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Gestik, Mimik und Körperteile von Tieren/tierartigen Wesen

Begonnen von Sonnenblumenfee, 01. Oktober 2015, 17:24:02

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Sonnenblumenfee

Hallo ihr Lieben,

ich bin in letzter Zeit bei meinem Frosch&Hamster-Adventskalender-Projekt immer wieder auf dasselbe Problem gestoßen, das vermutlich auch bei anderen auftritt: wie beschreibt ihr Gestik und Mimik bei Tieren oder bei tierartigen Wesen?

Meine Tiere unterhalten sich untereinander wie Menschen. Ich ertappe mich dabei, wie ich oft einfach Floskeln wie "sagte er schulterzuckend" schreibe - aber ein Hamster hat ja nicht wirklich Schultern bzw. kann mit diesen nicht zucken. Auch gehobene Augenbrauen werden schwierig, wenn ein Frosch solche gar nicht hat. Ich habe versucht, tierisches Verhalten zu beschreiben und mit Emotionen zu belegen (mit Vorderpfote über Schnauze fahren bei Nervosität/nachdenken; Backen aufblasen statt Kinn in die Luft recken), aber damit stoße ich immer wieder an Grenzen, denn ich möchte ja gerade nicht elendig lang erklären, was jetzt wie zu deuten ist.
Ein ganz ähnliches Problem habe ich auch, wenn es um "Dann stieg der Geruch von Benzin ihm in die Nase" geht - aber Frösche riechen mit dem Maul. "stieg der Geruch ihm ins Maul" hört sich aber irgendwie seltsam an. Klar kann man das anders beschreiben, aber dadurch geht dem Text mMn viel verloren.

Wie handhabt ihr das? Biologisch/Anatomisch korrekt? Oder lasst ihr auch mal Fünfe gerade sein? Würde euch die eine oder andere Variante beim Lesen stören?
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

Zit

#1
Ich hatte bisher nur wenige Tierfiguren/ Formwandler in Tiere, bin aber nach Möglichkeit beim "realen" Verhalten der Tiere geblieben. Was auch heißt, dass manche Reaktionen schon eingeschränkt waren. Schulterzucken geht bei einem Fuchs auch schlecht. ;D
Wobei du gerade mit einem Frosch auch ein Tier ausgesucht hast, das meines Wissenstandes nach wenig Mimik hat. Wobei das natürlich auch interessant sein kann, wenn der Frosch eher ein entspannter Zeitgenosse ist, der Hamster aber so ein bisschen auf Speed und es zu Kommunikationsschwierigkeiten kommt, weil der Frosch nur starrt, Hamster aber auf eine sichtbare/ hörbare Reaktion wartet.
Was die Sache "riechen mit dem Maul" angeht -- da würde ich auch anatomisch korrekt bleiben. (Wobei ich mich an "Fehlern" natürlich auch nur stören kann, wenn ich weiß, dass es Fehler sind.)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Tanrien

#2
Mein erster Gedanke war, dass das auch aufs Genre ankommt bzw. was du willst. Wenn ich an einen sprechenden Froschcharakter denke, als jemand, der jetzt nicht so viel mit tierischen Charakteren liest, ist meine erste Assoziation Märchenfiguren und Disneycharaktere - beides Fälle, wo Tiere und ihre Reaktionen tendenziell eher vermenschlicht sind. Ich hätte also kein Problem mit schulterzuckenden Füchsen und durch die Nase atmenden Fröschen. Wenn du aber eher was, mh, realistisch-naturalistisches schreibst, würde es mir auffallen, wie Zit sagt, vorausgesetzt ich weiß es.

Mh. Fantasy mit komplett realistischen Tierbeschreibungen (Magierlehrling wird in Frosch verwandelt, kann nicht sprechen, verhält sich wie ein Frosch, riecht durch den Mund, etc.) wirkt also auf mich anders als wenn es komplett vermenschlichte Beschreibungen sind. Das wäre, was ich bei der Auswahl, welche Form bzw. welche Mischung ich wähle, berücksichtigen würde.

Rajou

Mh, ich würde auch sagen, dass das schwierig ist.

