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(Vulgäre) Beleidigungen - Misogynie, Homophobie, etc.

Begonnen von Timmytoby, 26. Oktober 2014, 12:58:11

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Klecks

@Valaé: Hm, da hast du auch wieder Recht.  :hmmm:  Ich glaube, daran merkt man wieder sehr gut, dass jeder unterschiedlich darauf reagiert, je nachdem, was er schon erlebt hat. Ich bin in der Zeit, als ich so schlimmes Mobbing ertragen musste, so übel beleidigt worden, dass ich da mit Sicherheit empfindlicher bin als andere.

Das ist bei mir mit allen Beleidigungen so, egal ob auf Geschlecht bezogen oder nicht. Weil ich selbst so oft beschimpft wurde, verbinde ich damit negative Gefühle und möchte sowas deshalb nicht lesen oder schreiben. Ich habe ja auch geschrieben, dass ich meine Romane nie zensieren würde. Aber für mich persönlich erreichen die hier beispielhaft genannten Beleidigungen trotzdem eine Grenze, die ich nicht übertreten will, weder als Leserin, noch als Autorin.

Steffi

@Klecks: Auch ich habe meine gesamte Schulzeit unter wirklich, wirklich heftigem Mobbing gelitten. Umso mehr würde ich mir glaube ich veralbert vorkommen, wenn das in einem Buch zensiert werden würde, um es leserfreudnlicher zu machen. Dann verharmlost es nämlich.
Sic parvis magna

Klecks

Hier klinke ich mich jetzt aus, weil mir jetzt Tränen in die Augen geschossen sind und ein Haufen schlimmer Erinnerungen aufkommen und ich merke, dass mir das zu viel wird. Nur noch kurz:

Mir geht es nicht darum, das zu verharmlosen, geschweige denn Mobbing zu zensieren, sondern darum, dass ich sofort ein Gefühl von Bedrohung, Ohnmacht und Qual in mir habe, wenn das zu extrem wird. Damit will ich persönlich mich nicht auseinander setzen müssen in Romanen, mit denen ich in eine andere Welt eintauchen kann, weshalb ich persönlich Beleidigungen dieser Art nicht lese und nicht schreibe. Jeder geht anders mit schlimmen Dingen um, die er erlebt hat. Aber das ist auch ein ganz anderes Thema und wie gesagt, darüber, dass ich darunter leide und dem deswegen ausweiche, werde ich nicht diskutieren.

Thaliope


Valaé

#19
Ich würde sagen, dass es vor allem stark darauf ankommt, was man erlebt, wie man es verarbeitet hat und wie man heute als Person dann damit umgeht. Jeder hat seine anderen Strategien, manche werden empfindlicher für solche Ausdrücke, andere finden es gerade nicht schön, wenn ein Buch durch unterlassen der Wahl entsprechender Ausdrücke quasi verschweigt, dass es sie gibt und dass sie benutzt werden. Ich denke auch, dass es für jede dieser Personengruppen andere Bücher gibt, die am Besten passen. Und da sind wir dann bei dem letzten Punkt den ich vergessen haben muss, zu dem es natürlich auch passen muss: Zur Zielgruppe.

Ansonsten, was die persönliche Meinung angeht bin ich auch hier bei Steffi: Ich bin fern davon, Mobbing nicht zu kennen oder selbst nicht am eigenen Leib erfahren zu haben, ebenso bin ich bei vielen anderen eher heftigen Themen fern davon, sie nicht aus eigener Erfahrung zu kennen. Gerade deswegen schätze ich Bücher, die durch ihre Wortwahl zeigen, wie heftig es wirklich werden kann und die eben nicht durch Zensur quasi "wegretouchieren" was unangenehm ist. Aber das ist ein persönlicher Geschmack und auch meine persönliche Deutung, die ich den entsprechenden Autoren nicht vorwerfe und ich kann andere Positionen auch verstehen - ich vertrete sie nur nicht und ich suche mir auch gezielt Bücher für eine Zielgruppe, die meine Position teilt - und das würde ich jedem raten.

Es tut mir übrigens leid, dass das Gespräch hier persönliche Nerven getroffen hat und ich wünsche allen, denen das nahe geht, dass sie einen Weg für sich finden, für sich gut damit zurecht zu kommen.

