diese Art der Diversität in Romanen wiederfinden möchten, sollen ihre Geschichten selber schreiben. Ein Autor hat immer die Freiheit, über das zu schreiben, was ihm am Herzen liegt, und muss nicht über das schreiben, was anderen am Herzen liegt. Er muss ja auch mit den Konsequenzen (Verkaufszahlen etc.) leben. Und wenn ihm jemand mangelnde Quotentreue vorwirft, kann er immer noch sagen, dass Quotentreue nicht sein Thema ist.

Und wenn doch jemand darüber schreiben möchte, ohne dafür kompetent zu sein, dann kann er immer noch ein Fantasy-Setting wählen, das die Ransdbedingungen besitzt, die dem Autor gefallen und in denen er sich wohlfühlt.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: jokergirl am 21. Februar 2019, 09:39:54
Zitat von: Yamuri am 21. Februar 2019, 08:09:03
Was ich mich manchmal frage ist. Weshalb machen wir einen so großen Unterschied? Über Drachen, Orks, magische Wesen, über Außerirdische, Weltraumreisen etc. schreibt jeder ohne sich die Frage zu stellen: darf ich das obwohl ich es nie erlebt habe? Märchen/Sagen/Mythen berichten uns von fantastischen Geschichten, die der Fantasie der Schreiber entsprungen sind.

Nur weil jemand ein reales Thema aufgreift, darf er es plötzlich nicht mehr? Woher kommt das? Warum darf ein Nicht-Betroffener sich ein Thema nicht genauso zu Herzen nehmen wie ein Betroffener? Es wird quasi implizit unterstellt, wenn man nicht betroffen sei, könne man sich dafür gar nicht interessieren, dann dürfe einem das Thema auch nicht nahe gehen, man dürfe weder Interesse daran haben, noch anderweitig sich damit befassen. Genau dadurch entstehen aber Vorurteile. Wenn ich mich mit dem Thema nicht auseinandersetzen darf, weil ich bin ja nicht betroffen, wenn ich es nicht thematisieren darf, dann führt das zu mehr Unwissen gegenüber dem Thema und damit wird das Thema auch befremdlicher. Insofern finde ich es sogar wichtig, dass Leute, die es eben nicht betrifft sich auch damit auseinander setzen, die es thematisieren und damit für sich erschließen. Das erzeugt eine Nähe zwischen den Nicht Betroffenen und den Betroffenen aus der gegenseitiges Verständnis für das Gegenüber erwachsen kann und damit der Entstehung von Vorurteilen entgegen gewirkt werden kann, besonders dann wenn es eben ernsthaft betrieben wird.

@PBard: Was du in einem letzten Absatz ansprichst finde ich super. Ich mag Diversität und bringe es ganz bewusst in meine Texte ein (habe bisher aber nur einmal vier Kurzgeschichten im Rahmen einer Anthologie rausgebracht). Bei mir wird das Thema selbst nicht im Vordergrund stehen. Es wird einfach so sein, dass es Diversität gibt und dieses auch als Normal angesehen wird. In einem Projekt habe ich zwar ein wenig das Thema Vorurteile drin, die dann aber abgebaut werden und letztlich nicht das Hauptthema sind. Ich finde auch, dass es mehr solche Bücher geben sollte wie du es ansprichst, wobei ich beim Thema LGBT wohl selbst zu den Betroffenen zähle, auch wenn ich damit nicht hausieren gehe. Ich bin da einfach ganz bei dir, warum können wir alle uns nicht einfach als Menschen sehen und unsere Unterschiedlichkeit als Zeichen der Vielfalt in der Natur betrachten, die das Leben spannender und interessanter macht. :)

Du sprichst mir da aus dem Herzen, Yamuri. Wenn ich mich in eine Elfe oder einen Ork hineindenken kann, warum dann nicht in jemanden, der ein anderes Geschlecht/eine andere Hautfarbe/eine andere Sexualität als ich hat?

Natürlich verstehe ich das Problem, das Minderheiten oft haben, überhaupt verlegt zu werden, und wenn, dann nicht als Autor von "Geschichten", sondern immer von "Minderheits-Genre-Geschichten". Und natürlich will ich, dass im Zweifelsfall statt meiner Geschichte lieber die eines Autors einer Minderheit, die mehr gefördert werden muss, genommen wird. (Im Idealfall natürlich beide... :D)

Aber ich will mir nicht das Recht absprechen lassen, als intelligente Person meine eigene Recherche machen zu können und meine Schreibkünste an mir unvertrauten Szenen anzuwenden. Und es kann doch nicht schlimm sein, generell mehr Diversität einzubauen, egal, ob die Autorenlandschaft jetzt mittlerweile schon divers ist oder nicht?
Es ist ja schon schlimm genug, dass Frauen oft in die Genre-Ecke verbannt werden. Wir Minderheiten müssen uns doch nicht auch noch gegenseitig das Wasser abgraben, oder?
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Lothen am 21. Februar 2019, 09:45:09
@Tintenteufel : Du solltest wirklich in den Artikel von Michelle reinlesen, den ich oben verlinkt habe, der nimmt sich nämlich vieler deiner Fragen an.

Zitat von: JokergirlWenn ich mich in eine Elfe oder einen Ork hineindenken kann, warum dann nicht in jemanden, der ein anders Geschlecht/eine andere Hautfarbe/eine andere Sexualität als ich hat?
Der Unterschied ist schlichtweg der: Einer Elfe wirst du nie begegnen. ;) Die wird dir nicht sagen können: "Ey, da hast du mich aber total klischeehaft, stereotyp oder problematisch dargestellt." Bei einer queeren Person z.B. kann das sehr wohl passieren. Ich habe zu dem Thema zuletzt viel recherchiert und es gibt eine ganze Reihe Studien, die zeigen, dass klischeehafte oder negative Darstellung von Personengruppen in Medien (Büchern, Filmen, Serien) auch negative Auswirkungen auf das reale Leben haben kann. Wer mehr negative Klischees konsumiert, der ist auch eher bereit, diese Klischees zu glauben (z.B. vom "tuckigen Schwulen"). Bei Elfen und Orks ist das nicht dramatisch, da ist man vielleicht genervt von bestimmten Klischees, aber sie haben keine Auswirkungen aufs reale Leben.

Was ich an der Diskussion immer nicht verstehe ist: Wie kommt es, dass auf die Aussage "ich wünsche mir mehr Diversität in Büchern" so viele Leute das Gefühl haben, sie würden zu irgendetwas gezwungen? Ehrlich, ich versteh's nicht.

Diversität ist doch großartig. Sind wir nicht genau deswegen Autor*innen geworden, um über vielfältige Dinge zu schreiben und nicht immer nur über dasselbe? Diversität existiert, sie ist ein realer Bestandteil unserer Welt. LGBTQ-Menschen existieren, nicht-weiße Menschen existieren. Ist es wirklich so schwer nachzuvollziehen, dass auch diese Leute in Büchern repräsentiert sein wollen? Dass sie nicht das Gefühl haben wollen, in der Literatur quasi nicht zu existieren oder maximal Randerscheinungen in "Problembüchern" zu sein?

Natürlich kann und darf jede*r schreiben worüber er*sie will und ich stimme absolut zu, dass eine erzwungen eingefügte Figur, die nur da ist, um sich ein Diversity-Fleißbildchen abzuholen, kein guter Weg ist.

Aber ehrlich, Schreiben hat doch auch immer mit Lernen und Weiterentwicklung zu tun. Als ich angefangen habe, "professionell" zu schreiben, hatte ich auch keine Ahnung von Plotmodellen oder Spannungskurven und empfand es als wahnsinnig anstrengend, mich mit solchen Themen zu befassen. Trotzdem habe ich mir alles irgendwann angeeignet, weil ich bemerkt habe, dass es die Geschichte bereichert. Mit diversen Figuren ist es dasselbe. Ich finde, dass meine Geschichten 100 % an Qualität gewonnen haben, seit ich bewusst auf dieses Thema achte, weil die Figuren vielfältiger geworden sind, die Welt bunter, die Geschichten facettenreicher.

Ich habe für mich entschieden, dass ich Themen, mit denen ich gar keine Berührpukte habe, lieber ausklammern möchte. Ich möchte nicht über Coming-Out schreiben, über alltägliche Rassismuserfahrungen oder über das Leben als trans Person, weil ich nicht das Gefühl habe, diese Geschichte glaubwürdig erzählen zu können, egal, wie gut ich recherchiere (das selbe gilt aber auch für einen realistischen Thriller aus dem Hacker-Milieu - ich habe davon schlichtweg keine Ahnung). Abgesehen davon würde ich als Leser*in bei solchen Themen IMMER auch selbst zu Büchern greifen wollen, an denen Betroffene selbst beteiligt waren, weil ich das persönlich als authentischer empfinde - von daher ergibt es für mich wenig Sinn das selber zu schreiben.

Was ich aber durchaus gerne tue, ist, solche Themen zu abstrahieren und z.B. in Fantasy-Welten zu spiegeln.

Zitat von: CoppeliaIch glaube, wichtig ist es, nicht in Klischees zu verfallen, keine "Rezepte" anzuwenden, sondern immer aufmerksam und sensibel das einzelne Buch/Figur zu betrachten, an dem man gerade arbeitet. Womit ich nicht sagen will, dass man damit nicht auch mal daneben liegen kann.
Da stimme ich Coppi voll und ganz zu. Man kann das Risiko, einen Fehler zu machen, minimieren, aber allen wird man es nie recht machen. Trotzdem fände ich es sehr schade, ungewöhnliche Wege nicht zu gehen, nur, weil sich "vielleicht jemand daran stören" könnte.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: jokergirl am 21. Februar 2019, 10:02:23
Absolut, da stimme ich dir komplett zu. Meine Elfen erfinde ich selbst, aber bei realen Menschen will ich keine Klischees schreiben. Aber Klischees kommen von Unwissen. Ich würde ja auch nicht über einen Rauchfangkehrer schreiben, wenn ich keine Ahnung von dem Metier habe, weil sonst so was wie bei Mary Poppins rauskommen würde...

Ich will primär lebendige Welten schreiben. Wenn aber "lebendige Welt" mittlerweile mehr als "heteronormativ" bedeutet, dann sollten meine Welten das auch reflektieren. Und auch bei Fantasy. Die Welt der Vergangenheit war oft um einiges bunter und lebendiger, als die prüden Geschichtsschreiber aufgezeichnet haben. Wenn ich heute Freunde habe, die trans, mixed race, Immigranten, queer etc. sind (und ich gehöre ein paar der Gruppen selbst an), dann will ich solche Menschen auch in meine Geschichten schreiben dürfen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Lothen am 21. Februar 2019, 10:13:29
Bin da ganz bei dir, @jokergirl.

ZitatUnd auch bei Fantasy. Die Welt der Vergangenheit war oft um einiges bunter und lebendiger, als die prüden Geschichtsschreiber aufgezeichnet haben. Wenn ich heute Freunde habe, die trans, mixed race, Immigranten, queer etc. sind (und ich gehöre ein paar der Gruppen selbst an), dann will ich solche Menschen auch in meine Geschichten schreiben dürfen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dir das jemand absprechen will, im Gegenteil. Die meisten queeren Menschen, die ich kenne, wünschen sich genau das, dass Queerness einfach existiert und - gerade in der Fantasy - nicht zum zentralen Problem wird, sondern halt einfach ... da ist. ;) Wie du schon sagst, warum sollte eine Fantasy-Welt zwingend heteronormativ sein, nur, weil unsere das ist?

Ehrlich, mein großer Wunsch ist ja der, dass wir irgendwann ganz selbstverständlich queere Figuren in allen literarischen Gattungen haben. Eine lesbische Kommissarin im Thriller, einen schwulen Space Marine in der Science Fiction, einen gender-fluiden Werwolf in Urban Fantasy usw. Das kann man auch als nicht-queerer Mensch hervorragend erzählen, mit etwas Fingerspitzengefühl, guten Sensitivity-Leser*innen und Recherche. Schwieriger wird es da, wo man wirklich tief in den Erfahrungsschatz queerer Menschen eintaucht. Von daher würde ich Geschichten "über Queerness" (wie erlebt man ein Coming Out, wie empfinden trans Menschen eine Geschlechtsangleichung etc.) lieber den Expert*innen überlassen. Aber das heißt ja nicht, dass man nicht trotzdem inklusiv schreiben und diversen Figuren Raum geben kann (so wie Pbard das weiter oben schon schrieb).
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Alana am 21. Februar 2019, 10:24:21
Das Thema kommt mir wie gerufen, da das hier ein öffentlicher Thread ist, kann ich leider nicht genauer sagen, warum, aber ich beschäftige mich auch gerade intensiv mit dem Thema, ob ich als nicht betroffene Person ein Buch schreiben sollte, das mit dem Thema Alltagsrassismus zu tun hat.

Zunächst mal, was generell Diversität angeht: Jeder sollte sie schreiben. Jeder sollte in seinen Büchern queere Figuren haben, oder Figuren mit anderer Hautfarbe etc. Es gibt für mich keinen Grund, das nicht zu tun, aber sehr viele dafür. Ich verstehe auch nicht, dass man sagt: ich kenne mich nicht aus, also lasse ich es bleiben. Dann gehe ich eben hin und mache mich schlau. Das ist Teil unseres Jobs. Aus reiner Bequemlichkeit eine Welt ohne Diversität zu schreiben, finde ich einfach falsch. Natürlich kann das jeder für sich selbst entscheiden, aber das ist meine Meinung.

Etwas schwieriger wird das ganze, wenn ich als nicht betroffene Person eine queere Hauptfigur schreiben möchte oder eine WoC zum Beispiel. Sollte ich das tun? Oder das lieber Own Voice Autoren überlassen? Natürlich wünsche ich mir auch als Leser, dass mehr Own Voice Autoren zum Zug kommen. Aber bedeutet das, dass wir anderen jetzt solche Themen ausklammern sollen? Wem würde das helfen? Aus der LGBTQ+ Community gibt es gleich viele Stimmen dafür wie dagegen. Die einen freuen sich über jede Repräsentation, die gut gemacht ist. Die anderen sind absolut dagegen und wollen nur Own Voice.

Aber als Autor schreibe ich immer über Sachen, die mich nicht betreffen. Ich habe noch nie eine Herztransplantation gehabt, trotzdem habe ich ein Buch dazu geschrieben und ich habe unzählige Mails von Betroffenen erhalten, die sich gefreut haben, dass jemand das Thema endlich mal wirklich realistisch dargestellt hat. Natürlich ist mir klar, dass es aber Themen gibt, bei denen man es sich nicht so einfach machen kann und sagen: ich schreibe aber immer über Dinge, die ich nicht selbst erlebt habe. Weil da einfach noch viel mehr reinspielt.

Letzendlich muss das jeder von uns selbst entscheiden. Man wird es nicht allen recht machen können. Es wird Leute geben, die sich daran stören, dass ich als Weiße eine WoC als Protagonistin schreibe. Selbst, wenn ich Testleser aus der Community habe und es tatsächlich schaffe, alle Fallen zu umschiffen, wird es Leute geben, die sich daran stören. Das muss mir klar sein und das muss ich aushalten. Aber ehrlich, die Menschen, die ich damit repräsentieren möchte, und die das auch gerne wollen, die müssen tagtäglich so viel mehr aushalten. Ist es also wirklich richtig, aus Angst vor den anderen nicht für die zu schreiben, die es sich wünschen?

Ich glaube, die Frage, die ich mir persönlich dabei stelle ist: wird mein Text die Chance haben, etwas positives zu bewirken? Oder ist die Gefahr größer, dass ich die Lage verschlechtere?

ZitatIch habe für mich entschieden, dass ich Themen, mit denen ich gar keine Berührpukte habe, lieber ausklammern möchte.

Dem stimme ich zu. Ich würde solche Themen auch lieber Own Voice Autoren überlassen. Mit dem Alltagsrassismus ist das allerdings ein Problem, denn wenn ich eine queere Hauptfigur oder eine PoC schreibe, dann muss Alltagsrassismus nicht das Hauptthema sein, aber ihn komplett wegzulassen, zumindest, wenn das Buch in unserer Realität spielt, verzerrt das Bild und ist in meinen Augen auch nicht richtig.

Ich habe ein Buch, in dem solche Themen aufgrund des Settings wirklich keine Rolle spielen. Dieses Buch werde ich definitiv schreiben, weil ich es auch wichtig finde, mehr Bücher zu haben, in denen queere Figuren kommentarlos Hauptrollen spielen. In denen es eben nicht ums Coming Out geht oder um sonstige Alltagsthemen. Bei dem zweiten Buch bin ich mir immer noch nicht sicher, was ich machen soll. Ich möchte diese Hauptfigur gerne so haben, aber dann muss ich auch ihren Kampf gegen den Alltagsrassismus darstellen, weil das für ihre Entwicklung eine Rolle spielt.

Ich habe letztens auf Twitter einen Tweet gelesen, den ich jetzt leider nur noch sehr sinngemäß wiedergeben kann:

Habt bitte keine Angst, über bestimmte Themen zu schreiben, weil ihr keine Own Voice seid. Ja, es wird Leute geben, die das stört, aber es wäre schade, wenn ihr euch deswegen davon abhalten lasst. Sucht euch lieber entsprechende Testleser, die euch helfen, und traut euch dann.

An diesen Tweet muss ich oft denken und er macht mir Mut, mein Buch trotzdem zu schreiben. Aber ich werde noch eine Weile darüber nachdenken. Ein bisschen Zeit ist noch.


Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Lothen am 21. Februar 2019, 10:34:02
Standing ovations für deinen Beitrag, Alana, ich möchte ich tausendmal unterschreiben  :pompom: :pompom: :pompom:

(ich habe gerade ernsthaft den RT-Button gesucht, ich verbringe zu viel Zeit auf Twitter ...)

ZitatIch habe letztens auf Twitter einen Tweet gelesen, den ich jetzt leider nur noch sehr sinngemäß wiedergeben kann
Könnte es sein, dass du diesen Tweet gemeint hast? Klick (Link zu Twitter) (https://twitter.com/VictoriaLinnea1/status/1042028390155472896)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Alana am 21. Februar 2019, 10:41:53
Ja, der war es. Danke.  :vibes:

Zitatich habe gerade ernsthaft den RT-Button gesucht, ich verbringe zu viel Zeit auf Twitter

Haha, das geht mir auch oft so. Ich will hier immer Beiträge liken und finde dann den Button nicht.  ;D
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Coppelia am 21. Februar 2019, 10:55:23
Das war echt mal wieder ein super Beitrag, @Alana - mich ermutigt er auch, weiterzumachen. Ich war schon wieder extrem am Zweifeln, ob ich so fortfahren kann wie bisher. Ich bin ja auch so konfliktscheu und würde es am liebsten jedem Menschen auf der Welt recht machen - und trotzdem das schreiben, was mir wirklich wichtig ist. Dass das nicht geht (relativ egal in Bezug auf welches Thema und welche Art Text) ist natürlich klar. Und man muss irgendwie "seinen" Weg erkennen und verfolgen. Wobei es natürlich auch wichtig ist, offen und gegebenenfalls flexibel zu sein.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 21. Februar 2019, 10:59:16
ZitatDiversität ist doch großartig. Sind wir nicht genau deswegen Autor*innen geworden, um über vielfältige Dinge zu schreiben und nicht immer nur über dasselbe? Diversität existiert, sie ist ein realer Bestandteil unserer Welt. LGBTQ-Menschen existieren, nicht-weiße Menschen existieren. Ist es wirklich so schwer nachzuvollziehen, dass auch diese Leute in Büchern repräsentiert sein wollen? Dass sie nicht das Gefühl haben wollen, in der Literatur quasi nicht zu existieren oder maximal Randerscheinungen in "Problembüchern" zu sein?
Das. Eine Tintenzirklerin hat in ihrem Romanthread beiläufig geschrieben: "Figur xy hat nämlich Sexualität soundso" und ich habe angefangen zu weinen. Eine Reaktion, die mich selbst vollkommen überfordert hat, aber ... da wird meine Orientierung ganz selbstverständlich genannt, nicht für nicht-existent erklärt, und es gibt sogar eine Romanfigur, die ich recht cool finde, die das hat. Ich habe also vor schierer Freude und Dankbarkeit erstmal eine Runde geheult.
Ich habe ihr persönlich geschrieben und mich dafür bedankt. Aber ich will nicht jedes Mal vor Dankbarkeit heulen, dass meine Identität als valide anerkannt wird, sondern ganz normale Geschichten lesen, in denen Menschen wie ich vorkommen.

Ich kann nur für mich sprechen, aber meine Geschichten waren auf unbewusster Ebene schon immer divers, nur habe ich es nicht bemerkt, weil ich in einer sehr queerfeindlichen Familie großgeworden bin und in einem sehr heteronormativen Umfeld. Ich lernte eigentlich erst seit meinem Auszug von zu Hause, dass es mehr gibt als "schwul, lesbisch, bi", dass es Unterschiede zwischen sexueller, romantischer, ästhetischer Orientierung gibt und wo ich mich selbst einordne.
Aber ich habe meine Charaktere zwanghaft weiß und hetero gemacht, als ich zu schreiben begann, weil alles andere in meiner Lebensrealität nicht vorkam, nicht vorkommen durfte und erst seit gut einem Jahrzehnt emanzipiere ich mich langsam von diesem Bild und erkenne überhaupt erst, welche Charaktere ich eigentlich geschrieben habe. Wer von ihnen alles nicht weiß ist. Nicht hetero. Und nicht cis-geschlechtlich. Die Figuren kommen zu mir, wie sie zu mir kommen und ich muss rausfinden, was in ihnen steckt.
Wenn man sich dann anhört, man würde Diversität nur schreiben, "weil das jetzt in ist", tut das weh.

ZitatMeiner Meinung nach ist es schädlich für die Bewegung der Gleichberechtigung, wenn ein Haufen Autoren schlecht geschriebene, sich gezwungen anfühlende oder gar vollkommen klischeehafte LGBT-Charaktere hinzufügen, nur um die Quote zu erfüllen. Da bekommt die Allgemeinheit ein schlechteres Bild, als wenn es einen kleineren Prozentsatz gut geschriebener, realistischer Charaktere gäbe.
@Nebula definitiv. "Der Quotenschwule" oder "Die Quoten-Ausländerin" sind so Sachen ... näh... besser einen ganz undiversen Cast haben als das.

ZitatEhrlich, mein großer Wunsch ist ja der, dass wir irgendwann ganz selbstverständlich queere Figuren in allen literarischen Gattungen haben. Eine lesbische Kommissarin im Thriller, einen schwulen Space Marine in der Science Fiction, einen gender-fluiden Werwolf in Urban Fantasy usw. Das kann man auch als nicht-queerer Mensch hervorragend erzählen, mit etwas Fingerspitzengefühl, guten Sensitivity-Leser*innen und Recherche.
Meiner auch @Lothen <3

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Alana am 21. Februar 2019, 11:03:18
Man muss ja gar nicht gleich mit einer queeren Nebenfigur anfangen, wenn man Sorge hat, die nicht gut darstellen zu können. Man kann doch einfach mal zeigen, dass zwei Männer Arm in Arm über die Straße gehen. Oder eine Hochzeitseinladung von zwei Frauen vorkommen lassen. Oder sonstwie irgendwelche Kleinigkeiten in Beschreibungen einfließen lassen, die zeigen, dass unsere Welt nicht weiß und hetero ist.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Zit am 21. Februar 2019, 11:22:04
Zitat von: Lothen am 21. Februar 2019, 09:45:09
"Ey, da hast du mich aber total klischeehaft, stereotyp oder problematisch dargestellt."

Wie kommt denn die Elfe darauf, dass ich ausgerechnet sie dargestellt habe?
Eine Romanfigur ist eins: ausgedacht, nicht real, nicht lebendig. Wie kommt da ein Leser drauf, dass ich als Autor, der den Leser nicht kennt, ausgerechnet ihn darstelle?

Was mir auch aufstößt ist, dass cis-Autoren implizit vorgeworfen wird, sie könnten ja nur Klischee-Figuren schreiben. Oder dass nicht-cis-Autoren immer sich selbst in ihren Büchern darstellen. Das ist doch blödsinnig. Klar beeinflusst unsere Persönlichkeit die Art Bücher, die wir lesen und schreiben, aber diese unterschwellige Annahme, dass Autoren nur sich selbst repräsentieren in ihren Geschichten stört mich. Wenn dem so wäre, würden nur sehr engstirnige und Kleinstadtgeschichten rauskommen. High Fantasy oder Dystopien bspw. haben, meiner Meinung nach, mit Selbstrepräsentation/ -präsentation wenig zu tun.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Silvia am 21. Februar 2019, 11:25:38
Ich muss gestehen, da ich vor Lovestories im Normallfall ganz schnell flüchte oder mir andere Themen suche, weil mich das ganze Liebesleben im Roman nicht so interessiert ... geht das mit der Diversität komplett an mir vorbei.  ;D Ich nehme es hin und wieder als Leserin wahr - oder erst gestern in einer Serie, dass eine Königstochter ganz selbstverständlich zwei Mütter, aber irgendwie gar keinen Vater dazu hatte, aber ansonsten ... setze ich mich damit schreibmäßig so gar nicht auseinander.

Ansonsten bin ich dafür, dass jeder schreiben soll und kann, was ihn interessiert. Auch in der Annahme, dass queere Autoren auch mal das eine oder andere Hetero-Pärchen durchs Bild laufen lassen. Da spreche ich ihnen ja auch nicht ab, dass sie davon keine Ahnung haben und die Finger davon lassen sollten ... Nene. Jedem das seine. Und mir das meine.  ;)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Lothen am 21. Februar 2019, 11:36:50
Zitat von: Zitkalasa am 21. Februar 2019, 11:22:04
Eine Romanfigur ist eins: ausgedacht, nicht real, nicht lebendig. Wie kommt da ein Leser drauf, dass ich als Autor, der den Leser nicht kennt, ausgerechnet ihn darstelle?
Okay, lass es mich umformulieren: "Da hast du mich als Elfe/schwule Frau/lesbische Person sehr stereotyp dargestellt."

Das Problem ist, dass es in der Literatur insgesamt nur wenige Vertreter bestimmter Minderheiten (z.B. queere Figuren) gibt. Wenn in den 20 Büchern, die es gibt, dann noch dasselbe Klischee auftaucht (z.B. der tuckige Schwule), dann muss man damit rechnen, dass es die Betroffenen stört, weil es suggeriert, dies sei der "Default". Natürlich gibt es tuckige Schwule, aber sie sind nicht repräsentativ für die Gesamtheit aller homosexuellen Männer. Wenn wir irgendwann mal Millionen Bücher mit ganz unterschiedlichen schwulen Figuren haben, dann ist es auch okay, wenn in dem einen oder anderen Klischees bedient werden. Aber es sollte halt auch Gegenpole geben.

ZitatWas mir auch aufstößt ist, dass cis-Autoren implizit vorgeworfen wird, sie könnten ja nur Klischee-Figuren schreiben.
Klischees sind halt leider in allen Köpfen verankert. Jeder hat Klischees irgendwo ein Stück weit internalisiert, nicht mit Absicht, sondern weil wir alle Medien konsumieren, die gerne Klischees bedienen (die sind einfach, eingängig und werden in der Regel auch als glaubwürdig empfunden). Und weil sich die Dinger im Kopf halt verdammt schnell festsetzen.

Von daher: Jede*r Autor*in läuft Gefahr, Klischees zu bedienen, wenn er*sie über ein Thema schreibt, mit dem er*sie sich noch nicht befasst hat, ganz egal, ob das jetzt eine queere Orientierung, eine Nationalität oder ein bestimmtes Berufsfeld ist, das er*sie nicht kennt. Das ist nicht auf cis-Autor*innen beschränkt, sondern ein ganz allgemeines Phänomen. Nur sprechen wir in diesem Thread ja über LGBT, von daher ist es sinnvoll, sich auch auf diesen Themenkreis zu beschränken.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Trippelschritt am 21. Februar 2019, 11:42:13
Zunächst einmal bin ich begeistert, wie viele hier die Freiheit des Autors verteidigen, an der mir persönlich so viel liegt, weil ich immer wieder lernen musste, wie andere einem vorschreiben wollten, was zu schreiben erlaubt war und was nicht. Das läuft manchmal ganz subtil ab.

