Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Das Sprachbastelboard => Thema gestartet von: Antigone am 23. Februar 2008, 11:55:24

Titel: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Antigone am 23. Februar 2008, 11:55:24
Hallo!

Wie haltet ihr es eigentlich mit der Anrede in euren Romanen? Oder anders gefragt: wie reden sich eure Protas untereinander förmlich an - sprich, wenn sie noch nicht so vertraut miteinander sind, um einfach den Vornamen zu verwenden.

Bei uns sagt man ja zb.: "Guten TAg, Herr Maier/Frau Maier." Aber haben eure Protas immer Nachnamen bzw. Titeln? Wie soll man sie dann ansprechen?

"Guten Tag, mein Herr/meine Herrin" (klingt ein bisschen nach HdR)
"Guten Tag, Herr XYZ/Herrin XYZ"?

Oder erfindet ihr Anreden und Titeln? Mir gefällt ja sehr gut das darkovanische "vai dom/vai domna", aber leider, leider, gibts das ja schon. ;)

Oder bedient ihr euch im Englischen? "Guten Tag, Sir/Lady". Mylord/Mylady?

Ich liebäugle derzeit auch ein wenig mit der Anrede Jungfer bzw. Junker, weil das ja ganz gut in eine mittelalterlich angehauchte Welt passt.

So, das waren jetzt ein paar Überlegungen meinerseits. Jetzt würd mich interessieren, wie ihr das so macht.

Lg, A.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: saraneth am 23. Februar 2008, 12:26:15
Hallo Antigone,

meist bediene ich mich den englischen Titeln aus dem elisabethanischen Zeitalter, gemixt mit eigenen Kreationen. Es ist schwer zu sagen... mir gefällt beispielsweise die Anrede "my lord / my lady", sowie der Vorläufer des heutigen "Sir", der da wäre "Sirrah", sehr gut. Wohingegen ich Titel wie "Your Grace / Your Highness" eher ins Deutsche übersetze.

Je nachdem was für eine Gliederung es in meinen Projekten gibt, verwende ich auch Anreden aus dem Deutschen, wie Baron, Fürst.

Zur Zeit lebe ich gerade mit einem erfundenen Titel sehr gut; neben dem aber auch eine Mischung aus mehreren anderen Anreden (sowieso aus dem Englischen, als auch aus dem Deutschen) stehen.

Ich halte mich also nicht strikt an eine "Art" der Anrede, weil es teils einfach nicht passt.

Orientierung bieten mir auch diese Links:

http://www.renfaire.com/Language/address.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Anrede#Adelstitel_in_Deutschland

Wobei mir hier auch noch die Frage aufgefallen ist, ob es *wichtig* ist eine einheitliche Sorte von Titeln zu verwenden.

LG
Saraneth
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Grey am 23. Februar 2008, 13:42:43
Tja ... mittlerweile schreibe ich ja doch meistens in einem halbwegs realen bis realen Setting, bewege mich zur Zeit also mehr in der Phantastik bzw. phantastischen Historik und Endzeitszenarien auf unserer guten alten Erde. Da stellt sich die Frage nicht ganz so sehr, weil die Titel in dem Fall ja doch vorgegeben sind. Oder es duzen sich einfach alle ;)

Vorher hab ich zugegebenermaßen eigentlich bloß aus anderen Fantasyromanen abgekupfert und das genommen, was da so als gängige Anrede verwendet wurde. Aber da war ich ja auch noch klein. ;D Vielleicht hab ich auch mal ein paar grobe Militärrangbezeichnungen recherchiert. Aber das auch erst als ich schon nicht mehr ganz so klein war.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Antigone am 23. Februar 2008, 13:53:25
@ saraneth: Den Wikipedia-Artikel hab ich auch schon gelesen. Mir gehts aber weniger um die Anrede von höhergestellten Leuten - so ein Majestät, Hoheit oder Durchlaucht ist ja recht einfach dahingesagt.

Sondern mir gehts darum, wie sich unbekannte Leute auf der Straße höflich anreden. Oder Männer eine Frau, die zwar nicht adelig ist, aber zu der sie trotzdem höflich sein wollen. Und zwar eine unverbindliche Anrede meistens ohne Nachname.

Englische Titel zu verwenden, würd mir komisch vorkommen in meiner Welt, wo weit und breit keiner englisch spricht und es auch keine englisch angehauchten Namen oder Begriffe gibt. Obwohl ich seltsamerweise den Namen meiner Prota englisch ausspreche - ist aber auch der einzige.... ???

Lg, A.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: saraneth am 23. Februar 2008, 14:18:03
@ Antigone: Hm... also da würde mir dann spontan Fräulein (klingt zwar ein bisschen spießig, aber naja) für junge Frauen einfallen und für ältere Frauen hat man hier in Deutschland häufig gnädige Frau verwendet.

Wobei Fräulein hier eher unbeliebt ist, was daran liegt, dass man damals alle unverheirateten Frauen (auch ältere) mit diesem Titel angesprochen hat. Das wurde natürlich von Seiten der weiblichen Bevölerung zusehens unbeliebter, weil man sich nicht sofort als "alte Jungfer" zu erkennen geben wollte. Des Weiteren wurde Fräulein früher wohl eher für Adlige benutzt, später etablierte sich dieser Ausdruck aber auch in Bürgerkreisen.

Deshalb würde ich eventuell eher zu Miss tendieren, auch wenn es Englisch ist.

Männer hat man meines Wissens nach meistens mit Gnädiger Herr angesprochen.

