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Begonnen von Sprotte, 12. September 2013, 00:31:52

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Sprotte

Und für alle, die es ganz genau wissen wollen: DUDEN

Fangen wir ganz einfach an. Es gibt Haupt- und Nebensätze. Letztere sind von einem anderen Satz abhängig. Sie können nicht alleine stehen.

Subjekt und Prädikat im Hauptsatz:

Ein Hauptsatz kann – ohne alles schmückende und sinngebende Beiwerk wie Attribute und Objekte – nur aus Subjekt und Prädikat bestehen. In meiner Zusammenarbeit mit Grundschülern nenne ich das Subjekt auch ,,Held des Satzes". Das Prädikat ist dann das, was das Subjekt tut, bzw. was in einer Passivkonstruktion dem Subjekt angetan wird.

Peter (Subjekt) schreit (Prädikat).
Peter (Subjekt) wird geschlagen (Prädikat)

Jeden Morgen verteilte (Prädikat) die Lehrerin (Subjekt) die Aufgabenhefte an ihre Schüler.

Zwei mit ,,und" verbundene Hauptsätze dürfen nach den Regeln der Neuen Rechtschreibung mit einem Komma getrennt werden, wie viele es noch aus der Alten Rechtschreibung gewohnt sind. Dieses Komma ist nicht Pflicht. HIER gibt es eine Diskussion dazu.

Nebensätze:
Im Nebensatz steht das Prädikat aus Grundsatz am Ende (ja, es gibt Ausnahmen, aber die machen wir später). Der gemeine Nebensatz wird durch eine Konjunktion eingeleitet: weil, da, während, obwohl, falls, als, wie ...

Peter weinte, weil er traurig war.
Hauptsatz mit Subjekt (Peter) und Prädikat (weinte) KOMMA Konjunktion (weil) Prädikat des Nebensatzes (war).

Gleichrangige Nebensätze mit und/oder in der Mitte werden nicht durch ein Komma getrennt.
Peter weinte, weil er traurig war und da er Hunger hatte.
Peter weinte, weil er traurig war, da er Hunger hatte.

Als und wie

Als und wie können einen Nebensatz einleiten. Sie tun das aber nicht immer und automatisch. Ein Komma haben sie sich nur verdient, wenn ihnen auch ein Nebensatz folgt!

Er ist größer als Petra. (dem ,,als" folgt kein Prädikat! Kein Komma!)
Sie sieht aus wie ein Frettchen. (dem ,,wie" folgt kein Prädikat! Kein Komma!)
Sie ist kleiner, als sie aussieht. (Prädikat vorhanden, ergo Nebensatz, ergo Komma)

Das und dass

Häufig eine Kriegserklärung an Schreibende, die beiden Biester auseinander zu halten. Merksatz: Jedes ,,das", das nicht durch ,,dieses", ,,jenes" oder ,,welches" ersetzt werden kann, braucht ein zweites S!
Ein ,,dass" mit zwei S ist ein Signal für einen Nebensatz!
Er wusste, dass dies übel ausgehen konnte.
Gegenprobe, ob es vielleicht doch nur ein S braucht:
Er wusste, welches es übel ausgehen konnte. Ähm, nein! Definitiv 2x S

Relativsätze:

Eingeleitet durch Relativpronomina (der, dieser, die, diese, das, dieses, welcher, welche, welches) oder Relativadverbien (wo, wie, wodurch, wohin, woher ...)

Er sah die Straße, die durch das Dorf führte.
Er sah das Haus, welches am Ortsrand stand.

Infinitivkonstruktionen:
Sie enthalten, wie der Name sagt, einen Infinitiv (Verbgrundform), z.B. ,,sein" als Infinitiv von ,,Ich bin" und werden auch gerne durch "um" eingeleitet.
Es werden unterschieden
A) der Infinitiv mit zu:
Er wünschte zu essen.
B) der erweiterte Infinitiv mit zu:
Er wünschte, sie (dieses "sie" ist die Erweiterung!)zu sehen.
Er sah nach ihr, um sich zu vergewissern.

Nach Alter Rechtschreibung war das Komma beim erweiterten Infinitiv mit zu Pflicht. In der Neuen Rechtschreibung sind die alten Regeln gestattet. Generell gilt, dass das Komma weggelassen werden darf, solange der Sinn nicht entstellt wird. Auch der einfache Infinitiv mit zu (ohne Erweiterung!) darf nach Neuer Rechtschreibung mit einem Komma abgetrennt werden.