Mir haben aber auch Evanescas Zeilen als Betroffene gefallen. Ich habe das Zitat etwas gekürzt, weil sie gleich mehrere Dinge angesprochen hat.
Man darf nie vergessen, dass man als Beteiligte verletztlicher ist als andere. Und dass, wenn man darüber schreiben möchte, es zunächst einmal viel mehr Kraft erfordert, als wenn man von außerhalb einen Zugang sucht. Später wird es einfacher, weil mit der Dauer und Gewöhnung auch die Hornhaut etwas dicker wird. Aber der Anfang, die erste Geschichte, kann emotional sehr hart sein. Deshalb, lasst euch Zeit. Geht behutsam mit euch selbst um. Irgendwann siegt die Geschichte, weil sie einfach geschrieben werden will. Und dann schreibt sie. :jau:

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 21. Februar 2019, 10:59:16
Aber ich will nicht jedes Mal vor Dankbarkeit heulen, dass meine Identität als valide anerkannt wird, sondern ganz normale Geschichten lesen, in denen Menschen wie ich vorkommen.

Ich kann nur für mich sprechen, aber meine Geschichten waren auf unbewusster Ebene schon immer divers, nur habe ich es nicht bemerkt, weil ich in einer sehr queerfeindlichen Familie großgeworden bin und in einem sehr heteronormativen Umfeld. Ich lernte eigentlich erst seit meinem Auszug von zu Hause, dass es mehr gibt als "schwul, lesbisch, bi", dass es Unterschiede zwischen sexueller, romantischer, ästhetischer Orientierung gibt und wo ich mich selbst einordne.
Aber ich habe meine Charaktere zwanghaft weiß und hetero gemacht, als ich zu schreiben begann, weil alles andere in meiner Lebensrealität nicht vorkam, nicht vorkommen durfte und erst seit gut einem Jahrzehnt emanzipiere ich mich langsam von diesem Bild und erkenne überhaupt erst, welche Charaktere ich eigentlich geschrieben habe. Wer von ihnen alles nicht weiß ist. Nicht hetero. Und nicht cis-geschlechtlich. Die Figuren kommen zu mir, wie sie zu mir kommen und ich muss rausfinden, was in ihnen steckt.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Nebula am 21. Februar 2019, 11:59:14
Zitat von: Alana am 21. Februar 2019, 11:03:18
Man muss ja gar nicht gleich mit einer queeren Nebenfigur anfangen, wenn man Sorge hat, die nicht gut darstellen zu können. Man kann doch einfach mal zeigen, dass zwei Männer Arm in Arm über die Straße gehen. Oder eine Hochzeitseinladung von zwei Frauen vorkommen lassen. Oder sonstwie irgendwelche Kleinigkeiten in Beschreibungen einfließen lassen, die zeigen, dass unsere Welt nicht weiß und hetero ist.

Das kann ich unterstreichen. Wenn die Geschichte/der Roman in unserer heutigen, realen (westlichen) Welt angesiedelt ist, dann sollte man solche Details einfließen lassen! Es ist schließlich wirklich nicht schwer, das mal in einem Nebensatz einzubauen und zudem unrealistisch, wenn man die Welt komplett monochrom hetero+white darstellt.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fianna am 21. Februar 2019, 13:06:22
Zitat von: Zitkalasa am 21. Februar 2019, 11:22:04
Zitat von: Lothen am 21. Februar 2019, 09:45:09
"Ey, da hast du mich aber total klischeehaft, stereotyp oder problematisch dargestellt."

Wie kommt denn die Elfe darauf, dass ich ausgerechnet sie dargestellt habe?
Eine Romanfigur ist eins: ausgedacht, nicht real, nicht lebendig. Wie kommt da ein Leser drauf, dass ich als Autor, der den Leser nicht kennt, ausgerechnet ihn darstelle?

Was mir auch aufstößt ist, dass cis-Autoren implizit vorgeworfen wird, sie könnten ja nur Klischee-Figuren schreiben.
Zu Deinem letzten Satz passt gut, was mir seit zwei Seiten auf der Zunge liegt: vor ein paar Jahren habe ich in exakt diesem Forum entgegen gepfeffert bekommen, ich müsse doch Problematiken thematisieren, ansonsten solle ich es lieber sein lassen, weil ich mich dann nicht damit auseinander setzen will (tyisch cis)...
Schön, das jetzt die Stimmung anders ist, aber ich habe die letzten Seiten durchgelesen und mir teilweise gedacht "Leute, ist das euer Ernst?! Jetzt auf einmal *zensiert*".
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: jokergirl am 21. Februar 2019, 13:15:45
Zitat von: Silvia am 21. Februar 2019, 11:25:38
Ich muss gestehen, da ich vor Lovestories im Normallfall ganz schnell flüchte oder mir andere Themen suche, weil mich das ganze Liebesleben im Roman nicht so interessiert ... geht das mit der Diversität komplett an mir vorbei.  ;D Ich nehme es hin und wieder als Leserin wahr - oder erst gestern in einer Serie, dass eine Königstochter ganz selbstverständlich zwei Mütter, aber irgendwie gar keinen Vater dazu hatte, aber ansonsten ... setze ich mich damit schreibmäßig so gar nicht auseinander.

Die Szene fand ich übrigens auch ganz toll, hatte mir auch schon überlegt, die zum Vergleich heranzuziehen. :)

Oder, wie von der Schafferin einer anderen Serie gesagt: "Wenn es nicht gegenteilig gesagt wird, könnt ihr davon ausgehen, dass meine Charaktere nicht hetero sind."

Andere sagen dann wieder: "Aber wenn der Typ nur informiert schwul ist [also das nicht als Plot-relevante Sache vorkommt], dann warum überhaupt?"
Weil es im Leben so ist. Warum sollte man nicht am Rande seinen queeren Partner erwähnen dürfen, wenn alle anderen ständig von ihrer Hetero-Familie erzählen? Charaktere sollten nun mal in erster Linie Charaktere sein, mit Stärken und Schwächen und Eigenheiten und Macken, und keine Klischees. Man muss nicht immer auf Klischees zurückgreifen, nur um "anzudeuten, dass wer anders ist".

Und ich vertraue jedem von uns, das auch nicht zu tun, egal ob cis-, trans-, hetero-, bi- oder homo. Das ist schliesslich Teil unseres Berufs, und wir sind weder faul noch dumm. Es tut mir also leid, wenn das jemand so verstanden haben könnte. Ich glaube, wir sind hier alle ziemlich derselben Meinung, was das angeht.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Silvia am 21. Februar 2019, 13:21:03
Auch "Prinz der Drachen" geguckt, jokergirl?  :rofl: Die Serie ist in der Beziehung eh toll - mit einer tauben Generälin, die mit ihren Leuten durch Zeichensprache kommuniziert (ich war so hin und weg, als die zum ersten Mal auftrat), bis zu dem, was einen gewissen Ritter kürzlich zeitweilig passiert ist. Immer für eine Spezialität gut!
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Luna am 21. Februar 2019, 18:01:14
Dieser Thread macht mir gerade richtig Spaß zu lesen und ich muss euch allen Beipflichten und applaudieren.

Solltet ihr es tatsächlich versuchen, so eine Figur zu schreiben, dann zum einen Hut ab und zum anderen: Sie sind alle auch normale Menschen, was 99,999% ihres Verhaltens betrifft. Wir haben normale sorgen, ängste, Wünsche wie jeder andere auch, nur eine Kleinigkeit extra (und das ist leider oft die Angst, nicht akzeptiert zu werden). Ansonsten ist es gar nicht so schwer sich in andere hineinzuversetzen.

Viele von euch sind weiblich und schreiben auch aus männlicher Perspektive - oder umgekehrt. Warum sollte es dann schwerer sein, eine LGBTQ+-Perspektive einzunehmen?

Macht einfach was ihr für eure Geschichten braucht. Die eigentliche Handlung sollte das sein, auf das ihr euch konzentriert und nicht ob die Figuren von irgendwelchen Leuten eventuell nicht akzeptiert werden - denn man kann es nie jedem recht machen - irgendeiner kleinen Gruppe von Leuten tritt man immer auf die Füße ... und bei solchen Figuren sind das maximal Leute die entweder eine Phobie haben (die können nicht "normal" sein), oder welche die auf überzogene "political correctness" wert legen.

Aus meiner Warte noch etwas, das mir gerade bewusst wird: Ich kämpfe irgendwie auch mit mir selbst, da ich mich selber auch irgendwie in eine Schublade einsortieren möchte, dies aber nicht richtig kann ... und die Angst keine passende Schublade zu finden, kein "normales" Bild abzugeben - weil viele Leute diesem "nicht normal" oft auch feindlich gegenüberstehen - ist auch etwas, dass überwunden werden muss ... zumindest sagt mir das meine Perspektive und meine Erfahrung.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Zit am 21. Februar 2019, 18:28:58
@Lothen  :jau:

Zitat von: Fianna am 21. Februar 2019, 13:06:22
Zitat von: Zitkalasa am 21. Februar 2019, 11:22:04
Zitat von: Lothen am 21. Februar 2019, 09:45:09
"Ey, da hast du mich aber total klischeehaft, stereotyp oder problematisch dargestellt."

Wie kommt denn die Elfe darauf, dass ich ausgerechnet sie dargestellt habe?
Eine Romanfigur ist eins: ausgedacht, nicht real, nicht lebendig. Wie kommt da ein Leser drauf, dass ich als Autor, der den Leser nicht kennt, ausgerechnet ihn darstelle?

Was mir auch aufstößt ist, dass cis-Autoren implizit vorgeworfen wird, sie könnten ja nur Klischee-Figuren schreiben.
Zu Deinem letzten Satz passt gut, was mir seit zwei Seiten auf der Zunge liegt: vor ein paar Jahren habe ich in exakt diesem Forum entgegen gepfeffert bekommen, ich müsse doch Problematiken thematisieren, ansonsten solle ich es lieber sein lassen, weil ich mich dann nicht damit auseinander setzen will (tyisch cis)...
Schön, das jetzt die Stimmung anders ist, aber ich habe die letzten Seiten durchgelesen und mir teilweise gedacht "Leute, ist das euer Ernst?! Jetzt auf einmal *zensiert*".

Braucht wie mit allem auch seine Zeit, oder? Ich meine, heute sind wir an einem anderen Standpunkt in der Buchwelt als vor ein paar Jahren. So wie PBard schrieb, dass er/sie auch keine Problembücher mehr lesen will sondern dass LGBT+-Figuren völlig unaufgeregt in den Geschichten vorkommen.

Mal völlig anabhängig von den gerade besprochen Sachen: Was mir noch so in den Sinn kam, ist, dass diese Diskussion selbst auch sehr... mitteleuropäisch geprägt ist? Ich meine, es ist auch ein Privileg darüber sprechen und schreiben zu können. Gibt andere Länder, in denen LGBT+ immer noch getötet oder stark unterdrückt werden.
Je nachdem in welchem Setting unsere Geschichten also spielen sollten wir sicherlich auch berücksichtigten, dass "die Norm^TM" nicht unbedingt kaukasisch und hetero ist. Beziehungsweise zeigt sich Diversität auch nicht unbedingt nur an möglichst verschiedenen Hautfarben oder Gendern. Als Kaukasier in Japan oder Südkorea ist man dann selbst die Minderheit. :hmmm: Oder meinetwegen in Qatar. Also, Diversität in anderen Settings ist nicht unbedingt die Diversität, die wir gerade hauptsächlich besprechen. Das ist schon stark auf die mitteleuropäische Sicht beschränkt, finde ich.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: PBard am 21. Februar 2019, 19:55:30
Da ist man mal kurz im Büro, und der Thread explodiert zu neuem Leben. ;D

Sorry, wenn das jetzt entsprechend ein wenig lang und chaotisch wird:

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 21. Februar 2019, 08:29:09Was ich außerdem problematisch finde, ist, dass man quasi gezwungen wird, sich zu outen, um sich zu legitimieren. "Ich bin Own Voice, weil ich (hier Buchstaben einfügen) bin!" macht mir Bauchschmerzen.
Ich will lieber selbst entscheiden, wem ich wann und wie sage, wo ich in der Buchstabensuppe schwimme, als dazu gezwungen zu werden, weil ich zufällig cis bin und ein perfektes Passing als Hetero habe.
:o

Großartiger Punkt, an den ich so nie gedacht hätte.

Als Schreiberling muß man sich in einer solchen "Own-Voice-Only"-Kultur dann entscheiden: Stellt man sich einem Shitstorm entgegen, weil man als angeblicher Normal kein Recht auf diese Themen hat - oder posaunt man in die Welt hinaus, daß man eben nicht "der Norm" entspricht? Am Besten noch innerhalb eines homophoben Umfeldes ...

Wie viele potenzielle Autoren entscheiden sich dann lieber dafür, erst gar nicht zu schreiben? Das fände ich nicht nur schade, sondern potenziell gefährlich - denn DAS würde tatsächlich zur Mundtotmachung einer Minderheit führen.

Zitat von: Lothen am 21. Februar 2019, 10:13:29
Bin da ganz bei dir, @jokergirl.

ZitatUnd auch bei Fantasy. Die Welt der Vergangenheit war oft um einiges bunter und lebendiger, als die prüden Geschichtsschreiber aufgezeichnet haben. Wenn ich heute Freunde habe, die trans, mixed race, Immigranten, queer etc. sind (und ich gehöre ein paar der Gruppen selbst an), dann will ich solche Menschen auch in meine Geschichten schreiben dürfen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dir das jemand absprechen will, im Gegenteil.
Leider gibt es da doch einige sehr resolute Stimmen, die das möchten. Ich glaube aber auch nicht, daß das die Mehrheit der Betroffenen ist, sondern eben nur der Teil, der am lautesten schreit.

Auf der anderen Seite:

Zitat von: Lothen am 21. Februar 2019, 09:45:09Was ich an der Diskussion immer nicht verstehe ist: Wie kommt es, dass auf die Aussage "ich wünsche mir mehr Diversität in Büchern" so viele Leute das Gefühl haben, sie würden zu irgendetwas gezwungen? Ehrlich, ich versteh's nicht.
Weil leider einige Leute mit penetranter Vehemenz alles und jeden niedermachen, der in ihren Augen nicht divers genug schreibt. Das ist eine Tendenz, die in den letzten Jahren immer stärker wird und der ganzen Gleichberechtigungsbewegung nicht hilft, sondern extrem schadet. Das sind Leute, die mit ihrer umgekehrten Diskriminierung "normale Menschen" gegen uns aufhetzen, weil sie von sich selbst behaupten, sie würden "für uns" sprechen.

Es ist extrem schade, daß dann auf der anderen Seite der Eindruck entsteht, wir wären allesamt militante Heten-Hasser, aber ich verstehe, wie sich ein solch falsches Bild abzeichnen kann. Von den vielen, vielen LGBTQ+ Leuten, die einfach nur ganz normal ihr Leben leben und andere Menschen mit Respekt und Verständnis behandeln, hört man eben nicht viel.

Deswegen finde ich es ja auch so wichtig, Formulierungen wie "ein Recht darauf haben" tunlichst sein zu lassen. Ich kann Akzeptanz und ein fruchtbares Miteinander nicht erzwingen, oder noch schlimmer damit einläuten, daß ich alle "Normalen" über einen Kamm schere und verteufle.

Interesse und den Willen zur Zusammenarbeit wecke ich nur, wenn ich dem Gegenüber die Hand entgegenstrecke, statt ihn mit dieser am Kragen zu packen.

(Nicht auf dich bezogen, Lothen, sondern auf die generelle gesellschaftliche Situation der letzten Jahre. Kommt mehr als deutlich genug heraus, daß du genau das eben nicht vertrittst. :knuddel: )

Siehe dazu auch:

Zitat von: Fianna am 21. Februar 2019, 13:06:22Zu Deinem letzten Satz passt gut, was mir seit zwei Seiten auf der Zunge liegt: vor ein paar Jahren habe ich in exakt diesem Forum entgegen gepfeffert bekommen, ich müsse doch Problematiken thematisieren, ansonsten solle ich es lieber sein lassen, weil ich mich dann nicht damit auseinander setzen will (tyisch cis)...
Schön, das jetzt die Stimmung anders ist, aber ich habe die letzten Seiten durchgelesen und mir teilweise gedacht "Leute, ist das euer Ernst?! Jetzt auf einmal *zensiert*".
An der Stelle auch nochmal die Bitte: Nicht den Fehler machen, ein paar laute Stimmen als "den Willen der LGBTQ+ Community" anzusehen. Ich kann nur für mich selbst reden, aber für mich ist das keine "Jetzt auf einmal"-Einstellung.

Ich bin schon sehr lange der Meinung, daß jeder herzlich dazu eingeladen ist, Diversität und all die damit verbundenen herrlich kreativen Möglichkeiten für sich zu nutzen. Aber niemandem, absolut niemandem soll vorgeschrieben werden daß er sie nutzen muß. Eine Geschichte ist nicht automatisch schlecht, nur weil ein stockhetero, weißhäutig-blondhaariger Mann die Welt darin rettet. Die dürfen das auch, wenn die Geschichte gut geschrieben ist! :P

Was auch gleich weiterführt zu:

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 21. Februar 2019, 10:59:16@Nebula definitiv. "Der Quotenschwule" oder "Die Quoten-Ausländerin" sind so Sachen ... näh... besser einen ganz undiversen Cast haben als das.
Oh, bitte, bitte. JA!

Auf gut Deutsch kotzen mich diese Quoten-Minderheitenvertreter schon so an. Nicht nur, daß sie meist stereotyp und für die Story komplett irrelevant sind, sie zeigen auch, daß sich der Schreiberling 0 für deren Gruppe interessiert. Was, wenn ihnen diese "Diversität" permanent aufgezwungen wird, auch ziemlich verständlich ist.

Wenn derselbe Schreiberling auf der anderen Seite keine Diversität in der Geschichte unterbringt, diese dabei aber interessant und mit viel Herzblut gestaltet - dann seh ich da überhaupt kein Problem. You do you.

Zitat von: Alana am 21. Februar 2019, 10:24:21Habt bitte keine Angst, über bestimmte Themen zu schreiben, weil ihr keine Own Voice seid. Ja, es wird Leute geben, die das stört, aber es wäre schade, wenn ihr euch deswegen davon abhalten lasst. Sucht euch lieber entsprechende Testleser, die euch helfen, und traut euch dann.
Bei dem Twitter-Thread kann ich an manchen Stellen nicht ganz zustimmen, weil die Angst vor Shitstorms gerade in Zeiten, in denen Social Media ganze Existenzen zerstören kann, eine durchaus reale Angst darstellt.

Ich find es nicht okay, diese komplett zu marginalisieren, nur weil andere Bedrohungen noch viel schlimmer sind. Jedes Problem, jede Form der Diskriminierung sollte für sich gesehen werden, auch wenn sie "nur" die privilegierte "Gegenseite" betrifft und vielleicht nicht gleich in Mord und Totschlag gipfelt.

Deine Zusammenfassung würde ich aber sofort so unterschreiben. In dreifacher Ausführung und in allen Farben des Regenbogens. :pompom:

Zitat von: Coppelia am 21. Februar 2019, 08:39:16Wenn man zu den Betroffenen gehört, ist es auch dann nur möglich, genau die Art von Betroffensein zu literarisieren, die man selbst erlebt hat, oder wird einem dann zugetraut, sich auch in andere Arten des Betroffenseins hineinzuversetzen? Wenn ja/nein, wer entscheidet darüber?
und
Zitat von: Zitkalasa am 21. Februar 2019, 11:22:04Wie kommt denn die Elfe darauf, dass ich ausgerechnet sie dargestellt habe?
Eine Romanfigur ist eins: ausgedacht, nicht real, nicht lebendig. Wie kommt da ein Leser drauf, dass ich als Autor, der den Leser nicht kennt, ausgerechnet ihn darstelle?
Meiner Meinung nach auch sehr wichtige Punkte.

Würde ich behaupten, daß ich mich besser in einen Transmann hineinversetzen kann, nur weil ich zufällig ebenfalls in der LGBTQ+ Gruppe angesiedelt bin? Ist es mein Recht (oder gar meine Pflicht) für LGBTQ+ Leser zu schreiben, diese zu repräsentieren und diese allumfänglich darzustellen, nur weil ich meinen eigenen, kleinen Platz auf diesem gewaltigen und diversen Spektrum habe?

Besser noch: WILL ich das?

Meine persönliche Antwort auf diese Fragen ist ein eindeutiges "NEIN".

Zitat von: AngelFilia am 21. Februar 2019, 18:01:14Aus meiner Warte noch etwas, das mir gerade bewusst wird: Ich kämpfe irgendwie auch mit mir selbst, da ich mich selber auch irgendwie in eine Schublade einsortieren möchte, dies aber nicht richtig kann ... und die Angst keine passende Schublade zu finden, kein "normales" Bild abzugeben - weil viele Leute diesem "nicht normal" oft auch feindlich gegenüberstehen - ist auch etwas, dass überwunden werden muss ... zumindest sagt mir das meine Perspektive und meine Erfahrung.
Sorry, falls das zu persönlich ist - aber warum glaubst du denn, in eine Schublade passen zu müssen?

Erfahrungen sind natürlich unterschiedlich, der eine hat Glück, der andere weniger. Ich persönlich hab die Erfahrung gemacht, daß gerade das Ausbrechen aus dem Schubladendenken zu größerer Akzeptanz führt. Ich komm teilweise mit Leuten prächtig aus, die der LGBTQ+ Community gegenüber sehr skeptisch und/oder feindseelig gegenüber eingestellt sind, die aber mit mir wiederum überhaupt kein Problem haben, obwohl ich meine Andersartigkeit nicht verstecke. Gerade daß ich nicht hingege und mit Schubladen-Terminologie um mich werfe, scheint es den Leuten einfacher zu machen, mich schlicht als Mensch zu akzeptieren.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 21. Februar 2019, 21:06:53
Es gibt eine Menge queere Figuren, die ich in meiner Jugend gerne gehabt hätte, weil es uns schwer fällt, uns selbst zu finden, wenn alle Figuren, die wir in den Büchern kennen lernen, nie unsere eigenen Gefühle und Erlebnisse wiederspiegeln. Solche Figuren machen es uns leichter, mit uns selbst ins Reine zu kommen, denn wenn meine Lieblingsfigur genau dasselbe empfindet, dann kann es auch nichts Schlechtes sein, wenn ich so fühle. Jetzt, mit Mitte 20, habe ich diese Figuren gefunden. Es sind wenige, aber sie sind da. Die, die mir davon am wichtigsten sind und in denen ich mich am meisten wiederfinde, sind von heterosexuellen Männern geschrieben worden. Andere queere Figuren, deren Darstellung ich nicht so gut fand, wurden von queeren Autoren geschrieben. Andere queere Autoren haben wunderbare queere Repräsentation geschrieben. Manche nicht-queere Autoren haben richtig schlechte Repräsentation geschrieben. Alles davon kommt vor. Ich habe viel Positives aus Repräsentation ziehen können, die nicht von Own-Voices Autoren geschrieben wurde und ich finde es schade, dass Autoren jetzt gesagt wird, sie sollten solche Figuren nicht mehr schreiben. Vor ein paar Jahren haben wir sie noch ermutigt und mehr Repräsentation gefordert.

Also ja, ich möchte, dass nicht nur queere Autoren queere Figuren schreiben, denn ich möchte diese Figuren lesen und wenn auf einmal alle mehr Diversität in ihren Romanen hätten, dann wäre viel mehr gewonnen, als wenn es nur queere Autoren tun. In letzter Zeit gibt es immer mehr Repräsentation, zum Glück auch immer mehr außerhalb ihres eigenen Genres. Queere Figuren dürfen einfach existieren, ohne dass der ganze Film nur von ihrer Sexualität handelt. Casual Diversity. Aber ganz so einfach ist es dann auch nicht.

Es kommt zum einen darauf an, was für eine Geschichte ich überhaupt schreibe. Ein Fantasy-Setting ohne Homophobie, in dem die Sexualität der Hauptfigur ganz normal ist, kann super Repräsentation sein und ist wesentlich einfacher, als wenn ich anfange, mich mit den Problemen, die speziell damit kommen, queer zu sein, zu beschäftigen. Dann stelle ich nämlich die realen Probleme dar, mit denen Leute zu kämpfen haben, und da es immer noch so wenig Repräsentation gibt, kann ich auch sehr viel Schaden anrichten. Aber auch dann macht es einen Unterschied, ob ich eine Geschichte über ein lesbisches Mädchen schreibe, das Geister jagt, und dabei queere Themen nur am Rand erwähne, oder ob ich eine Geschichte schreibe, in der es wirklich nur um ihre Sexualität geht, Coming Out und so weiter. Letzteres würde ich eventuell wirklich eher queeren Autoren überlassen, ersteres nicht unbedingt.

Der Grund, warum mir die Repräsentation, die Männer geschrieben haben, die dieser Gruppe überhaupt nicht angehören, so gut gefallen hat, ist dass sie sie mit sehr viel Respekt geschrieben haben. Ich glaube, das ist auch hier der Knackpunkt. Wissen, womit man sich auskennt. Sich Hilfe holen, wenn man sich nicht auskennt. Recherche, oder im besten Fall sogar queere Betaleser.

Also ja, schreibt eure queeren Hauptfiguren, denn wenn ihr es gut macht, könnt ihr damit bei euren Lesern so viel Gutes bewirken. Aber seid euch auch bewusst, dass ihr viel Schaden anrichten könnt, wenn ihr es falsch macht. Es ist aber auch ehrlich gesagt kein Hexenwerk. Das Internet ist voll mit Artikeln, speziell von queeren Menschen für nicht-queere Autoren, in denen steht, was man vermeiden sollte und wie gute Repräsentation aussieht. Es gibt viele queere Menschen, die ihr dazu fragen könnt, zum Beispiel hier im Forum. Die Informationen sind da. Wirklich schlecht ist es nur, wenn sich Autoren nicht bewusst sind, dass sie auch zu diesem Thema recherchieren sollten, denn es gibt einige sehr schädliche Stereotypen, die man unbedingt vermeiden sollte.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Antennenwels am 21. Februar 2019, 21:39:35
Ein wirklich interessantes Thema über das ich mir in letzter Zeit auch vermehrt Gedanken gemacht habe. Es hat mich dazu gebracht, einiges in meinem Projekt kritischer zu betrachten. Ich muss allerdings auch gestehen, dass je mehr ich mich damit beschäftige, desto verwirrter werde ich. Wie auch in den letzten Beiträgen zu lesen war, scheint es im Moment fast zwei gegensätzliche Bewegungen zu geben, wenn man sich im Internet umsieht. Die einen empfehlen jedem so divers wie möglich zu schreiben, während auf der anderen Seite vermehrt Stimmen laut werden, die es einem fast schon untersagen gewissen Themen anzuschneiden, wenn man nicht selbst betroffen ist (insbesondere im englischsprachigen Raum). Ich fand die Diskussionen hier dazu bisher ausgezeichnet und habe begeistert mitgelesen.
Ich muss gestehen, ich gehöre zu den Leuten, die es am liebsten allen Recht machen möchten und die Vorstellung, dass ich jemanden mit dem was ich schreibe verletzten könnte, ist schon ziemlich beängstigend. Kurzum, ich bin immer noch ziemlich unsicher, was denn nun die richtige Herangehensweise ist. (Wobei es bei meinem Projekt, eher um Themen wie Unterdrückung und Rassismus geht, als LGBTQ Diversität, also nicht wirklich in diesen Thread passt).


Zitat von: PBard am 21. Februar 2019, 19:55:30
Zitat von: Evanesca Feuerblut am 21. Februar 2019, 10:59:16@Nebula definitiv. "Der Quotenschwule" oder "Die Quoten-Ausländerin" sind so Sachen ... näh... besser einen ganz undiversen Cast haben als das.
Oh, bitte, bitte. JA!