Oh, und ich habe hier noch einen anderen Link gefunden, der sich auf alle Stände bezieht; vielleicht hilft der dir weiter:

http://www.ingenieurgeograph.de/Living_History/Material/Anrede_fuer_alle_Staende.pdf


LG
Saraneth
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Elena am 23. Februar 2008, 14:28:58
Hm, da meine Personen grundsätzlich nur Vornamen haben (ich finde es schon schlimm genug, mir Vornamen ausdenken zu müssen!), redet man sich damit an. Im Allgemeinen wird aber gesiezt, wenn man sich nicht kennt. Eine Anrede gibt es schichtweg nicht. Wenn man den Namen nicht kennt, erfragt man ihn, oder er bleibt unbenannt und wird nur gesiezt. Das funktioniert ja auch in der Realität sehr gut, wenn man den Namen des anderen nicht weiß - oder schlimmer noch, vergessen hat und sich nicht traut, nachzufragen.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: zDatze am 23. Februar 2008, 14:35:16
Mir fällt da noch die Anrede ein:

"Guten Tag, werte/r Dame/Herr"

Wobei ich mit so geschwollenen Ausdrücken nicht wirklich klar komme. Beim Lesen fällt mir das immer besonders auf, wenn irgendwo fast gezwungenermaßen ein Titel verwendet wird. Da denk ich immer: Mein Gott, so redet doch kein Mensch. -.-'
Deswegen vermeide ich solche Titel und Anreden, wo immer es geht. Alternativen dazu gibt es genug, wenn man ein bisschen kreativ ist. Wenn man diese Kreationen geschickt einbaut, dann "schluckt" der Leser diese Begriffe und verbindet damit genau das, was man als Autor/in vermitteln will.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Berjosa am 23. Februar 2008, 20:08:10
"Meister/in" finde ich recht praktisch für "Bürgerliche".

Wenn ich gerade meine verrückte Phase habe, erfinde ich allerdings lieber Titel in der "Landessprache". Das führt dazu, dass ich in einem Abenteuer jetzt Leute aus drei verschiedenen Ländern herumlaufen habe, die ihre Titel auf drei verschiedenen Wegen erworben haben (Wissenschaft - Militär - Adel). Alle haben Vor- und Nachnamen, und die werden unterschiedlich mit den Titeln kombiniert. Beim Lesen wird das ziemlich unübersichtlich, da muss ich wohl schweren Herzens mal ausmisten.

Englische (o.ä.) Anklänge versuche ich möglichst zu vermeiden, wenn das Abenteuer nicht auf der Erde oder in einer Parallelwelt spielt.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: zDatze am 23. Februar 2008, 23:55:33
Ähm, sry wenn das hier nicht herpasst, aber mir ist da noch was eingefallen. In Japan wird an das Namensende manchmal eine Silbe (z.B.: -kun) drangehängt. Für eine Eigenkreation ist doch dieser Weg einer "Betitelung" auch ganz praktisch.^^
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Volker am 24. Februar 2008, 00:58:21
Dann gibt es auch kulturelle Unterschiede: während in den USA asymmetrisch geduzt (bzw. Vorname/Nachname verwendet)  wird, ist dies in Deutschland strikt symmetrisch.

In Deutschland drückt das Duzen eine gleichberechtigte, informelle/enge Beziehung aus. In den USA dagegen eine Niedriger-Stellung des Geduzten. Man kennt dies vor allem in Service-Berufen ("Hello Sir, my name is Bob, hoe can I help you?") als Höflichkeitsform. Es ist höflich, als Diener eine entsprechende Ansprache anzubieten. Klar.

In Deutschland wäre es dagegen arg unhöflich, so ungefragt mit einem Duzen in die Privatsphäre eines noch Unbekannten einzufallen. Hier gilt es als höflich, den Abstand zu wahren - ausgedrückt durch die "Sie"-Form.

Man merkt schon daran: Anrede ist *extrem* kulturabhängig. Entsprechend sollte sie in eine Kultur eingebettet sein - und nicht nur hinsichtlich Titeln, sondern auch hinsichtlich Sprache...
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Artemis am 24. Februar 2008, 14:11:26
Ich benutze meistens "Herr" oder bei adligen den jeweiligen Titel (Majestät, mein Fürst ect.)
Ansonsten flutscht auch mal noch ein Mylady durch, aber das ganz selten. Gesiezt wird sich nicht, ich benutze immer nur das "Ihr" und "Euch" oder bei Leuten, die sich gut kennen, das gewöhnliche "du". Besondere Titel oder exotische Anreden aus allen erdenklichen Epochen der Weltgeschichte vermeide ich, weil das dann doch etwas zu abgehoben klingt, wenn ich plötzlich eine Comtess auftreten lasse O.o   
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: THDuana am 24. Februar 2008, 15:32:59
Ich mache es eigentlich auch ähnlich wie Artemis. Adelige oder generell Höhergestellte werden mit "Ihr" und "Euch" angeredet, sowie mit "Anführer XY" und "König SoUndSo". "Euer Majestät" verwende ich auch recht oft, denn "Euer Gnaden" gefällt mir nicht so und andere Titel mag ich eigentlich auch nicht besonders.
Außer ich erfinde mal einen Titel, dann fallen alle anderen weg, was aber selten passiert.

Dass Diener/innen ihre Zubedienenden mein/e Herr/in nennen, ist bei mir auch gewöhnlich. Ich halte mich da eigentlich an das mit bekannte, wobei ich erst jetzt durch den Wikipedia-Artikel gelesen habe, dass man zum Beispiel zwischen Baronin und Baroness unterscheidet ... ::)
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Hr. Kürbis am 25. Februar 2008, 08:14:15
"Ihr" und "Euch" benutze ich, wenn die Charaktere sich nicht kennen oder einer Respektsperson gegenüberstehen, ansonsten "Du" und schlicht den Vornamen. Wenn es unhöflich wird, wird durch die Bank weg "Du" benutzt, gerne in Verbindung mit einem Schmähtitel, bei militärischen Dingen der Dienstrang mit dem Nachnamen.
Ich mach mir da nicht so einen Kopf drum, da sich die meisten Charaktere eh kennen oder schnell kennen lernen, was eine konsequente "unnatürliche" Anrede fast ausschließt. ;)
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Simara am 11. Juli 2010, 19:03:46
In einem Land meines jetzigen Projektes werden männliche Adelige mit "Sire" und weibliche unverheiratete mit "Mistress" angesprochen. Verheiratete Frauen werden ganz klassisch mit "meine Herrin" betitelt.   

