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Dicke Figuren beschreiben

Begonnen von Mondfräulein, 11. März 2015, 19:27:25

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Mondfräulein

Hallo meine Lieben! :vibes:

Jetzt wage ich mich endlich mal daran, diesen Thread hier zu eröffnen, auch wenn mir die Idee schon lange im Kopf herum schwirrt. Mein Problem ist, dass ich immer wieder daran scheitere, dicke Figuren zu beschreiben. Es geht nicht darum, dass ich mich nicht in dicke Menschen hinein versetzen kann, sondern ganz einfach, dass ich dem Leser ja irgendwie klar machen muss, dass diese Person dick ist. Und daran scheitere ich immer wieder.

Das Problem habe ich vor allem, wenn ich nicht aus der Perspektive der Figur schreibe, denn dann bezeichnet ja jemand anderes die Person als dick und das ist nochmal etwas anderes, als wenn das jemand selbst von sich sagt und beschreiben kann, wie es ihm damit geht. Ich schreibe jedoch nicht selten dicke Nebenfiguren (auch Hauptfiguren, aber wie gesagt, da habe ich das Problem nicht so) und möchte es vor allem nicht wirken lassen, als wäre es irgendwie negativ, dass die Person dick ist. Es gibt genug Fatshaming auf dieser Welt und meine Figuren sollen eher zeigen, dass es auch anders geht. Alle negativen Beschreibungen scheiden insofern schon einmal kategorisch aus.

Was ich auch vermeiden möchte, ist dicke Menschen zu fetischisieren, was beispielsweise passieren würde, wenn ich mich in aller Ausführlichkeit darüber ergieße, wie jede Kurve an der richtigen Stelle sitzt und was auch immer. Das fühlt sich für mich wie eine ziemliche Objektifizierung an.

Auch nicht möchte ich Formulierungen wie "Trotz ihres Übergewichts sah sie umwerfend aus" oder so etwas. Ich will nicht die Botschaft senden, dass Übergewicht grundsätzlich etwas Hässliches ist, aber manche Menschen sehen eben trotzdem gut aus. Das Gewicht eines Menschen hat nichts damit zu tun, wie hübsch er ist.

Mir wurde schon mehrmals vorgeschlagen, einfach zu schreiben "Sie war dick", natürlich einhergehend mit weiteren Umschreibungen des Äußeren. Mein Problem damit ist allerdings, dass ich diese Formulierung nicht immer ständig für dicke Figuren benutzen möchte, denn das erschöpft sich auch irgendwann. Ich suche also gute Alternativen, wie ich ohne Fatshaming dicke Menschen positiv beschreiben kann.

Ich möchte hier allerdings keine Diskussion darüber führen, ob man dicke Menschen überhaupt in seine Romane mit einbinden sollte, ob dicke Menschen denn überhaupt schön sind und was auch immer. Ich suche wirklich nur konstruktive Vorschläge und will keine Grundsatzdiskussion anfangen.

Ich freue mich auf eure Beiträge! :vibes:

Kati

Das Problem kenne ich auch. Ich habe immer das Gefühl, das alles, was man schreiben könnte, irgendwie abwertend klingt und das will ich auch unbedingt vermeiden. "Sie war dick" finde ich persönlich gar nicht so verkehrt, genauso, wie man völlig wertungsfrei "Sie war schlank" schreiben kann, aber leider verstehen viele Leser das gleich als negativ, weil das Wort einfach so negativ belastet ist. Das andere Problem ist ja auch, dass viele Leser an eine Größe 40 oder 42 denken, wenn man von "dick" spricht (leider, das ist ja eigentlich wirklich nicht dick), aber wie beschreibe ich ohne viel Aufsehen, wenn jemand vielleicht 48 trägt? Eine Zeit lang habe ich wirklich versucht da ganz klar mit Kleidergrößen zu arbeiten, aber es ist halt auch nicht immer möglich eine Figur mal eben ihre Kleidergröße erwähnen zu lassen, ohne, dass es merkwürdig wirkt. Das Problem ist glaube ich einfach, dass alle Formulierungen gleich negativ belastet sind. Ich schließe mich also mal an: Ich wüsste auch sehr gern ein paar Formulierungen oder so, mit denen man wertungsfrei klar machen kann, wie eine Person aussieht, die eben nicht schlank ist.  :-\