Auf gut Deutsch kotzen mich diese Quoten-Minderheitenvertreter schon so an. Nicht nur, daß sie meist stereotyp und für die Story komplett irrelevant sind, sie zeigen auch, daß sich der Schreiberling 0 für deren Gruppe interessiert. Was, wenn ihnen diese "Diversität" permanent aufgezwungen wird, auch ziemlich verständlich ist.

Wenn derselbe Schreiberling auf der anderen Seite keine Diversität in der Geschichte unterbringt, diese dabei aber interessant und mit viel Herzblut gestaltet - dann seh ich da überhaupt kein Problem. You do you.

Ab welchem Punkt ist ein Charakter nur eine Quote, oder besser gesagt, wie gross ist die Gefahr, dass ein Character oder auch ein Paar als `Quoten-LGTBQ+'-Charaktere interpretiert werden, wenn sie die einzigen sind, die in der Geschichte vorkommen?  Beispielsweise ein schwuler bester Freund, oder eine lesbische beste Freundin etc, ohne das die Sexualität wirklich zum Thema wird in der Geschichte. Ist das nun erwünschte Representation, und zeigt, dass in der dargestellten Gesellschaft gleichgeschlechtliche Liebe absolut normal ist, oder aber könnte man dem Autor in so einem Fall bereits Tokenism vorwerfen? Wahrscheinlich kommt es am Ende dann wieder darauf an, wie gut die Charaktere sind und ob sie mehr als nur aneinander gereihte Stereotypen sind.

Zitat von: PBard am 21. Februar 2019, 19:55:30
Zitat von: Alana am 21. Februar 2019, 10:24:21Habt bitte keine Angst, über bestimmte Themen zu schreiben, weil ihr keine Own Voice seid. Ja, es wird Leute geben, die das stört, aber es wäre schade, wenn ihr euch deswegen davon abhalten lasst. Sucht euch lieber entsprechende Testleser, die euch helfen, und traut euch dann.
Bei dem Twitter-Thread kann ich an manchen Stellen nicht ganz zustimmen, weil die Angst vor Shitstorms gerade in Zeiten, in denen Social Media ganze Existenzen zerstören kann, eine durchaus reale Angst darstellt.

Gab es nicht erst kürzlich wieder einen Fall im englischsprachigen YA Bereich, wo eine Autorin ihr Buch bereits vor Veröffentlich zurückgezogen hat, weil ihr auf Social Media vorgeworfen worden war, ihr Buch sei rassistisch? (Geht zwar nicht um LGBTQ, aber auch Diversität). Ich habe das Buch nicht gelesen, oder die Debatte im Detail verfolgt und kann daher auch nicht sagen, ob die Kritik gerechtfertigt war oder nicht, aber war durch Zufall auf einen Artikel dazu gestossen (https://www.theguardian.com/books/2019/feb/01/young-adult-author-cancels-own-novel-after-race-controversy). Jedenfalls definitiv ein Beweis dafür, dass Social Media einen grossen Einfluss auf einen Autor haben kann!
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 21. Februar 2019, 22:12:09
Zitat von: Antennenwels am 21. Februar 2019, 21:39:35
Ab welchem Punkt ist ein Charakter nur eine Quote, oder besser gesagt, wie gross ist die Gefahr, dass ein Character oder auch ein Paar als `Quoten-LGTBQ+'-Charaktere interpretiert werden, wenn sie die einzigen sind, die in der Geschichte vorkommen?  Beispielsweise ein schwuler bester Freund, oder eine lesbische beste Freundin etc, ohne das die Sexualität wirklich zum Thema wird in der Geschichte. Ist das nun erwünschte Representation, und zeigt, dass in der dargestellten Gesellschaft gleichgeschlechtliche Liebe absolut normal ist, oder aber könnte man dem Autor in so einem Fall bereits Tokenism vorwerfen? Wahrscheinlich kommt es am Ende dann wieder darauf an, wie gut die Charaktere sind und ob sie mehr als nur aneinander gereihte Stereotypen sind.

Genau dann, wenn man merkt, dass die Figur nichts weiter ist als nur die eine queere Figur, die da ist, um sich damit selbst beweihräuchern zu können. Eine wenige ausgearbeitete Nebenfigur, die zwei Eigenschaften hat, eine davon ihre Sexualität, und darüber hinaus nichts wirklich zur Geschichte beiträgt. Mein Tipp ist, erst einmal eine Figur zu entwerfen, ohne die Sexualität zu berücksichtigen, damit man eine runde und gut ausgearbeitete Figur hat. Dann sollte man natürlich noch prüfen, ob man nicht gerade irgendwelche schädlichen Klischees bedient, je nachdem, welche Sexualität die Figur am Ende hat. Es kommt am Ende aber immer auf den Einzelfall an und verschiedene Menschen werden dieselbe Figur unterschiedlich beurteilen. Es ist schwer allgemein zu sagen, was gut ist und was nicht funktioniert.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Alana am 21. Februar 2019, 22:28:13
ZitatAn der Stelle auch nochmal die Bitte: Nicht den Fehler machen, ein paar laute Stimmen als "den Willen der LGBTQ+ Community" anzusehen.

Danke, dass du das noch mal sagst. Ich habe auch schon mit sehr vielen Leuten aus der Community geredet und alle waren eigentlich total dafür, dass es nicht immer Own Voice sein muss. Natürlich soll es gut gemacht sein, aber das trifft bei jedem Buch zu. Ich recherchiere immer so gut wie möglich und tue, was ich kann, um mein Thema möglichst echt darzustellen. Ich habe auch ehrlich noch nie so viel Unterstützung für ein Buch zugesagt bekommen, wie für meinen Fantasyroman mit den queeren Hauptfiguren. Alle, mit denen ich geredet habe, sagen mir: bitte mach das und sag mir Bescheid. Ich kaufe es / helfe dir, es zu vermarkten / lese es test, was auch immer. Ich habe wirklich nicht das Gefühl, im Real Life verurteilt zu werden, weil ich als nicht betroffene Person ein Buch mit queeren Hauptfiguren schreiben möchte, sondern eher das Gegenteil. Dafür bin ich sehr dankbar und das freut mich immer wieder.

@Mondfräulein: Danke auch noch mal für deinen Post. Der hat mich gerade richtig gefreut.  :knuddel:

Ich stelle mir halt einfach die Frage: okay, ich könnte meinen Roman auch ohne eine WoC in der Hauptrolle schreiben. Aber er wäre stärker, wenn sie es wäre. Und ich hätte die Chance, im Großverlag ein Buch herauszubringen, in dem eine WoC die Hauptfigur ist. Wie viele Bücher in Deutschland werden denn verlegt, in denen die Hauptfigur nicht weiß ist? Sehr wenige, zumindest im Liebesromanbereich. Ja, vielleicht begebe ich mich da tatsächlich auf dünnes Eis, weil ich wohl Bereiche werde anschneiden müssen, die ich persönlich lieber einem Own Voice Autor überlassen würde. Aber soll ich deswegen die Chance nicht nutzen, die deutsche Buchwelt etwas diverser zu machen? Ich werde noch mal in mich gehen, ich habe auch gerade mit der Autorin des Tweets ein Treffen auf der Buchmesse vereinbart und bin sehr gespannt, was sie dazu sagen wird. Aber ich glaube, ich kann hier mehr kaputt machen, wenn ich diese Chance verstreichen lasse.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 21. Februar 2019, 22:35:47
Zitat von: Alana am 21. Februar 2019, 22:28:13
Ich stelle mir halt einfach die Frage: okay, ich könnte meinen Roman auch ohne eine WoC in der Hauptrolle schreiben. Aber er wäre stärker, wenn sie es wäre. Und ich hätte die Chance, im Großverlag ein Buch herauszubringen, in dem eine WoC die Hauptfigur ist. Wie viele Bücher in Deutschland werden denn verlegt, in denen die Hauptfigur nicht weiß ist? Sehr wenige, zumindest im Liebesromanbereich. Ja, vielleicht begebe ich mich da tatsächlich auf dünnes Eis, weil ich wohl Bereiche werde anschneiden müssen, die ich persönlich lieber einem Own Voice Autor überlassen würde. Aber soll ich deswegen die Chance nicht nutzen, die deutsche Buchwelt etwas diverser zu machen? Ich werde noch mal in mich gehen, ich habe auch gerade mit der Autorin des Tweets ein Treffen auf der Buchmesse vereinbart und bin sehr gespannt, was sie dazu sagen wird. Aber ich glaube, ich kann hier mehr kaputt machen, wenn ich diese Chance verstreichen lasse.

Du hast gute Argumente dafür, das Buch zu schreiben und es gibt viele Bücher von weißen Autoren, die das gut umsetzen. Vielleicht kannst du dir eine WoC als Betaleserin holen? Das wäre vielleicht der sicherste Weg, um sich die Meinung von jemandem einzuholen, der diese Perspektive wirklich hat und damit lebt. Das wäre bei queeren Figuren auch immer mein Ratschlag, denn es ist schwierig, von außen zu beurteilen, ob etwas gut gelöst ist oder nicht, weil es doch immer auf den Einzelfall ankommt. Maggie Stiefvater hat es bei "All the Crooked Saints" so gemacht und soweit ich weiß wurde ihre Repräsentation hier gelobt.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Gizmo am 21. Februar 2019, 22:36:42
@Antennenwels
ZitatAb welchem Punkt ist ein Charakter nur eine Quote, oder besser gesagt, wie gross ist die Gefahr, dass ein Character oder auch ein Paar als `Quoten-LGTBQ+'-Charaktere interpretiert werden, wenn sie die einzigen sind, die in der Geschichte vorkommen?  Beispielsweise ein schwuler bester Freund, oder eine lesbische beste Freundin etc...
Nun hat mein Browser meinen Beitrag gerade gefressen, aber Mondfräulein hat ziemlich genau das geschrieben, was ich auch antworten wollte.
Der schwule beste Freund z.B. in einer romantischen Komödie kann ein gutes Beispiel sein, da er oft nicht mehr als ein Comic Relief ist und keine eigene Persönlichkeit, Ziele usw. hat. Außerdem ist seine Sexualität eine bequeme Abkürzung, um sofort klar zu machen, dass er auf keinen Fall in romantischer Konkurrenz zum Hauptcharakter steht.

An alle anderen möchte ich sagen: Danke für diesen Thread und euch ganzen Beiträge, ich lerne gerade unheimlich viel!
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Alana am 21. Februar 2019, 22:40:17
@Mondfräulein: klar, das habe ich auf jeden Fall fest eingeplant. Ich werde aber auch vorher versuchen, schon möglichst viel abzuklären. Für das Buch mit den queeren Hauptfiguren habe ich schon Testleser, dabei weiß ich noch nicht mal, wann ich es schreiben werde. Aber für das andere werde ich mir auch welche suchen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Luna am 22. Februar 2019, 06:09:33
Zitat von: PBard am 21. Februar 2019, 19:55:30
Sorry, falls das zu persönlich ist - aber warum glaubst du denn, in eine Schublade passen zu müssen?

Erfahrungen sind natürlich unterschiedlich, der eine hat Glück, der andere weniger. Ich persönlich hab die Erfahrung gemacht, daß gerade das Ausbrechen aus dem Schubladendenken zu größerer Akzeptanz führt. Ich komm teilweise mit Leuten prächtig aus, die der LGBTQ+ Community gegenüber sehr skeptisch und/oder feindseelig gegenüber eingestellt sind, die aber mit mir wiederum überhaupt kein Problem haben, obwohl ich meine Andersartigkeit nicht verstecke. Gerade daß ich nicht hingege und mit Schubladen-Terminologie um mich werfe, scheint es den Leuten einfacher zu machen, mich schlicht als Mensch zu akzeptieren.

Mir ist natürlich bewusst, dass das falsch ist, und dass ich es nicht sollte - und dennoch erwische ich mich manchmal bei Vergleichen und beim Denken. Ich muss noch immer lernen das nicht zu tun und dagegen anzugehen ... alleine schon weil ich weiß, dass ich mich in solchen Schubladen nicht richtig wohl fühle, sie dummerweise aber manchmal als "die Norm" sehe - und das richtig verqueere daran ist, dass es auch nur überzogene Stereotypen sind.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Anj am 22. Februar 2019, 06:48:22
Ich finde das Thema wirklich schwierig. Was ich daran schwierig finde ist, dass wenn Menschen die von der Norm der Gesellschaft in der sie sich bewegen abweichen, gleichzeitig aber als normal betrachtet werden, dann rückt das nichtnormale Merkmal so in den Hintergrund dass es irrelevant wird. Was ich damit meine ist ein Phänomen, dass mir selbst passiert ist. Ich begegne in Köln deutlich mehr Menschen, die eine andere Sexualität oder Hautfarbe haben als ich. Und ich weiß, dass ich irgendwann mal festgestellt habe, das ich ja erst seit dem mit dem Thema konfrontiert bin. Um dann fast zeitgleich innerlich festzustellen, dass das nicht stimmt. Schon zu Schulzeiten hatte ich nicht nur einen Klassenkameraden, der schwul war und in der Oberstufe auch ganz offen mit einem aus der Stufe über uns zusammen war. Ein weiterer Klassenkamerad war mixed raced (nennt man das so?) und wuchs bei zwei Müttern auf, die noch dazu beide weiß waren, da die leibliche Mutter sich vom Vater getrennt hatte. Und ein muslimischer Klassenkamerad musste seine Beziehung vor seiner Familie geheimhalten. Das war alles ein Wissen dass ich hatte und das gleichzeitig nicht präsent war, weil es genauso wenig thematisiert wurde wie die verbreiteten Familien, die der Norm meiner Stadt entsprachen.
Womit ich in den Fällen also nicht konfrontiert war, war die Trennung und den Blick darauf, nur ja auch wahrzunehmen, dass andere anders sind und es gleichzeitig als normal zu betrachten.
Jetzt ist die Frage: War ich vorher ignorant, weil ich die besonderheit der genannten nicht mit ihnen thematisiert habe, weil sie einfach irrelevant für mich waren und diese dadurch quasi so wenig wahrgenommen habe, dass ich sie tatsächlich vergessen hatte? (also die besonderheiten, nicht die menschen^^) Oder war ich meinem jetzigen Ich vielmehr ein Stück voraus, weil dies normal und nicht weiter benennenswert war, während ich jetzt ständig Sorgen hab, dass ich irgendwem mit irgendwas auf den Schlips treten könnte und merke, dass ich die Tendenz bekomme mich zu fragen, ob meine Gegenüber irgendwas in Bezug auf sein diverses Merkmal wahrnehmen könnte (was mich übrigens wirklich ankotzt, ich aber nur schwer ändern kann, wenn ich den Personen das erste Mal begegne)
Und hier liegt für mich der größte Knackpunkt: Wenn etwas normal ist, denke ich nicht darüber nach ob es erwähnenswert ist oder nicht, bzw. nehme es nicht bewusst wahr. Bei wievielen weißen, heterosexuellen Hintergründen einer Figur beschreibt ihr diese explizit, bzw. denkt darüber nach, wie ihr darstellen könnt, dass diese so sind? Also ja, ich finde auch, wenn jemand nichts dazu schreibt und Leser*in automatisch davon ausgeht es entspricht der Mehrheit, dann sagt das mehr über Leser*in als Autor*in aus.
Was nicht bedeutet, dass es nicht momentan durchaus noch den Auftrag geben mag, die Diversität bewusst darzustellen um mehr Akzeptanz zu generieren oder um Identifikationsmöglichkeiten zu bieten. Nur steht das meiner Meinung nach eher im gegensatz zum Wunsch es als normal darzustellen, weil normal eben auch bedeutet: Wir haben bereits einen Konsens und brauchen das nicht mehr zu benennen/betonen. Also steht für mich eher folgende Frage im Vordergrund: Was will ich als Autor*in erreichen? Und ob sich da irgendjemand auf den Schlips getreten fühlt ist völlig zweitrangig. Denn: sich auf den Schlips getreten zu fühlen ist eine Interpretation die ausschließlich subjektiv ist. Wenn ich einer PcC begegne, die der überzeugung ist, dass alle Weißen denken sie würde stinken, dann wird sie jedes an der Nase kratzen als nonverbales Signal "du stinkst" erleben. Da kann ich sonst was anstellen, sie wird mir immer unterstellen, dass ich das denke und es nur nicht zugeben will. (real so passiert und ich gehöre lustigerweise wirklich nicht zu den Menschen die bei farbige Menschen einen fremdartigen Geruch wahrnehmen.)
Also, so leid es mir tut, aber Diskriminierung, egal welcher Art, ist extrem subjektiv und unterliegt auch der Wirklichkeitskonstruktion des sich diskriminiert fühlenden. Das muss ich aber nicht als Maßstab ansetzen, denn wenn ich es tue, wird mein Verhalten (oder auch mein Schreiben) immer unsicherer und unintuitiver. Andererseits wäre das allerdings etwas in dem auch jeder nicht Betroffene zum Betroffenen wird und als own voice schreiben kann.
Also kurz gesagt: Die einzig relevante Frage für Autor*in wäre für mich: Was will ich erreichen? Und wie kann ich das bestmöglich tun?

Ich merke übrigens, der Thread ist gerade eine schöne Möglichkeit mal eine gegenderte Schreibweise auszuprobieren.

Und dann noch eins hierzu:
ZitatMir ist natürlich bewusst, dass das falsch ist, und dass ich es nicht sollte - und dennoch erwische ich mich manchmal bei Vergleichen und beim Denken. Ich muss noch immer lernen das nicht zu tun und dagegen anzugehen ... alleine schon weil ich weiß, dass ich mich in solchen Schubladen nicht richtig wohl fühle, sie dummerweise aber manchmal als "die Norm" sehe - und das richtig verqueere daran ist, dass es auch nur überzogene Stereotypen sind.
Ich weiß nicht, ob richtig oder falsch hier die besten Maßstäbe sind, denn aus meiner Sicht sind die Kategorien zielführend/hilfreich oder nicht zielführend/nicht hilfreich hilfreicher, weil sei weniger verurteilend sind.
Sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, ist ein menschliches Grundbedürfnis, da wir Herdentiere sind. Welche Gruppierung zu welcher Zeit dieses Bedürfnis stillt, ist doch eine sehr subjektive Entscheidung. Und auch das Bedürfnis sich selbst als Individuum zu sehen, ist ein grundlegend menschliches. Sie treten nur selten gleichzeitig auf. Und aus meiner Sicht ist keines von beiden besser oder schlechter als das andere. Und ich darf wechseln, je nachdem, welches Bedürfnis gerade gestillt werden möchte.
Das zumindest ist meine Herangehensweise, die mir persönlich viel Druck und viel Selbstkritik/-verurteilung genommen hat.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: AlpakaAlex am 26. März 2022, 23:41:07
Ich dachte, ich hole den Thread noch einmal hoch. Gerade weil ich aktuell auch wieder angefangen habe, mehr Anime zu schauen und mir dabei eine Sache aufgefallen ist: trans Personen sind in Anime mittlerweile überraschend normalisiert. Also frei nach dem Motto: "Oh guck, ein neuer Shonen-Anime. Oh, der Hauptcharakter ist trans." - "Oh guck, ein neuer Harem-Anime. Oh, das Hauptmädchen des Harems ist trans." - "Oh guck, ein neuer Sport-Anime. Oh, der Hauptcharakter ist nicht-binär." Aktuell (also nur ganz aktuell) laufen drei Serien mit trans Figuren im Hauptcast. Derweil halt bei westlichen Serien: [Grillenzirpen] Also wir haben schon ein paar Serien mit nicht-binären Nebenfiguren und ganz, ganz ganz selten mal eine binäre trans Person (weil die irgendwie als bedrohlicher wahrgenommen werden, als nicht-binäre Figuren).

Das finde ich halt wirklich sehr auffällig und ich rätsele gerade auch daran, woran es liegt. Also es scheint halt damit zusammen zu hängen, dass in Japan die Macher*innen der Anime in Japan weniger Backlash erwarten müssen, weil es dort eben keine "Moral Panic" rund um das Thema trans gibt.

Ich muss nur wirklich sagen, dass ich genau das, was ich da sehe, mir von westlichen Medien wünschen würde. Also "Jo, der Protagonist von dieser Actiongeschichte ist trans. Oh, jetzt ist er übrigens schwanger." Mit dieser Alltäglichkeit dahinter, als wäre das nichts großartig ungewöhnliches.

Mich ermutigt es allerdings auch, mehr Sachen mit trans Figuren zu schreiben. Ich meine, bei Sturmjägerinnen ist eine*r der drei Protas nicht-binär. Und ja, zugegebenermaßen hängt es damit zusammen, dass ich mir da sehr sicher war, wie ich das zum Ausdruck bringe (they verwendet andere Pronomen). Aber ich habe jetzt doch so viele Beispiele in Anime gesehen, wo es sehr normal eingebracht wurde, dass die Figur trans ist, dass ich mich ermutigt fühle, das eben auch so einzubringen. Mal schauen ...

Ich mein, der Roman, den ich gerade lese, hat auch eine trans weibliche Hauptfigur.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 27. März 2022, 00:06:58
Über das Thema denke ich in letzter Zeit tatsächlich auch immer mehr nach, weil ich gerne mehr trans Figuren schreiben würde. Das liegt auch daran, dass ich bisher sehr wenig Bücher gelesen habe, in denen trans Figuren überhaupt vorkamen, ganz abgesehen davon, wie groß ihre Rolle war und wie gut die Repräsentation geschrieben war.

Ich stoße dabei immer wieder auf ein Problem (das heißt nicht, dass ich es deshalb nicht mache, aber das ist so eine Sache, die mich beschäftigt): Wie oute ich trans Figuren vor den Leser*innen? Gerade bei binären trans Figuren ist das ja nicht so offensichtlich. Mein Problem dabei ist vielleicht auch, dass ich gerne alles richtig machen will, wenn ich über Figuren schreibe, die marginalisierten Gruppen angehören, zu denen ich selbst nicht gehöre. Ich vermeide alles, was irgendwie kritisch werden könnte. Gerade beim Outing vor den Leser*innen. Es wäre einfacher, wenn ich Figuren nehmen würde, die die Perspektivträger*innen schon kennen, denn dann könnte man es irgendwie mit einfließen lassen, aber das ergibt sich nicht immer. Ich schreibe auch generell sehr ungern Outings, meine Figuren outen sich selten auf die klassische Weise, sondern lassen es wenn dann nebenbei einfließen ("Meine Ex-Freundin mochte die Band auch, jetzt kann ich sie nicht mehr hören." oder so etwas). Da gibt es auch keine generelle Lösung und wahrscheinlich muss ich mir da nur mehr zutrauen. Für eine trans Frau habe ich jetzt eine Lösung gefunden, mit der ich recht zufrieden bin, ich hoffe, ich kann das gut umsetzen. Outings fühlen sich häufig ernst und schwer an und das mag ich aus persönlichen Gründen nicht, deshalb mache ich das gerne nebenbei oder locker oder witzig.

Ein Aspekt ist auch, dass ich es generell einfach lieber mag, wenn sich Figuren selbst vor den Leser*innen outen, also zum Beispiel durch etwas, was die Figur selbst sagt oder indem sie sich vor einer anderen Figur outet. Ich glaube nicht, dass das der einzige Weg ist, eine Figur zu outen, aber irgendwie fühlt sich das richtiger an. Wir haben ja auch einen Thread darüber, seine Figuren vor den Leser*innen zu outen, um den schleiche ich schon eine Weile herum, aber irgendwie komme ich nie dazu, dort etwas zu schreiben.

Ich habe tatsächlich noch nie darüber nachgedacht, dass binäre trans Menschen als bedrohlicher wahrgenommen werden könnten als nichtbinäre trans Menschen, aber jetzt wo du es sagst macht das schon irgendwie Sinn. Das ist auch ein Grund, warum ich bei Repräsentation lieber auf der sicheren Seite bleibe. Ich habe natürlich sehr viel recherchiert, aber es gibt immer noch viele Aspekte, die mir nicht bewusst sind und ich will nicht unbewusst in eine Falle tappen.

So generell möchte ich im Moment alle mögliche Repräsentation sehr gerne schreiben. In meinen Projekten gibt es im Moment zu wenig asexuelle Figuren, da muss ich nochmal drüber nachdenken, wie ich das ändern kann. Da finde ich das mit dem Outing auch schwierig. Klar findet man immer einen Weg, das einzubauen, aber irgendwie fällt mir das bei homosexuellen/bisexuellen/pansexuellen Figuren immer leichter. Vielleicht sollte ich mal darüber nachdenken wieso und woran das genau liegt. Liegt es an mir oder liegt es an der Orientierung selbst, weil die Gesellschaft ganz anders darauf reagiert und damit umgeht?
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Fianna am 27. März 2022, 00:48:41
Schwierig finde ich es auch, Rezensionen einzuordnen, ob es gute oder schlechte Repräsentation ist. 
Zum Beispiel habe ich zu einer historischen Krimiserie gelesen, dass es nicht gut sei - fertig.
Das ist als Leserin (nicht mal als Autorin, die was lernen will) auch schwierig, ich möchte ja nur die Künstler*innen unterstützen, die mit guter / glaubhafter Repräsentation etwas beitragen.

War das jetzt problematisch, weil die Figur Dysphorie erlebt - oder wäre das an sich kein Problem, aber es war das erste Buch dieses Genres, das mit einer trans Figur ins Auge fiel, und dann auch noch mit Dysphoriebeschreibungen?
Oder war es problematisch, dass aus der Autorenbiographie nicht heraus geht, ob es own voice ist? Hätte es diesen Kritikpunkt nicht gegeben, wenn es klar eine own voice Darstellung ist?

Häufig springen mir Fragen durch den Kopf, wenn ich eine Bewertung eines queeren Romanes lese (egal ob positiv oder negativ bewertet) und ich möchte mich mit anderen Leuten austauschen.
Es gibt auch mehrere aktuelle Romane mit queeren Figuren (auch nicht-binär oder trans)...

Hättet ihr vielleicht Lust auf einen Lesezirkel für queere Bücher?
Das könnte man vielleicht im Rahmen einer Plotgruppe machen, das ist ein geschützter Forenbereich nur für geladene Mitglieder & man kann Themen eröffnen (z.b. pro Buch einen) und einige oben anpinnen (ich glaube 4 Stück).

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Wolfson am 27. März 2022, 08:30:08
Hallo ihr lieben, ich würde mich einfach mal anbieten, als Person, die es einmal als Erfahrungswert, aber auch als Projektvermittler wiedergeben kann.

Zitat von: AlpakaAlex am 26. März 2022, 23:41:07
Derweil halt bei westlichen Serien: [Grillenzirpen] Also wir haben schon ein paar Serien mit nicht-binären Nebenfiguren und ganz, ganz ganz selten mal eine binäre trans Person (weil die irgendwie als bedrohlicher wahrgenommen werden, als nicht-binäre Figuren).

Das finde ich halt wirklich sehr auffällig und ich rätsele gerade auch daran, woran es liegt. Also es scheint halt damit zusammen zu hängen, dass in Japan die Macher*innen der Anime in Japan weniger Backlash erwarten müssen, weil es dort eben keine "Moral Panic" rund um das Thema trans gibt.

Ich muss nur wirklich sagen, dass ich genau das, was ich da sehe, mir von westlichen Medien wünschen würde.

Leider ist es teils so, dass Länder Regelungen haben, die das Zeigen von bestimmten Themen verbietet oder Menchen die solchen Themen angehören schützen will und ihnen daher verbietet, Rollen zu besetzen. D.h. = Eine Person im Rollstuhl muss von einer "gesunden" Person gespielt werden, damit die rollstuhlfahrende Person nicht ausgebeutet werden kann (ob sie aber das selber spielen will fragt leider keiner) also Schutz = Diskrimminierung. Das kenne ich sowohl aus America als auch aus Deutschland und der EU. In Japan zb sind Rollstuhlfahrerinnen ein schweres Thema und bisher kenne ich nur 1 Anime und 1 Game mit einem Kind im Rohllstuhl, mehr nicht.