In Asalia hingegen werden junge Frauen als "Amantre" betitelt, die Herren mit "Omnus." Hier sind die Anrede Formen nicht allein auf adelige bezogen, da es in Asalia vor seiner Besetzung keine Klassenaufteilung gab. Die Herrschenden werden hier also auch mit den oben genannten Titeln angesprochen. (Ich stelle es mir sehr unterhaltsam vor wie der Akzent der Asalen bei diesen Englischen Wörtern anhört... Schließlich orientiere ich mich mit ihrer Sprache bei Ivrit und Türkisch ;D)
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Zit am 11. Juli 2010, 19:54:12
Meine Charaktere reden sich untereinander auch mit Ihr (Euch) an, wenn sie sich nicht so gut kennen. Nach unten geht auch schon mal ein du, wobei das auch vom Charakter abhängt. Es gibt durchaus welche, die nicht so viel auf Rangordnung geben und auch sozial niedrig Gestellte mit Ihr anquatschen.

Ist kein Name bekannt, wird nach Äußerlichkeiten/Berufen/Arten tituliert: Großmutter/Großmütterchen, Großvater/Großväterchen (für Alte), Dame (will man(n) schmeicheln), Mädchen/Bursche (für Junge), Bauer, Förster, Zauberer, Militärränge (oder auch nur Ritter/Held), Zwerg, Elf etc.

Ränge und Adelstitel sind bei mir, sofern vorhanden, realen dt. Systemen entnommen. Ich habe da so meine Probleme auf Fremdsprachen zurück zu greifen, wenn ich selber auf Deutsch schreibe, kommt mir unsinnig vor; ich versuche mich da immer nach Möglichkeit drum herum zu schlängeln. (Wobei alles seine Grenzen hat: In einem arabisch-angehauchten Land heißt der Chef nun mal Kalif/Sultan/etc. und nicht König; einfach des Flairs wegen.)

Die Mühe eigener Titel mache ich mir aber auch nicht. Auf der einen Seite ist es natürlich schön, wenn man seine eigene Welt soweit durchplant, auf der anderen Seite will ich meinen Lesern auch Einstiegspunkte bieten. (Und mir persönlich reicht es schon, eigene Namen für Land und Leute auszudenken, da will ich mich selbst mit eigenen, nirgends angelehnten, Rangbezeichnungen/Anreden nicht noch mehr verwirren. :rofl:)
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Valaé am 18. August 2010, 21:56:08
Mir geht es da ganz ähnlich wie meinen direkten Vorrednern.
Die Anrede variiert vom Charakter, von der sozialen Stellung, dem Volk und der derzeitigen Atmosphäre. Allgemein wird meist "Ihr"/"Euch" verwendet, ist der soziale Unterschied oder der Altersunterschied groß, kommt auch gerne mal ein "Du", besonders wenn man unhöflich sein möchte oder aufzeigt, das man selbst sozial viel höher steht.
Ansonsten werden gerne Berufe oder soziale Stellungen genutzt, ein Charakter von mir wird eigentlich anfangs durch die Bank weg mit "Barde" angesprochen, was auch daran liegt, dass Barden in meiner Welt nicht gerade die angesehensten Leutchen sind  ;). Höflichere Charaktere sprechen ihn mit "Herr Barde" an, was spöttisch auch von anderen aufgegriffen wird.
Aber auch andere Charaktere werden gerne mit ihrem Beruf betitelt. Hochgestellte Persönlichkeiten werden mit ihrem Titel oder mit Herr/Herrin, Euer Majestät, bei besonders schleimigen Charakteren auch mal "Ihre Durchlaucht" (gerne auch spöttisch verwendet) und ähnlichen Anreden angesprochen. Da ich allerdings auch ein großer Freund von "Mylord"/"Mylady" bin, sind auch diese Titel, im passenden Volk schon aufgetaucht.
Im militärischen werden die Titel genannt, "Sir" habe ich bisher noch nicht benutzt, ist aber durchaus möglich, dass es noch bei einem meiner Völker auftaucht, da ich nicht wüsste, weswegen ich es nicht nutzen sollte (solange es im Militär bleibt, ich finde es nur dort passend). "Sire" kam jedoch schon einmal vor, allerdings natürlich im Bezug auf einen König.
Charaktere ohne Rang, die im Militär sind werden dort durchweg nur mit ihrem Nachnamen angesprochen, es sei denn ein Vorgesetzter spricht denjenigen an. Dann wird ein "Soldat" davorgesetzt, oder er wird einfach nur "Soldat" genannt.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Telas am 19. August 2010, 19:43:07
Ich habe einmal ein ganzes Buch geschrieben, in dem sich alle Charakter nur mit Ihr/ Euch angesprochen haben, was ich hinterher bitter bereut habe. "Ihr" habe ich zwar immer groß geschrieben, das "Euch" aber klein gelassen. Erst als das Manuskript vollendet war, habe ich diesen Fehler bemerkt. Nun glüht die Shifttaste beim Korrekturlesen, dass ich meine helle Freude daran habe...
Das "Du" verwende ich in Mittelalterwelten ab sofort wieder häufiger, da ich hin und wieder durcheinander komme, wer den nun wen wie ansprechen darf.
Zwar reden die Kinder fremde Erwachsene immer mit der offiziellen Adelsanrede an, aber manchmal entfällt mir, dass Personen des selben Standes es auch gerne ein wenig persönlicher haben. In Zukunft werden die Kinder aus ihrer Naivität heraus die Erwachsenen eben auch mit "Du" anreden und wenn es in der Welt rauer zugeht, dann wird meinen Charaktern der nötige Respekt untereinander fehlen, um sich mit der offiziellen Anrede zu begrüßen.
Eine Ausnahme mache ich in Zukunft nur noch beim Herrscher und dessen Hofstaat.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Ilargi am 19. August 2010, 21:58:50
Kaixo!

Also ich lasse den Adel immer mit "Ihr" anreden. Also der höflichen Anrede, der Chara selbst spricht allerdings nur in der normalen Form von sich selbst, außer dem König, der sich als "das Land selbst" versteht und von sich selbst als "Wir" spricht.  :hmmm: Der Adel allerdings spricht das gesamte Volk und die anderen Adligen mit "Du" an!