Golden

#2
Wie wäre es mit einem Blickwinkel von Außerhalb? Also nicht unbedingt eine andere Person, aber wenn die Prota bspw. einen Artikel liest/sieht, in dem es um dicke Menschen geht und sie sich dann selber reflektiert? [Edit: Das ginge sogar mit dem "obwohl sie dick ist, ist sie nicht hässlich" gut - wäre so ein typischer Beitrag für 19.00 Uhr Rtl über das Plus-Size-Model Ingrid, von dem jetzt die ganze Modewelt voller Entzücken redet.]

Ansonsten fiele mir noch etwas in Richtung Gesundheit ein. Dass sie sich irgendwie darüber Gedanken macht (soll ja nicht so ganz gesund sein, wenn man ein gewisses Gewicht übersteigt). Oder sie geht die Treppen in ihre Wohnung hoch und ist vollkommen außer Atem ("Dr. Müller hatte vielleicht doch recht, dass sie mit ihrem BMI von xy aufpassen und mehr Sport betreiben sollte").

Ansonsten ist es wohl so wie Kati geschrieben hat, dass viele Leser "dick" als negativ empfinden können/werden (da kannst du dann quasi nichts machen, weil selbst wenn du es anders umschreibst, wird der Leser sich seinen Teil denken). :hmmm:

Mondfräulein

Zitat von: Golden am 11. März 2015, 19:52:36
Ansonsten fiele mir noch etwas in Richtung Gesundheit ein. Dass sie sich irgendwie darüber Gedanken macht (soll ja nicht so ganz gesund sein, wenn man ein gewisses Gewicht übersteigt). Oder sie geht die Treppen in ihre Wohnung hoch und ist vollkommen außer Atem ("Dr. Müller hatte vielleicht doch recht, dass sie mit ihrem BMI von xy aufpassen und mehr Sport betreiben sollte").

Ich verstehe nicht ganz, was du mit deinem ersten Vorschlag meinst, aber wie ich schon erläutert habe, ist das hier genau, was ich nicht will. Wenn ich Übergewicht nicht als etwas Negatives darstellen will und dann schreibe, dass es total ungesund ist und deine (doch recht negativen) Formulierungen verwende, passt nicht so ganz zusammen, oder?

Also bitte nochmal ganz deutlich: Ich will keine negativen Formulierungen. Ich will Übergewicht nicht als etwas Negatives darstellen oder Fatshaming betreiben. Damit niemand sagen kann, ich hätte das nicht vorher gesagt.

Angela

Vielleicht über die Beschreibung, wie sie sich bewegt und welche Konsequenzen es noch gibt, z. B. nicht die Beine übereinanderschlagen kann beim Sitzen(ist zumindest bei mir und meinen dicken Oberschenkeln der Fall), sich durch einen engen Spalt quetschen, auf einem viel zu schmalen Sitz in der U-Bahn, etwas in der Art. Das ist nicht wertend und wenn es postiv ausgedrückt werden soll, vielleicht wie gut all die Polster an ihr zur Geltung kommen und sie jünger aussehen lassen.

Tigermöhre

Das Problem bei Kleidergrößen ist, dass sie auch sehr von der Körpergröße abhängen.
Ich trage Kleidergröße 40-42 und habe früher nie verstanden, warum diese Größe als zu dick galt. Als ich bei meiner Größe von 178 cm noch nur 64 kg wog (und damit deutlich am unteren Ende des gesunden Gewichtes lag), trug ich Größe 38. Alles dadrunter würde mir nur passen, wenn ich deutlich untergewichtig wäre.

Was mir einfiele als Begriff wäre "eine imposante Erscheinung" also mehr, wie die Person wirkt.

Mondfräulein

@Angela: Wenn ich beschreibe, dass jemand etwas aufgrund seines Gewichts nicht kann, fände ich das auch wiederum recht negativ. Das würde ich ungern verwenden. :/

@Tigermöhre: So geht es mir auch, bei H&M scheinen alle Klamotten irgendwie zu schrumpfen, obwohl ich nicht zunehme. Zumal manche meiner Bücher in Großbritannien spielen und ich nicht davon ausgehen kann, dass jeder weiß, was eine Größe 18 bedeutet.