Partizipialsätze

Sie gelten als etwas schwerfällig. Aber wie immer macht die Dosis das Gift. Wer jeden Satz mit einem Partizipialsatz beginnt, bekommt von seinen Betalesern gewiss eins auf die Nase:

Ein Buch lesend liefen sie zum Schiff.
Obwohl übermüdet schlug er sich wacker.

Ein Komma nach den Partizipien ist gestattet!
Ein Buch lesend, liefen sie zum Schiff
Obwohl übermüdet, schlug er sich wacker.

Wenn ein Nebensatz vom Hauptsatz in die Zange genommen wird, diesen also als Einschub unterbricht, dann braucht er vorne und hinten ein Komma!
Der Mann, der einen Hut trägt, sprang vom Zug.
Die Krieger, obwohl sie sich tapfer geschlagen hatten, wurden zurückgeworfen.


Ergänzungen:
Satzzeichen sind keine Rudeltiere
Wörtliche Rede
Ergänzung zu ...
Noch eine tolle Ergänzung zu ...
Ergänzung zum Erweiterten Infinitiv mit zu
Doppelpunkt
Im Rausch des Apostrophs
Funktion des Infinitivkonstrukts
Apostrophe für alle Lebenslagen
von meinem Blog: Das Subjekt-Komma

Sprotte

Satzzeichen sind keine Rudeltiere:

"Au!!!!!"
Ein Ausrufezeichen reicht. Es wird nicht lauter durch mehrere. Es wird nur peinlich.

Einzige Ausnahme: Drei Pünktchen
Aber: Es dürfen nicht mehr als drei sein. Nein, zwei sind auch falsch. Ebenso siebenundzwanzig. Und sie dürfen auch nur zu dritt auftauchen, wenn vor ihnen ein Leerzeichen steht.

Ausnahme: Wenn ein Sprecher unterbrochen wird, werden die drei Pünktchen an die Abbruchkante ohne Leerzeichen gestellt.
"Was zum Teu..." Das Einstürzen des Tempels unterbrach Peters Satz.

Sprotte

Wörtliche Rede:

(Ich weiß, daß die Beispiele lächerlich sind, okay?)

"Ich wohne hier."
"Wohnst du hier?"
"Ja!"

Soweit, so klar.

Nun kommen die Inquit-Formeln dazu: Er sagte. Er rief. Er fragte. Er schrie. etc.

Er sagte: "Ich wohne hier."
Wichtig: Nur nach echten Inquit-Formeln darf ein Doppelpunkt vor der folgenden wörtlichen Rede stehen.
Er bohrte in der Nase. "Ich wohne hier."

Solange die Inquit-Formel vorne steht, ist es ja noch leicht.

"Ich wohne hier", sagte er.
"Wohnst du hier?", fragte sie.
"Ja!", rief er.


Ausrufezeichen/Fragezeichen, Anführungszeichen oben, Komma, Leerschritt. Wenn weder gerufen noch gefragt wird, sondern ganz normal gesprochen, so daß wir den Satz üblicherweise mit einem Punkt abschließen, wird dieser bei folgender Inquit-Formel nicht gesetzt.

Wörtliche Rede kann durch die Inquit-Formel auch unterbrochen werden.

"Ich", sagte er, "wohne hier."
"Wohnst", fragte sie, "du hier?"

Nirahil

Sprottchen, das ist ein wundervoller Thread! Ich fühle mich gerade an die Deutschstunden in der Schule erinnert, genauer an diese witzigen Arbeitsblätter, die nur die eingeschworene Gemeinschaft verstanden hat, weil der Lehrer alles verkauderwelscht hat. Bei Dir klingt das alles viel einfacher, viel logischer, viel besser nachvollziehbar - vielen lieben Dank dafür! :jau: *geht wieder den Thread lesen und die eigenen Deutschkenntnisse auffrischen*
Ich tanze wie ein Kind im Nebel,
zufrieden, weil ohne Ziel.
Callejon - Kind im Nebel

Pestillenzia

Klasse, vielen Dank, Sprotte! Jetzt könnte sogar ich endlich die ganzen Begriffe kapieren, die vor 30 Jahren einfach nicht in meinen Schädel wollten.  :jau:

Thaliope

Wow, da hast du dir aber eine Arbeit gemacht, Sprotte! Danke!  :knuddel:

Allerdings kann ich mir nicht verkneifen, ganz kurz ein kleines bisschen klugzuschei**en, sorry:

"Welcher, welche, welches" sind keine Relativadverbien, sondern ebenfalls Relativpronomen.
Relativadverbien sind "wo, wie, wodurch, wohin, woher ..."