Unter sich redet das Volk sich auch nur mit "Du" an, es ist der Ton der die Musik macht; heißt: die Jüngeren Mitglieder verhalten sich den älteren gegenüber reservierter und versuchen über Wortwahl und weniger über Anrede die Stellung untereinander zu definieren, was für mich schwierig ist, aber darin sehe ich eine Herausforderung. ;)

Des weiteren gibt es bei mir "Priester", die bekommen noch einen anderen Namen, aber was für einen weiß ich noch nicht, die von allen mit "Ihr" und auch untereinander mit "Ihr" angesprochen werden. Man betrachtet sie als "Erleuchtete" und deswegen als höher stehend über allen, ob das auch wirklich so ist steht auf einem anderen Papier!
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Thaumaturgon am 23. Oktober 2010, 00:48:57
Das ist ja ulkig mit diesem Thema hier. In den anderen Frage-Threads hab ich mich immer gewundert über die "darüber hab ich mir noch nie Gedanken gemacht"-Beiträge, die sich selbst bei fundamentalen Dingen wie Währung und Kleidung aneinanderreihen. Aber hier ging es mir genauso. Mir kommt´s grade so vor, als hätte ich auf den 750 Seiten und den ungefähr 1500 Kilometern Reise meiner Protagonisten nie so eine Begrüßungsfloskel gebraucht.
Das einzige, was jedenfalls gar nicht geht, sind solche Schwulstgetüme wie "seid mir gegrüßt", "die Götter zum Gruß" und all der plattgetretene Fantasy-Quark...

Wenn jemand wirklich hochadelig ist, sprechen die armen Leute ihn sowieso nicht an, sondern mit dessen Dienstleuten. Dienstleute werden ge-"er"t oder ge"sie"t, für Gespräche zwischen Hochrangigen gibt es ja jeweils eine Etikette mit Titel und passender Anrede. Und wenn man keine kennt, macht man halt eine :-)

oh - so spät schon?  :gähn: gut nacht!
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Sanjani am 23. Oktober 2010, 15:45:24
Hallo,

doch, also die Sache mit der Anrede ist mir schon hie und da mal untergekommen. Bei mir gibt es auch nur Vornamen und wenn man sich nicht kennt, spricht man sich mit Ihr und Euch an. Ansonsten würde ich einfach nur Hallo bzw. Guten Tag oder vllt auch Guten Tag, werter Herr oder so schreiben, das kam mir bislang aber noch nicht unter, weil die Leute sich entweder gleich vorstellten oder nur eine andere Person da war, so dass klar war, dass mit Hallo nur sie gemeint sein kann.

Im Militär ist es bei mir so, dass die einfachen Soldaten von den Ranghöheren mit Du angeredet werden, zumal die die schon von Kindesbeinen an kennen. Die Kinder müssen umgekehrt aber Ihr und den Titel nennen.

Ich habe es aber auch schon zweimal so gehandhabt, dass einer sagte: Ich wünschte, wir könnten weniger formell miteinander reden, das erleichtert oft vieles. Kam vor, wenn jemand zu der Hauptgruppe dazu stieß und ich fand das insofern gerechtfertigt, als die ja auch einige Gefahren zusammen erleben und man da dann auch sicher nicht auf die Anrede achtet. Das wird dann als unwichtig betrachtet.

Und dann habe ich ein kleines Völkchen erfunden, das gar keine Anrede im eigentlichen Sinne kennt, weil die Du und Ihr nicht kennen. Sie reden nur in der Er-Form. Das fiel mir damals spontan ein und ich fand es irgendwie amüsant.

LG Sanjani
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Bianca Jones am 04. September 2012, 16:48:43
Hallo zusammen,

dann hol ich (mal wieder) einen alten Thread raus.

Genau mit diesem "Ding mit der Anrede" kämpfe ich gerade sehr.

Als Leserin mag ich "Mylady/Mylord" und "Sir" (oder wie bei Martin "Ser") sehr gerne lesen - aber ich tue mich gerade sehr schwer, das selbst zu benutzen, v.a. weil ich ja deutsch schreibe. Die Geschichte spielt in einer mittelalterlich inspirierten Welt und ich hätte gerne auch eine allgemeine Anrede, eben sowas wie "Herr/Herrin", was ich wiederum auch wieder zu einfach finde... Was haltet ihr den von ganz eignen Wort-Schöpfungen? Aber ist das nicht auch wieder zu gezwungen auf Fantasy getrimmt? Oder erkennen die LeserInnen das dann überhaupt? Ich spiele gerade mit "Bourg" für Stadtbewohner bzw. Menschen, die die Bürgerrechte haben (in meiner Welt ist das wichtig, hat man sie nicht, ist man illegal und sowas wie ein Sklave) ...

Ach, da tue ich mich wirklich schwer mit... Mach ich mir da zu viele Gedanken?  :hmmm:

Wie sieht ihr das?

Grüßle,
Bianca
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Sprotte am 04. September 2012, 16:56:12
Ich arbeite im Fantasy-Setting gerne mit "Herr", "Hohe Dame" oder militärischen Rängen. Wenn mein Held ein Paladin ist, kann er als solcher auch angesprochen werden. Und ein freier Bürger ist bei mir ein Bürger oder wird mit seinem Handwerk angesprochen (Meister Schuster, Geselle Bäcker ...).
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Merwyn am 05. September 2012, 15:38:35
Zitat von: Bianca Jones am 04. September 2012, 16:48:43Was haltet ihr den von ganz eignen Wort-Schöpfungen? Aber ist das nicht auch wieder zu gezwungen auf Fantasy getrimmt?

Eigene Wortschöpfungen finde ich als Leser nur dann schlimm, wenn sie nicht gut zu merken sind und es so viele davon gibt, dass ich immer nachblättern muss, was sie bedeuteten.
Gleich zu Anfang mit zehn verschiedenen Anreden überhäuft zu werden und dann auch noch zu jeder eine halbe Seite Erklärung serviert zu bekommen, wäre mir definitv zu viel.
Anreden sollten sich meiner Meinung nach selbst erklären, in der Art und Weise, wie die Charaktere im Buch sie gebrauchen. Das muss nicht gleich, wenn sie benutzt werden geschehen, aber sollte sich doch innerhalb des Kapitels aufklären.