Zitat von: Mondfräulein am 27. März 2022, 00:06:58
Ich stoße dabei immer wieder auf ein Problem (das heißt nicht, dass ich es deshalb nicht mache, aber das ist so eine Sache, die mich beschäftigt): Wie oute ich trans Figuren vor den Leser*innen?

Ein Aspekt ist auch, dass ich es generell einfach lieber mag, wenn sich Figuren selbst vor den Leser*innen outen, also zum Beispiel durch etwas, was die Figur selbst sagt oder indem sie sich vor einer anderen Figur outet. Ich glaube nicht, dass das der einzige Weg ist, eine Figur zu outen, aber irgendwie fühlt sich das richtiger an. Wir haben ja auch einen Thread darüber, seine Figuren vor den Leser*innen zu outen, um den schleiche ich schon eine Weile herum, aber irgendwie komme ich nie dazu, dort etwas zu schreiben.

Ich habe tatsächlich noch nie darüber nachgedacht, dass binäre trans Menschen als bedrohlicher wahrgenommen werden könnten als nichtbinäre trans Menschen, aber jetzt wo du es sagst macht das schon irgendwie Sinn. Das ist auch ein Grund, warum ich bei Repräsentation lieber auf der sicheren Seite bleibe. Ich habe natürlich sehr viel recherchiert, aber es gibt immer noch viele Aspekte, die mir nicht bewusst sind und ich will nicht unbewusst in eine Falle tappen.

Liegt es an mir oder liegt es an der Orientierung selbst, weil die Gesellschaft ganz anders darauf reagiert und damit umgeht?

Allgemein (ohne euch Angst machen zu wollen) könnt ihr Fettnäpfchen NIE wirklich vermeiden, denn jeder einzelne Mensch hat seine eigene Auffassung dessen, was er ist und wie er/sie sich selbst representiert sehen will. Ich bin zb ganz okay damit, wenn du sagst: Ich Oute meinen Charakter lieber im witzigen um das aufzulockern.
Anderen würde genau das sauer aufstoßen, hier gilt leider der alt bewährte Satz: Du kannst es nie allen recht machen.
Das Outen IST DIE schwerste Sache im Leben eines Menschen, sobald er "anders" ist. Ob eine körperliche/geistige Beeinträchtigung, das LIebesleben oder deine Identität daran hängt ist dabei nur eine Abstufung der abertausdenden Grade.

Transmenschen "dürfen" auch in vielen Filmen nicht von eben diesen gespielt werden (Ausbeutung), aber in Shows geht das (siehe GNT). Ich persönlich finde das teils ok teils blödsin.
Ich hadere etwas mit dem Begriff nicht-binäre Transmenschen, liegt daran, dass wir gesetzlich zur binärität !erstmal! verpflichtet sind, bis wir gesetzlich das haben was wir erreichen wollten, hinterher kräht kein Hahn mehr danach. Nicht-binär wird vom Umfelg, der mir bekannten NB-TS leider schwerer ertragen als von B-TS. Denn als NB bekommt man teils folgendes zu hören: "Ja dann bist du ja nichts halbes und ncht ganzes." "Kannst dich doch ne entscheiden" ich könnte das noch weiter ausführen, erspar ich euch aber mal.

Zitat von: Fianna am 27. März 2022, 00:48:41
War das jetzt problematisch, weil die Figur Dysphorie erlebt - oder wäre das an sich kein Problem, aber es war das erste Buch dieses Genres, das mit einer trans Figur ins Auge fiel, und dann auch noch mit Dysphoriebeschreibungen?
Oder war es problematisch, dass aus der Autorenbiographie nicht heraus geht, ob es own voice ist? Hätte es diesen Kritikpunkt nicht gegeben, wenn es klar eine own voice Darstellung ist?

Die Dysphorie ist ein bestandteil des Charakters selbst erstmal, das kann ja jeder Mensch haben, was hier dahinter steckt ist eine "leichtere" Ausdrucksweiße des tatsächlichen psychischen Chematas, dass fast jeder TS erleidet - Depression, Angststörung, Selbstverletzung, Suizid, und etliches mähr. Das sind leider alles reale Ansätze, die ein Psychologe mit einem TS gehandeln und versuchen abzuarbeiten. Das gelingt dabei nicht immer! Andere TS lassen sich auch nicht behandeln und sitzen nur ihre Therapiezeit im Kaffeeklatsch ab.


Nun hab ich euch sicherlich mit einigen Sachen auch verwirrt, bzw andere Leser. Also einmal allgemeine Theorie ausm Fach:

Transmenschen sind vom Gesetz binär einzuordnen, da sie eine Änderung ihres gebohrenen Geschlechts anstreben - wir sind in DE mega hinter her was Geschlechter angeht, es "existieren nur 2, Divers ist da ein noch heikleres Thema und nicht für TS vorgesehen!
TS sollen (müssen) für 3 Jahre in therapeutische Behandlung (KK zahlt aber nur max 64 Sitzungen XD) um Nebenerscheinungen (Depression und was oben schon genannt wurde) zu behandeln und Selbstverletzendes Verhalten zu kurieren - Ursprünglich sollte man TS davor "heilen" solche "Therapeuten" gibt es leider bis heute auch in DE
TS müssen vor dem Gericht die Klischees der Gesellschaft bedienen - eine TS-Frau musste vor Gericht im Rock oder Kleid erscheinen, sonst wird der Antrag abgelehnt.
Bis TS ihren Antrag auf Namens- und Personenstandsänderung durch haben kann eine Zeit von 3Wochen bis hin zu über einem Jahr verstreichen je nach Gericht. Dazu muss man sich vor min 2 max 3 Gutachtern geistig "nackig" machen - früher musste man sich wirklich nackig machen!
Erst wer seinen Beschluss entgültig hat, darf seine Dokumente ändern lassen.

Dem Gerichtlichen geht eigentlich immer das allgemeine Outing vorran, bei Familie, Freunden, Schule, Arbeit. Jeder erlebt es unterschiedlich. Vom Gefägniswerter, der erst nur DWT war und dann JOb und Familie verliehrt, bis hin zum Kind, dass von allen unterstützt wird habe ich leider wirklich alles gesehen. Ich selber plaudere am Ende nochmal ausm eigenen Nähkästchen.
Das Outing ist die innere Hürde oder sagen wir der ABGRUND über den jeder erstmal selber springen muss. Dann muss man es noch in Wörter oder auch Schriften bringen um es an die gewünschte Person weiterzutragen - leider hat fast jeder eine Situation wo es getratscht wird und sie unkontrolliert verbreitet.
Jeder kann sich ein Outing selber mal experimentell stellen: Kannst du deiner Oma einfach so sagen, "Du Omi ich bin schwul/lesbisch, von mir gibt es keine Enkel." ?
Nehmt irgendwas und zu unterschiedlichen Bezihungsgraden. Nur euer Vorteil evt, dass es nur ein Test ist.

Ein entscheidender Unterschied noch bei TS ist, ob man operiert ist oder nicht und hier kommen NB mit rein, denn da wollen viele keine oder nur wenige OPs. Wer sich wirklich von mir die OPs erklären lassen will, möge mir bitte eine PN schreiben, da es wirklich nicht schön ist!
Vielleicht werden NB-TS als weniger bedrohlich wargenommen von der Gesellschaft, weil sie die oben genannten Vorurteile erleben und B-TS an ihrem gewünschten, gefühlten Geschlecht ankommen wollen. Also ein NB-TS ändert ja eh wieder seine Meinung, so nach dem Motto vielleicht.

Noch ein letzter Wichtiger Fakt! Trennt bitte Homo-,Hetero-Bi-,Pan-,Asexualität von TS. Grund: Transsexualität (alt) Transidendität (aktuell) Transgender(eng, achtung ist nicht nur TS!) Ist eine Identität, keine Sexualität, im eng ist Sexuality nicht der Bezug auf wen liebe ich mit wem schlafe ich, sondern was sagt mein Geschlecht über mich aus. Im DE ist es genau anders. Daher Identität bitte nicht zur Sexualität werden. Binär und NonBinär sind auch Identitäten keine Sexualitäten. Sexualität und Identität sind frei mischbar.


So, meine Finger sind kalt^^ also noch kurz was privates. Keine Sorge, dass alles erzähle ich auch in meiner Projektarbeit zum Thema.
Ich bin unbekümmert aufgewachsen und Geschlecht war nie Thema für mich, bis ich mal mit 11 meinte ich wäre lieber ein Junge.
Heute weiß ich, dass meine Tanten alle meinen ich sei ein Stift und kein Mädel. Und ja ich sah bis 14 aus wie ein Junge, Haare machen viel aus.
Ich habe immer Gegenwind geerntet wenn ich nicht weiblich war oder das typische Mädchen bin, daher das Mobbing an der Schule von der 3. Klasse an bis zum Abschluss in der 10. Das erleiden die heutigen Jugendlichen zum Glück seltener. Da bin ich erhlich gesagt neidisch^^. Ab der Ausbildung war das lockerer, aber auch da war ich untypisch und war zudem noch Goth, also ist man eh seltsam.
Erst mit 16 ging es los, dass ich keinen Sex mehr haben konnte mit meinem damaligen Freund, ohne Krampfanfälle zu bekomm, aber auch ohne Wissen was los war. Mir half dann eine Freundin, die von TS wusste und mir eine Biografie schenkte "Blaue Augen, bleiben blau." von Balian Buschbaum. Ich fand mich recht gut darin wieder und hatte erstmals einen Namen für mich. Dann fing das Outing an. Mein erstes gegenüber meinem Freund war leicht, er begleitete mich die ersten 2 Jahre bis zu unserer Trennung. Mein Zweites an meiner Mutter......via Mail von Berlin nach Chemnitz. Die Distanz dar mein Segen sonst wäre ich damals wohl zusammengefaltet worden XD. Mein leichtestes Outing war meinem Bruder gegenüber, hier mit Witz;) : "Du wolltest doch immer nen kleinen Bruder. Nun kannst einen haben, aber Fußball kann ich schon, bruchst du mir nicht mehr beibringen." Das wurde sofort akzeptiert, best Brother in the World. Meiner Oma musste ich erstmal erklären was ich meine, sie verstand ich sei lesbisch -.- naja alte Bäume ne? Da wurde erstmals nach einem Namen gefragt. Meine Mutter hatte uns beide mit E voran benannt, also versuchte ich es ihr da recht zu machen. Meine Oma war aber da anderer Ansicht: "Nein also Emanuel heißt du mir nicht, nen Erik nehm ich, aber nicht Emanuel." Ich fands lustig^^

Alles in allem...ja ich bin Transmann, ich lebe als Mann auch ohne OPs, was mich am Sport und in meiner Freizeit einschränkt und hindert, mich beim Arzt immer Fremdoutet und ich nicht mehr zu neuen Ärzten geht, egal wie scheiße es mir geht. Ich habe eine TS-Frau geheiratet und ja wie werden niemals biologische Kinder haben, nie. DAS nagt an mir, niemals Papa zu sein. Ich als Mann habe es aber noch leicht, mein altes Leben erkennt man nicht. Selbst Menschen aus meiner Schule starren mich an "kenn ich das Gesicht?" aber wissen und erkennen nichts. Mein Frau wird nach wie vor als Transe bezeichnet. Unsere Wohngegend )Laden, Nachbarn etc.) sehen uns vermutlich als schules Paar oder sie als DWT. Ich weiß es nicht. Aber man ist uns gegenüber zum Glück genauso freundlich und arschig, wie jedem anderen auch. Man behandelt uns nicht anders und genau das wollen wir auch so, als "normal" gelten.

Ich hoffe, ich konnte euch etwas helfen. =) Wölfchen knufft euch
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: AlpakaAlex am 27. März 2022, 11:57:03
Zitat von: Mondfräulein am 27. März 2022, 00:06:58
Wie oute ich trans Figuren vor den Leser*innen? Gerade bei binären trans Figuren ist das ja nicht so offensichtlich.
Das ist auch immer wieder mein Problem bei meiner Urban Fantasy Welt. Weil hier ist der Fakt: In der Welt ist geschlechtsangleichung via Magie problemlos möglich. Das heißt alle Sachen, die ich sonst wo lese (Charakter erwähnt, dass er Hormone nimmt, hat etwaige verräterische Narben oder etwas in der Art), sind nicht ohne weiteres möglich. (Logik dahinter ist: Wenn die Magie in der Welt jemanden von einem Menschen in ein Tier verwandeln kann, dann sollte es auch ohne Probleme möglich sein, einen weiblichen Körper in einen männlichen zu verwandeln und anders herum.) Und ja, da rätsele ich immer wieder. In meinem einem Projekt, das ich wohl nicht veröffentlichen werde, da outet sich der trans Charakter dann gegenüber der Protagonistin, die sein Love Interest ist. Und in 7 Nächte, das ich gerade überarbeite, trägt eine trans Frau halt Buttons - unter anderem einen trans Pride Button. Außerdem gibt es noch eine andere trans Frau darin, die an eine historische Person angelehnt ist, wo ich also die Hoffnung habe, dass Leute eins und eins zusammenzählen ... Aber ich weiß nicht, ob diese Hoffnung begründet ist.

Wie gesagt, mit Indigo, also dem nicht-binären Charakter aus Sturmjägerinnen ist es einfacher. Denn they verwendet they/them Pronomen. Wunderbar. Kein weiteres outing nötig. (Na ja, und es gibt außerdem eine Sexszene, wo their Körper beschrieben wird, so dass Lesende dann auch erfahren, dass they keine Brüste, aber dafür eine Vulva hat.)

Zitat von: Mondfräulein am 27. März 2022, 00:06:58
So generell möchte ich im Moment alle mögliche Repräsentation sehr gerne schreiben. In meinen Projekten gibt es im Moment zu wenig asexuelle Figuren, da muss ich nochmal drüber nachdenken, wie ich das ändern kann. Da finde ich das mit dem Outing auch schwierig. Klar findet man immer einen Weg, das einzubauen, aber irgendwie fällt mir das bei homosexuellen/bisexuellen/pansexuellen Figuren immer leichter. Vielleicht sollte ich mal darüber nachdenken wieso und woran das genau liegt. Liegt es an mir oder liegt es an der Orientierung selbst, weil die Gesellschaft ganz anders darauf reagiert und damit umgeht?
Das ist tatsächlich ein Problem, das ich weniger habe. Warum? Weil viele meiner Figuren oft über Sex reden. (Na ja, außer in 7 Nächte, aber das ist halt auch irgendwo zwischen YA und NA anzusiedeln.) Ich habe allerdings auch sehr, sehr wenige asexuelle Figuren, was ich ehrlich sagen muss. Also ich habe in Sturmjägerinnen einen asexuellen Charakter, aber das war's. Aromantische Figuren kommen bei mir dagegen immer mal wieder vor - weil ich halt selbst aromantisch bin und mich damit eher identifizieren kann.

Ich meine, technisch gesehen habe ich immer mal wieder Figuren, die keinen Sex haben, aber diese haben Sex eher nicht, weil sie damit verbundenes Trauma haben - das ist nun einmal keine Asexualität.

Zitat von: Fianna am 27. März 2022, 00:48:41
War das jetzt problematisch, weil die Figur Dysphorie erlebt - oder wäre das an sich kein Problem, aber es war das erste Buch dieses Genres, das mit einer trans Figur ins Auge fiel, und dann auch noch mit Dysphoriebeschreibungen?
Oder war es problematisch, dass aus der Autorenbiographie nicht heraus geht, ob es own voice ist? Hätte es diesen Kritikpunkt nicht gegeben, wenn es klar eine own voice Darstellung ist?
Ich weiß jetzt natürlich nicht, um welches Buch es geht. Was ich allerdings vermuten kann: Viele trans Menschen mögen es nicht, wie Dysphorie speziell von cis Menschen dargestellt wird. Weil es eben an der Realität häufig vorbei geht - was eben auch daran liegt, dass dann etwaige cis Menschen es sich selbst gar nicht vorstellen können und dann halt nun einmal auch keine Bücher lesen von trans Menschen, sondern nur ein paar Artikel, die dem Thema aber nicht gerecht werden können.
Außerdem ist häufig bei Medien, die von cis Menschen gemacht werden, das Thema Transition viel zu zentral. Also statt eine trans Figur einfach ihr geschlecht sein zu lassen, wird die Narrative total auf die Transition selbst fokussiert, auf Outing, auf Dysphorie, auf Drama. Und das ist halt einfach extrem störend und ja, auch problematisch.
Das ist halt effektiv so, als würde man die Geschichte eines Schwarzen Charakters komplett auf Rassismus fokussieren und dabei komplett außen vor lassen, dass auch Schwarze Menschen ein Leben haben.

Zitat von: Fianna am 27. März 2022, 00:48:41
Hättet ihr vielleicht Lust auf einen Lesezirkel für queere Bücher?
Prinzipiell ja, aber mit zwei Kaviats: 1) Ich lese sehr, sehr langsam. 2) Dann lieber für queere Phantastik-Bücher, weil tbh halt queere Contemporary Bücher sich für mich auch viel zu oft auf das "anders sein" konzentrieren.

Zitat von: Wolfson am 27. März 2022, 08:30:08
Leider ist es teils so, dass Länder Regelungen haben, die das Zeigen von bestimmten Themen verbietet oder Menchen die solchen Themen angehören schützen will und ihnen daher verbietet, Rollen zu besetzen. D.h. = Eine Person im Rollstuhl muss von einer "gesunden" Person gespielt werden, damit die rollstuhlfahrende Person nicht ausgebeutet werden kann (ob sie aber das selber spielen will fragt leider keiner) also Schutz = Diskrimminierung. Das kenne ich sowohl aus America als auch aus Deutschland und der EU. In Japan zb sind Rollstuhlfahrerinnen ein schweres Thema und bisher kenne ich nur 1 Anime und 1 Game mit einem Kind im Rohllstuhl, mehr nicht.
Ich weiß nicht, wo du das aufgeschnappt hast, aber das stimmt so nicht. Also ja, es stimmt, dass es Länder gibt, die solche Themen verbieten (Russland sei hier als Beispiel genannt), aber westlichen Medienmacher - egal ob Deutschland, UK, USA, Frankreich oder die Skandinavischen Länder - haben keinerlei solcher Regelungen. Also es ist hier nicht verboten, trans Personen medial darzustellen und es ist auch nicht verboten behinderte oder trans Schauspieler*innen für diese etwaigen Rollen herzunehmen. (Quelle: Ich kenne viele Leute, die in den Medien arbeiten, und arbeite aktuell auch an einem Projekt fürs ZDF, das spezifisch um behinderte Figuren geht.) Das einzige, was es gibt, das in den UK solche Dinge oft verhindert: In den UK gibt es sehr strenge Vorschriften für Accessibility am Set, wenn man behinderte Schauspieler*innen hat. Das sorgt dafür, dass viele Medienunternehmen sich die Mühe nicht machen wollen und dann lieber jemanden nehmen, für den sie diese Sachen nicht reinbringen müssen.

Sieht man übrigens auch daran, dass es in allen westlichen Ländern Projekte gibt, die eben behinderte oder trans Figuren mit entsprechenden Schauspieler*innen haben. In Deutschland wären die besten Beispiele die Daily Soaps, die so verquer es klingt, was das angeht immer Vorreiterfaktor haben und tatsächlich lange schon solche Figuren gespielt von solchen Darsteller*innen beinhalten.

Und eben das sieht man auch so in den USA oder UK (und in Frankreich sowieso - Frankreich ist überraschend gut darin, casual representation einzubringen und war das auch schon zu meiner Kindheit). Die Sache ist halt nur eben: Außerhalb von Soaps, die eben eh meistens mit no-name Darsteller*innen besetzt sind, wird zu viel Wert auf name recognition gegeben. Und dafür ist es halt cooler, einen Bryan Cranston in einem Rollstuhl zu setzen, als einen wirklich noch namenlosen Darsteller zu nehmen, der tatsächlich im Rollstuhl sitzt. Dazu kommt an der Stelle halt eben neben dem realen Verkaufsfaktor auch noch, dass ein Projekt mit Bryan Cranston mehr Budget gestellt bekommen wird, als ein Projekt mit Steve Millar, dem realen Rollstuhlfahrer den niemand kennt.

(Übrigens bitte trans Menschen, nicht Transmenschen. Trans ist ein Adjektiv.)

Was Anime und Behinderungen angeht, ist es so ein kompliziertes Thema. Die Sache ist nämlich, dass Japan wirklich sehr, sehr rückständige Regelungen hat, was die Einbindung von behinderten Menschen in die Gesellschaft angeht. Also in der Regel war es so, dass behinderte Menschen in Japan für die längste Zeit in (schlechte) Betreuungsheime abgeschoben und dann vergessen wurden. Es ist erst in den letzten ca. 15 Jahren so, dass Leute dagegen vorgehen - übrigens auch wirklich größtenteils Privatpersonen und nicht die Politik. Deswegen sieht man auch erst in den letzten fünf Jahren nun vermehrt Darstellungen in Anime/Manga von behinderten Personen (abseits von Figuren, die coole Prothesen haben oder aus coolnessgründen blind sind). Aber es ist kompliziert. Eine gute Freundin von mir ist jetzt aus Japan "geflohen", weil die japanische Gesellschaft einfach kaum Accessible für sie mit ihrer Hörschädigung war.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Wolfson am 27. März 2022, 14:24:54
Zitat von: AlpakaAlex am 27. März 2022, 11:57:03

(Übrigens bitte trans Menschen, nicht Transmenschen. Trans ist ein Adjektiv.)


Unterscheide bitte dass ich von Transmenschen rede und nicht von transgeschlechtlichen Menschen als Wortwahl. Transmensch, Transmann, Transfrau sind zum einen offizielle Begrifflichkeiten, zum anderen ist es ein Teil des gesammten Wortes wie bei Transporter, du sagst ja nicht trans Porter - der verlgeich hier ist bewisst, denn trans heiß nichts anderes als ewtas zu bewegen und ja auch für TS gilt das in vielerlei hinsicht.

Wo ich das mit den Darstellern hernehme, kommt aus England, und zudem gibts es keine deutschen Filme mit Transmenschen und ja auch das mit den Rollifahrer kommt von England. Zumindest war es die letzten 5-10 Jahre so.

Ich weiß nicht ganz ob du bei deinem NB Charakter - Indigo (ist der Name oder?) - eher an eine intergeschlechtliche Person gedacht hast? Also quasie biologisch mit der Veranlagung gebohren, dass they keine Brüste wuchsen, aber sich das Geschlechtsmerkmal im Unterleib bilden konnte? Zumindest habe ich das so herausgelsen o.o, verzeih mir also, wenn ich da was missverstehe.

Was mir mal zum Thema heut auf Arbeit noch eingefallen ist:
Dr. How behandelt ganz beiläufig sowas auch in etlichen Folgen, zb spricht er mit einem Pferd, das lieber eine Stute ist.
Wem es dazu mal historisch kitzelt, dem empfehle ich den Film "Lilly Elbe" - gibt es glaube auch als Buch Original "Danish Girl", Allerdings ist die reale Originalperson Intergeschlechtlich gewesen, im Film kommt das leider nicht mit durch.

Was mir noch zum Thema Outing einfällt:
Ist zwar ein Anime über Boylove, aber finde es schön gemacht, dass es dem einen Charakter so relativ egal ist, wie seine Kumpels reagieren - Sasaki and Miyano
Auch gut rübergebracht fand ich es bei  Overlord in der Staffel I, als Albedo von Kinderkriegen redet und die Zwillingswächter ja an sich beide vertrauscht sind als "Its a trap"

Ich hasse den folgenden Satz gleich selber XD, aber: "Je normaler man das Thema direkt einbidet, desso eher normalisiert und integriert es sich vielleicht." - den Satz bitte nicht so scharf nehm.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: AlpakaAlex am 27. März 2022, 15:27:22
Zitat von: Wolfson am 27. März 2022, 14:24:54
Unterscheide bitte dass ich von Transmenschen rede und nicht von transgeschlechtlichen Menschen als Wortwahl. Transmensch, Transmann, Transfrau sind zum einen offizielle Begrifflichkeiten, zum anderen ist es ein Teil des gesammten Wortes wie bei Transporter, du sagst ja nicht trans Porter - der verlgeich hier ist bewisst, denn trans heiß nichts anderes als ewtas zu bewegen und ja auch für TS gilt das in vielerlei hinsicht.
Ein trans Mann ist kein bewegter Mann. Ein trans Mann ist ein transgeschlechtlicher Mann - das trans ist letzten Endes nur eine Kurzform fürs transgeschlechtliche. Die Schreibweisen mit Transmann etc. stellen das Transsein als das Hauptmerkmal des Menschen da und differenzieren sie von anderen Menschen. In dem Fall ist ein Transmensch eben auf einmal kein normaler Mensch mehr sondern wird zu einem komplett neuen Wesen - weil halt ein getrenntes Nomen. Dann ist auf einmal auch eine Transfrau rein sprachlich gesehen keine Frau mehr - sondern etwas getrenntes, weil es ein eigenes Nomen hat. Ist es aber eine trans Frau ist sie eine Frau, die mit einem Adjektiv beschrieben ist. So wie eine rothaarige Frau eine Frau ist oder eine Schwarze Frau eine Frau usw. Deswegen ist es so wichtig, trans als Adjektiv zu benutzen - weil Sprache eben Macht hat, wie wir in einem Autor*innenforum alle wissen sollten. Und wenn man halt immer wieder "Transfrauen" liest, also ein Wort das transgeschlechtliche Frauen deutlich von cisgeschlechtlichen Frauen unterscheidet, dann lernt das Gehirn auch: "Ja, aber es sind eben keine echten Frauen." Und genau deswegen: trans Menschen, trans Frauen, trans Männer.

Trans hat übrigens auch nichts mit Bewegen zu tun - sondern mit dem lateinischen "trans", was soviel wie "jenseits", "hinter", "auf der anderen Seite" bedeutet. Cis dagegen bedeutet "diesseits", "zwischen" oder "auf dieser Seite". Die Begriffe wurden ihrerseits von Magnus Hirschfeld festgelegt, als dieser in den 1920er Jahren dazu forschte.

Das gilt übrigens auch für Transporter. Der Transporter kommt vom lateinischen trans portare - "über etwas hinüber bewegen" oder "zu etwas hinbewegen".

Zitat von: Wolfson am 27. März 2022, 14:24:54
Wo ich das mit den Darstellern hernehme, kommt aus England, und zudem gibts es keine deutschen Filme mit Transmenschen und ja auch das mit den Rollifahrer kommt von England. Zumindest war es die letzten 5-10 Jahre so.
Ich weiß halt nicht, woher du die Info hast, aber sie stimmt wirklich nicht. Es gibt und gab nie Gesetze, die so etwas verboten hätten. Deswegen gab es auch in Großbritannien über die vergangenen Jahrzehnte immer wieder Filme und Serien, in denen sowohl behinderte Schauspieler*innen, als auch trans Schauspieler*innen vorkamen - manchmal sogar in Hauptrollen.

Die einzige Einschränkung, die es in den UK gab, war um die 1990er Jahre herum Section 28, die Darstellung von LGBTQ* in Medien, die an Familien oder Kinder gerichtet waren, verboten hat. Aber diese ist bereits seit Mitte der 90er Jahre außer Kraft gesetzt worden. (Nicht, dass es die UK daran hindern würde, bspw. amerikanische Cartoons teilweise zu schneiden - man denke nur daran, dass Steven Universe in den UK stärker zensiert war, als in Russland ... Aber das hängt nicht mit Gesetzen zusammen, sondern mit queerfeindlichen Medienmachern.)

Queerfeindlichkeit ist übrigens auch der Grund, warum deutsche Filme eben dann keine trans Schauspieler*innen casten - zusammen eben mit dem ausgerechneten Erfolg und dem Budgetgrund. Das hat nichts mit irgendwelchen Gesetzen zu tun. Genau deswegen halte ich es auch für kritisch diese Falschinformationen zu verbreiten - weil sie eben dann auf einmal die Schuld von den Medienmacher*innen runternimmt und auf die Gesetzesgeber*innen verlagert.