Ich habe bei meinen Wandlern natürlich etwas mehr Freiheit, weil sie immer noch zum Teil Mensch sind...
Trotzdem versuche ich das alles auf die Tiere zu übertragen. Heißt, kein Schulterzucken, aber vielleicht ein verächtliches oder ahnungsloses Schnaufen. Ein Schütteln des Kopfes, wenn man sich von etwas befreien will. Es gibt viele Bewegungen, die sich auch die Forscher noch nicht ganz erklären konnten und ich denke, gerade weil du ja auch von der Begegnung und Abenteuern der beiden schreibst, könnte man in manche Bewegungen mehr reininterpretieren...

Das kommt aber natürlich immer mit auf das Tier an. Dem Hamster könnte ich auch deutlich mehr Gestik und Mimik zuordnen als einem Frosch. Da braucht nur die Nase vor Aufregung zucken oder so.
Und um Erklärung kommt man meiner Meinung nach bei tierischer Mimik und Gestik eh schwer drum herum. Man kann schließlich nicht davon ausgehen, dass der Leser sich mit dem Tier auskennt. Man müsste auch das Wedeln des Schwanzes eines Hundes mindestens einmal erklären, damit der Leser Bescheid weiß... Und wenn man eh erklären muss, dann würde ich es auch möglichst anatomisch/biologisch korrekt machen.

Als Leser persönlich lege ich mehr Wert darauf, dass es biologisch betrachtet stimmig ist. Ich würde auch lieber lesen, dass der Frosch durch das Maul riecht (wusste ich auch noch nicht ;) ).
Aber letzten Endes ist doch immer eine Frage des Settings und der Geschichte selbst, wie Tanrien schon sagte. Disney vermenschlicht auch viel.
Maybe it's not about the happy ending. Maybe it's about the story.

Dämmerungshexe

Ich finde das mit dem "Geruch ins Mau" ein gutes Beispiel: als Leser würde es mich zuerst einmal verwirren, wenn ich dann aber dahinterkomme, dass ein Frosch nunmal so riecht, würde ich mir denken "Haste mal wieder was gelernt ..."
Solche Momente sind nicht zu unterschätzen. Ich finde sowas ein Mehrwert für eine Geschichte.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Sonnenblumenfee

Okay, also zusammenfassend eher für anatomisch korrekt und Neuschöpfungen.
Zitat von: Tanrien am 01. Oktober 2015, 20:01:11
Das wäre, was ich bei der Auswahl, welche Form bzw. welche Mischung ich wähle, berücksichtigen würde.
Wie sehen das denn die anderen - sind auch Mischungen zulässig oder stört es eher, wenn mein Frosch durchs Maul atmet aber mit den Schultern zucken kann?

Und wenn man das so macht, dass man bestimmte Bewegungen mit bestimmten Emotionen verknüpft - meint ihr es reicht, das einmal zu erwähnen und der Leser merkt sich das dann? Gerade bei einem Tier wie einem Frosch finde ich das schwierig, weil es da wenige Bewegungen gibt, die sich intuitiv mit Emotionen verknüpfen lassen, finde ich.
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

Zit

Hm, ich mag ja auch generell solche nachgeschobenen Erklärungen nicht. Also von wegen "X zuckte mit den Schultern. Er wusste nicht weiter." Das ist doppelt gemoppelt und unnötig. Wenn du ein Tier hast, dessen körperliche Reaktionen anders sind als die typischen menschlichen Reaktionen dazu, würde ich das nur einmal machen und dann nicht mehr. Ich halte den Leser nicht für so vergesslich, dass ihm das jedes Mal erklärt werden müsste. Gerade auch, weil du einen Adventskalender hast, musst du, denke ich, nicht in jeder Geschichte auf's Neue dieselbe Reaktion erklären. So einen Adventskalender kann man ja nicht durcheinander lesen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Rajou

Zitat von: Sonnenblumenfee am 03. Oktober 2015, 16:16:30
Wie sehen das denn die anderen - sind auch Mischungen zulässig oder stört es eher, wenn mein Frosch durchs Maul atmet aber mit den Schultern zucken kann?