Generell finde ich es bei Büchern mit vielen eigens erfundenen Titeln usw. immer gut, wenn sie in einer Art Anhang erklärt werden. Sei das nun als "XY = mein Herr" oder "XY = Anrede für Männer allgemein" oder "XY = Anrede für Männer mit blonden Haaren, die Metzger sind" ;)

Ich tendiere dazu, solche Neuschöpfungen ganz klassisch der High Fantasy zuzuordnen. Bei allem, was in irgendeiner Art in der Realität oder einer der Realität ähnlichen Welt spielt, würde ich als Leser erwarten, dass ich mit den Originaltiteln des Landes/der Region konfrontiert werde. Also in Deutschland dann kein "Sir" oder "Lady", sondern "mein Herr" bzw. "meine Dame" o.ä.
Wichtig finde ich auch, dass die Anreden der verschiedenen Geschlechter gleichwertig sind. Wenn Männer "hoher Herr" genannt werden, fände ich es falsch, wenn das Äquivalent für Frauen dazu "nur" "meine Dame" wäre, außer die Welt, in der die Geschichte spielt, wäre entsprechend aufgebaut, dass Frauen meinetwegen weniger wert sind als Männer.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Bianca Jones am 05. September 2012, 22:40:29
N'abend,

ja, vielen Dank für Eure Einschätzungen, Merwyn und Sprotte - ja, ich bleibe entweder in meinen Sprachraum (also "mein Herr" ect.) oder ich probier einfach mal was ganz anderes aus, hab mir mal ein Herkunftswörterbuch und Lateinwörterbuch ausgeliehen und spiele mal damit. Wenn's mir hinterher auf den Keks geht, dann fliegts halt wieder aus. Und ich werde probieren, es so zu benutzen, das ich es nicht groß erklären muss...

Schönen Abend noch,

Grüßle,
Bianca
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Sanjani am 06. September 2012, 17:42:55
Ich denke, mit eigenen Wortschöpfungen muss man auch in erfundenen Welten ein bisschen aufpassen. Wenn z. B. klar ist, dass es um Militärränge geht, fände ich es seltsam, wenn man sich neue Namen für real existierende Militärränge ausdenken würde. Es muss für mich dann schon einen ganz bestimmten Hintergrund haben oder irgendwie logisch sein. Wenn es z. B. keine Nachnamen gibt und ich als Autor zwischen Adel, Bürger und Sklave unterscheide, würde ich erst mal recherchieren, ob es schon etwas in meinem Sprachgebrauch gibt. Wieso sollte ich z. B. ein Wort für einen Sklaven erfinden, wenn ich Sklaven auch einfach nur mit "Sklave!" ansprechen könnte? Andererseits fände ich eine Anrede z. B. auch gut um sprachliche Unterschiede zwischen verschiedenen Völkern anzuzeigen. Aber da dürften es dann natürlich, wie weiter oben schon einer meiner Vorredner sagte, nicht zu viele neue Begriffe sein, damit man weiß, worum es geht.

Das mal mein Senf dazu, bevor ich wieder in der Versenkung verschwinde. :)

LG Sanjani
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Christian am 06. September 2012, 17:59:22
Ach ja, an dem Thema habe ich auch ein bisschen zu kauen gehabt.
Lange habe ich mit dem "Ser" von Martin bzw. Ser/Sera geliebäugelt.
Letztlich habe ich mich aber ganz simpel für Herr/Herrin entschieden.

Außerdem unterscheide ich durch "du" bzw. "sie/ihr/euch".

Militärränge habe ich ein wenig abgewandelt.
Allerdings sind sie immer noch logisch nachvollziehbar.
Da kriege ich immer die Krise, wenn Militärränge total durcheinander gewürfelt werden.

Neukreation/Eigenkreation sehe ich, ähnlich wie wohl die meisten hier, eher kritisch.
Wenn man das aber logisch, simpel und nachvollziehbar hinkriegt. Warum nicht?
Ich hab´s nicht hingekriegt.  ;D
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Bianca Jones am 11. September 2012, 12:15:42

Ja, dass sind wirklich gute Einwände gegen Eigenkreationen, Sanjani und Christian, bei den Militärrängen finde ich das auch nachvollziehbar. Das ist ja generell die Krux an High Fantasy - wie viele Begriffe/Wörter muss man wirklich "neu" erfinden? Da bin ich auch immer sehr gespalten, die Leserin in mir findet das oftmals gut bei anderen Texten, die Schreibende hingegen findet das oftmals albern. Ich werds einfach mal probieren und nicht den Grundsatz vergessen: Wenns einfach geht, es auch einfach machen  ;)

Wenn ich soweit bin, stell ich mal meine Idee hier ein...

Grüßle, Bianca 
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Aphelion am 20. August 2017, 20:01:10
Wie haltet ihr es mit fremdsprachigen Anreden in unserer Welt?

Eine meiner Geschichten spielt in einem spanischsprachigen Land und ich überlege, die spanische Anrede zu verwenden. Allerdings habe ich die Befürchtung, das könnte gekünstelt wirken. Was meint ihr?
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Malinche am 20. August 2017, 20:24:16
Meine Geschichten spielen ja sehr häufig in spanischsprachigen Ländern und da nutze ich ab und zu sehr wohl auch die spanischsprachigen Formen der Anrede, also z.B. im Sinne von señorita, señor, aber auch spezifischere Sachen wie compadre, comadre (was ich immer schwer zu übertragen finde, schwankt von der Bedeutung zwischen Kumpel, Genosse ...). Ich setze das meist ein, um typische Situationen und Phrasen einzufangen und Kontraste zur uns geläufigen Gesprächspraxis herauszustellen (ich habe aber auch im Ohr, an welchen Stellen diese Anreden tatsächlich verwendet werden würden, weil ich oft genug in Südamerika war). Bisher habe ich noch nie als Feedback bekommen, dass es gekünstelt wirkt. Ich denke, wenn man es richtig dosiert und einsetzt, kann es den Text atmosphärisch schon aufwerten.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Churke am 20. August 2017, 22:48:54
Da das in fast jedem synchronisierten Film so ist, dürften das die Leser das als normal akzeptieren.