Und das gilt natürlich auch für Behinderungen. Also ja, wie gesagt, es ist in den UK aufwendiger behinderte Menschen mit am Set zu haben - aber das sollte kein Hindernis darstellen, wenn man wirklich gute Filme/Fernsehen machen will.

Die Sache ist ja eben auch, dass man sieht, was passiert, wenn man den betroffenen Leuten eine Chance gibt, entsprechende Figuren darzustellen. Dann wird eben auf einmal ein behinderter Darsteller wie Peter Dinklage zum großen Star. (Deswegen weiß ich es auch sehr zu schätzen, dass Disney nun vermehrt Wert darauf legt, behinderte Figuren mit behinderten Darsteller*innen zu casten.)

Wie gesagt: Es ist halt wirklich darauf zurückzuführen, dass a) das Thema trans nicht wirklich verstanden wird, b) trans Schauspieler*innen häufig nicht bekannt sind und c) eben auch viele Entscheidungstreffende aktiv transfeindlich sind und deswegen nicht echte trans Menschen fördern wollen.

Aber Soaps bekommen all diese Dinge - Behinderung und trans schon seit teilweise 20 Jahren auf die Reihe. Es ist also durchaus möglich. Man muss es nur wollen.

Zitat von: Wolfson am 27. März 2022, 14:24:54
Ich weiß nicht ganz ob du bei deinem NB Charakter - Indigo (ist der Name oder?) - eher an eine intergeschlechtliche Person gedacht hast? Also quasie biologisch mit der Veranlagung gebohren, dass they keine Brüste wuchsen, aber sich das Geschlechtsmerkmal im Unterleib bilden konnte? Zumindest habe ich das so herausgelsen o.o, verzeih mir also, wenn ich da was missverstehe.
Nein, they ist tatsächlich trans nicht-binär. Die Brüste hat they nur wegmachen lassen, weil die them unangenehm waren, von wegen Dysphorie und so. Allerdings auch mit magischen Mitteln, weswegen they keine Narben oder so hat.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Andersleser am 27. März 2022, 15:57:17
Zitat von: Wolfson am 27. März 2022, 08:30:08
Leider ist es teils so, dass Länder Regelungen haben, die das Zeigen von bestimmten Themen verbietet oder Menchen die solchen Themen angehören schützen will und ihnen daher verbietet, Rollen zu besetzen. D.h. = Eine Person im Rollstuhl muss von einer "gesunden" Person gespielt werden, damit die rollstuhlfahrende Person nicht ausgebeutet werden kann (ob sie aber das selber spielen will fragt leider keiner) also Schutz = Diskrimminierung. Das kenne ich sowohl aus America als auch aus Deutschland und der EU. In Japan zb sind Rollstuhlfahrerinnen ein schweres Thema und bisher kenne ich nur 1 Anime und 1 Game mit einem Kind im Rohllstuhl, mehr nicht.

Also von einem Verbot habe ich diesbezüglich nie gehört. Es gibt auch behinderte Schauspieler*innen. (Sonst dürfte es ja schon seit Jahren keine Filme geben, in denen ein Mensch das Down Syndrom hat), als Beispiel jetzt - aber es gibt ja auch Schauspielende mit anderen Behinderungen, allerdings nicht unbedingt bekannte, aus verschiedenen Gründen, die die Macher denken oder meinen:
1.: Behinderung - der Mensch der braucht ja dies oder das, und Barrierefrei ist es hier ja nicht und sonstige ausreden. Ausreden deshalb, da es oft Problematiken sind, die man leicht beheben kann und die meist tatsächlich kein oder kaum Geld kosten. Es braucht nur ein Umdenken und manchmal ein Minimum an Kreativität. (Wenn ein Protagonist im Verlauf einer Serie, oder des Films erst im Rollstuhl landet macht es natürlich Sinn, einen eigentlich laufenden Schauspieler zu nehmen, denn er muss ja vorher laufen. Das kann ich akzeptieren.)

2.: Es wird oft gesagt "Es gibt ja aber kaum welche, wir haben ja ein Casting gemacht, wir haben ja danach gesucht - der andere war eben besser" (Da ist der Fakt, dass der Zugang zu guter schauspielerischer Ausbildung ja oftmals auch nicht barrierefrei ist, oder man aus (leider Unwissen) eher abgelehnt wird.) Im Grunde wird gesagt, gibt es zu wenig und selbst wenn man will und tatsächlich gut ist/es tatsächlich kann, wird es oftmals nichts, weil dann doch lieber auf den "unkomplizierteren" einfacheren Weg eines nicht behinderten Schauspielers gesetzt wird. Weil das kennt man immerhin. (Und dann muss solch ein Casting auch erst mal ankommen, bei betreffenden.) Wobei es durchaus Ausnahmen gibt. Denn es gibt sie. Bei "In aller Freundschaft" z.B. spielt Tan Caglar (er sitzt selbst im Rollstuhl) einen Arzt. Oder Samuel Koch, der auch schon Rollen hatte - klar er hatte vorher schon Bekanntheitsgrad, das wird schon geholfen haben, macht seine Leistung aber nicht schlechter. Genauso hatte Tan Caglar vorher Bekanntheitsgrad, so als Comedian, Autor und Sportler. Das ist natürlich schon hilfreich um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Dann gäbe es Kleinwüchsige Schauspieler*innen besagte mit Down Syndrom usw.

In Amerika sehe ich da tatsächlich mehr, andererseits sehe ich auch sehr viel aus jenem Raum. Zum Beispiel bei Switched at Birth, wo tatsächlich gehörlose und Schwerhörige Menschen für ihre Rollen genommen wurden, denn es sind erstaunlich viele Schauspieler*innen mit Hörschädigungen unterwegs. Jetzt aktuell Marvel: Gehörlose Schauspielerin. Aktuell kann man Marvel auch aufführen, die Schauspielerin Alaqua Cox trägt eine Prothese und ist Gehörlos, sie spielt die Figur "Echo".
Aber in Deutschland gab es auch ein Casting, wo tatsächlich Hörgeschädigte Menschen für eine Buchverfilmung gesucht wurden (Freak City). Insgesamt ist in Amerika aber gefühlt öfter Behinderung in Serien und Filmen irgendwo mal "zu sehen", was hier ja oft gar nicht der Fall ist. Gut in einer Teenie-Serie meist irgendwo im Gang der Schule oder so, absolut übersehbar, aber immerhin "da". Aber eben auch tatsächlich in größeren Rollen, als nur als Statist. Und es gibt zumindest im englischsprachigen Raum ja auch sehr bekannte Schauspieler*innen mit Behinderungen

Würde mich gerade interessieren wo du es her hast, dass man es nicht "darf". Weil es durchaus (auch in D) behinderte Schauspieler*innen gibt.

Zitat von: Wolfson am 27. März 2022, 08:30:08
TS sollen (müssen) für 3 Jahre in therapeutische Behandlung (KK zahlt aber nur max 64 Sitzungen XD)

Hier habe ich auch dezent Fragezeichen im Hirn und muss das mal ein bisschen "geraderücken". Nicht das irgendwer noch in Panik verfällt, bei der Zahl:
Die Krankenkasse verlangt nach deren Richtlinien nur 18 Monate Begleittherapie, jedenfalls war das sonst immer so, daher frage ich mich gerade woher du das mit den 3 Jahren hast. :hmmm: Man kann auch sämtliche Operationen, so man denn will, nach den 18 Monaten genehmigt bekommen (Hormone kann man früher bekommen, Richtwert gern 6 Monate, kommt aber immer drauf an, was Therapeut*in sagt und tut) - und ob man dann in Therapie bleibt oder nicht, kann man dann ja selber gucken. Dazu wird man ja nicht gezwungen. "Pflichtsache", wenn man denn OPs möchte, sind 18 Monate. Der Zeitraum sollte sich doch jetzt eigentlich nicht verlängert haben. Klar, man braucht durchaus ein Schreiben vom Therapeuten - wenn man so will, kann man da an Menschen geraten, die es immer weiter rauszögern, aber an sich sind 3 Jahre keine Pflicht. Es gibt auch keine tatsächlichen gesetzlichen Regelungen dazu, immer nur Richtlinien - und diese bezogen sich bisher immer auf 18 Monate. Selbst wenn sich was geändert hat, glaube ich kaum, dass der Zeitraum höhergesetzt wird. Immerhin ist es wie gesagt eigentlich nur das, an das die Krankenkasse sich klammert (und die müsste vom Sinn her eigentlich schon eine Operation zahlen, wenn therapeutisch alles ausgeschöpft ist) Was an sich zwar wieder unterstellt, dass man es "wegtherapieren" kann, was man natürlich nicht kann, aber das ist ein anderes Thema.

Zitat von: AlpakaAlex am 27. März 2022, 11:57:03
Außerdem ist häufig bei Medien, die von cis Menschen gemacht werden, das Thema Transition viel zu zentral. Also statt eine trans Figur einfach ihr Geschlecht sein zu lassen, wird die Narrative total auf die Transition selbst fokussiert, auf Outing, auf Dysphorie, auf Drama. Und das ist halt einfach extrem störend und ja, auch problematisch.
Das ist halt effektiv so, als würde man die Geschichte eines Schwarzen Charakters komplett auf Rassismus fokussieren und dabei komplett außen vor lassen, dass auch Schwarze Menschen ein Leben haben.

Ohja, eindeutig. Es ist ja echt oft so, dass wenn es nicht die Cis-Hetero Schiene ist, dann ist es mit viel Drama, oder eben tatsächlich auf das Thema komplett fokussiert. Dann werden Geschichten geschrieben, oder gezeigt, die ganz stark um Outing und Co. gehen oder irgendwo währenddessen. Die Entwicklung, die Gefühle, Erlebnisse evtl. Mobbing... Klar, die brauch es auch, auch die sind wichtig und gut und können helfen (wenn gut gemacht), ehrlich gesagt bin ich auch voll dafür dass es solche gibt, eben sofern sie gut sind. Aber es ist schon schön, auch welche zu haben, wo es eben mal kein Drama, kein großes Outing usw. gibt. Wo es ein Stück weit, oder sogar komplett, ideal ist. Einfach normal - um zu zeigen: "Hey Leute es ist nicht komisch, das ist normal!"
Martin Gancaczyk sagt das auch immer super bei seinen Büchern: Die Geschichten wären einfach genau die gleichen, selbst wenn seine Figuren nicht Homosexuell wären und man bei einem das Geschlecht tauschen würde, die Handlung wäre identisch. Es ändert also nichts, dass der Held nicht hetero ist. -> Und das finde ich, muss echt eingesehen werden. Dass es Schnuppe ist. Dabei helfen dann solche Bücher, die es einfach völlig selbstverständlich drin haben sehr. Meiner Meinung nach brauch es beide Arten Bücher. Leider überwiegen die "Casual Queerness" Bücher noch nicht. Da könnte wirklich gern mehr kommen  ;D

Was ich bei Trans Figuren raten würde zu vermeiden: Den Geburtsnamen dieser zu nutzen um die Figur zu outen (Deadnaming). Das wird nämlich schon recht viele stören. Vor allem, wenn der Charakter halt eigentlich schon lange "angekommen" ist und alles als akzeptiert gelten soll. Dann wird das eher als (schlechter) Versuch eingeordnet, zu verdeutlichen, dass die Figur Trans ist.

Zitat von: AlpakaAlex am 27. März 2022, 11:57:03
Zitat von: Fianna am 27. März 2022, 00:48:41
Hättet ihr vielleicht Lust auf einen Lesezirkel für queere Bücher?
Prinzipiell ja, aber mit zwei Kaviats: 1) Ich lese sehr, sehr langsam. 2) Dann lieber für queere Phantastik-Bücher, weil tbh halt queere Contemporary Bücher sich für mich auch viel zu oft auf das "anders sein" konzentrieren.
Da empfehle ich direkt Martin Gancarczyk  ;D
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Wolfson am 27. März 2022, 16:57:07
Zitat von: Andersleser am 27. März 2022, 15:57:17
Hier habe ich auch dezent Fragezeichen im Hirn und muss das mal ein bisschen "geraderücken". Nicht das irgendwer noch in Panik verfällt, bei der Zahl:
Die Krankenkasse verlangt nach deren Richtlinien nur 18 Monate Begleittherapie, jedenfalls war das sonst immer so, daher frage ich mich gerade woher du das mit den 3 Jahren hast. :hmmm: Man kann auch sämtliche Operationen, so man denn will, nach den 18 Monaten genehmigt bekommen (Hormone kann man früher bekommen, Richtwert gern 6 Monate, kommt aber immer drauf an, was Therapeut*in sagt und tut) - und ob man dann in Therapie bleibt oder nicht, kann man dann ja selber gucken. Dazu wird man ja nicht gezwungen. "Pflichtsache", wenn man denn OPs möchte, sind 18 Monate. Der Zeitraum sollte sich doch jetzt eigentlich nicht verlängert haben. Klar, man braucht durchaus ein Schreiben vom Therapeuten - wenn man so will, kann man da an Menschen geraten, die es immer weiter rauszögern, aber an sich sind 3 Jahre keine Pflicht. Es gibt auch keine tatsächlichen gesetzlichen Regelungen dazu, immer nur Richtlinien - und diese bezogen sich bisher immer auf 18 Monate. Selbst wenn sich was geändert hat, glaube ich kaum, dass der Zeitraum höhergesetzt wird. Immerhin ist es wie gesagt eigentlich nur das, an das die Krankenkasse sich klammert (und die müsste vom Sinn her eigentlich schon eine Operation zahlen, wenn therapeutisch alles ausgeschöpft ist) Was an sich zwar wieder unterstellt, dass man es "wegtherapieren" kann, was man natürlich nicht kann, aber das ist ein anderes Thema.

Bitte bitte genau lesen und nicht aus dem Kontext reisen. Es ging dabei um Juristische Angelegenheiten und Regelungen, nach dem Gesetzen in DE muss man 3 Jahre einen Altagstest nachweißen, dieser geht nur in Begleitung eines Therapeuten, dass dies aber völllig irrealistisch ist habe ich damit in Klammern hinter klargestellt! ich finde es schön, wie man als eigener Mensch der Sache hinterfragt wird am selbst erlebte....
Ts dürfen auch nach wie vor 3 Jahre vor wie nach dem Beschluss keine Kinder nachweißlich haben, bzw nachgewiesen bekommen. Was du mit den Hormonen und Ops sagst stimmt, teils, es gibt Ausnahmen, die auch da anders Regeln. Ich bezog mich aber nicht auf das medizinische sondern rein Rechtliche was das Gericht verlangt.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Andersleser am 27. März 2022, 17:13:40
@Wolfson
Ich schrieb es auch vor allem deshalb, weil sich dein Text auch im Gesamten so las, als sei die Therapie in der länge verpflichtend (und das ist es nunmal nicht)
Bezüglich Alltagstest: Man muss nicht nachweislich 3 Jahre Therapie gemacht haben, man muss nur 3 Jahre als (Geschlecht hier einfügen) gelebt haben und das geht auch ohne Therapie - denn laut dem TSG ist das rechtliche vollkommen unabhängig vom Medizinischen zu betrachten und Therapie fällt unter medizinisch. Heißt: Vä/Pä kannst du auch haben ohne je in Therapie gewesen zu sein (wenn man anderes hört, ist das noch veraltet, von der Zeit, wo man dazu tatsächlich medizinische Schritte benötigte). Ich weiß aber natürlich, dass jeder anderes auf seinen Weg erlebt hat, selbst wenn es eigentlich einheitliche Regelungen geben sollte. Aber es gleicht ja nicht jeder Weg dem eigenen. Muss ich so natürlich auch einsehen, wenn dein Weg so war.
Aufs rechtliche bezogen nochmal:
Fürs Rechtliche sind es ja eh andere Gutachter und die wollen ihre Liste abhaken. Die haben den Translebenslauf und stellen ihre Fragen - wenn daraus hervorgeht, dass man diese geforderten 3 Jahre im empfundenen Geschlecht gelebt hat, dann genügt das - dazu braucht man keinen Therapienachweis, auch das Gericht braucht keinen therapienachweis. Wenn du magst können wir gern noch per PN drüber schreiben, falls es sonst vom Thema wegführt mein ich.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Araluen am 27. März 2022, 17:49:06
Wäre es nicht auch im Sinne der Diskussion, wenn man erst einmal dankend annimmt, dass sich hier ein Betroffener für uns öffnet und Einblicke in seine Erlebenswelt gibt, bevor man ihn kritisiert und korrigiert? Ich bin mir sicher, es ist nicht so gemeint und geschriebenen Text fehlt es einfach an Tonfall, Gestik und Mimik. Aber bei mir kommt es so an, als würde man @Wolfson nahezu unterstellen von der Thematik keine Ahnung zu haben, obwohl Wolfson betroffen ist. So gibt es meines Wissens nach tatsächlich keine einheitliche Regelung, die vorschreibt, ob es nun trans Mann oder Transmann oder Trans*Mann oder oder heißen muss. Es gibt nur durchaus einen Teil der Community (aber eben nicht die Ganze), der Transmann aus den von dir genannten Gründen @AlpakaAlex ablehnt. Wenn Wolfson für sich aber fein ist mit Transmann, warum sollte man Wolfson diese Bezeichnung dann absprechen und korrigieren?
Mit Sicherheit hat Wolfson den Werdegang auch so erlebt mit der Aussage: "Das ist so vorgegeben." (andernsfalls hätte Wolfson mit Sicherheit einen kürzeren Weg gewählt) Was soll Wolfson dann anderes vermuten, als das es so vorgegeben ist?
Ich kritisiere nicht, dass nachgefragt wird, gerade wenn Verständnisprobleme vorhanden sind. Aber tut es auf Augenhöhe und schaut nicht auf jemanden herab, der uns hier an seinem wirklich privatesten Teil seines Lebens teilhaben lässt.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Soly am 27. März 2022, 18:04:15
@Araluen danke, so etwas ähnliches ging mir auch durch den Kopf, ich habe nur nicht die Worte dafür gefunden!

@Wolfson vielen Dank, dass du das alles mit uns teilst :knuddel:
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: AlpakaAlex am 27. März 2022, 18:26:56
Zitat von: Araluen am 27. März 2022, 17:49:06
Es gibt nur durchaus einen Teil der Community (aber eben nicht die Ganze), der Transmann aus den von dir genannten Gründen @AlpakaAlex ablehnt.
Ich bin aber selbst nun einmal ja auch trans und ich empfinde es als sehr, sehr enthumanisierend "Transmensch" genannt zu werden, was @Wolfson unter anderem ja nun einmal auch tut.
Große Teile der trans Communtiy kämpfen halt so weitreichend dafür und gegen so viel Gegenwehr, etwas gegen das "Transfrau", "Transmann", "Transmensch" zu machen, weil es eben das Geschlecht und sogar die Menschlichkeit abspricht - und letzten Endes hat Wolfson ja nicht angefangen, diese Formen zu wählen, weil er sich selbst darüber viele Gedanken gemacht hat, sondern weil er es von der cis Gesellschaft übernommen hat.
Die meisten trans Menschen wollen trans als Adjektiv haben - und ich finde das müssen auch andere trans Menschen akzeptieren. Also von mir aus darf sich Wolfson selbst als Transmann bezeichnen - aber nicht trans Menschen als "Transmenschen" oder andere trans Frauen/Männer als "Transfrauen/Transmänner".
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Andersleser am 27. März 2022, 18:29:42
Zitat von: Araluen am 27. März 2022, 17:49:06
Wäre es nicht auch im Sinne der Diskussion, wenn man erst einmal dankend annimmt, dass sich hier ein Betroffener für uns öffnet und Einblicke in seine Erlebenswelt gibt, bevor man ihn kritisiert und korrigiert? Ich bin mir sicher, es ist nicht so gemeint und geschriebenen Text fehlt es einfach an Tonfall, Gestik und Mimik. Aber bei mir kommt es so an, als würde man @Wolfson nahezu unterstellen von der Thematik keine Ahnung zu haben, obwohl Wolfson betroffen ist. So gibt es meines Wissens nach tatsächlich keine einheitliche Regelung, die vorschreibt, ob es nun trans Mann oder Transmann oder Trans*Mann oder oder heißen muss. Es gibt nur durchaus einen Teil der Community (aber eben nicht die Ganze), der Transmann aus den von dir genannten Gründen @AlpakaAlex ablehnt. Wenn Wolfson für sich aber fein ist mit Transmann, warum sollte man Wolfson diese Bezeichnung dann absprechen und korrigieren?
Mit Sicherheit hat Wolfson den Werdegang auch so erlebt mit der Aussage: "Das ist so vorgegeben." (andernsfalls hätte Wolfson mit Sicherheit einen kürzeren Weg gewählt) Was soll Wolfson dann anderes vermuten, als das es so vorgegeben ist?
Ich kritisiere nicht, dass nachgefragt wird, gerade wenn Verständnisprobleme vorhanden sind. Aber tut es auf Augenhöhe und schaut nicht auf jemanden herab, der uns hier an seinem wirklich privatesten Teil seines Lebens teilhaben lässt.

Ich denke ich war auch mit gemeint? Also wenn: Es war absolut nicht von oben herab gemeint und wenn es so ankam, dann tut mir das wirklich leid und dann Entschuldige ich mich gern @Wolfson

@Araluen Ich wollte wirklich nur schreiben, damit nicht jemand völlig entmutigt wird, wenn die Person dann plötzlich diese Zahl liest und gerade noch ganz am Anfang des Weges steht. In solcher Situation sind 3 Jahre extrem und ein solch großer Zeitraum, der denken lassen kann, dass man niemals so lange durchhält.  :-\ Für manche Menschen wäre das ein Zeitraum der einem Ende gleich kommt. Und damit drücke ich mich leider wirklich nicht dramatisch aus. Gerade wenn man ansonsten kaum Infos dazu hat, kein Forum, keine Bekannten oder Gruppen. Nur deshalb wollte ich das erklären, weil es wichtig ist.
Dass nicht jeder den gleichen Weg hat und geht und dieser bei jeder Trans Person völlig unterschiedlich lange dauert sollte eigentlich klar sein (hoffe ich), wenn nicht, dann hiermit: Es ist bei jedem Menschen ein anderer Zeitraum. Ich wollte einfach nur kurz anmerken, wie es sich mit den 3 Jahren verhält - natürlich, wenn es bei Wolfson so war, dann ist es ungünstig gelaufen und das möchte ich gar nicht abtun, aber es ist eben nicht bei allen so. Das wollte ich ausdrücken. Weil es das Gesetz halt nicht so vorsieht. Heißt aber ja nicht, dass es nicht dennoch so passiert - das wird auch einfach kommen, weil es eben mal eine andere Gesetzeslage gab und Richter*innen und Gutachter*innen verschieden arbeiten und manche Dinge verlangen die nicht okay oder nicht notwendig sind. Früher musste man tatsächlich alle medizinischen Schritte gehen um überhaupt die Vä/Pä zu bekommen (Vornamens und Personenstandsänderung), heute kann man diese auch ohne Therapie bekommen - weil es dazu tatsächlich nur von Wolfsson besagte Gutachter und das Gericht braucht.

Ich wollte jedenfalls keinen Angreifen. Sollte hier was auch irgendwie doof rüberkommen (ich hoffe nicht, ich habe mich jedenfalls bemüht), dann gern wieder drauf Aufmerksam machen. Wenn man Fragen hat, warum es mir wichtig ist, kann man mich gern per PN fragen - ich möchte nur nicht alles Privates öffentlich breittreten. Daher schrieb ich auch Wolfson schon - ich befinde mich also schon in Klärung und hoffe dass ich nicht verletzend war  :)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Araluen am 27. März 2022, 20:31:29
Zitat von: AlpakaAlex am 27. März 2022, 18:26:56
Zitat von: Araluen am 27. März 2022, 17:49:06
Es gibt nur durchaus einen Teil der Community (aber eben nicht die Ganze), der Transmann aus den von dir genannten Gründen @AlpakaAlex ablehnt.
Ich bin aber selbst nun einmal ja auch trans und ich empfinde es als sehr, sehr enthumanisierend "Transmensch" genannt zu werden, was @Wolfson unter anderem ja nun einmal auch tut.
Große Teile der trans Communtiy kämpfen halt so weitreichend dafür und gegen so viel Gegenwehr, etwas gegen das "Transfrau", "Transmann", "Transmensch" zu machen, weil es eben das Geschlecht und sogar die Menschlichkeit abspricht - und letzten Endes hat Wolfson ja nicht angefangen, diese Formen zu wählen, weil er sich selbst darüber viele Gedanken gemacht hat, sondern weil er es von der cis Gesellschaft übernommen hat.
Die meisten trans Menschen wollen trans als Adjektiv haben - und ich finde das müssen auch andere trans Menschen akzeptieren. Also von mir aus darf sich Wolfson selbst als Transmann bezeichnen - aber nicht trans Menschen als "Transmenschen" oder andere trans Frauen/Männer als "Transfrauen/Transmänner".
Dann überdenken vielleicht einfach deine Wortwahl. Schreibe nicht: Das ist falsch. Denn zum Einen ist es das nicht und zum Anderen sprichst du Wolfson damit etwas ab, was von Wolfson als Betroffener gewählt wurde. Sondern schreibe genau das, was du eben geschrieben hast: "ich bin selbst betroffen und fühle mich mit dem Begriff nicht wohl. Deshalb möchte ich darum bitten, hier in der Diskussion diesen anderen Begriff zu verwenden, der auch in der Community größeren Zuspruch hat, weil (Argumente)" Dann diskutiert ihr auf Augenhöhe.

@Andersleser: ich bin auch nach wie vor fest überzeugt, dass keine böse Absicht hinter deinen Worten stand, sondern das Bedürfnis nach Aufklärung. Ich fand lediglich das Wie unglückluch, was in einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht vermutlich völlig anders rüber gekommen wäre.

Um mal wieder back to topic zu kommen. Bereits bei Sailor Moon war bereits in den 90ern ein queerer Cast selbstverständlich. Denken wir an Michiro und Haruka, das Amazonentrio oder die Generäle des Dark Kingdom. In den Synchros wurden da zuweilen die seltsamsten Sachen gemacht von Haruka ist tatsächlich ein Mann, Michiros Cousine (wie auch immer das die Beziehung besser macht) oder Fisheye (Amazonentrio) würde kurzerhand in eine Frau verwandelt. Was in Japan damals offenbar kein Problem war, ging in Europa und den USA offenbar gar nicht.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Andersleser am 27. März 2022, 21:15:57
Zitat von: Araluen am 27. März 2022, 20:31:29
@Andersleser: ich bin auch nach wie vor fest überzeugt, dass keine böse Absicht hinter deinen Worten stand, sondern das Bedürfnis nach Aufklärung. Ich fand lediglich das Wie unglückluch, was in einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht vermutlich völlig anders rüber gekommen wäre.

Ich glaube ich verstehe was du meinst - ich hab meine zwei Beiträge eben nochmal nachgelesen, die sich damit beschäftigt haben. Und ich schätze ich habe mich wirklich etwas blöd ausgedrückt - es klingt etwas in die Richtung "belehrend" wenn man es so nennen kann, glaub ich.  :-\
Beim nächsten Mal versuche ich meine Formulierungen wieder besser hinzubekommen, ich kann es ja besser - ich glaube mir ist hier einfach was durchgegangen, weil das was bei mir ausgelöst hat. Beim Lesen vor dem Abschicken hat es sich noch okay gelesen, mit Abstand und dem Blick von Außen wirkt es doch etwas ungünstig.