Kati

Bevor sich hier erneut eine Grundsatzdiskussion entwickelt: Ich möchte niemanden angreifen. Ich weiß, dass ich niemandes Meinung ändern kann und möchte das auch gar nicht. Ich möchte bloß ein paar Sachen loswerden, die mich gerade immens stören, weil ich das Gefühl habe, dass darüber hier gar nicht nachgedacht wird. Einerseits werden deutlich diskriminierende Schimpfwörter hier gerade verteidigt, weil es Fiktion ist und das wäre ja nur realistisch. Dasselbe Argument habe ich aber in den Diskussionen zu Diversität in Romanen auch gehört. Es klang ein wenig anders: ,,Ich muss keine Diversität in meinen Roman einbauen, auch, wenn es realistischer wäre, es ist ja schließlich Fiktion." Das Argument, dass etwas realistisch ist, verliert für mich vollends seine Bedeutung, wenn es nur dann zählt, wann immer Leute es sich herausnehmen, zu diskriminieren. Und genau das passiert doch, wenn ihr das Wort ,,Schlampe" unreflektiert in die Welt hinauswerft. Gesellschaftskritik passiert bei den wenigsten Lesern einfach so, weil da ein Schimpfwort steht. Dafür müssen Anregungen gegeben werden, die über das bloße Erwähnen des Schimpfwortes hinausgehen. Die meisten Leser sind es gewohnt, einige werden nicken und vielleicht sogar denken, dass es total okay ist, das Wort im realen Leben zu benutzen. Denn die Leser wissen nicht, was ihr im realen Leben darüber denkt und ob ihr es gutheißt oder nicht. Sie haben nur euren Roman vorliegen. Und in den meisten Fällen werden sie denken, ihr heißt sexistische Beleidigungen gut.

Es geht mir hier nicht um Zensur oder political correctness. Es geht um Correctness, Punkt. Es geht nicht darum, alles richtig zu machen, damit euch hinterher niemand etwas ankreiden kann, es geht darum einen Moment innezuhalten und sich zu überlegen, auf wessen Schultern solche Sachen lasten bleiben. Ich sehe an sich schon sehr wenige asiatische Figuren in den Romanen, die ich gern lese. Wenn jetzt die Figuren, die ich sehe, noch nach Strich und Faden aufgrund ihrer Herkunft beleidigt werden, dann bin ich nicht ,,pikiert". Ich fühle mich auch nicht persönlich beleidigt. Aber ich bekomme Bauchschmerzen, weil eine unbedachte Verwendung diskriminierender Sprache die Normalität dieser Begriffe einfach weiter zementiert. Ähnlich geht es mir mit LGBTQ-Figuren und auch mit weiblichen Figuren. Man kann beleidigen. Mann kann richtig mies beleidigen, unter die Gürtellinie gehen, fies sein, beißen... aber man kann das auch ganz bestimmt tun, ohne dabei zu diskriminieren.

Es geht bei diesem Thema doch nicht wirklich um ,,realistisch" und ,,Den Leuten auf den Mund geschaut". Wenn ,,Es ist aber realistisch" nur dann wichtig ist, wenn es um die ,,Freiheit" geht, zu diskriminieren und viel wichtigere ,,realistische" Dinge trotzdem auf der Strecke bleiben, dann geht es nicht mehr darum, wie realistisch etwas ist. Ich weiß nicht, worum es wirklich geht und ich möchte mich nicht streiten, ich möchte nicht wieder tagelang diskutieren, weil hier niemand seine Meinung ändern wird und damit kann ich leben. Es geht darum, dass einfach mal ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass es nicht um verletzte Gefühle und pikierte Leser geht, sondern, dass echte Menschen mit echten Erlebnissen eure Bücher lesen werden und nicht wenige davon, werden Erfahrungen mit diskriminierender Sprache und Diskriminierung gemacht haben. So was sitzt tief. So was prägt und geht über verletzte Gefühle hinaus. Wenn der Realismus von diskriminierender Sprache hochgehalten wird, aber nicht der Realismus, dass Menschen, die damit kämpfen müssen existieren und eure Bücher lesen werden, dann finde ich das vor allem sehr, sehr schade.