Es gibt auch praktische Gründe dafür. Man kennzeichnet die Sprache. Außerdem lassen sich Anreden oft nur ungenau übersetzen, da Verwendung und Bedeutung in der Originalsprache anders ist als die simple Übersetzung.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Aphelion am 24. August 2017, 10:28:06
Danke für die Antworten. :) Ich werde bei den 3-4 Textstellen die spanische Anrede nutzen - im Prinzip aus denselben Gründen, die ihr auch genannt habt. :)
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Schneerabe am 18. Januar 2018, 11:46:23
Hallo allerseits,

ich hadere momentan auch ein wenig mit dem Thema Anrede. Dass man hier die Anrede "Ihr" unter höhergestellten Personen verwendet und wenn man höflich sein möchte und die Anrede du unter Vertrauten und ggf. wenn ein Höhergestellter einen Diener oä. herabsetzen will, scheinen die meisten ja so zu handhaben. (Wenn sie dann ihrzen) Nun ist meine Frage: Wie macht ihr das wenn zwei Charaktere ihre Art der Anrede auf einmal verändern? Muss das immer erwähnt oder herausgestellt werden oder reicht es euch auch nach einer Weile, wenn 2 Charaktere sich nähergekommen sind, einfach stillschweigend die Anrede zu verändern?
Besonders in Kampfszenen finde ich das Ihr manchmal unpassend, weil es irgendwie sehr umständlich wirkt und man in einem Kampf um Leben und Tod nicht unbedingt so redet... Wie handhabt ihr das da?
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Ary am 18. Januar 2018, 12:46:18
Meist duzt einer den anderen irgendwann einfach, und ich erwähne es in einem Nebensatz: XY war ohne darüber nachzudenken zum vertraulichen du übergegangen... oder ähnlich. Dann duzt der andere eben mit oder tut kund, dass er es (noch) nicht will.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Antigone am 18. Januar 2018, 14:52:24
Zitat von: Schneerabe am 18. Januar 2018, 11:46:23
Wie handhabt ihr das da?

Ich erwähne so eine Änderung auch kurz in einem Nebensatz. So was in der Art: ... nach allem, was sie gemeinsam erlebt hatten, erschien ihm die förmliche Anrede nunmehr unsinnig....

Gäbe es gar keine Erklärung, hätte ich den Verdacht, dass dem Autor da ein kleiner Fehler passiert ist.

lg, A.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Churke am 18. Januar 2018, 15:17:13
Zitat von: Schneerabe am 18. Januar 2018, 11:46:23
Besonders in Kampfszenen finde ich das Ihr manchmal unpassend, weil es irgendwie sehr umständlich wirkt und man in einem Kampf um Leben und Tod nicht unbedingt so redet...

Ich glaube, dass du hier zu modern denkst und in der Anrede eine Formalie siehst.
Die Andrede ist Ausdruck geschuldeten Respekts. Wenn ich meinem Herrn diesen Respekt versage, ist das frech und und unverschämt. Denn auch wenn er bis zum Hals in der Jauchegrube steckt und gerade am Ersticken ist, ist er immer noch mein Herr und ich sein gehorsamer Diener.

Wenn das Rangverhältnis verloren geht, ändere sich die Anrede von selbst.  Und dann gibt es noch die Angewohnheit, dem anderen das Du anzubieten.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Schneerabe am 18. Januar 2018, 15:56:58
ZitatIch glaube, dass du hier zu modern denkst und in der Anrede eine Formalie siehst.
Die Anrede ist Ausdruck geschuldeten Respekts.

Ja, es kann gut sein, dass ich da etwas modern denke, in dem spezifischen Fall den ich gerade im Kopf hatte, wäre die "Ihr"-Anrede aber eher eine Höflichkeit zwischen 2 Gleichgestellten.

Wenn ein Knappe seinen Ritter im Kampf mit Sire anredet und eben mit Ihr, dann fühlt sich das ganz organisch an finde ich, aber wenn es sich um dieses "höfische Höflichkeits-Ihr" handelt dann stutze ich beim Schreiben einer Kampfszene ein wenig. Aber das mag auch nur meine persönliche Einschätzung sein. Andere Leute unterscheiden das vielleicht nicht mal so richtig.  ;D
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Maja am 18. Januar 2018, 16:00:13
Ich weiß, der Thread ist bald zehn Jahre alt und hat immer unter "Workshop" gestanden. Ich nutze das aktuelle Revival mal, um ihn ins Sprachbastelboard zu schieben, wo er IMHO besser untergebracht ist.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Araluen am 18. Januar 2018, 17:31:08
Ich würde das höfische Ihr nicht als Höflichkeitsfloskel abtun. Es ist die bewusste Erzeugung von Distanz. Bei Hofe sitzt man im Schlangennest und droht bei jeder Bewegung gebissen zu werden. Deshalb hat sich eine Sprache der Unverbindlichkeiten entwickelt. Man sagt viel und gleichzeitig möglichst wenig, um auf keinen Fall Stellung zu beziehen und so in irgendein Fettnäpfchen zu treten und angreifbar zu werden. Deshalb verwendet man bei Hofe das Ihr. Es erschafft künstliche Distanz, selbst wenn man sich nahe steht. Das höfische Ihr ist also deutlich mehr als eine höfliche Floskel. Entweder symbolisiert es ein Machtgefälle  oder schafft eine weiträumige soziale Schutzzone. Hinter dem Ihr steckt Methode.