Zitat von: Araluen am 27. März 2022, 20:31:29
Um mal wieder back to topic zu kommen. Bereits bei Sailor Moon war bereits in den 90ern ein queerer Cast selbstverständlich. Denken wir an Michiro und Haruka, das Amazonentrio oder die Generäle des Dark Kingdom. In den Synchros wurden da zuweilen die seltsamsten Sachen gemacht von Haruka ist tatsächlich ein Mann, Michiros Cousine (wie auch immer das die Beziehung besser macht) oder Fisheye (Amazonentrio) würde kurzerhand in eine Frau verwandelt. Was in Japan damals offenbar kein Problem war, ging in Europa und den USA offenbar gar nicht.

Ich hab deutlich zu wenig Erfahrung mit Sailor Moon glaube ich. Ich hab das nie wirklich doll verfolgt (hab eher andere Animes geschaut) obwohl ich immerhin von der Haruka und Michiro Sache weiß. Aber ich weiß noch, dass ich als Kind bei den Folgen, die ich gesehen habe, mir nie sicher war, ob Haruka nun ein Junge oder ein Mädchen ist. Ich fand sie vom Aussehen aber cool.
Ich glaube ich wusste erst was Sache ist, als mir das irgendwann mal eine Freundin erzählt hat.
Echt doof was die da gemacht haben (also was du erzählst) wusste gar nicht was da noch so war, von deinen Beispielen her.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: AlpakaAlex am 28. März 2022, 14:31:23
Zitat von: Araluen am 27. März 2022, 20:31:29
Um mal wieder back to topic zu kommen. Bereits bei Sailor Moon war bereits in den 90ern ein queerer Cast selbstverständlich. Denken wir an Michiro und Haruka, das Amazonentrio oder die Generäle des Dark Kingdom. In den Synchros wurden da zuweilen die seltsamsten Sachen gemacht von Haruka ist tatsächlich ein Mann, Michiros Cousine (wie auch immer das die Beziehung besser macht) oder Fisheye (Amazonentrio) würde kurzerhand in eine Frau verwandelt. Was in Japan damals offenbar kein Problem war, ging in Europa und den USA offenbar gar nicht.
Queerness in den Anime/Manga der 1990er ist ein sehr spannendes Thema. Weil die Leute zu dem Zeitpunkt tatsächlich auch außerhalb der queeren Untergrundszene angefangen haben, sich damit auseinander zu setzen - und das hatte einige richtig gute Sachen dabei, aber auch ein wenig cringe. Also Sailor Moon war unglaublich, unglaublich wichtig für die queere Szene in Japan. Also man kann wirklich kaum Ausdrücken, wie wichtig es war. Es hat eben dafür gesorgt, dass es wirklich queere Rep geben konnte in Sachen LGBTQ. Allerdings gab es in der Zeit eben auch so ein wenig Wirrungen dahingehend. Genannt sei hier CLAMPs: "Jede Art von Liebe ist valide! .... Auch die Liebe zwischen einem 26jährigen Lehrer und seiner 10jährigen Schülerin!" Es ist also alles ein wenig kompliziert. Ich meine, wir hatten auch Angel Sanctuary, was grundlegend auf "Fast jeder Charakter ist trans oder gendernonconforming" hatte, aber auch "Die Hauptromanze ist zwischen Geschwistern". Und nun sei gesagt: Ich selbst sehe kein Problem mit Romanzen zwischen etwa gleichaltrigen Verwandten, aber es sehen eben doch die meisten Leute als sehr kritisch. Also ja: Die 1990er Jahre waren definitiv sehr kompliziert.

Falls es übrigens interessiert: Ich habe erst letztens eine Übersicht zur Geschichte des Yuri-Genres (https://alpakawolken.de/die-geschichte-des-yuri-genre/), also lesbischen Manga und lesbischer Literatur in Japan geschrieben. Falls das interessiert.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Nikki am 31. März 2022, 06:40:45
ZitatIch meine, wir hatten auch Angel Sanctuary, was grundlegend auf "Fast jeder Charakter ist trans oder gendernonconforming" hatte [...]

Wobei, zumindest in der deutschsprachigen Übersetzung, die vermenschlichten (im Sinn von menschliche Bedürfnisse, Ambitionen etc., im Gegensatz zu göttlichen, dämonischen Entitäten, deren Motive auf einer entrückteren Ebene liegen) trans Figuren in ein transfeindliches Setting geschrieben sind. Arachne/Arakune, meiner Meinung nach die offenkundigste trans Figur, ist ständigen Anfeindungen ausgesetzt, die als eine Art Running Gag "kaschiert" worden sind. Generell herrscht ein cis-/binär normatives Weltbild zwischen den vermenschlichten Figuren vor, das bis zu den Erzengeln Raphael und Jibril durchdringt, wenn deren Männlichkeit/Weiblichkeit immer wieder thematisiert und stereotypisiert wird.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Ähnlich verhält es sich mit Arachne/Arakune, die, bis zum handlungstechnischen Twist, in erster Linie dazu da zu sein scheint, um auf ihre Kosten Witze reißen zu können.

Der Anime Sailor Moon hatte ja sogar genderfluide Figuren mit den Starlights, deren Queerness nie großartig thematisiert wurde, sondern einfach als gegeben hingenommen wurde. Diese leben sowohl als männlich, als auch weiblich und switchen immer wieder zwischen ihren Geschlechtern/Gendern. Leider geht die Figurenzeichnung allein auf die Kappe des Produktionsteams des Anime, der ja parallel zur Originalquelle, dem Manga, entstanden ist. Takeuchi, Erschafferin des Manga, hat sich von der Entscheidung, die Three Lights (die offizielle Identität der drei Sailor Krieger*innen) männlich zu gestalten, äußerst irritiert gezeigt, da ihrer Meinung nach Sailor Krieger*innen nur weiblich sein können. Da der Anime über eine bloße Adaption des Manga hinausgeht und, meinem Eindruck nach, international sogar erfolgreicher als der Manga war, halte ich eine genderqueere Lesart der Starlights - selbst wenn der Manga sie nicht hergibt - für durchaus legitim.

Mein Freund liest prinzipiell jede Figur als trans bzw. queer, sofern die Geschichte nichts Gegenteiliges nahelegt. Ich finde diesen Zugang extrem spannend und konstruktiv, weil er die vermeintliche cis-binäre Mehrheit dekonstruiert und auch die cis-heterosexuelle Norm hinterfragt. Ich selbst bin leider noch zu sehr im cisnormativen Weltbild gefangen, um diesen Ansatz ebenso konsequent zu verfolgen, halte ihn aber, wie gesagt, für extrem ergiebig. Ich finde, es sollte nicht Priorität haben, möglichst viele Figuren zu konstruieren, die sich dem LGBTQ+-Spektrum zuordnen lassen, sondern vielmehr darauf hinauslaufen, ein Setting zu schaffen, das so inklusiv ist, dass Leser*innen einen LGBTQ+-freundlichen Raum wahrnehmen, ohne mit der Nase darauf gestoßen zu werden, und es sich dort, emotions- und fantasietechnisch, gemütlich machen können.

Ich finde es befremdlich, wenn ich lese "Ich habe zu wenige Figuren aus dem jeweiligen LGBTQ+-Spektrum", weil das bei mir unweigerlich Assoziationen mit Tokens weckt. Wenn nicht auf organischem Weg Figuren mit diesen und jenen Merkmalen aus einer Geschichte erwachsen, frage ich mich, wieso künstlich jene im Nachhinein dazu konstruiert werden müssen und ob es sich dann nicht genauso konstruiert liest. Ich spreche hier aus meiner persönlichen Schreiberfahrung, bei der sich die meisten Figuren auf ganz natürliche Art und Weise entwickelt haben, ohne dass ich dazu einen Charakterbogen oder eine To-Do-Liste abgearbeitet habe. Etliche haben sich im Nachhinein dem LGBTQ+-Spektrum als zugehörig erwiesen, vorgenommen habe ich es mir nur selten.

[Editiert]
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Yamuri am 31. März 2022, 07:23:24
Ich muss ehrlich gestehen, ich empfinde die Darstellung von LGBT+ in japanischen Serien (spreche hier aber nicht von Anime, sondern Realserien) und zum Teil auch chinesischen Serien absolut nicht respektvoll. Ich habe oft den Eindruck es wird sich lustig gemacht und trans sein als etwas Schräges, Abnormales dargestellt. Teilweise sind sie auch die Bösewichte. Einzig bei Homosexualität beobachte ich positive Beispiele, doch ganz besonders in japanischen Serien hat jeder zweite homosexuelle Charakter mit dem Trauma der Vergewaltigung zu kämpfen (entweder es ist ihm bereits passiert, oder wird in der Serie thematisiert). Vielleicht sehe ich die falschen Serien, aber es ist mir einfach aufgefallen, weil ich seit 7 Jahre ausschließlich ostasiatische Serien sehe, und daher kann ich beim besten Willen nicht sagen, dass die Darstellung in den ostasiatischen Medien zum Thema sonderlich respektvoll wäre. Auf diese Weise möchte ich nicht dargestellt werden (ich sehe mich selbst als nicht-binär, obwohl ich manchmal auch zu trans Mann tendiere, weil ich mich einfach stärker mit dem Männlichen identifiziere).
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 31. März 2022, 19:47:34
Zitat von: Nikki am 31. März 2022, 06:40:45
Ich finde es befremdlich, wenn ich lese "Ich habe zu wenige Figuren aus dem jeweiligen LGBTQ+-Spektrum", weil das bei mir unweigerlich Assoziationen mit Tokens weckt. Wenn nicht auf organischem Weg Figuren mit diesen und jenen Merkmalen aus einer Geschichte erwachsen, frage ich mich, wieso künstlich jene im Nachhinein dazu konstruiert werden müssen und ob es sich dann nicht genauso konstruiert liest. Ich spreche hier aus meiner persönlichen Schreiberfahrung, bei der sich die meisten Figuren auf ganz natürliche Art und Weise entwickelt haben, ohne dass ich dazu einen Charakterbogen oder eine To-Do-Liste abgearbeitet habe. Etliche haben sich im Nachhinein dem LGBTQ+-Spektrum als zugehörig erwiesen, vorgenommen habe ich es mir nur selten.

Das sehe ich anders. Bei mir hat sich noch nie eine Figur einfach als trans oder asexuell ergeben, ohne dass ich es bewusst so entschieden habe. Bei bisexuellen oder homosexuellen Figuren ergibt sich das meistens auch nur daraus, dass sich ein gleichgeschlechtliches Ship ergibt, aber dann entscheide ich trotzdem meist bewusst, ob sie jetzt bisexuell oder homosexuell sind. Genauso bewusst entscheide ich das bei bisexuellen Figuren in nicht-gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Ich finde den Gedanken nicht hilfreich, dass sich Figuren organisch als queer entpuppen müssen, weil das Menschen davon abschrecken könnte, bewusst queere Repräsentation in ihre Werke einzubauen. Ich finde ihn auch nicht hilfreich, weil sich das bei mir besonders bei trans und asexuellen Figuren noch nie einfach so ergeben hat und ich trotzdem sagen würde, dass ich keine furchtbar schlechte Repräsentation schreibe. Zumindest recherchiere ich viel und gebe mir Mühe.

Wenn ich entscheide, dass eine Figur queer sein soll (das gilt ungefähr so für alle Marginalisierungen), dann überlege ich oft eine Weile hin und her, um zu sehen, wer passen könnte. Vor allem achte ich darauf, schädliche Tropes zu vermeiden. Gerade habe ich in einem Projekt versucht, eine asexuelle Figur einzubauen. Es gibt eine Perspektivträgerin, die aber in der einzigen großen gleichgeschlechtlichen Beziehung des Romans landet und ich habe mir Sorgen gemacht, ob es schlau wäre, das einzubauen, wenn es nebenbei nur eine andere große Beziehung gibt und die zwischen einem Mann und einer Frau, die definitiv irgendwann Sex haben werden (vielleicht ist das übertrieben, aber solche Gedanken mache ich mir). Die zweite Perspektivträgerin tappt meiner Meinung nach in zu viele asexuelle Klischees, weil sie sehr viel mit ihrem Selbstbild zu kämpfen hat, manchmal etwas verbohrt wirkt, von allen eher die ernste ist und ich nicht wollte, dass man das auf ihre Asexualität zurückführen könnte, denn asexuelle Menschen sind im Klischee zu sehr wie sie, obwohl das bei ihr nichts damit zu tun hat. Die Wahl fiel dann auf den dritten Perspektivträger, weil seine lockere, offene Persönlichkeit und seine große Klappe vielen asexuellen Klischees widerspricht. Alle seine Baustellen sind solche, die nicht in Gefahr laufen, asexuellen Klischees in die Hände zu spielen.

Ich konstruiere Figuren auch deshalb nicht, indem ich denke "Ich erschaffe jetzt eine trans Figur", weil besonders nicht-Angehörige marginalisierter Gruppen dazu neigen können, Angehörige dieser Gruppen auf diesen einen Aspekt ihrer Person zu reduzieren. Eine ausgearbeitete Figur zu haben und dann zu entscheiden, dass sie trans ist, hilft mir dabei, das zu vermeiden. Das ist auch ein Grund, warum ich Figuren vor den Leser*innen ungern sofort oute, sondern etwas damit warte, damit das nicht das erste ist, was sie über die Figur erfahren. Meine asexuelle Figur vom Absatz obendrüber habe ich nicht als "Tobias, der asexuelle Asexuelle und seine Asexualität" erschaffen. Das hätte ich sonst wahrscheinlich auch nicht, aber so fällt es mir manchmal einfach leichter, wenn ich Inspirationen erstmal woanders suche und dann schaue, wer dazu passt.

Insofern würde ich nochmal fragen: Was verstehst du unter einem Token? Was ist das Problem daran, im Nachhinein zu entscheiden, dass man gerne eine queere Figur einbauen würde und dann zu schauen, wer dazu passen könnte? Letztendlich gibt es viele Gründe, warum Repräsentation schlecht geschrieben sein könnte, aber ist es zielführend, wenn man die Art und Weise kritisiert, wie es zu dieser Entscheidung kam, und nicht die Umsetzung? Da hat letztendlich ja sowieso jede Person ihre eigenen Methoden, ich arbeite zum Beispiel gerne mit Charakterbögen, weil sie mir sehr helfen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Maubel am 31. März 2022, 20:51:19
Mir geht es da so wie @Mondfräulein Klar wäre es toll, wenn die Charaktere organisch schon in aller Diversität entstehen, aber das tun sie oft nicht. Eben weil es bei mir noch nicht so verinnerlicht ist, wie ich es gerne hätte. Dazu muss ich eben meine jahrelang antrainierte Wahrnehmung aufbrechen und das ist für mich noch ein Prozess. Genauso wie mir vor acht Jahren aufgefallen ist, dass ich alle Nebencharaktere außer Klischees, default männlich gemacht habe und ich dann eine Weile aktiv entschieden habe, nein, die Wache ist jetzt eine Frau, muss ich jetzt auch bewusst entscheiden, dass dieser Charakter bisexuell ist und dieser trans. (Und das ist natürlich nicht alles, was diese Charaktere ausmacht, sondern genauso Teil der Identität, wie cis und hetero zu sein)

Und gerade weil wir uns mehr Repräsentation wünschen, würde ich diesen Prozess niemandem absprechen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: criepy am 31. März 2022, 21:03:14
Ich denke, man kann das nicht pauschal sagen. Figuren, bei denen sich die Querness organisch ergibt, können genauso schädliche Klischees haben wie Figuren, die mit dem Gedanken erschaffen werden, einen queeren Charakter zu haben. Einfach, weil Mensch sich vllt unterbewusst an eben diesen schädlichen Klischees orientiert, weil sie häufig auftauchen.
Plus glaube ich, dass es auch immer davon abhängt, wie das Umfeld von einem selbst ist. Man orientiert sich ja immer ein bisschen an dem, was man kennt. Hat man zB wenig Berührungspunkte mit queeren Menschen, wird der Cast wahrscheinlich ähnlich ausfallen. Da kann es schon Sinn machen, sich bewusst für queere Charaktere zu entscheiden. Je öfter man das macht, je mehr man sich mit der Thematik beschäftigt, je mehr Medien mit Repräsentation man selbst konsumiert, desto normaler wird es, queere Charaktere zu haben. Aber das ist auch irgendwo nur eine Theorie die ich an mir selbst beobachte.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Nikki am 31. März 2022, 21:26:31
ZitatUnd gerade weil wir uns mehr Repräsentation wünschen, würde ich diesen Prozess niemandem absprechen.

Spreche ich jemandem etwas ab? Nein. Darf ich mein Unbehagen bzw.
meine persönlichen Gedanken artikulieren? Nein? Ich habe mir dreimal überlegt, ob ich hier schreiben soll, ich hätte es ein viertes Mal tun sollen. Ich ziehe mich als aktiver Part aus dem Thread wieder zurück.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 31. März 2022, 21:30:17
Zitat von: Nikki am 31. März 2022, 21:26:31
Spreche ich jemandem etwas ab? Nein. Darf ich mein Unbehagen bzw.
meine persönlichen Gedanken artikulieren? Nein? Ich habe mir dreimal überlegt, ob ich hier schreiben soll, ich hätte es ein viertes Mal tun sollen. Ich ziehe mich als aktiver Part aus dem Thread wieder zurück.

Ich würde trotzdem gerne verstehen, was dein Problem und deine Bedenken sind und würde mich freuen, wenn du das erklären könntest. Vielleicht liegt es ja auch an mir und ich verstehe dich falsch und muss in dieser Hinsicht dazulernen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: pyon am 01. April 2022, 08:44:46

Darf ich in die Diskussion kurz hineingrätschen? Dauert nicht lange, versprochen. Ich glaube nämlich, @Nikki s Standpunkt etwas verstehen zu können, weil es mir da teilweise genauso geht. Also auch ich habe manchmal das Gefühl, dass Personen aus dem LGBTQ+ Spektrum manchmal nur als Token in Romanen verwendet werden, also als Zusatz, den man eben "zu haben hat", vor allem, wenn das Sätze fallen wie das von Nikki angesprochene "Ich habe zu wenige Figuren aus dem jeweiligen LGBTQ+-Spektrum". (Das will ich euch allen auf keinen Fall unterstellen!)

Aber vielleicht hat das einfach mit der unterschiedlichen Arbeitsweise/Herangehensweise an die eigenen Romane zu tun, denn:

Beim Schreiben geht es mir wie Nikki. Ich arbeite auch nicht mit Charakterbögen, mache mir vorher über meine Charaktere nur grobe Gedanken über Motivation, Ziel, Hindernisse - und Sexualität gehört definitiv nicht zu jenen Dingen, die ich vorher festlege. Ich lerne meine Charaktere während des Schreibens kennen und da ergibt sich tatsächlich des Öfteren Personen aus der LGBTQ+ Community. Ihnen dann im Nachhinein oder im Vorhinein eine bestimmte Sexualität zwanghaft zuschreiben zu wollen erscheint mir als ... nicht Sinn der Sache. - für meine Art des Schreibens!

Vielleicht liegt das aber auch einfach an dieser Plotter/Pantser oder Architekt/Gärtner Sache.

Wenn ich meine alten Romane ansehe, dann fällt mir allerdings auf, dass es da vorwiegend männliche Charaktere gibt. Das mag ich inzwischen auch nicht mehr und diese Romane versuche ich durchaus aktiv und bewusst zu ändern- Aber ich würde auch behaupten, dass die eine andere pyon geschrieben hat - eine, die nicht genug wusste.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Elona am 01. April 2022, 11:37:12
Ich denke, dass was @pyon anspricht ist der Punkt:
Es kommt ganz darauf an, welcher Schreibtyp man ist und da gibt es erst einmal nichts richtiges oder falsches. Bei mir ergeben sich die Charaktere auch aus sich aus heraus und manchmal habe ich am Ende etwas ganz anderes, als ich ursprünglich gedacht hatte.

Zitat von: pyonWenn ich meine alten Romane ansehe, dann fällt mir allerdings auf, dass es da vorwiegend männliche Charaktere gibt. Das mag ich inzwischen auch nicht mehr und diese Romane versuche ich durchaus aktiv und bewusst zu ändern- Aber ich würde auch behaupten, dass die eine andere pyon geschrieben hat - eine, die nicht genug wusste.
Und das unterschreibe ich ganz fett, was so wie ich euch verstehe auch der Konsens hier ist. Denn das macht dann letztendlich den Unterschied. Zu erkennen, wenn etwas grundsätzlich nicht so gut in seinen Storys läuft und dann entsprechend entgegenzuwirken.

In meinem Debüt gibt es keine einzige starke Frauenfigur - würde ich niemals mehr machen, weil ich es einfach besser hätte lösen können und ich denke, dass trifft eben auch aus Personen aus der LGBT zu wie @Maubel geschrieben hat.
(Einen starken schwulen Prota hatte die Story dagegen.)

Der Charakter kam auch um die Ecke und hat mir verkündet, dass er schwul war, wusste ich vorher nicht und das finde ich genauso okay, wie @Mondfräulein Herangehensweise um bewusst zu schauen, auch Klischees zu vermeiden. Denn das sollte man in jedem Fall auch tun. Egal ob organisch entstanden oder nicht. Es hilft nicht, wenn ein Charakter organisch entstanden ist, der aber voll in die Kerbe schlägt und dann muss man in meinen Augen auch bewusst dagegensteuern und anders entscheiden.

Edit: Formulierung angepasst.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Alana am 01. April 2022, 12:37:55
CN Rassismus, Diskriminierung, erzwungene Diversität

Bezüglich der Aussagen, dass es sich für manche Menschen hier im Thread falsch anfühlt, wenn wir aktiv über Dinge wie Diversität, Sexualität für unsere Figuren entscheiden wollen / müssen, habe ich mir lange Gedanken gemacht und möchte dazu was sagen, dies ist aber kein Mod-Hinweis an jemand bestimmten, sondern einfach eine Überlegung meinerseits dazu, bei der ich mich selbst auch einschließe. :)

Ich denke, das Problem ist vielleicht nicht so sehr die Vorgehensweise beim Schreiben, sondern dass es für einige Menschen unangenehm oder verletzend sein kann, lesen zu müssen, dass wir über die Sexualität oder sexuelle Orientierung einer Figur aktiv entscheiden, weil es einer Lebensrealität, in der einem die eigene Sexualität oder sexuelle Orientierung abgesprochen oder eine falsche von außen aufgedrückt wird, zu nahe kommt. Dass wir uns aktiv bemühen müssen, Diversität einzubauen, ist vermutlich für Betroffene genauso unangenehm, wie wenn man als Betroffener lesen muss, wie jemand seinen eigene internalisierten Rassismus überwindet und das vielleicht noch mit bildlichen Beispielen beschreibt.

Ich bin ehrlich gesagt nicht ganz sicher, wie wir das Problem lösen können, denn wir möchten repräsentieren und für viele von uns kommt es eben leider noch nicht natürlich, deshalb ist ein Austausch darüber wichtig. Vielleicht können wir einfach dafür sensibilisiert sein, dass diese Dinge für andere unangenehm sein können und versuchen, mit der Wortwahl aufzupassen, oder einfach anzuerkennen, wenn jemand diese Herangehensweise als unangenehm empfindet und diese Person fragen, wie wir in Zukunft besser darüber reden oder vielleicht auch mit Content Notes in den Beiträgen warnen können.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Soly am 01. April 2022, 14:02:23
Zitat von: Alana am 01. April 2022, 12:37:55
Ich denke, das Problem ist vielleicht nicht so sehr die Vorgehensweise beim Schreiben, sondern dass es für einige Menschen unangenehm oder verletzend sein kann, lesen zu müssen, dass wir über die Sexualität oder sexuelle Orientierung einer Figur aktiv entscheiden, weil es einer Lebensrealität, in der einem die eigene Sexualität oder sexuelle Orientierung abgesprochen oder eine falsche von außen aufgedrückt wird, zu nahe kommt. Dass wir uns aktiv bemühen müssen, Diversität einzubauen, ist vermutlich für Betroffene genauso unangenehm, wie wenn man als Betroffener lesen muss, wie jemand seinen eigene internalisierten Rassismus überwindet und das vielleicht noch mit bildlichen Beispielen beschreibt.
Das finde ich einen sehr interessanten Gedanken, danke für den Input @Alana !

Ich würde dir zustimmen, dass es in erster Linie wichtig ist, sich über Repräsentation und Inklusion auszutauschen, aber wir mit der Wortwahl aufpassen sollten. Der Schluss, den wir nicht ziehen sollten, ist, uns gar nicht mehr über unsere Ansätze auzutauschen, um niemanden aus Versehen zu verletzen. Da sind wir uns, denke ich, einig, und weiß auch, dass du darauf nicht hinauswillst. Ich wollte es nur einmal explizit aussprechen, damit der Gedanke gar nicht erst aufkommen kann.

CN distanzierte "kühle" Argumentation
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


CN ganz subjektive Ansichten zu Repräsentation und Diversität
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Ich weiß aber, dass das nur meine persönliche Meinung ist, und ich nehme hiermit ganz deutlich Abstand davon, irgendwas davon auf irgendwen zu übertragen. Es ist sehr gut möglich, dass Menschen auf genau die Weise reagieren, wie du, Alana, beschreibst, und darauf sollten wir unbedingt Rücksicht nehmen.

Ich habe das mit den Content Notes einfach mal versucht und alles in Spoiler gepackt - freue mich über Rückmeldung, ob das etwas beiträgt oder nicht. :)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Yamuri am 01. April 2022, 14:21:08
@Alana: Deine Idee mit den CN bei sensiblen Themen finde ich sehr gut. Auch @Solmorns Umsetzung mit den Spoiler Tags gefällt mir. Ich denke, das ist eine gute Lösung für die Kommunikation in Threads zu sensiblen Themen.

CN meine subjektive Sichtweise

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Valkyrie Tina am 01. April 2022, 14:29:21
Zitat von: pyon am 01. April 2022, 08:44:46

Darf ich in die Diskussion kurz hineingrätschen? Dauert nicht lange, versprochen. Ich glaube nämlich, @Nikki s Standpunkt etwas verstehen zu können, weil es mir da teilweise genauso geht. Also auch ich habe manchmal das Gefühl, dass Personen aus dem LGBTQ+ Spektrum manchmal nur als Token in Romanen verwendet werden, also als Zusatz, den man eben "zu haben hat", vor allem, wenn das Sätze fallen wie das von Nikki angesprochene "Ich habe zu wenige Figuren aus dem jeweiligen LGBTQ+-Spektrum". (Das will ich euch allen auf keinen Fall unterstellen!)

Aber vielleicht hat das einfach mit der unterschiedlichen Arbeitsweise/Herangehensweise an die eigenen Romane zu tun, denn:

Beim Schreiben geht es mir wie Nikki. Ich arbeite auch nicht mit Charakterbögen, mache mir vorher über meine Charaktere nur grobe Gedanken über Motivation, Ziel, Hindernisse - und Sexualität gehört definitiv nicht zu jenen Dingen, die ich vorher festlege. Ich lerne meine Charaktere während des Schreibens kennen und da ergibt sich tatsächlich des Öfteren Personen aus der LGBTQ+ Community. Ihnen dann im Nachhinein oder im Vorhinein eine bestimmte Sexualität zwanghaft zuschreiben zu wollen erscheint mir als ... nicht Sinn der Sache. - für meine Art des Schreibens!

Vielleicht liegt das aber auch einfach an dieser Plotter/Pantser oder Architekt/Gärtner Sache.

Wenn ich meine alten Romane ansehe, dann fällt mir allerdings auf, dass es da vorwiegend männliche Charaktere gibt. Das mag ich inzwischen auch nicht mehr und diese Romane versuche ich durchaus aktiv und bewusst zu ändern- Aber ich würde auch behaupten, dass die eine andere pyon geschrieben hat - eine, die nicht genug wusste.

Ja! JA! Genauso geht es mir auch. Als ich das gestern gelesen hab, musste ich sofort an unsere Diskussionen zu Plotter vs. Pantser denken. Da treffen quasi fast zwei Welten aufeinander. Und ich glaub, das ist bei Charakterentwicklung genauso.

ZitatBei mir hat sich noch nie eine Figur einfach als trans oder asexuell ergeben, ohne dass ich es bewusst so entschieden habe.