Eine imposante Beschreibung passt leider nicht auf all meine Figuren, aber vielleicht finde ich ja nochmal jemanden, zu dem das passt.

Golden

Zitat von: Mondfräulein am 11. März 2015, 19:56:23
Ich verstehe nicht ganz, was du mit deinem ersten Vorschlag meinst, aber wie ich schon erläutert habe, ist das hier genau, was ich nicht will. Wenn ich Übergewicht nicht als etwas Negatives darstellen will und dann schreibe, dass es total ungesund ist und deine (doch recht negativen) Formulierungen verwende, passt nicht so ganz zusammen, oder?

Also bitte nochmal ganz deutlich: Ich will keine negativen Formulierungen. Ich will Übergewicht nicht als etwas Negatives darstellen oder Fatshaming betreiben. Damit niemand sagen kann, ich hätte das nicht vorher gesagt.
Sorry - hatte ich nicht als etwas Negatives/Beleidigendes gesehen. War halt nur eine Idee.

Mit dem ersten Vorschlag meinte ich, dass sie irgendwo eine Berichterstattung über dicke Menschen liest (da könntes du dann die negative Haltung von Presse/Öffentlichkeit einbauen) und sie sich dann ihren Teil denk und der Leser so etwas über sie und ihr Gewicht erfährt.

Tigermöhre

Kuck doch mal bei Synonymen zu dick, ob du da was findest. Da gibt es einige, wobei die meisten eher negativ sind. Doch ein paar nette sind da bei, wie z.B. "üppig"

Mondfräulein

Zitat von: Tigermöhre am 11. März 2015, 20:07:11
Kuck doch mal bei Synonymen zu dick, ob du da was findest. Da gibt es einige, wobei die meisten eher negativ sind. Doch ein paar nette sind da bei, wie z.B. "üppig"

Ich habe dabei immer die Befürchtung, dass man meine Figuren nicht als wirklich dick wahrnimmt, so wie Kati das schon beschrieben hat. Ich glaube auch, dass einfache Synonyme hier nicht so weiter helfen, vielmehr suche ich konkrete Formulierungen. Gerade weil alles entweder negativ oder eben nicht richtig dick wahrgenommen wird. Kurvig zum Beispiel. Das kann ein Mädchen mit einer 38 auch sein und sie ist immer noch schlank.

Kati

Tigermöhre: Stimmt, da hatte ich gar nicht dran gedacht, aber natürlich muss man auch Körperbau und Körpergröße einbeziehen. Da bin ich dann auch schön in meine eigene Falle getappt, weil ich ja gerade nicht wollte, dass sich jemand meine Figuren als dünner oder dicker vorstellt, als sie eigentlich sind, aber genau das wird passieren, wenn man Kleidergrößen zum Beschreiben nimmt.

Mondfräulein: Über die Größen in Geschäften muss man glaube ich gar nichts mehr sagen. Ich habe eine Hose in 38 und eine in 44 und beide sitzen genau gleich. Enough said. Ich fände es total gut, wenn sie mal realistische und vor allem einheitliche Kleidergrößen machen könnten, aber da sieht man dann auch wieder, dass Kleidergrößen zum Beschreiben der Figuren auch nichts taugen.

Ich stehe im Moment auch vor demselben Problem. Die beste Freundin meiner Protagonistin ist dick und ich möchte das auch gern beschreiben, damit die Leser sie sich nicht als dünn vorstellen. Das ist sie einfach nicht. Beschreibungen, die auf die Gesundheit anspielen, fände ich da auch etwas unglücklich gewählt, weil Körperumfang mit Gesundheit gar nicht so viel zu tun hat, wie man immer denkt. Jedenfalls spielt dieses Mädchen zum Beispiel Volleyball im Verein zusammen mit der Protagonistin und wird dann sicherlich auch fit sein und nicht nach ein paar Treppenstufen schlapp machen. (Das habe ich auch an mir selbst beobachtet. Ich bin zwar nicht richtig dick, aber ich habe schon Übergewicht und Volleyball hat damals im Verein trotzdem gut geklappt. Ich laufe auch recht regelmäßig und würde mich nicht als unfit bezeichnen, also werde ich diesen Stempel meinen Figuren auch nicht grundlos aufdrücken.) Jetzt stehe ich eben vor dem Problem, wie ich das Mädchen aus der Sicht meiner Protagonistin so beschreiben kann, wie sie eben einfach aussieht, ohne, dass es abwertend oder gemein klingt.  :-\ Ich lese auf jeden Fall mal weiter mit, was hier noch an Vorschlägen dazu kommt.