Ich glaube, ich klinke mich auch aus. Das ist meine Meinung dazu und ihr müsst mir nicht zustimmen. Aber mich belastet das. Und mich macht Klecks' Reaktion unglaublich traurig. Das ist die Reaktion von Leuten, die mit diesem Kram im wahren Leben umgeben müssen, das ist in vielen Fällen meine Reaktion und es ist die Reaktion eurer Leser, für die Diskriminierung mehr ist, als diese Sache, die anderen passiert, aber mir nicht. Und das ist es mir – als Autor – einfach nicht wert, diskriminierende Sprache benutzen zu dürfen. Das ist keine Zensur und kein Zwang zu ,,political correctness" von mir. Ich finde es einfach zwischenmenschlich ganz falsch meinen Lesern das zuzumuten. Leser dadurch auszugrenzen. So zu tun, als würde ein Anteil meiner Leser nicht existieren. Da tue ich lieber so, als würde diskriminierende Sprache nicht existieren. Ja, weil es eben Fiktion ist.

EDIT: Ich möchte wirklich nicht, dass sich hier jetzt jemand persönlich angesprochen oder sogar angegriffen fühlt und ich freue mich für jeden, der Schlimmes erlebt hat und gelernt hat, damit umzugehen. Aber ich muss das einfach sagen, weil es mich generell stört, nicht nur hier, und ich hoffe, dass es nicht als Angriff aufgefasst wird, sondern einfach als... Anstoß, wieso man zwar alles dürfen muss, aber trotzdem nicht alles machen sollte.  :versteck:

Shin

Ich muss mich hier (leider) noch einmal einklinken.

Ganz unabhängig davon, was die eigentliche Beleidigung ist, finde ich es wichtig, die Aussage dahinter zu verstehen.
Du bist ein Mensch. Du bist eine Person. Du hast eine Identität. Deine Identität macht dich besonders und einzigartig und ist sehr wichtig. Homophobe Beleidigungen sind dafür da, dir deine Identität zu rauben. Wenn man eine Person schwul nennt, die es nicht ist, ist das an sich keine Beleidigung. Es ist nicht schlimm, schwul zu sein. Die Beleidigung trifft allerdings, da man der Person ein Stück ihrer Identität versucht zu rauben.

Sexistische Beleidigungen funktionieren da etwas anders. Es wird erkannt, wer du bist und was du nicht ändern kannst (= bei der Geburt als weiblich festgestellt) oder es wird etwas genommen, für das du dich frei entschieden hast (z.B. sexuell aktiv) und daraus wird die Beleidigung gebaut. Dir wird hierbei deine Identität nicht geraubt, sondern du wirst dafür verurteilt.

Natürlich geschieht diese Verurteilung auch bei homophoben Beleidigungen, eben, wenn man weiß, dass die Person homosexuell ist und man darauf seine Beleidigung ausbaut. Dies ist aber nicht der häufigste Fall. "Das ist schwul" wurde als Phrase aufgenommen und wird für Personen, Videos, Kleidung, so ziemlich alles verwendet. Ich habe allerdings noch nie jemanden einen der sexistischen Begriffe im Startpost zu einem Mann anstatt zu einer Frau sagen hören.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Ich will jetzt nicht sagen, dass eine Form der Beleidigung besser oder schlechter wäre. Es bleibt scheiße, weil es Beleidigungen sind. Ich will nur auf den Ursprung hinweisen, denn es ist wichtig, zu verstehen, woher solche Aussagen stammen.


EDIT: Deshalb mag ich Kati.
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
- Daisy The Great
"It's OK, I wouldn't remember me either."         
- Crywank           

Mondfräulein

@Kati: Das kann ich so nur unterschreiben. Genau meine Meinung zu dem Thema.

@Klecks: Tut mir echt leid, dass es dir jetzt so gehen muss. :knuddel: Mir geht es mit diesem Thema ehrlich gesagt ähnlich.

Mich stört, dass hier (mein subjektiver Eindruck) die Erfahrungen einzelner Menschen ignoriert oder klein geredet werden. Es mag ein klein wenig realistischer sein, solche Wörter in seinen Romanen zu verwenden, weil sie in echt vorkommen. Aber es ist genau so real, dass sie fatale Wirkungen auf Menschen haben können. Und sie einfach so in den Raum zu werfen bringt nichts. Absolut rein gar nichts. Das klärt niemanden auf, das lässt niemanden nachdenken. Ehrlich? Damit unterstützt man nur die Mechanismen, die man eigentlich ach so großartig ankreiden will. Wenn solche Beleidigungen wirklich etwas gegen Mobbing/Sexismus/Diskriminierung bewirken sollen, dann muss man das vernünftig reflektieren. Und nicht einfach nur "Die wirft das Wort in den Raum, aber das ist die Antagonistin, deshalb sieht der Leser ja, dass das nicht okay ist" und auch nicht "Der Leser kann ja selbst drüber nachdenken, der ist ja nicht dumm". Wenn es unbedingt sein muss, dass gezeigt werden soll, wie schlimm Mobbing ist, dann schreibt ein Buch, in dem es darum geht, aber unreflektiert mit solchen Wörtern um sich zu werfen, und mit unreflektiert meine ich alles unter einer ausführlichen Thematisierung, verharmlost die Probleme nur. Und je mehr diese Wörter verwendet werden, desto mehr empfinden sie die, die sie benutzen, als normal. Und desto mehr Schaden hat man angerichtet. Aber Hauptsache, man zensiert sich nicht.