Wie das dann in deinem konkreten Szenenproblem sich darstellt, sei dahin gestellt. Dazu müsste man jetzt die Szene und die Vorgeschichte der Figuren besser kennen.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Aphelion am 18. Januar 2018, 18:41:30
Ich stimme den anderen Kommentaren im Wesentlichen zu, aber es kommt auch auf die Figuren an. Eine stillschweigende Änderung fände ich nicht logisch - völlig unabhängig davon, ober der Erzähler die Änderung aufgreift oder nicht. Du kannst den Übergang aber auch in der wörtlichen Rede kenntlich machen (z.B. durch Zögern) oder durch Mimik und Gestik (z.B. fragender Blick). Die Änderung muss trotzdem stimmig wirken.

Gerade in einem Kampf halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass jemand plötzlich die Anrede ändert, ohne es zu merken. Manche Normen sind selbst unter den dämlichsten Umständen enorm stark. Die Anrede ist Gewohnheit - und Gewohnheiten zu brechen erfordert mehr Konzentration. Das Du ist nicht per se einfacher oder natürlicher. Es kommt immer auf die sprachliche Sozialisation an. Jemand, der quasi nie "du" sagt, wird eher nicht zum Du wechseln. Jemand, der fast nur "du" sagt und sich bewusst zusammenreißen muss, um "Ihr" zu sagen, wahrscheinlich schon. Letzteres sollte aber in einer Geschichte schon frühzeitig deutlich werden, sonst kommt das nicht rüber.

Das gilt jedenfalls, wenn das in deiner Welt so stimmig ist. Möglicherweise musst du in einer High-Fantasy-Welt erst einmal selbst herausfinden, was bisher eigentlich deine impliziten Annahmen waren.

Ich muss aber noch viel allgemeiner auf Kampfszenen zu sprechen kommen: Ich finde, es passt nicht zur Stimmung, wenn die Sätze zu geschliffen klingen und alle Figuren in vollständigen Sätzen reden. Ellipsen sind in einer solchen Situation normal. Dann klingt das "Ihr" auch nicht zu hochgestochen, weil es nicht dauernd vorkommt.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: canis lupus niger am 19. Januar 2018, 14:28:20
Die Art der Anrede benutze ich gerne, um um Charaktere (sozialer und kultureller Hintergrund), ihre aktuelle Beziehung zueinander und die aktuelle soziale Umgebung darzustellen, ganz im Sinne von "show, don´t tell". Da sich die Beziehung, bzw. Wertschätzung im Einzelfall sogar mitten in einem Gespräch drastisch ändern kann, halte ich es auch für möglich, dass die Anrede mitten in einem Gespräch, bzw. einer anderen Interaktion (Kampf) wechseln kann.

Wenn die übliche Anrede zwischen zwei Kämpfenden das "Ihr" ist (was auch in der Fantasy nicht zwingend ist ...), dann ist sie sicherlich auch innerhalb einer kämpferischen Auseinandersetzung angemessen. Die Frage wäre höchstens, wie es ja auch @Aphelion gerade schon angemerkt hat, wie förmlich und in ganzen Sätzen in so einer Situation gesprochen wird. In den Kämpfen, die ich vor meinem inneren Auge (bzw. Ohr  ;D) habe, wird entweder verbissen geschwiegen oder gekeucht, oder es werden nur Satzfetzen ausgestoßen. Tatsächlich Kämpfende konzentrieren sich i.d.R. auf ihr Überleben und führen keine höfliche Konversation. Wenn man als "Kampf" aber nicht nur die eigentliche Kampfhandlung sondern auch die Einleitungsphase  sieht, dann können auch längere Aussagen getroffen werden, die z.B. den Gegner provozieren oder das eigene Tun rechtfertigen sollen. Je nach Absicht des Sprechers kann dann eine gezielte Wahl der Anrede und auch der Wechsel der Anrede plausibel sein.

Ansonsten handhabe ich den Wechsel der Anrede so, wie er auch im realen Leben stattfinden würde: z.B. als Teil eines Dialogs (Einer bietet dem Anderen z.B. das "Du" an), einem Perspektivträger fällt die Änderung auf, oder (weniger gern) als Bericht des Erzählers.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: cryphos am 19. Januar 2018, 15:34:28
Zitat von: Aphelion am 18. Januar 2018, 18:41:30
Ich muss aber noch viel allgemeiner auf Kampfszenen zu sprechen kommen: Ich finde, es passt nicht zur Stimmung, wenn die Sätze zu geschliffen klingen und alle Figuren in vollständigen Sätzen reden. Ellipsen sind in einer solchen Situation normal. Dann klingt das "Ihr" auch nicht zu hochgestochen, weil es nicht dauernd vorkommt.
Diesen Absatz möchte ich nochmal aufgreifen und vertiefen. In einem Kampf/Schlacht man Mann gegen Mann auf Leben und tot wird eher wenig gesprochen. Dazu fehlen Zeit, Konzentration und die Puste. Reden kostet Kraft und Energie, bei einem Kampf auf Leben und Tot hat man davon selten genug um noch über das Wetter zu parlieren, oder den letzten Sex mit dem Sexualpartner des Gegners Revue passieren zu lassen. Wenn gesprochen wird, dann meist in Kommandos oder Warnungen.

Deswegen kämpfen die Strategen/Hauptmänner/Generäle auch seltenst in erster Reihe sondern sitzen zurückgezogen an einer erhöhten Position, von wo aus sie die Schlacht gut überblicken können und geben von dort aus Ihre Anweisungen. Auch dort wird eher wenig gesprochen, bzw. die Kommunikation reduziert sich auf Kommandos und Informationsaustausch.

Doch wenn gesprochen wird, egal in welcher Situation, dann in der dem Sprecher am geläufigsten Form. Ist man gewöhnt ausschweifende Sätze zu fabulieren und jede Menge Höflichkeitsfloskeln zu implizieren, käme auch dieses Merkmal zu Tage. Während erfahrene Kämpfer/Soldaten und das Militär insgesamt sich eine sehr knappe und manchmal auch raue/direkte Sprache angewöhnt haben. Ist der Charakter gewöhnt sein gegenüber mit Titeln zu überhäufen, weil es in seinem täglichen Umgang eben so Usus ist, dann wird auch dies sich niederschlagen.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: FeeamPC am 19. Januar 2018, 18:33:39
Noch mal zum Wechsel auf du:
Wäre in früheren Zeiten unmöglich gewesen, ein Zeichen miesester Erziehung, wenn das einfach so erfolgt. Ich kriege heute noch etwas an mich, wenn mich einfach irgendein dahergelaufener junger Mann oder eine junge Frau in der Apotheke duzt.  Habe ich mit denen im Sandkasten gespielt? Nein! Habe ich (als Ältere) denen das Du angeboten? Nein!
So etwas stört mich kolossal. (Ein Forum wie hier, in dem sie ziemlich alle duzen und das von vorneherein klar ist, ist etwas ganz anderes).