Und wenn man das so macht, dass man bestimmte Bewegungen mit bestimmten Emotionen verknüpft - meint ihr es reicht, das einmal zu erwähnen und der Leser merkt sich das dann?

Zitat von: Zitkalasa am 03. Oktober 2015, 16:28:55
Ich halte den Leser nicht für so vergesslich, dass ihm das jedes Mal erklärt werden müsste.
Ich stimme Zitkalasa zu. Gerade weil es nur ein Adventskalender ist, wird man sich das merken können. Einmal erklären sollte reichen, wenn diese Geste öfters vorkommt. Kommt sie nicht ganz so oft vor, würde ich überlegen, sie eventuell noch einmal kurz zu erklären, denn in der 20. Geschichte an etwas aus der 1. zu erinnern... schwierig.

Mischungen finde ich nicht allzu schwierig, solange es noch im Bereich des Vorstellbaren liegt, aber das ist auch je nach Leser unterschiedlich. Ich kann mir einen schulterzuckenden Frosch vorstellen, Nase rümpfen aber schon nicht mehr (macht ja bei dem Frosch auch nicht ganz so viel Sinn ;D) ... Ist ein wenig abhängig von der Bewegung fürchte ich.
Maybe it's not about the happy ending. Maybe it's about the story.

der Rabe

Ich überlege gerade, wie ich das vor ein paar Jahren bei meiner Schafsgeschichte gemacht habe. Die haben ziemlich viel mit den Ohren gewackelt, glaube ich. ;)

Nee, aber im Ernst, bei dem Frosch ist es schwierig, aber ich würde es vermutlich machen, im Sinne ... "er watschelte ratlos von einem Fuß auf den anderen", oder "gleichgültig schnappte er nach einer Fliege". solche Sachen. Ich schätze, ich würde eine Handlung nehmen, die vielleicht recht typisch ist für das Tier, und dann entsprechend eine Eigenschaft dazusetzen.

Beim SChulternzucken ist ja auch die Frage, wie oder warum er zuckt. Also zuckt er, weil er ratlos ist, weil es ihm egal ist, weil er verlegen ist oder weil etwas ganz anderes ist. Wenn du also die "normalen" Gesten nicht benutzen kannst, weil das Tier diese Gesten nicht ausführen kann, musst du genauer überlegen, was sie eigentlich ausdrücken sollen, würde ich sagen. Und darauf aufbauend kann man eine entsprechende, passende Geste suchen.  Hilft das? :)
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Lupa

Hallo Sonnenblumenfee,

Ich denke, ob du die Tiere vermenschlichst oder bei der Biologie bleibst, hängt von der Geschichte ab. Ich verstehe es aber schon so, dass dir das Realistische wichtig ist.

Bisher hatte ich leider noch keine Hauptrollen im Tierreich.
Aber ein bisschen ausprobieren konnte ich mich schon. Zum Beispiel habe ich in meinem aktuellen Projekt Insekten als Reittiere. Die geben zum Beispiel zischende oder zirpende Laute von sich, rascheln mit den Flügeln oder scharren mit den Beinen, um ihren Reitern mitzuteilen, was sie von ihnen halten.

Ich denke, wenn man bewusst versucht, keine menschliche Gestik nachzuahmen, hat man trotzdem noch viele Möglichkeiten. Gerade Säugetiere verfügen meiner Meinung nach über ein großes Repertoire. Allein die Körperhaltung, geduckt, gestreckt, zusammengerollt ... sie können mit den Augen rollen, die Zähne fletschen, etwas mit ihrer Zunge machen, sich kratzen ...
Die meisten Emotionen ergeben sich ja ohnehin aus dem Kontext. Von daher würde ich mir wenig Sorgen machen, dass der Leser eine bestimmte Geste nicht versteht. (Die menschliche Körpersprache ist auch selten eindeutig und wir bekommen es trotzdem irgendwie hin ;) )

In deinem konkreten Beispiel mit dem Frosch dachte ich daran zu schreiben "das Aroma von Benzin legte sich auf seine Zunge" (ohne zu wissen, ob er nun mit der Zunge riecht oder mit dem Gaumen oder ... )
Anstatt dem Schulterzucken könnte dein Frosch sicher die Backen aufblasen (hatte ich glaube ich hier schon irgendwo gelesen), mit den Glupschaugen rollen, die Zunge raushängen lassen oder einen halbherzigen Hopser machen.
Ich bin sicher, du kommst auf die richtigen Ideen.