@Shin: Danke dafür. Ich kann dir nur zustimmen.

Valaé

Kati, wir kennen uns ja ein wenig (nicht persönlich, auch nicht übermäßig im Zirkel, aber wir haben einander ja schon öfter erstens Plots gegengelesen und kritisiert und zweitens auch schon Dikussionen dieser Art gehabt, weswegen ich das betone, kommt gleich), deswegen brauchst du dir denke ich keine Gedanken machen, dass ich mich jetzt persönlich angegriffen fühlen könnte. Das hier ist eine Forumsdiskussion und ich für meinen Teil bin vollkommen und ausschließlich auf die Sache an sich konzentriert - persönlich nehme ich da gar nichts. Du hoffentlich auch nicht.

Ich stoße mich ein wenig an deiner Annahme
Zitatunreflektiert
, die sich für mich sehr, mit folgender Aussage beißt:
ZitatFür mich ist wichtig, dass man bei allem, was man macht, genau weiß, warum man es macht und welche Wirkung man damit erziehlt
, was für mich jetzt nicht nach unreflektiert klingt. Ich mache ja gerade in meinem Post stark, das es passen muss - zu allem. Zur Figur, zur Zielgruppe, zum Roman an sich. Wenn ich also eine solche Figur habe, muss meiner Meinung nach ihre xyz-Feindlichkeit durchaus auch behandelt werden und das natürlich nicht unreflektiert. Oder es wird behandelt, dass eine Figur so spricht ohne sich Gedanken darüber zu machen, was dieses Schimpfwort heißt. In beiden Fällen kommt weder eine unreflektierte Verwendung vor, noch erwarte ich Gesellschaftskritik "einfach so" sondern rege sie natürlich an. Das habe ich ja auch gesagt: Alles muss zum Roman passen - und wenn der Fluch zum Roman passt, dann thematisiere ich es ja auch, sonst würde es ja eben gerade nicht zum Roman passen.

Was mir hier allgemein sehr sauer aufstößt (nicht persönlich, sondern für die Diskussion) das eben ein solch unreflektierter Umgang einfach so vorausgesetzt wird - auch im Anfangspost stand so viel ich weiß nicht drin, dass diese Schimpfwörter einfach nur des Schimpfens wegen verwendet werden sollen, an einer Stelle, an der man ohne dass es am Roman etwas geändert hätte, auch Schwein oder was weiß ich hätte sagen können (das ist für mich eben dann in Ordnung, wenn ich innerhalb des Romans auch anschneide, dass unsere Gesellschaft solche Worte unbedacht benutzt und was sie anrichten können), sondern die Frage, ob man solche Worte überhaupt, also auch an passenden Stellen, benutzen darf. Dazu sage ich: Ja. Wenn ich den Threadstarter hier falsch verstanden habe, korrigiere man mich bitte.
Von unreflektiert war niemals die Rede. Unreflektiert halte ich absolut jede Wortwahl, sogar die flauschigste und liebste für gleichermaßen unpassend wie gefährlich. Worte bewegen etwas, Worte sagen etwas, Worte treffen, verursachen, verletzen - man sollte sich dieser Tatsache genauso bewusst sein, wie der Wirkung eines Wortes und sie mit Bedacht einsetzen.
Ich finde nru eben auch unreflektiertes Verschweigen solcher Wörter nicht gut. Richtig, ich KANN meinen 10jährigen Jungen Schl*mpe sagen lassen. Ich muss es nicht tun. Ich muss es nicht lassen - ich sollte einzig und allein wissen, was es für eine Aussage hat, wenn ich es tue. Und wenn ich es lasse. Danach entscheide ich. Immer.