Und wenn mich heute, in unserer liberalen Zeit, so etwas noch stört, könnt ihr Gift darauf nehmen, dass es in füheren Zeiten als völlig unpassend rübergekommen wäre und, wenn es der falsche machte, ihn womöglich sogar den Kopf gekostet hätte.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Araluen am 01. April 2018, 16:10:38
Ich reih mich hier mal mit folgender Fragestellung ein. Es geht um ein Setting in London des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Wer sich da wie und wann anredet, ist mir an sich klar. Allerdings bin ich jetzt über den Erzähler gestolpert. Ich habe eine Hauswirtin, die wird von allen auch vom Erzähler mit Miss Mills angesprochen, das achtjährige Mädchen wird von allen beim Vornamen genannt. Soweit so schön.
Dann habe ich meinen Protagonisten, der auch der Perspektivträger ist. Sein Umfeld spricht ihn beim Nachnamen an. Aber wie macht es der Erzähler? Derzeit nutzt er den Vornamen.
Bsp.  : "Nach dieser Erläuterung schwieg Marcus erst einmal..."
Aber passt das zum eher formelleren 19. Jahrhundert? Einerseits soll der Leser dem Protagonisten nahe sein, andererseits überlege ich, ob es nicht stimmiger ist, wenn auch der Erzähler die Distanz wahrt und ihn beim Nachnamen nennt.
Wie seht ihr das?
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Gizmo am 01. April 2018, 17:05:22
Die Distanz ist für mich der ausschlaggebende Faktor, aber ich denke, es kommt auch auf die gewählte Erzählperspektive an.

Ich schreibe so gut wie immer in der personalen Erzählperspektive. Meine Protagonisten nenne ich dabei in der Regel beim Vornamen, auch wenn sie wichtige Titel oder Positionen innehaben. Ich möchte, dass der Leser ihnen nahe ist und sich mit ihnen vertraut fühlen kann. Dazu gehört für mich auch, dass der Leser sie beim Vornamen nennt, wenn er von ihnen liest oder an sie denkt.
In meiner Geschichte kommt aber z.B. auch ein Agent vor, der später eine recht prominente Rolle als Antagonist einnimmt. Er ist ein distanzierter, rationaler Typ. Also nenne ich ihn immer beim Nachnamen, wenn ich aus seiner Perspektive schreibe.

Das könnte beispielsweise ein auktorialer Erzähler anders handhaben. Ein auktorialer Erzähler steht ja quasi außerhalb des Geschehens, kann es kommentieren oder sich an den Leser wenden. In diesem Fall könnte es gut sein, die Nachnamen der Figuren zu verwenden, damit der Erzähler 'seriöser' erscheint. Ich hoffe, es ist irgendwie verständlich, was ich damit meine  :)
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Aphelion am 01. April 2018, 18:45:09
Im Grunde genommen stimme ich Gizmo zu.

Grundsätzlich finde ich übrigens nicht, dass die Anrede via Nachname auf Distanz hindeuten muss - nicht nur in deinem Setting, aber vor allem dort. Eventuell könntest du den Nachnamen auch ohne "Mr" (oder was zu seinem Stand passt) verwenden, dadurch wirkt die Verwendung des Nachnamens dann doch wieder etwas Vertrauter.

Als Beispiel aus dieser Zeit: Holmes ist Holmes, nicht Sherlock. Dabei ist Watson sogar sein einziger Freund.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Churke am 01. April 2018, 21:42:15
Eine Figur beim Nachmamen zu nennen, ist ein Stilmittel, mit dem ich als Autor ein bewusste Distanz zur Figur aufbaue. Die Frage ist also nicht, ob es ins Setting passt, sondern, ob dieser Effekt vom Autor beabsichtigt ist.
Titel: Re: Das Ding mit der Anrede
Beitrag von: Araluen am 02. April 2018, 00:28:02
Holmes und Watson sind für mich auch ein prominentes Beispiel. Allerdings lässt es ich nicht auf meine Fragestellung anwenden. Denn bei Sherlock Holmes erzählt Watson die Geschichten. Er ist der Erzähler und gleichzeitig eine Person, die Holmes nahe steht. Mein Erzähler ist keine näher definierte Person. Er ist eben der Erzähler, der die Geschichte aus Sicht des Protas erzählt, ohne dieser zu sein. Wie die anderen Figuren mit meinem Prota umspringen und wer da wen wie und warum anredet, das weiß ich. Ich bin mir eben nur nicht sicher, wie der Erzähler über den Prota redet.
Für mich gehören Nachname und Distanz bzw. größerer Respekt allerdings auch zusammen. Ja, Holmes und Watson sind Freunde, aber auch Kinder ihrer Zeit und sie haben den größten Respekt voreinander. Deshalb bleiben sie selbst in Situtationen, bei denen sie fest überzeugt sind, dass es zu Ende geht beim Nachnamen (und vermutlich beim Sie, aber das lässt sich schwer nachvollziehen, weil das Englische da anders gestrickt ist).
Im Großen und Ganzen tendiere ich auch dazu, den Prota vom Erzähler beim Vornamen zu nennen. Gestolpert bin ich darüber, weil nun eine andere Figur aufgetaucht ist, die ich für mich natürlich immer beim Vornamen nenne, die in der Geschichte aber natürlich erst einmal mit ihrem Titel und Nachnamen eingeführt wird. Die beiden müssen sich erst näher kennen lernen, ehe wir da zum Vornamen kommen.