Ich schwöre dir, ich habe einen Charakter in Valkyrie 2, und ich wusste Sachen über den. Und es passten Sachen nicht zusammen. Aber ich wusste, dass die so waren. Also hab ich es so dringelassen, denn das zu ändern, wäre falsch gewesen, hätte den Charakter gebrochen. Und es dauerte bis Valkyrie 3, dass ich gemerkt hab: der ist trans! Natürlich ist mein Klabauter trans! Der KANN gar nichts anderes sein, wie konnte ich das nicht sehen? und jetzt funktioniert der Charakter, der ist so in sich stimmig!
Für einen planenden Autor muss das der totale Alptraum sein. Für mich ist es das natürlichste der Welt, so zu schreiben.

Umgekehrt das "beschließen"? Ich kann jeden Charakter nach seiner Sexualität oder Gender fragen. und wenn es sich stimmig anfühlt, wenn sier das "annimmt" saugutt! Ich weiß mehr über den Char, er wird reicher und tiefer. Wenn ich das zuordne? Katastrophe!!!

CN Misgendering Othering
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(Ende CN)

Ich weiß, dass das für andere wundervoll funktioniert. und das ist super! aber bitte, wenn jemand sagt "es geht für mich nicht", bitte geht nicht direkt davon aus, dass dierjenige nur zu faul war, es zu probieren. Es sind unterschiedliche Arten zu schreiben.

Bevor jemand denkt, ich wäre delusional:
Natürlich ist da nichts esoterisches dran. Meine Charaktere leben nicht in irgendeinem Limbo und werden von der Macht der Geschichte belebt. Sie sind einfach Facetten von meinen eigenen Erfahrungen, alle Geschichten, die ich jemals gehört hab und die Leute, die ich kennengelernt hab etc. Es mag sich für mich anfühlen, als würden die Charaktere in die Story spazieren und sich breitmachen, aber in Wirklichkeit bin das natürlich ich, bzw. mein wild assoziierendes Unterbewusstsein (Nachteil bei dieser Vorgehsnweise ist, dass ich aufpassen muss wie ein Schießhund, dass ich nicht in eine Klischeeschiene reinrenne, was bei assoziieren schnell passieren kann).

Und gerade das find ich so faszinierend an dieser Diskussion. Wie unterschiedlich Leute in ihrem kreativen Prozess sind. Wo wir voneinander lernen können. Welche Tricks es gibt, um den Bereich des Möglichen und den Bereich des Denkbaren zu erweitern.


noch ein Edit, weil hat sich mit Solmorn überschnitten:
ZitatIm Gegenteil bin ich eher unangenehm berührt, wenn jemand sagt "Ich muss mir da überhaupt keine Mühe geben, meine Figuren werden von ganz alleine divers und dann ist das auch super Repräsentation".

das sind für mich drei unterschiedliche Punkte:
- meine Figuren werden von alleine divers, bzw. sie verraten es mir, wenn ich sie frage. Aber ich muss mir erst bewusst machen, dass es überhaupt eine Frage gibt, und die zu stellen ist. Ansonsten defaulten die Charaktere zu white/straight/male/cis/ablebodied/all of them, weil das einfach das ist, was ich als Geschichten kennengelernt hab. (Wenn ich sie frage, kann tatsächlich das Gegenteil passieren. In Nautilus hab ich eine Riesencrew und exakt 1 straighten Charakter)
- Ich würde niemals sagen, ich brauch mir keine Mühe geben! Es ist mein verdammter Job, sie genau zu fragen und zu checken, was das bedeutet, welche Implikationen das hat, welche Klischees es dazu gibt, ob die Klischees mit der Wirklichkeit übereinstimmen, was die Wirklichkeit ist, ob ich die Wirklichkeit so übernehmen kann, wie sie ist, oder ob ich das nicht machen kann, weil das wieder in Vorurteile reinspielen würde.
- "und dann ist das Superrepräsentation"? Das weiß ich nicht. Ich gebe mein Bestes. Ob das gelungen ist. Das müssen die Leser entscheiden.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 01. April 2022, 14:44:43
Ich glaube, das erklärt, warum wir hier so unterschiedlich darüber sprechen. Was glaube ich auch eine Rolle spielt, ist was wir verstehen, wenn wir bestimmte Begriffe oder Formulierungen benutzen. Wenn ich mir eure Beiträge so durchlese, dann könnte ich mein "ich suche gezielt nach einer Figur, die ich trans/ace machen kann, bis ich eine finde" auch in "ich frage meine Figuren konstant, ob sie vielleicht tans oder ace sind und manchmal sagt eine Ja" übersetzen. Ehrlich gesagt sind das beides Umschreibungen, in denen ich meine Arbeitsweise irgendwie wiederfinde.

Zitat von: Yamuri am 01. April 2022, 14:21:08
Ich kann mir vorstellen, dass Hardcore Plotter möglicherweise wirklich alles durchplanen und so auch ihre Charaktere aktiv planen. Das betrifft dann aber vermutlich nicht nur LGBT Charaktere, sondern alle Charaktere und auch das Gesamtsetting.

Ehrlich gesagt schon. Ich persönlich werde auch spontan inspiriert und manchmal ergeben sich Dinge einfach, wenn ich schreibe, aber ich plane auch die Persönlichkeiten meiner Figuren in gewissem Rahmen, damit sie sich gegenseitig gut ergänzen. Zum Beispiel denke ich mir manchmal "diese Protagonistin könnte eine Nebenfigur, die sie manchmal auf den Boden der Tatsachen zurückholt und sich traut, ihre Ansichten und Handlungen zu hinterfrage gut gebrauchen" und baue dann so eine Figur ein. Ich plotte viel auf einer strukturellen Ebene und da kommt es vor, dass ich eine Figur mit einer bestimmten Charaktereigenschaft brauche.

Insofern ist es glaube ich nicht zielführend, wenn wir darüber diskutieren, wie man hier vorgehen sollte. Unsere Herangehensweisen sind sehr unterschiedlich und ich glaube es ist vor allem wichtig, dass jede*r eine findet, die für ihn*sie funktioniert. Vom Austausch können wir dennoch bestimmt profitieren. Was ich aber viel wichtiger finde, ist zu schauen, wie gute und schlechte Repräsentation aussieht (und all die Graubereiche dazwischen, denn so eindeutig lässt es sich oft nicht sagen). Letztendlich kommt es ja auf das Endprodukt an, den Weg dahin muss wohl jede*r für sich selbst finden.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Yamuri am 01. April 2022, 15:06:08
@Mondfräulein: Ja, das sind unterschiedliche Herangehensweisen ans Schreiben. @Malou hatte da ja auch einen Thread dazu gemacht. Ich kam nur leider noch nicht dazu mir die Videos anzusehen, sehe mich aber als Mischtyp bisher. ;)

Ich kann mir vorstellen, dass gute und schlechte Repräsentation anhand einzelner Sätze nur schwer bestimmbar sind. Manches mag in der Kurzzusammenfassung wie eine schlechte Repräsentation wirken, im Gesamtzusammenhang des Buches ist es dann aber doch eine gute Darstellung. Umgekehrt kann es sicher genauso sein, dass die Kurzzusammenfassung wie eine gute Repräsentation wirkt, die Umsetzung dann aber so schlecht ist, dass eine schlechte Repräsentation daraus entsteht. Ich denke vieles steht und fällt damit, wie der Gesamtkontext der Darstellung ist. Und da können sicher Betaleser:innen helfen, die selbst Betroffen sind.

CN persönliche Ergänzung zu meiner Wahrnehmung
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 01. April 2022, 15:33:12
Zitat von: Yamuri am 01. April 2022, 15:06:08
Ich kann mir vorstellen, dass gute und schlechte Repräsentation anhand einzelner Sätze nur schwer bestimmbar sind. Manches mag in der Kurzzusammenfassung wie eine schlechte Repräsentation wirken, im Gesamtzusammenhang des Buches ist es dann aber doch eine gute Darstellung. Umgekehrt kann es sicher genauso sein, dass die Kurzzusammenfassung wie eine gute Repräsentation wirkt, die Umsetzung dann aber so schlecht ist, dass eine schlechte Repräsentation daraus entsteht. Ich denke vieles steht und fällt damit, wie der Gesamtkontext der Darstellung ist. Und da können sicher Betaleser:innen helfen, die selbst Betroffen sind.

Ich glaube, es gibt ein paar Fälle, in denen man schnell sagen kann, dass das wirklich schlechte Repräsentation ist. In einigen Fällen sind sich die meisten einig, dass das gute Repräsentation ist. Dazwischen gibt es aber einen sehr großen Graubereich, weil das Thema eben viele Nuancen hat und ich finde es wichtig, gerade darüber zu reden. Manchmal hat man Repräsentation, die einige Aspekte beinhaltet, die nicht so gut gelungen sind oder die besser sein könnten und in vielen Fällen finde ich es dann schwer bis unmöglich, ein Gesamturteil zu fällen. Da hilft es glaube ich allen mehr, wenn man sagt "Das war gut, das war schlecht, hier ist wieso". Und der Kontext ist dabei eben enorm wichtig, denn die Analyse einer einzelnen Figur reicht oft nicht aus, um zu beschreiben, wie gut Repräsentation gelungen ist.

Ich persönlich mag es auch nicht, wenn Repräsentation, an der es Kritikpunkte gibt, über einen Kamm geschert wird und alles, was nicht perfekt ist, in einen Topf geworfen wird. Ich habe schon Repräsentation gelesen, die ich nicht so gelungen fand, bei der ich aber gemerkt habe, dass sich der*die Autor*in bemüht hat. Klar ist es nicht gut, wenn dann trotzdem problematische Aspekte auftreten und wir sollten darüber reden, alleine schon deshalb, um die Fehler nicht zu wiederholen. Dennoch gibt es auf der anderen Seite wieder Repräsentation, die richtig problematisch ist und gegen alles geht, was Betroffene immer wieder über Repräsentation erzählen. Für mich besteht da schon ein Unterschied und ich finde es nicht gut, wenn dazwischen nicht differenziert wird und es nur "Perfekt" und "Furchtbar, problematisch, der*die Autor*in ist ein schlechter Mensch" gibt.

Ich glaube, das Besprechen von konkreten Beispielen hilft auch oft, um abstrakte Empfehlungen herunterzubrechen und deutlich zu machen, was Betroffene meinen, wenn sie von guter oder schlechter Repräsentation sprechen. Es gibt zum Glück immer mehr richtig gute Repräsentation und vielleicht könnten wir hier im Thread ja auch mehr darüber reden, wie das bestimmte Bücher umgesetzt haben, um davon lernen zu können. Bei guter Repräsentation ergeben sich daraus auch konkrete Leseempfehlungen. Ich persönlich habe sehr viel über Repräsentation gelernt, indem ich mir Analysen zu konkreten Beispielen angehört oder durchgelesen habe.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 01. April 2022, 15:58:07
Was ich noch einwerfen muss, nicht als Kritik an dem bisher geposteten, sondern als Ergänzung: Menschen sind verschieden. Es kann auch Repräsentation von (eventuell ungeouteten) Own Voice genau deren Geschichte erzählen, die aber aus irgendeinem Grund nicht mit der Geschichte sehr vieler anderer Leute übereinstimmt (aber mit der von einigen dann doch wieder schon).
Weil Menschen eben verschieden sind, aus verschiedenen Hintergründen und Ecken kommen und sich somit auch bei Queerness teilweise riesengroße Unterschiede ergeben im eigenen Erleben.
"Ist das gute oder schlechte Repräsenation?" schafft da eine Erwartungshaltung an eine bestimmte Normgeschichte oder an bestimmte Kriterien, die abgehakt gehören, damit etwas als "gute Repräsentation" gilt.
Vielleicht wäre es daher ein wichtiger Gedanke, dass es natürlich Fälle von wirklich furchtbarer Repräsentation und reinem Tokenism gilt, aber dass gleichzeitig viele (ich nehme mich dabei nicht aus) dazu neigen, etwas als schlechte Repräsentation zu bezeichnen, weil es nicht mit ihrem Bild davon übereinstimmt, wie Queerness abgebildet zu sein hat bzw. bestimmte Arten von Queerness, je nach konkretem Buch.
Was ich damit sagen will: Ich kann sagen "Ich habe dieses Buch gelesen und fühlte mich in vielen Facetten zum ersten Mal gesehen" und eine andere Person, mit einem anderen Hintergrund, kann das gleiche Buch lesen und sagen "Ja, ne, hat mich kein bisschen abgeholt und hatte nichts mit meiner Lebensrealität zu tun".
Das macht das Buch nicht automatisch zu einem Buch mit schlechter Repräsentation, aber zu einem mit der Art Repräsenation, mit der Person 2 gerade einfach nicht auf einer Wellenlänge liegt.


(Und natürlich das Problem mit dem Exzellenzdruck: Ein Buch mit queerem Cast soll irgendwann einfach mittelmäßig unterhaltsam sein dürfen, statt stets eine Lanze für irgendwas zu brechen und aktivistisch wertvoll zu sein. Judith Vogt sprach das gestern zum TDOV in einem Thread an (Link (https://twitter.com/JudithCVogt/status/1509530783995760649). Auf progressiven Stoffen lastet Druck: Verkauft euch! Seid besonders wertvoll, besonders wholesome, besonders repräsentativ, sonst habt ihr keine Existenzberechtigung auf dem Buchmarkt.
Das ist etwas, das ich immer im Hinterkopf zu behalten versuche.
Gleichzeitig ist die Tatsache, dass Diskussionen darüber überhaupt geführt werden, sehr flashend im Vergleich zu der Zeit, wo es mehr "friss oder stirb" war, um überhaupt irgend-eine Repräsentation zu kriegen, egal wie fragwürdig. Wie gesagt: Ich will hier nichts abschneiden, nur noch eine Facette reinwerfen, die mir sehr wichtig ist.)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Soly am 01. April 2022, 17:01:38
Zitat von: Evanesca Feuerblut am 01. April 2022, 15:58:07
"Ist das gute oder schlechte Repräsenation?" schafft da eine Erwartungshaltung an eine bestimmte Normgeschichte oder an bestimmte Kriterien, die abgehakt gehören, damit etwas als "gute Repräsentation" gilt.
Vielleicht wäre es daher ein wichtiger Gedanke, dass es natürlich Fälle von wirklich furchtbarer Repräsentation und reinem Tokenism gilt, aber dass gleichzeitig viele (ich nehme mich dabei nicht aus) dazu neigen, etwas als schlechte Repräsentation zu bezeichnen, weil es nicht mit ihrem Bild davon übereinstimmt, wie Queerness abgebildet zu sein hat bzw. bestimmte Arten von Queerness, je nach konkretem Buch.
Das ist auch ein wirklich guter Punkt, den ich an der Stelle mal unterschreiben möchte.
Anknüpfend daran überlege ich gerade, ob "gute Repräsentation" überhaupt etwas Greif- und Definierbares ist, eben gerade weil es so viele verschiedene Lebensrealitäten gibt, die man abbilden kann oder nicht abbilden kann, oder ob "gute Repräsentation nicht vielleicht nur eine Negativ-Definition hat. So in der Art, dass gute Repräsentation alles ist, was nicht bestehende Stereotype unreflektiert reproduziert und kein reiner Tokenismus ist.
Aber wahrscheinlich geht das auch zu weit von dem eigentlichen Thema weg, wie man Diversität schreibt.


Noch eine Ergänzung zu meinem letzten Post:
Zitat von: Valkyrie Tina am 01. April 2022, 14:29:21
ZitatIm Gegenteil bin ich eher unangenehm berührt, wenn jemand sagt "Ich muss mir da überhaupt keine Mühe geben, meine Figuren werden von ganz alleine divers und dann ist das auch super Repräsentation".

das sind für mich drei unterschiedliche Punkte:
- meine Figuren werden von alleine divers, bzw. sie verraten es mir, wenn ich sie frage. Aber ich muss mir erst bewusst machen, dass es überhaupt eine Frage gibt, und die zu stellen ist. Ansonsten defaulten die Charaktere zu white/straight/male/cis/ablebodied/all of them, weil das einfach das ist, was ich als Geschichten kennengelernt hab. (Wenn ich sie frage, kann tatsächlich das Gegenteil passieren. In Nautilus hab ich eine Riesencrew und exakt 1 straighten Charakter)
- Ich würde niemals sagen, ich brauch mir keine Mühe geben! Es ist mein verdammter Job, sie genau zu fragen und zu checken, was das bedeutet, welche Implikationen das hat, welche Klischees es dazu gibt, ob die Klischees mit der Wirklichkeit übereinstimmen, was die Wirklichkeit ist, ob ich die Wirklichkeit so übernehmen kann, wie sie ist, oder ob ich das nicht machen kann, weil das wieder in Vorurteile reinspielen würde.
- "und dann ist das Superrepräsentation"? Das weiß ich nicht. Ich gebe mein Bestes. Ob das gelungen ist. Das müssen die Leser entscheiden.
Ich gebe zu, der zitierte Satz ist mir etwas plakativ geraten, tut mir leid. Ich wollte damit nichts über das Pantsen oder irgendjemanden hier sagen. Du hast natürlich völlig Recht, dass das unterschiedliche Dinge sind, die nichts oder nicht viel miteinander zu tun haben, und ich weiß, dass alle hier sich natürlich alle Mühe geben, ordentlich zu repräsentieren.
Entschuldige.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Elona am 01. April 2022, 19:21:18
Danke @Evanesca Feuerblut für diesen Beitrag! Du sprichst mir damit wirklich aus dem Herzen.  :knuddel:


@Solmorn
Da bin ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher, ob es wirklich vom eigentlichen Thema weggeht, wie man Diversität schreibt.

Vielleicht liegt der Unterschied einfach darin, klarzustellen, also in der Story zu zeigen* (oder auch im Vor-/Nachwort?), dass eben diese eine Lebensrealität keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt.
*Idealerweise natürlich in der Geschichte selbst. Es ist ja eine Sache zu sagen, okay ich kenne das so von mir nicht, aber ich kann den Charakter/ den Menschen trotzdem verstehen und mit ihm mitfühlen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Valkyrie Tina am 01. April 2022, 20:49:12
Zitat von: Solmorn am 01. April 2022, 17:01:38
Noch eine Ergänzung zu meinem letzten Post:
Zitat von: Valkyrie Tina am 01. April 2022, 14:29:21
ZitatIm Gegenteil bin ich eher unangenehm berührt, wenn jemand sagt "Ich muss mir da überhaupt keine Mühe geben, meine Figuren werden von ganz alleine divers und dann ist das auch super Repräsentation".

das sind für mich drei unterschiedliche Punkte:
- meine Figuren werden von alleine divers, bzw. sie verraten es mir, wenn ich sie frage. Aber ich muss mir erst bewusst machen, dass es überhaupt eine Frage gibt, und die zu stellen ist. Ansonsten defaulten die Charaktere zu white/straight/male/cis/ablebodied/all of them, weil das einfach das ist, was ich als Geschichten kennengelernt hab. (Wenn ich sie frage, kann tatsächlich das Gegenteil passieren. In Nautilus hab ich eine Riesencrew und exakt 1 straighten Charakter)
- Ich würde niemals sagen, ich brauch mir keine Mühe geben! Es ist mein verdammter Job, sie genau zu fragen und zu checken, was das bedeutet, welche Implikationen das hat, welche Klischees es dazu gibt, ob die Klischees mit der Wirklichkeit übereinstimmen, was die Wirklichkeit ist, ob ich die Wirklichkeit so übernehmen kann, wie sie ist, oder ob ich das nicht machen kann, weil das wieder in Vorurteile reinspielen würde.
- "und dann ist das Superrepräsentation"? Das weiß ich nicht. Ich gebe mein Bestes. Ob das gelungen ist. Das müssen die Leser entscheiden.
Ich gebe zu, der zitierte Satz ist mir etwas plakativ geraten, tut mir leid. Ich wollte damit nichts über das Pantsen oder irgendjemanden hier sagen. Du hast natürlich völlig Recht, dass das unterschiedliche Dinge sind, die nichts oder nicht viel miteinander zu tun haben, und ich weiß, dass alle hier sich natürlich alle Mühe geben, ordentlich zu repräsentieren.
Entschuldige.

Alles gut  :knuddel: ich hab mich auch gar nicht angegriffen gefühlt. Aber weil du einige Punkte aufgegriffen hattest, die ich ja beschrieben hatte, und die Posts genau hintereinander kamen, dachte ich ,ich verdeutliche noch mal, was ich meine, damit du dich nicht veralbert vorkommst.  :)
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 01. April 2022, 22:03:43
@Evanesca Feuerblut Das ist ein sehr wichtiger Punkt! Ich finde es für die ganze Diskussion auch wichtig darüber zu reden, was wir überhaupt unter guter Repräsentation verstehen. Nicht spezifisch, sondern ganz allgemein.

Uns muss glaube ich allen klar sein, dass sich auch von der besten Repräsentation nicht jede*r repräsentiert fühlen wird, wie @Evanesca Feuerblut schon gesagt hat. Zum Teil liegt das am persönlichen Geschmack, zum Teil an persönlichen Erfahrungen. In dem Fall ist weder die Repräsentation an sich falsch, noch die Wahrnehmung der Person, der sie nicht gefällt. Wenn wir über Kritik an Repräsentation reden, müssen wir das auch im Hinterkopf behalten. Weder bedeutet "Hat mir nicht gefallen" sofort "Das ist schlechte Repräsentation", noch dürfen wir jede Kritik an Repräsentation als persönlichen Geschmack wegwischen.

Meine Definition von guter Repräsentation unterscheidet sich je nachdem, ob ich mich selbst repräsentiert fühle oder nicht (was nicht heißt, dass Figuren exakt sein müssen wie ich, die Erfahrungen können sich unterscheiden, auch wenn Labels und/oder Geschlecht unterschiedlich sind, ich kann mich manchmal zum Beispiel auch in Geschichten über schwule Männer wiederfinden). Vielleicht beschreibe ich einfach mal auf, was verschiedene Arten von Repräsentation, in der ich mich selbst wiederfinde, in mir auslösen. Das ist aber wie gesagt nur meine Sicht der Dinge. Die Kategorien sind jetzt auch eher eine Stütze für mich, um etwas einzuteilen, auf welche Weise Repräsentation wirken kann.

Schlechte Repräsentation: Darunter zähle ich alles, was wirklich objektiv (soweit man das sagen kann) schlechte Repräsentation ist. Offensichtlich schädliche Tropes. Mir fällt jetzt direkt natürlich kein Beispiel ein, aber wenn ich euch ein konkretes Beispiel beschreiben würde, würden die allermeisten hier im Thread sofort erkennen, was das Problem daran ist. Hier sind wir schon in den sehr düsteren Gefilden des Graubereichs oder haben ihn verlassen. Solche Repräsentation verdirbt mir oft das ganze Buch, egal wie gut oder schlecht der Rest ist. Das trifft mich. Auf andere könnte es triggernd wirken. Hiermit meine ich Repräsentation, die ignoriert, was die meisten über Repräsentation sagen, Repräsentation die verletzt und mehr Schaden anrichtet, als dass sie hilft. Aber wie gesagt, das ist ein Ende des Spektrums, es gibt noch einen große Graubereich, den ich hier nicht meine.

Word of God: Damit meine ich Repräsentation, die eigentlich keine ist. Es kommt vor, dass Autor*innen sich beim Schreiben gedacht haben, dass ihre Figuren queer sind, es aber nicht explizit in den Text schreiben. Manchmal gibt es Andeutungen, die man aber so oder so verstehen kann. Die Autor*innen sagen dann zwar hinterher, dass die Figur queer ist, es steht aber nicht im Text. Mit mir macht das ehrlich gesagt nicht so viel. Ich lese das meistens, als wäre keine Repräsentation vorhanden. Wirklich negativ rechne ich das den Autor*innen nur dann an, wenn sie sich hinstellen und Lorbeeren für etwas einheimsen, was sie nicht geleistet haben. Ich finde es oft etwas schade, aber ich würde das nicht direkt als schlechte Repräsentation verbuchen sondern eher als gar keine und da gibt es für mich noch einmal einen Unterschied.

Hintergrundrepräsentation: Damit meine ich, dass unwichtige Nebenfiguren oder Statist*innen als queer geoutet werden. Beispielsweise wenn erwähnt wird, dass die Tante einer Figur mit ihrer Frau zum Skifahren in die Berge gefahren ist. Teilweise kommen die Figuren vor, teilweise werden sie nur erwähnt. Solange keine schädlichen Stereotypen bedient werden, ist das zwar nicht die großartige Repräsentation, die mich dazu bringen würde, das Buch deshalb zu kaufen, aber ich lese es ehrlich gesagt doch ganz gerne. Unsere Welt wird in Büchern oft weniger bunt dargestellt, als sie es wirklich ist. Das kann uns manchmal das Gefühl geben, dass wir in ihr keinen Platz haben. Diese Art der Hintergrundrepräsentation zeigt, dass da jemand an uns gedacht hat, dass wir in dieser Welt auch einen Platz haben. Auch wenn der Platz dann sehr klein ist, finde ich das besser als nichts.

Graubereich: Es kommt oft vor, dass Repräsentation nicht unbedingt super schlecht und problematisch ist, aber ein paar problematische Aspekte enthält. Damit meine ich explizit nicht Punkte, die mich einfach persönlich stören oder handwerklicher Natur sind (der Schreibstil ist furchtbar, ich kann die Figuren nicht leiden, der Plot macht keinen Sinn) sondern explizit problematische Dinge (z.B. schädliche Botschaften, ob impliziert oder explizit, schädliche Tropes). Das fällt für mich in besagten Graubereich. Manchmal finde ich trotz allem ein paar Aspekte, die ich doch daran mag, kann die kritischen Punkte aber nicht übersehen. Die Bewertung fällt mir hier oft schwer. Ich kann die problematischen Aspekte benennen und es wäre besser, wenn sie nicht vorhanden wären, aber ob die positiven Aspekte das so aufwiegen, dass ich das Buch immerhin noch genießen kann, schwankt von Fall zu Fall und ist oft auch eine persönliche Frage. Wenn ich Repräsentation lese, die in diesen Graubereich fällt, merke ich häufig, dass von Seite der Autor*innen gute Intentionen dahinterstecken, es war nur nicht gut umgesetzt oder bestimmte Aspekte waren ihnen nicht bewusst. Das wiegt nicht alle problematischen Aspekte auf, aber das lese ich trotzdem lieber als wenn ich das Gefühl habe, den Autor*innen ist das komplett egal. Manchmal fühle ich die Repräsentation auch total, obwohl es problematische Aspekte gibt, die mir das etwas verleiden.
[Außerdem: Es geht hier zwar nur um meine ganz persönlichen Gefühle, aber es kann hier auf vorkommen, dass andere queere Menschen das ganz anders sehen und es als gute oder schlechte Repräsentation einschätzen. Die Ränder des Graubereichs verschieben sich von Person zu Person.]

Fühle ich nicht: Das ist Repräsentation, die auf dem Papier gut geschrieben ist, mir aber persönlich nichts gibt. Das kann alle möglichen Gründe haben. Am häufigsten passiert mir das, wenn ich das Buch generell nicht so fühle. Einerseits kann das an Schwächen liegen, die das Buch hat, andererseits spielt persönlicher Geschmack da auch eine große Rolle. Ebenso kann es vorkommen, dass ich die Figur, die queer ist, einfach nicht leiden kann. Das kann auch wieder handwerkliche Gründe haben oder einfach an meinem persönlichen Geschmack liegen. Manchmal ist meine Erfahrung einfach zu anders oder die Repräsentation spricht einen empfindlichen Punkt an, der etwas Unangenehmes in mir auslöst, was dann aber wirklich nur an mir liegt. An der Repräsentation an sich stört mich hier aber nichts und ich würde das meistens trotzdem unter gute Repräsentation zählen, sie stört mich nicht, gibt mir aber auch nichts. Das muss mir manchmal aber auch nicht das ganze Buch verleiden. Manchmal fühle ich nur die Repräsentation selbst nicht, den Rest aber schon.
Trotzdem kann ich hier in vielen Fällen wertschätzen, dass sich Autor*innen die Mühe gemacht haben, die Repräsentation zu schreiben, selbst wenn ich das Buch ansonsten wirklich hasse.