ZitatEs geht darum, dass einfach mal ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass es nicht um verletzte Gefühle und pikierte Leser geht, sondern, dass echte Menschen mit echten Erlebnissen eure Bücher lesen werden und nicht wenige davon, werden Erfahrungen mit diskriminierender Sprache und Diskriminierung gemacht haben. So was sitzt tief. So was prägt und geht über verletzte Gefühle hinaus. Wenn der Realismus von diskriminierender Sprache hochgehalten wird, aber nicht der Realismus, dass Menschen, die damit kämpfen müssen existieren und eure Bücher lesen werden, dann finde ich das vor allem sehr, sehr schade.
das emofinde ich jetzt doch ein wenig als persönlich, weil du spezifisch unsere Bücher ansprichst. Ich gebe mein Bestes, nicht persönlich zu antworten. Sagen wir es so: Ich bin selbst ein echter Mensch mit echten Erlebnissen und muss meiner Meinung nach selbst wissen, welches Buch ich anfasse und welches nciht. Wenn ich selbst Opfer von Diskriminierung bin und ich mich der Benutzung solcher Worte nicht gewachsen fühle in einem Buch, sollte ich Bücher, zu denen eine solche Benutzung passen würde, meiden. Wenn ich aber vollkommen unerwartet über so etwas stlolpere, verweise ich darauf, dass ich eine solche Benutzung die man nicht erwarten kann ja ebenfalls nicht gut heiße, Zitat:
ZitatUnd genau deswegen ist es mir als Leser wie als Autor wichtig, das alles zusammen passt - denn nur dann kann ich als Leser einschätzen, was mich erwartet und bei welchem Buch ich womit rechnen muss.

Ich als Autor kann nur eben das tun: Passende Bücher schreiben, reflektieren, nur bewusst Wörter verwenden - damit eben kein auf ein Thema hochsensibler Leser über mein Buch stolpert, ohne etwas geahnt zu haben. Sie nicht zu schreiben oder meine Wortwahl zu zügeln, weil sich jemand diskriminiert fühlen könnte, werde ich deswegen dennoch nicht, immerhin gibt es tausend Themen, die ich alle gerne behandeln würde, über die ich nicht schreiben dürfte, will ich nicht Gefahr laufen, jemanden zu diskriminieren. Ich kann nur kenntlich machen, dass es in meinem Buch darum geht und das solche Wörter wohl vorkommen werden. Und um noch einmal ganz kurz persönlich zu bleiben: Ich habe Bücher geschrieben, in denen ich solche Worte benutze. Ich hatte Betaleser, die betroffen waren. Die Resonanz war positiv. Ich habe aber auch darauf geachtet, die Zielgruppensuche entsprechend zu formulieren. Wie gesagt: Es muss passen. Zu allem.

Den Vorwurf, ich würde unreflektierte Diskriminierung gut heißen, weise ich in vollem Maße zurück. Von unreflektiert habe ich nie gesprochen und es betrübt mich, dass erst einmal angenommen wird, mann würde nicht nachdenken, anstatt darauf hinzuweisen, das man nachdenken sollte.

Guddy

#24
Zitat von: Kati am 26. Oktober 2014, 16:53:56Und genau das passiert doch, wenn ihr das Wort ,,Schlampe" unreflektiert in die Welt hinauswerft.
Dass es unreflektiert passiert, sagst du. Ob es tatsächlich so ist... ist eine ganz andere Geschichte.
Bem Rest schließe ich mich Valaé an.

Zitat
Mich stört, dass hier (mein subjektiver Eindruck) die Erfahrungen einzelner Menschen ignoriert oder klein geredet werden.
Wieso kleinreden?
Wurde btw. selber so stark gemobbt, dass ich die Schule geschmissen habe, ich wurde von fremden Männern beschimpft (und noch weit schlimmeres) und kann nicht von mir behaupten,ein klein redendes, sozialunkritisches Wesen zu sein. Ich habe, was die Inhalte von Romanen angeht, schlichtweg eine andere Meinung.

Malinche

[EDIT] Jetzt waren andere schneller, während ich getippt habe, aber ich schicke das hier trotzdem mal ab.

Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass in der Diskussion gerade Erfahrungen kleingeredet werden, obwohl unterschiedliche Standpunkte vertreten werden. Ich denke eher, dass - wie oft bei ähnlichen Themen - hier wieder das Problem besteht, dass von unterschiedlichen Voraussetzungen und vor allem unterschiedlichen Sensibilisierungsgraden ausgegangen wird. Das führt dazu, dass die einen die Problematik aus einer eher handwerklichen Perspektive betrachten und die Verwendung bestimmter Begriffe innerhalb eines Textes im Hinblick auf ihre Funktion in diesem Text diskutieren. Andere denken stärker in Richtung des Zielpublikums und die möglichen Auswirkungen bestimmter Begriffe. Das sind unterschiedliche Ebenen mit einem jeweils ganz anderen Fokus, und per se denke ich nicht, dass die eine Ebene falscher oder richtiger ist als die andere. Schließlich bilden sie gemeinsam eine Gesamtheit ab. Ein Roman besteht nun einmal zum Einen aus seiner Textebene und seiner internen dramatischen Struktur, aber sein Publikum und seine Wirkung auf Leser gehören da ebenso dazu. Deswegen sollte eine Diskussion wie diese - meiner Meinung nach - sich darum drehen, wie man beides ausgewogen zusammenbringen kann, und ich bin der Meinung, dass das möglich ist, ohne dass eine der beiden Ebenen Schaden nehmen muss.

Was hier für mich in vielen Beiträgen anklingt und was ich für sehr wichtig halte, ist Reflexion - einerseits im Hinblick darauf, welche Aussage manche Begriffe tatsächlich treffen und worin ihr tatsächliches Potenzial zur Verletzbarkeit liegt, andererseits im Zusammenhang mit der Wirkung, die das erzielen kann. Bewusstseinsschaffung auf dieser Ebene kann ungemütlich sein, weil sie zusätzliche Arbeit erfordert und uns vielleicht dazu zwingt, Gewohnheiten unseres Wortschatzes aufzugeben. Aber das heißt nicht, dass man auf sie verzichten sollte. Beiträge wie Shins finde ich da sehr hilfreich, aber auch andere. Ich muss wissen, was ich meine Figuren da sagen lasse. Und sollte mich fragen, ob diese Aussage genau das und auch das Einzige ist, was sie jetzt charakterisieren soll.

Gleichzeitig hilft Reflexion allein oft nichts, wenn es kein Feedback von außen gibt, und darum finde ich Threads wie diesen schon wichtig, auch wenn es traurig ist, dass solche Diskussionen sehr häufig hochzukochen drohen: Die Macht vieler Worte ist vielen Leuten, auch Autoren, einfach nicht bewusst. Und vieles kann man sich nicht allein durch Nachdenken erschließen. Vieles kann man sich nicht einmal erschließen, wenn man selbst bestimmte negative Erfahrungen gemacht hat, denn wie die Diskussion hier schön zeigt, sind Menschen unterschiedlich und gehen auch unterschiedlich mit diesen Erfahrungen um. Ich denke nicht, dass diese unterschiedlichen Arten der Aufarbeitung sich in richtig oder falsch einteilen lassen oder die Menschen dahinter in besser oder schlechter einteilt. Wichtig ist, dass niemand seine Art als die einzig richtige und existierende ansieht - ein Bewusstsein, das ich hier im Forum so voraussetze und aus den Beiträgen auch herauslese. Trotzdem braucht man auch mit diesem Bewusstsein Input von außen. Ich persönlich bin mir z.B. auch häufig nicht bewusst, was alles und in welchem Maße triggernd wirken kann. Das ist kein böser Wille. Aber es ist ein Lernprozess.

Ich denke auch nicht, dass Bewusstsein, Reflexion und Sensibilisierung dazu führen sollten, problematische Begriffe komplett aus den eigenen Werken zu verbannen - jedenfalls nicht dort, wo sie für die Charakterisierung einer Figur und dadurch mittelbar für die Darstellung einer Problematik notwendig sind oder sein können. Aber wie Mondfräulein sehr schön gesagt hat, halte ich den reflektierten Einsatz für wichtig. Natürlich reicht es nicht zu sagen, das ist mein Anta, der darf so reden - aber ich würde behaupten, wenn ein Text gut geschrieben ist, thematisiert er diskriminierende Mechanismen auf unterschiedlichen Ebenen, und dann wird auch klar, dass Sprache eine davon ist. Dann denke ich schon, dass es die Leser zum Nachdenken anregt. Wenn die diskriminierende Sprache das einzige charakterisierende Element ist, komplett unreflektiert bleibt oder vor allem auch Figuren in den Mund gelegt wird, die eigentlich Sympathieträger sein sollen, halte ich das auch für überaus schwierig. Nicht nur wegen der Wirkung einzelner Sprachelemente auf die Leser, sondern ganz besonders wegen der Botschaft, die ich als Autor dann implizit vertrete.