Ansonsten gibt es im normalen Rechtschreib-Duden (und auch bei Duden online) einen Abschnitt, in dem die Kommaregeln relativ kurz und übersichtlich erläutert werden. Gerade zu den Infinitiv- und Partizip-Gruppen gibt es noch einige konkretere Regeln als "kann man, muss man aber nicht" (K114-K117, die ich jetzt aber nicht alle abschreibe ...).

LG
Thali

Debbie

Oooooh, da bin ich aber begeistert!  :wolke:

Und kann mich Thail nur anschließen: Da hast du dir wirkich viel Arbeit gemacht - Vielen Dank dafür!  :knuddel:


Sprotte

@ Thali: Danke!
Da hab ich was verhauen. Obwohl ich z.B. "wo" eher als Lokalnebensatz denn als Relativsatz ansehen würden. Aber egal. Die ganzen Bezeichnungen sind mir persönlich nicht halb so wichtig wie ein Komma, das da sitzt, wo es hingehört.  :vibes:

phoe

Wow, jetzt bin ich platt.  :o

Danke Sprotte, für diese ausführlichen Erklärungen.  :knuddel: Man merkt gleich, du liebst es.

Auch wenn ich jetzt einiges besser verstehe, hast du es (und auch Thali) geschafft mich zu verwirren.
z. B. Inquit-Formel  oder den Infinitiv- und Partizip-Gruppen - ja klar, alles verstanden.

Ich bin froh nicht alles wissen zu müssen und für "den Rest" liebe Menschen, die es mir erklären.
Danke

Szazira

Vielen Dank! Ich kämpfe immer mit der Grammatik und im Moment ist noch nicht raus wer gewinnt.

Bei deiner 'das' und 'dass' Regel:
Ich habe mir irgendwann mal 'dieses', 'jenes' oder 'welches' gemerkt. Gehört 'jenes' doch nicht zu denen, durch die man ersetzen kann um festzustellen, ob da ein zweites 's' hin gehört?

Luna

Doch, ich habe es auch so gelernt. Ist bestimmt nur vergessen worden, bei der ganzen vielen Arbeit :) und den tollen Erklärungen. Vielen Dank dafür Sprotte :knuddel:


Thaliope

Zitat von: Sprotte am 12. September 2013, 10:15:09
Obwohl ich z.B. "wo" eher als Lokalnebensatz denn als Relativsatz ansehen würden. Aber egal. Die ganzen Bezeichnungen sind mir persönlich nicht halb so wichtig wie ein Komma, das da sitzt, wo es hingehört.  :vibes:

Ich hab mir das mit dem "wo" ja nicht ausgedacht, das steht im Duden (wo ich nachgesehen habe, weil ich bisher selbst noch nie auf den Begriff "Relativadverbien" getoßen war ... ;)). Da ist auch recht genau definiert, wann ein Nebensatz ein Relativsatz ist. Ansichtssache ist das eher nicht. :) Und natürlich hast du Recht damit, dass ein richtig gesetztes Komma wichtiger ist als die richtige Bezeichnung. Falsche Bezeichnungen sollten sich trotzdem nicht unbedingt einprägen, finde ich. Sonst wird es irgendwann so schwer, darüber zu kommunizieren.

Deine Darstellung bietet auf jeden Fall eine gute Übersicht, damit man eine Vorstellung davon bekommt, welche Kategorien von Kommaregeln es gibt. Ich würde aber jedem ergänzend empfehlen, wenn er diese Übersicht verinnerlicht hat, sich auch nochmal die konkreten Kommaregeln im Duden anzuschaun - mitsamt den Ausnahmen und Beispielen. Dank dieser Übersicht ist das dann vielleicht auch leichter verständlich, als wenn man ganz unbeleckt da rangeht. ;)

LG
Thali

Sprotte

Ich wollte Dir nicht auf einen Zeh klettern, Thali!  :knuddel: Und hab das oben mit den Relativadverbien auch schon korrigiert.

Thaliope