Fühle ich: Repräsentation, in der ich mich wiederfinde und die keine problematischen Aspekte enthält, die mich davon abhalten würde, sie zu mögen. Wann ich etwas fühle und wann nicht ist sehr schwer vorherzusagen, wie das mit Büchern eben so ist. Geschichten, in denen ich die Repräsentation so richtig fühle, müssen sich nicht immer groß mit diesem Thema auseinandersetzen, manchmal geht es überhaupt nicht um Queerness und queer sein an sich. Ich ziehe auf jeden Fall viel daraus und freue mich immer, so etwas zu lesen.

Was ich auch dabei merke: Ob ich Repräsentation als unproblematisch einschätze und ob sie mir persönlich etwas gibt, sind zwei unterschiedliche Skalen, die teilweise schon irgendwie zusammenhängen, sich aber doch unterscheiden. Manchmal ist mir bewusst, dass etwas problematisch ist, es gibt mir aber doch etwas. Manchmal weiß ich, dass das da gerade gute Repräsentation ist, mir persönlich gibt sie aber nichts. Ich merke, dass die Intention der Autor*innen für mich in einem gewissen Rahmen doch auch eine Rolle spielt. Wenn ich merke, dass sich jemand Mühe gibt, fühlen sich manche problematischen Aspekte manchmal nicht mehr so schlimm an. Außerdem ist das insgesamt doch eher meine ganz persönliche Einschätzung. Das aufzuschreiben hilft mir etwas, mir bewusst zu werden, welches Spektrum es hier zumindest für mich persönlich gibt. Kann gut sein, dass ich etwas vergessen habe. Vielleicht könnt ihr ja auch etwas damit anfangen.

Insofern:

Zitat von: Solmorn am 01. April 2022, 17:01:38Das ist auch ein wirklich guter Punkt, den ich an der Stelle mal unterschreiben möchte.
Anknüpfend daran überlege ich gerade, ob "gute Repräsentation" überhaupt etwas Greif- und Definierbares ist, eben gerade weil es so viele verschiedene Lebensrealitäten gibt, die man abbilden kann oder nicht abbilden kann, oder ob "gute Repräsentation nicht vielleicht nur eine Negativ-Definition hat. So in der Art, dass gute Repräsentation alles ist, was nicht bestehende Stereotype unreflektiert reproduziert und kein reiner Tokenismus ist.

Es stimmt vielleicht, dass man gute Repräsentation vielleicht am ehesten negativ definieren kann, als Repräsentation unter Abwesenheit problematischer Aspekte. Schlechte Repräsentation ist schlechte Repräsentation, aber was jemand als gute Repräsentation empfindet, unterscheidet sich von Person zu Person. Ich persönlich habe nicht den Anspruch, dass sich alle Angehörigen der Gruppe in meiner Repräsentation wiederfinden müssen. Das wäre unrealistisch und nie zu erreichen. Ich freue mich, wenn sich jemand davon gesehen fühlt oder sich darin wiederfinden kann. Wenn nicht möchte ich aber, dass sie meine Bücher lesen können, ohne davon verletzt oder getriggert zu werden. Das ist glaube ich halbwegs realistisch.

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 01. April 2022, 15:58:07(Und natürlich das Problem mit dem Exzellenzdruck: Ein Buch mit queerem Cast soll irgendwann einfach mittelmäßig unterhaltsam sein dürfen, statt stets eine Lanze für irgendwas zu brechen und aktivistisch wertvoll zu sein. Judith Vogt sprach das gestern zum TDOV in einem Thread an (Link (https://twitter.com/JudithCVogt/status/1509530783995760649). Auf progressiven Stoffen lastet Druck: Verkauft euch! Seid besonders wertvoll, besonders wholesome, besonders repräsentativ, sonst habt ihr keine Existenzberechtigung auf dem Buchmarkt.

Ich merke bei progressiven Büchern mit viel Repräsentation und Diversität häufig, dass sich Rezensent*innen an diesem Aspekt abarbeiten. Ich habe schon Bücher mit gut geschriebener Repräsentation gelesen, die ich ansonsten echt nicht so gut fand, in keinem Fall hatte ich aber den Eindruck, dass Repräsentation und Diversität irgendwie Schuld daran wären, dass das Buch nicht so gut ist. Dafür gab es immer andere Gründe. Trotzdem wird oft so getan, als wäre das Buch deshalb so mies, weil sie die Autor*innen so sehr auf Diversität und Repräsentation konzentriert haben, dass alles andere hintenübergefallen ist. Das stellt progressive Bücher aber unter noch mehr Druck: Wenn ein Buch ohne Repräsentation mies ist, ist es nur ein mieses Buch. Wenn ein Buch mit Diversität mies ist, ist es ein mieses Buch, weil es divers ist, ergo macht Diversität ein Buch automatisch mies. Das finde ich ziemlich schade und ein ziemlich mieses Argument.

Zitat von: Elona am 01. April 2022, 19:21:18
Vielleicht liegt der Unterschied einfach darin, klarzustellen, also in der Story zu zeigen* (oder auch im Vor-/Nachwort?), dass eben diese eine Lebensrealität keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt.
*Idealerweise natürlich in der Geschichte selbst. Es ist ja eine Sache zu sagen, okay ich kenne das so von mir nicht, aber ich kann den Charakter/ den Menschen trotzdem verstehen und mit ihm mitfühlen.

Nur meine persönliche Meinung: Ich bräuchte so einen Hinweis im Nachwort nicht. Sofern keine schädlichen Tropes bedient werden, ist mir das meistens klar und ich störe mich auch nicht so sehr daran, wenn ich mich nicht darin wiederfinde.

Was aber hilft, um das in der Geschichte umzusetzen: Mehr als eine Person der marginalisierten Gruppe zu haben. Dadurch kann ich ein weites Spektrum abbilden und zeigen, dass die queere Erfahrung sehr divers sein kann. Das vermeidet Generalisierungen. Ich finde das ohne Beispiel sehr schwer zu erklären, aber das einzige, das mir einfällt, ist keins das mich selbst betrifft, also behaltet bitte im Hinterkopf, aus welcher Perspektive ich das bewerte. Mir hat in der Hinsicht One Last Stop von Casey McQuinston sehr gefallen.

CN Transfeindlichkeit
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Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Yamuri am 02. April 2022, 08:19:12
Zitat von: MondfräuleinWord of God: Damit meine ich Repräsentation, die eigentlich keine ist. Es kommt vor, dass Autor*innen sich beim Schreiben gedacht haben, dass ihre Figuren queer sind, es aber nicht explizit in den Text schreiben.

Das finde ich einen guten Punkt.

CN Word of God bei Rowling und Vorurteile der Gesellschaft
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


CN Beispiele für schlechte Repräsentation und Möglichkeiten diese zu Grau werden zu lassen
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Zitat von: MondfräuleinTrotzdem wird oft so getan, als wäre das Buch deshalb so mies, weil sie die Autor*innen so sehr auf Diversität und Repräsentation konzentriert haben, dass alles andere hintenübergefallen ist.

Das finde ich auch sehr traurig, dass oft so getan wird.

Zitat von: ElonaVielleicht liegt der Unterschied einfach darin, klarzustellen, also in der Story zu zeigen* (oder auch im Vor-/Nachwort?), dass eben diese eine Lebensrealität keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt.
*Idealerweise natürlich in der Geschichte selbst. Es ist ja eine Sache zu sagen, okay ich kenne das so von mir nicht, aber ich kann den Charakter/ den Menschen trotzdem verstehen und mit ihm mitfühlen.

Finde ich auch einen sehr guten Punkt. Das würde ich sagen, fällt auch unter die Word of God Thematik von Mondfräulein. Wenn man queere Charas hat, sollte das auch erwähnt werden, irgendwo im Text, oder zumindest indirekt dargestellt.

Eine Frage: Wenn in einem Text explizit darauf verwiesen wird, dass ein männlicher Charakter keine romantischen Gefühle für Frauen hat, würdet ihr das schon als homosexuell lesen oder wäre euch das zu indirekt?
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Elona am 02. April 2022, 11:49:13
Zitat von: YamuriEine Frage: Wenn in einem Text explizit darauf verwiesen wird, dass ein männlicher Charakter keine romantischen Gefühle für Frauen hat, würdet ihr das schon als homosexuell lesen oder wäre euch das zu indirekt?
Nur weil ein männlicher Charakter keine romantischen Gefühle für Frauen hat, macht ihn das per se nicht homosexuell. Das LGBT Spektrum ist sehr groß.

@Mondfräulein vielen Dank für deine Ausführung zu dem Thema.
Da habe ich auch gleich eine Frage zu "Word of God": meinst du damit, dass man es wirklich explizit (beim Namen) nennen muss?

In meinem zuletzt veröffentlichten Buch habe ich mich z.B. bewusst dazu entschieden, es eben nicht zu benennen, weil wir da irgendwo bei der Sache waren die @Evanesca Feuerblut angesprochen hat. Der eine Charakter spiegelt zum Teil meine Lebensrealität wieder und ich wollte ehrlich gesagt keine Angriffsfläche mir gegenüber liefern, was ich mit einer Bezeichnung einfach getan hätte (Stichwort "nicht queer genug"). Ich hoffe natürlich, dass ich es trotzdem zeigen konnte, aber ganz sicher ist man natürlich nur, wenn man es benennt, das ist klar.

Mich würde trotzdem mal deine Meinung dazu interessieren (oder natürlich auch gern von anderen).
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Manouche am 02. April 2022, 12:56:38
Ich melde mich hier kurz zu Wort. Obwohl ich mich häufig etwas holprig ausdrucke und kein so fundiertes Wissen habe wie die meisten die hier schreiben.
Daher habe ich auch lange überlegt, ob ich überhaupt schreiben soll.

Beim Schreiben spüre ich häufig ein hin und hergerissen sein, zwischen Interesse, Freude möglichst viele Komponente des Lebens darzustellen und dem Druck, der Angst es "falsch" zu machen.
Da ich cis weiblich und weiss bin, werde ich vermutlich nie richtig gute Repräsentation machen können. Ich kann aber mein diverses Umfeld sehen und einfliessen lassen. Daher werde ich mit grosser Wahrscheinlichkeit nie eine*n queer Protagonist*in haben. Aber der Freundeskreis, das Umfeld soll deswegen trotzdem Divers sein. Ich habe den Anspruch an mich, dies respektvoll aber auch auf natürliche Art zu machen. Also das heisst die Charaktere sind mitten in ihrem Leben und agieren nicht "anders". Ich hoffe ihre versteht was ich meine. Sonst bitte nachfragen.

Deine Ausführungen @Mondfräulein sind gut nachvollziehbar und ich finde sie hilfreich.

Zitat @Elona
ZitatVielleicht liegt der Unterschied einfach darin, klarzustellen, also in der Story zu zeigen* (oder auch im Vor-/Nachwort?), dass eben diese eine Lebensrealität keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt.
*Idealerweise natürlich in der Geschichte selbst. Es ist ja eine Sache zu sagen, okay ich kenne das so von mir nicht, aber ich kann den Charakter/ den Menschen trotzdem verstehen und mit ihm mitfühlen.

Das habe ich mir so noch nie überlegt, könnte ich mir aber vorstellen, je nach Situation. Es kann dann natürlich nicht als Entschuldigung für (ich sage mal) schwierige Repräsentation hinhalten. Aber das ist eigentlich klar, denn ich denke wer so einen Hinweis schreibt, hat sich ziemlich sicher mit dem Thema befasst.

Ein Gedanke, der mir weiter oben beim Durchlesen kam, möchte ich doch noch mit euch teilen.
CN: Diverse Figuren intuitive schreiben oder planen.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: AlpakaAlex am 02. April 2022, 15:59:59
Ich finde das Thema durchgehend sehr kompliziert. Weil ich bin absolut der Überzeugung, dass es Tropes gibt, die per se "schlechte Repräsentation" sind und auch etwaigen marginalisierten Gruppen schaden. Das gilt nicht nur für LGBTQ*, sondern halt auch für jede andere marginalisierte Gruppe.

Um ein Beispiel aus einem anderen Feld zu nennen: Behinderte Figuren. Gibt es behinderte Menschen, die gerne geheilt werden wollen und gäbe es die Möglichkeit, eben magische oder SciFi Heilung sofort annehmen würden? Ja. Ist es dennoch super schädlich für behinderte Menschen, wenn ständig SciFi/Fantasy einfach ALLE Behinderungen/chronische Krankheiten magisch heilt? Ja.

Ich selbst lege immer vor dem Schreiben die Sexualität und das Gender meiner Figuren fest. Wie gesagt, ich bin absolut Plotter, aber ich halte es eben auch für wichtig, so etwas vorher zu wissen, weil es eben in den meisten Fällen auch eng mit dem Charakterhintergrund zusammenhängt. Ein queerer Charakter wird in den meisten Welten doch etwas andere Kindheits- und Jugenderfahrungen gemacht haben, als ein cishetero Kind. Und das wirkt sich natürlich auch auf das Erwachsene Leben aus. Also abgesehen davon, dass es sich natürlich auch auf ihr Umfeld auswirkt. Queere Figuren werden mehr queere Freund*innen haben, wenn es irgendwie die Möglichkeit dafür gibt. Das sind alles Aspekte, die in meinen Augen nicht ignoriert werden dürfen.

Zitat von: Mondfräulein am 01. April 2022, 22:03:43
Schlechte Repräsentation: Darunter zähle ich alles, was wirklich objektiv (soweit man das sagen kann) schlechte Repräsentation ist. Offensichtlich schädliche Tropes. Mir fällt jetzt direkt natürlich kein Beispiel ein, aber wenn ich euch ein konkretes Beispiel beschreiben würde, würden die allermeisten hier im Thread sofort erkennen, was das Problem daran ist. Hier sind wir schon in den sehr düsteren Gefilden des Graubereichs oder haben ihn verlassen. Solche Repräsentation verdirbt mir oft das ganze Buch, egal wie gut oder schlecht der Rest ist. Das trifft mich. Auf andere könnte es triggernd wirken. Hiermit meine ich Repräsentation, die ignoriert, was die meisten über Repräsentation sagen, Repräsentation die verletzt und mehr Schaden anrichtet, als dass sie hilft. Aber wie gesagt, das ist ein Ende des Spektrums, es gibt noch einen große Graubereich, den ich hier nicht meine.
Mir fallen natürlich direkt einige Beispiele ein. Vielleicht auch, weil ich so viel zu diesem Thema blogge. Also in erster Linie fallen mir Tropes ein - aber zu jedem Trope lassen sich leicht ein paar Beispiele finden.

Bury your Gays: Das habe ich ja schon im Plot Armor Thema angesprochen. Das ist halt eben, wenn es in einer Geschichte nur ein, zwei queere Figuren gibt und diese (oder zumindest einer von zwei) sterben. Bonus natürlich wenn es zwei sind und einer stirbt, dass beide in einer Beziehung waren und die überlebende Figur dadurch unglücklich "verwitwet" endet. Erstes Beispiel, das mir einfällt, ist halt Buffy mit Taras ziemlich Random Tod - der außerdem dann direkt genutzt wird, um bei Willow ein komplettes Villain Arc auszulösen. Uncool.

Cure your Gays: Das ist dann noch so ein anderer Themenbereich. Wenn ein Charakter homosexuell, asexuell oder trans ist, aber dann von einem anderen Menschen davon "geheilt" wird. Also sehr gerne: Ein Charakter ist lesbisch, aber irgendwie schafft es ein cis Typ sie von sich zu überzeugen und danach sind sie hetero. Und ja, damit meine ich: Danach sind sie explizit im Text benannt hetero, nicht etwa bi. Hier fällt mir direkt The Dresden Files ein, wo der bisexuelle Bruder des Hauptcharakters effektiv hetero wird, als er eine Freundin findet. Außerdem auch Bonus: In Dr. House werden asexuelle geheilt ...

All Gay Man are Pedophiles: Was der Tropename sagt und ich hoffe, das muss ich nicht erklären. Homosexualität mit Pädophilie gleichzusetzen ist unverzeihbar. Duh.

Gayngst & Gayngst-Induced Suicide: Geschichten, die sich komplett darauf fokussieren, wie schlimm es ist, queer zu sein und wie viel Leid das ist - schlimmstenfalls damit endend, dass sich das queere Charakter darüber selbst umbringt oder es versucht. Das sind einfach nur Geschichten, die super schädlich für queere Menschen sind. Okay, hier fällt mir auf anhieb kein Beispiel ein - weil ich solche Darstellungen eh meide.

Depraved Bisexual: Bisexuelle Figuren sind die ganze Zeit nur von ihren Sexualorganen gesteuert und würden alles ficken, das nicht bei 3 auf dem nächsten Baum ist. Ist halt massiv Bifeindlich diese Darstellung. Auch hier muss ich wieder die Dresden Files nennen, wo alle vorkommenden queeren Figuren bisexuelle Vampire sind, die eben durchweg in diesen Trope fallen (bis auf den geheilten Bruder)

Hide your Lesbians: Kommt in ein paar unterschiedlichen Variationen durch. Zum Teil Gaybaiting, das dann aber am Ende "Nein, eigentlich sind sie hetero" abzieht, zum Teil eben auch einfach ein klares: "Ja, also technisch gesehen sind sie lesbisch, aber praktisch gesehen haben sie natürlich keinen Sex." (Was auch wieder arg mit der entsexualisierung von Lesben zusammenhängt, da diese keinen penetrativen Sex haben.) Hier fällt mir als erstes Once upon a Time ein. Ja, hier gibt es canonische Lesben vor ... Aber auch sehr viele Figuren, die als lesbisch gebaitet werden und am Ende hetero sind.

The Evil Gay: Also hier kommt es drauf an: Ist der Bösewicht queer, während auch die Protagonist*innen alle queer sind? Kein Problem. Aber häufig (auch ein Überbleibsel des Hayes-Code, zeiht sich aber immer wieder durch. Antagonist*innen sind queer, die Protagonist*innen derweil dyacishetero. Bonuspunkte dafür, wenn impliziert wird, dass die Antagonist*innen böse sind, WEIL sie queer sind. Hier fällt natürlich die Disney Rennaissance ein.

Mir würden jetzt sicher auch noch diverse andere einfallen - aber ich denke das reicht erst einmal "to proof the point". Also es gibt definitiv ein paar Tropes die wirklich, wirklich schädlich sind.

Zitat von: Mondfräulein am 01. April 2022, 22:03:43
Word of God: Damit meine ich Repräsentation, die eigentlich keine ist. Es kommt vor, dass Autor*innen sich beim Schreiben gedacht haben, dass ihre Figuren queer sind, es aber nicht explizit in den Text schreiben. Manchmal gibt es Andeutungen, die man aber so oder so verstehen kann. Die Autor*innen sagen dann zwar hinterher, dass die Figur queer ist, es steht aber nicht im Text. Mit mir macht das ehrlich gesagt nicht so viel. Ich lese das meistens, als wäre keine Repräsentation vorhanden. Wirklich negativ rechne ich das den Autor*innen nur dann an, wenn sie sich hinstellen und Lorbeeren für etwas einheimsen, was sie nicht geleistet haben. Ich finde es oft etwas schade, aber ich würde das nicht direkt als schlechte Repräsentation verbuchen sondern eher als gar keine und da gibt es für mich noch einmal einen Unterschied.
Bonus hierbei, wenn man es eben hat, wie Rowling. Wo der eine schwule Charakter ein Bösewicht ist, der später stirbt, der andere Bösewicht im selbsterwählten Zölibat lebt. Also das kann dann durchaus auch noch mal problematisch werden.

Aber ja, was in diesem Zusammenhang eben auch da ist, ist dieses "Also wenn es keine Rolle spielt, sollte man es nicht ansprechen." Das ist halt einfach so ein kompletter Unsinn. Weil es eben bei hetero Figuren ständig angesprochen wird, dass sie hetero sind. Sei es dadurch, dass sie Expartner*innen erwähnen oder Ehepartner*innen und so weiter.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Mondfräulein am 02. April 2022, 19:01:12
Zitat von: Yamuri am 02. April 2022, 08:19:12
Eine Frage: Wenn in einem Text explizit darauf verwiesen wird, dass ein männlicher Charakter keine romantischen Gefühle für Frauen hat, würdet ihr das schon als homosexuell lesen oder wäre euch das zu indirekt?

Es kommt hier eben auch sehr viel auf den Kontext an. Man muss eine Figur nicht immer "Ich bin schwul!" sagen lassen, um deutlich zu machen, was man meint. Wenn ich zum Beispiel schreibe:

Zitat"Ich bin ein Profi im Flirten", sagte er.
"Die Frauen stehen bei dir bestimmt Schlange."
"Oh, an Frauen bin ich gar nicht interessiert." Er grinste.

Dann wird schon ziemlich deutlich, was du damit meinst. Wenn ich aber schreibe:

Zitat"Er flirtet nicht gerne mit Frauen", sagte sie. "Eigentlich hat er überhaupt kein Interesse an ihnen."

Hier wird nicht klar, ob er generell kein Interesse an irgendjemandem hat, ob es nur an den Frauen liegt oder ob das nur eine Interpretation der Sprecherin ist. Er könnte hier zum Beispiel auch asexuell und/oder aromantisch sein.

Zitat"Ich habe kein Interesse an Frauen", sagte er und nahm noch einen Schluck Bier.

Hier wird klar, dass er auf irgendeine Art und Weise queer ist, aber nicht, ob er asexuell und/oder homosexuell und/oder aromantisch ist. Das würde ich nochmal irgendwie spezifizieren.

So ein genereller Tipp von mir: Queerness lässt sich oft (außer vielleicht bei Asexualität und Aromantik) besser positiv als negativ definieren. "Er steht nicht auf Frauen" ist eine negative Definition. Das meine ich nicht wertend, sondern meine damit, dass ich die Sexualität darüber definiere, was jemand nicht ist bzw. indem ich eine andere Sexualität negiere. "Er steht auf Männer" lässt immer noch offen, ob jemand homosexuell oder bisexuell ist, aber so etwas lese ich persönlich viel lieber. Das lässt sich natürlich nicht pauschalisieren. Manchmal passt im Kontext eine negative Definition tatsächlich besser. Aber es lohnt sich in solchen Fällen glaube ich, das noch einmal umzudrehen und zu schauen, ob eine positive Definition nicht auch passen würde.

Zitat von: Elona am 02. April 2022, 11:49:13Da habe ich auch gleich eine Frage zu "Word of God": meinst du damit, dass man es wirklich explizit (beim Namen) nennen muss?

In meinem zuletzt veröffentlichten Buch habe ich mich z.B. bewusst dazu entschieden, es eben nicht zu benennen, weil wir da irgendwo bei der Sache waren die @Evanesca Feuerblut angesprochen hat. Der eine Charakter spiegelt zum Teil meine Lebensrealität wieder und ich wollte ehrlich gesagt keine Angriffsfläche mir gegenüber liefern, was ich mit einer Bezeichnung einfach getan hätte (Stichwort "nicht queer genug"). Ich hoffe natürlich, dass ich es trotzdem zeigen konnte, aber ganz sicher ist man natürlich nur, wenn man es benennt, das ist klar.

Mich würde trotzdem mal deine Meinung dazu interessieren (oder natürlich auch gern von anderen).

Das kommt finde ich immer drauf an. Mir persönlich ist hier vor allem wichtig, dass es deutlich wird. Einerseits, weil ich mich erst dann wirklich vom Buch gesehen fühle, andererseits, weil mir die Repräsentation dann niemand mehr wegnehmen kann und es für Sichtbarkeit sorgt. Verschiedene Identitäten sind da meiner Meinung nach einfacher zu zeigen als andere. Bei homo- und bisexuellen Figuren muss man das Label nicht immer benutzen. Eine meiner Protagonistinnen erwähnt an einer Stelle, dass sie mal mit einer Frau zusammen war, dadurch wird klar, dass sie nicht hetero ist und auch auf Frauen steht. Das habe ich auch so gemacht, weil das für mich genug wäre, wenn ich es in einem Buch lesen würde. Bei asexuellen Figuren wird es deshalb schwieriger, weil die Identität generell sehr unsichtbar ist und gerne übersehen wird, aber möglich ist es dennoch und das Bewusstsein dafür steigt auch. Das kommt immer auf die Umsetzung an. Victor Vale aus Vicious erwähnt im zweiten Band, dass er asexuell ist, ohne das Wort explizit in den Mund zu nehmen, vielmehr gibt es einen Absatz, der seine Beziehung zu Sex beschreibt und aus dem sehr deutlich hervorgeht, was Sache ist. Das fand ich sehr schön dargestellt.

Wenn du aber eine Figur hast, die deine eigene Lebensrealität widerspiegelt, ist das meiner Meinung nach sowieso nochmal ein ganz anderer Fall. Die Bedürfnisse der Leser*innen stehen hier finde ich nicht über deinem Bedürfnis, dich selbst auszudrücken und das auf eine Art und Weise zu tun, die für dich sicher ist. Klar, auch Own Voices Repräsentation kann schlechte Repräsentation sein, wenn sie miese Tropes reproduziert. Aber all das ist ja nur deshalb ein Problem, weil es queeren Menschen schadet. Deshalb bin ich vorsichtig, queeren Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie über die eigenen Erlebnisse zu schreiben haben. Wenn das für dich die richtige Entscheidung war, dann war das die richtige Entscheidung.

Generell stört mich aber die ganze "nicht queer genug" Sache sehr. Nicht von dir, sondern einfach, dass man sich überhaupt so oft diese Frage stellen muss. Ich finde dieses Gatekeeping sehr ungesund und es schließt viele aus, die aber eben eindeutig queer genug sind und einen Platz in der Community haben sollten, zum Beispiel bisexuelle Menschen in hetero wirkenden Beziehungen oder asexuelle/aromantische Menschen.
Titel: Re: LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt
Beitrag von: Yamuri am 03. April 2022, 12:41:05
@Elona: Da hast du Recht und im Nachhinein hätte ich mir das auch selbst denken können, dass der Satz für sich allein betrachtet, natürlich relativ nichtsaussagend ist. ;) Um meine Frage beantworten zu können, wie der Charakter gelesen werden kann, müsste man sich wohl nicht nur den Kontext der Szene sondern auch die Entwicklung im Gesamtwerk ansehen. Meine Frage war insofern auch sehr unbedacht formuliert, weil ich den Kontext komplett außen vor gelassen habe. In meinem konkreten Fall, taucht der Satz auch in der passiven, narrativen Beschreibung auf und nicht in der wörtlichen Rede. Er ist mehr eine beschreibende Erklärung, die verhindern soll, dass das Verhalten des Charakters einem anderen Charakter gegenüber als romantische Gefühle missgedeutet werden. Weil Chara 1 sich Chara 2 gegenüber so ausdrückt, dass es auf Leser:innen so wirken könnte, als bestünde zwischen den Beiden eine engere Bindung, was aber nicht der Fall ist.

@Mondfräulein: Danke für deine Beispiele und die Erwähnung des Kontextes. Da hast du völlig Recht. Der Satz allein kann nur im Kontext beurteilt werden. Im Moment würde ich sagen, ist es so ausgedrückt, dass es tatsächlich nur verdeutlicht, dass er eben keine romantischen Gefühle für seine Kollegin hat (der gegenüber er sich ein wenig missverständlich verhalten hat, was solche Gefühle suggerieren könnte) und generell Frauen nicht als potenzielle Partnerinnen im romantischen Sinn sieht. Ich denke aber ich gehe über die Stelle nochmal drüber, weil sie sich beim Drüberlesen nicht rund anfühlt, da im Deutschen der Begriff Partner:in auch unterschiedlich gelesen werden kann. Die Szene ist im Gesamten dann doch etwas sehr undurchsichtig.

Danke euch für eure Kommentare zu meiner Frage. :)