Langer Rede, kurzer Sinn: Aus meiner persönlichen Sicht ist Reflexion wichtig, was den Einsatz solcher Beleidigungen betrifft, sowohl auf der rein textlichen Ebene als auch mit Blick auf die Leserschaft. Reflexion bedeutet nicht Zensur, sondern Bewusstsein für das, was man sagt und was man damit bewirken kann. Im besten Fall gelingt eine pointierte Charakterisierung einer Figur, die dann aber mit dieser Sprache nicht isoliert im Raum stehen wird.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Snöblumma

Zitat von: Valaé am 26. Oktober 2014, 17:21:34
Es muss passen. Zu allem.

Das bringt es für mich auch ziemlich auf den Punkt - aber das gilt für mich bei jeder einzelnen Wortwahl in einem Roman. Wenn ich Worte verwende (zumal in der wörtlichen Rede eines Charakters), die nicht zu dessen Persönlichkeit passen, wird der Roman hölzern und lebensfern. Das, was wir in Dialogen einer Figur in den Mund legen, dient ja nicht nur dazu, Blabla zu kommunizieren, sondern vor allem immer auch der Charakterisation eines Romans. Gerade auch Flüche können viel aussagen - schimpft eine Person religiös? Meidet sie religiöse Flüche, entfährt ihr vielleicht einmal ein "Himmel", was so ziemlich das schlimmste ist, das ihr je entfleuchen würde? Wertet sie das Gegenüber auf irgendeiner Ebene ab? All das sagt so viel über die Figur aus, dass ich mir nicht vorstellen könnte, auf Flüche zu verzichten. Schon gar nicht auf sexuell unterlegte Flüche, weil damit wahnsinnig viel rüberkommt.

In dieser Hinsicht muss für mich der Autor seine Hausaufgaben machen. Wenn er seine Figur gut kennt, wird er ihr auch passende Schimpfworte geben können, und diese Worte werden in den Roman passen - und damit nicht über das hinausgehen an Verletzungspotenzial, was jede Geschichte in sich trägt. Ich kann als Autor nicht voraussehen, wer sich von was getriggert fühlt. Ich habe schon bei den harmlosesten Storys das Heulen angefangen, weil darin etwas beschrieben war, was ich kannte und mir naheging. Das ist  nicht Verantwortung des Autors. Als Leser muss ich selbst wissen, wann ich ein Buch besser zur Seite legen sollte. Aber ich habe als Autor die Verantwortung, gut, lebensechte, nachvollziehbare Figuren zu schaffen, und da gehören Flüche und Schimpfwörter mit dazu. Eine englische Adlige wird anders fluchen als ein Gossenjunge, jemand mit religiösem Hintergrund wird vielleicht vor anderen Wörtern zurückzucken als jemand mit frauenfeindlicher Gesinnung. Ich muss sagen, ich selber zucke immer eher zusammen, wenn jemand Schimpfworte in Bezug auf Religion benutzt, einfach weil ich gelernt habe, dass man niemals nie nicht mit der eigenen Religion flucht oder die eines anderen verächtlich macht. Wörter wie
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hängen für mich sehr von der Situation ab. Sie können sehr verächtlich gemeint sein, sie können aber auch von den Charakten selbst mit einem gewissen bewundernden Touch gesprochen werden. Ich kenne viele Mädls so im Alter um die 20, die sich als
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bezeichnen und das durchweg positiv meinen - bei solchen Wörtern kommt es für mich also immer auf die Intention an, in der der Charakter das verwendet. Ja, diese Worte sind beleidigend, wenn ein Mann sie gegenüber einer Frau einfach so verwendet. Aber warum sollte man als Frau dieses Spiel nicht umdrehen?

Wie gesagt, ich finde, jedes Wort, das ein Charakter sagt, sagt sehr, sehr viel über diese Figur aus. Entsprechend gut überlegen sollte man sich als Autor, was man da tut und ob das notwendig ist, ob es sinnvoll ist und die Wirkung hat, die man auch erzielen möchte. Und wenn es ein Thema aufbringt, passt es doch immer ganz gut, das auch zu thematisieren, vielleicht auch nur am Rande, wenn es nicht das eigentliche Thema des Buches sein soll. Wenn es keinerlei andere Funktion hat, außer den Leser ein wenig zu shocken und Aufmerksamkeit zu generieren, dann sollte man es einfach streichen. So wie jedes andere Wort auch, das keine Funktion im Text hat ;).