Moorhenne

Spannendes Thema :D
Sonnenblumenfee, ich finde auch, wie ein paar schon erwähnt haben, dass es sehr stark davon abhängt, wie du die Geschichten vom Genre/vom Grundton her anlegen willst. Für Kinder/Mädchenhaftes wäre ich eher für Vermenschlichung, wenn's ein bisschen 'ironisch' rüber kommen darf (immerhin sprechen die Tiere ja auch - da ist das Augenzwinkern dann ja quasi von vornherein dabei, wenn's eben nicht grad ein Märchen sein soll ;) ) fände ich anatomische Korrektheit durchaus eine interessante/ergiebige Quelle für lustige Einschübe.

... Ich hoffe, es ist klar, was ich mein. Ich hatte noch keinen Kaffee, kann sein dass ich etwas wirr bin  ;D
Morgenstund ist aller Laster Anfang.

Trippelschritt

Ich bin ganz klar für Vermenschlichen, wenn viel Kommunikation passieren soll. Nahe am natürlichen Tier zu bleiben, geht nur, wenn man dieses Tier sehr lange und intensiv studiert hat und wenn das Tier außerdem über eine deutliche Körpersprache verfügt. Bei Wölfen ist es also prinzipiell einfach, weil die viel über Mimik kommunizieren, bei Hunden auch, weil die mit verschiedenen Arten des Bellens ebenfalls unterschiedliche Dinge ausdrücken können. Auch bei Pferden, Rindern und Schweinen sehe ich keine Probleme. Alles hoch entwickelte Wesen, an die man mit Fachwissen rankommen kann.
Ob ein Frosch eine Körpersprache hat, weiß ich nicht. Bei einer Fliege ist es noch schwieriger. Und bei Vögeln hängt es sehr stark ab, welcher Vogel es ist.

Vielleicht kann man sich von den Comiczeichnern etwas abschauen, denn die zeigen Bilder von vermenschlichten Tieren und kommen gut damit an.

Liebe Grüße
Trippelschritt

canis lupus niger

Meiner Meinung nach hilft es, wenn man in dem Fall nicht zu viel "showt", sondern show und tell mischt. Dann kann der Frosch sich angewidert schütteln, wenn er den Benzingeruch wahrnimmt (womit auch immer), ein Hamster kann sich nachdenklich mit den Krallen der linken Vorderpfote in seinem Bauchfell kraulen und der Fuchs verwundert niesen. Das authentische Tierverhalten würde ich versuchen auf andere Weise als über die Mimik rüberzubringen.

Roca Teithmore

Ich weiß nicht, ob das noch aktuell ist, aber aus gestalteter Sicht werden Tiere dann oft antromorphisiert.siehe übliche Cartoons. Wenn du es realistisch willst kann ich dir Darwins Emotion of Man and animalische empfehlen.  Du wirst aber das Problem haben, das viele Tiere nicht mal die Muskeln haben für Mimik. Besonders wenn es keine Säugetiere sind. Da könntest du über Körperhaltung und stimme gehen oder wie i  Masse Effekt das eine V,  Gefühle ansagen. (Es gibt ein Volk das hochinteressant ist, aber die Emotionen nicht physisch zeigen kann). In letzter Hinsicht musst du vom Betrachter aus gehen. Wenn du zu sehr abstrahiert,  nur weil es logisch ist, verstehen es Leute ggf. mehr

Severin

Hi,

also ich würde auch eher versuchen, mich mit solcher Mimik und Gestik zurückzuhalten, die ein Tier schlecht nachmachen kann. Ich glaube, der Vorschlag vom Raben gefällt mir gut, wenn man so etwas unterbringen will, dass man dann "neutrale" Bewegungen, die das Tier ohnehin macht oder wenigstens für den Leser plausibel sind, mit einer Interpretation versehen.