Erdbeere

@Golden: Da hast du aber gleich wieder die negative Assoziation, weil man dem Leser zuerst mal die negative Berichterstattung vorsetzt und erst dann die Gedanken der Figur.

Ein echt schwieriges Thema. Als ehemalige Trägerin von Grösse 46 und heute 40/42 kann ich ein Lied davon singen. Wie wäre es mit Metaphern? Ich habe einmal mit positiven Bildern und Vergleichen gearbeitet. So etwas wie: "Sie war wie eine Raupe, kurz bevor sie zu einem Schmetterling wird." Oder "Es gab mehr von ihr, als sie sich je hätte vorstellen können. Sie war mehr, sie beanspruchte mehr Platz. Und das war gut so."

Hm, wirklich schwierig. Spinn ich, oder ist unsere Sprache derart negativ behaftet? Btw, das Wort "mollig" empfand ich seltsamerweise immer eher neutral bzw. nicht negativ.

Mogylein

Ich würde da direkt mit Körperteilen beschreiben.

ZitatIhr Haar endete knapp unter ihrem Doppelkinn.

ZitatDie ausgewaschenen Jeans lagen schmeichelhaft um ihre breiten Hüften.

ZitatSie trug eine gepunktete Seidenbluse; die kurzen Ärmel offenbahrten ihre dicken Oberarme.

Klar, fatphobe Menschen werden das immer noch negativ lesen, aber eigentlich sind das wertfreie Beschreibungen, die ich als dicker Mensch gerne lesen würde.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Mondfräulein

Zitat von: Erdbeere am 11. März 2015, 20:13:03
Hm, wirklich schwierig. Spinn ich, oder ist unsere Sprache derart negativ behaftet? Btw, das Wort "mollig" empfand ich seltsamerweise immer eher neutral bzw. nicht negativ.

Ja, ist sie. :seufz: Ich könnte jetzt lange darüber reden, wie sehr sich Fatshaming in unsere Gesellschaft und unser Denken gefressen hat, aber das gehört hier nicht hin. Meine Frage hier: Nimmt man mollig denn auch als wirklich dick wahr oder nicht eher als einfach nur nicht so dünn?

@Mogylein: Das zweite Beispiel mag ich besonders. Ich werde es mal in die Richtung versuchen, danke! :vibes:

Kati

In einem Jugendbuch gab es mal die Formulierung "Je mehr es von ihr gab, umso besser", was ich auch sehr gut fand. Leider stellte sich später heraus, dass das Mädchen nicht wirklich dick war, sondern vielleicht fünf Kilo Übergewicht hatte, denn sie passte trotzdem in die Kleider ihrer dünnen Freundin, obwohl sie etwas eng saßen. Das finde ich immer schade, wenn eigentlich schlanke Mädchen in Büchern als dick bezeichnet werden, obwohl sie es nicht sind. Das macht es umso schwerer, sich das vorzustellen, weil einfach nie wirklich klar ist, was die Autoren sich unter "dick" vorstellen.

Mogylein: Die Idee finde ich auch nicht verkehrt. Ich denke, es ist auch viel wichtiger die Figur dann als positiv vorzustellen und zu beschreiben. Wenn man eine dicke Figur als kompetent und ernst zu nehmende Figur beschreibt, dann fällt es den Lesern sicher viel schwerer, das negativ zu verstehen, als wenn die Figur wie so oft als Punchline fungiert oder weitere Klischees über dicke Menschen hinzukommen. Ich glaube, wenn man Klischees weitgehend vermeidet und die Figur nicht als albern oder so darstellt, dann kann man mit so wertungsfreien Beschreibungen viel machen. Das einzige Problem bleibt dann, wie man verhindert, dass sich die Leser die Figur als "fünf Kilo mehr" vorstellen, wenn man sie eigentlich als wirklich dick im Kopf hat.