Sternsaphir

Ich habe auch nochmal über das Thema Beleidigungen nachgedacht und habe vergessen anzumerken, dass die Art der Beleidigung natürlich zum Genre und zu den Figuren passen muss. Die Beleidigung sollte den Stil des Romans nicht verändern. Wenn man bisher eher hochtragende Worte verwendet hat, fallen Gossen-Flüche eher aus dem Bild.
Hat der Prota oder Anta aber ohnehin einen ähnlichen Wortschatz, würden vulgäre Worte natürlich passen.

Timmytoby

Danke erstmal an alle, die sich bisher zu Wort gemeldet haben. Ich wollte auch wirklich niemandem zu Nahe treten oder in irgendeiner Weise hier "aus Spaß an der Freude" eine Diskussion um Schimpfworte lostreten.
Wie ich schon anfangs erwähnte, benutze ich selber (kaum) vulgäre Beleidigungen, und wenn dann nur als offensichtlich gemeinter Scherz (etwa wenn ich zu einem anderen schwulen Mann "Du Schl---e" sage, mit einem Augenzwinkern). Ansonsten benutze ich eigentlich eher Sachen wie "Du Hirnkeks" oder "Du Labergedöns".

Deswegen ringe ich auch schon ein paar Wochen mit dem Thema. Ich habe, wie gesagt, schon einige Varianten probiert. Es handelt sich um die Gegenwart, kein historisches/Fantasy-Setting. Also passen "altmodische" Beleidigungen nicht so toll. Letztendlich finde ich es dann besser jegliche Schimpfworte zu streichen, als lächerliche zu benutzen wie "Narr" oder "Tölpel". Das beisst sich mit der Moderne.
Ich wünschte fast, es wäre möglich in Texten vilgäre Ausdrücke zu "beepen" wie im Fernsehen.  :omn:

Aber euer Feedback hat mir schon gezeigt, dass mein Unbehagen bei den Dialogen zurecht da war. Ich werde das definitiv alles erstmal rausnehmen und nochmal gründlich drüber nachdenken. Die homophoben Beleidigungen passen, denke ich. Der Oberbösewicht will in dem Moment auch ausdrücklich auf den Protagonisten losgehen, weil dieser schwul ist. Und da erlaube ich mir auch, als Mitglied der Minderheit, das einschätzen zu können.

Aber die ganzen "weiblichen" Beleidigungen fliegen raus. Ich bin keine Frau und bin mir zu sehr bewusst, wie schnell die Schwulenszene in Misogynie abgleitet. Ich hatte ohnehin zuletzt nur noch das Zitat von Blade:Trinity drinstehen, weil ich die anderen alle extrem unpassend fand. Und das Zitat fliegt ebenfalls. Der Ausdruck ist nur so lustig im Film, weil er so völlig grundlos und aus heiterem Himmel ordinär ist. Das ist mein bizarrer Sinn für Humor, der da mitspielt. So wie während einer Beerdigung zum Pfarrer zu sagen: "Du Flittchen". Über sowas könnte ich mich kaputtlachen, weil es überhaupt nicht zur Situation oder Person passt und kein Anlass erkennbar ist (ich gebs ja zu: Mein Humor ist bescheuert).

Vielen lieben Dank nochmal an alle.
Das hat mir sehr weitergeholfen.  :vibes:

Timmytoby

Als kurzes Addendum noch: Habt ihr eventuell Vorschläge für Ausdrücke, wie sie Mittzwanziger heute (Oktober 2014) in Berlin untereinander verwenden könnten?
Mir fällt nämlich außer "Vollidiot" und "A-Loch" nicht wirklich was ein.
Außer meine eigenen "sinnlosen" Beleidigungen, wie "Muttergesicht" oder "Dampfkuchen".

(Und ja, ich denke wütende, moderne Mittzwanziger werden sich nicht gegenseitig ansprechen mit "Werter Herr, ihr seid ein Tölpel!" - "Welch bodenlose Frechheit! Möge Euch der Allerwerteste entflammen!". Ich wage zu behaupten, dass ein realistischer Dialog da anders aussieht in Konfliktsituationen)