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Falsche Autorenpersona, wenn Autoren sich unethisch verhalten

Begonnen von Franziska, 11. März 2018, 15:08:36

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Franziska

Sehe ich wie Alana. Es ist Betrug. Und unmoralisch. Es ist etwas anderes, sich als Frau als Mann auszugehen, um nicht diskriminiert zu werden. Etwas anderes, sich als Teil einer diskriminierten Gruppe auszugeben und davon zu profitieren, wenn man es gar nicht ist. Im Artikel werden ja auch der Autor, der sich als Japaner ausgegeben hat und diese Rachel Dolezal gebracht. Das war zwar nochmal heftiger, dass sie davon profitiert haben, geht aber in die gleiche Richtung.

Dass das mit der vorgetäuschten Krankheit Betrug ist, steht ja außer Frage. Aber selbst wenn da kein Geld im Spiel wäre, fände ich es richtig mies.

Golden

#16
Zitat von: Franziska am 12. März 2018, 11:34:47
Sehe ich wie Alana. Es ist Betrug. Und unmoralisch. Es ist etwas anderes, sich als Frau als Mann auszugehen, um nicht diskriminiert zu werden.
Im Artikel werden ja auch der Autor, der sich als Japaner ausgegeben hat und diese Rachel Dolezal gebracht. Das war zwar nochmal heftiger, dass sie davon profitiert haben, geht aber in die gleiche Richtung.
Aber als Mann könnte ich mich problemlos als Frau ausgeben, wenn es mir für den Verkauf sinnvoller erschiene?

Wenn man es wieder in Richtung "Diskriminierung" schiebt, geht's wieder in die Richtung, dass manche Schriftsteller sich als jede "Gruppe" ausgeben dürfen und andere als überhaupt nichts als sich selbst. Das wäre dann wieder ein grundsätzliches Gleichberechtigungsproblem. :hmmm: ("positive" Diskriminierung in der Pseudonymauswahl?)

Edit: Wo sich natürlich eine Grenze ziehen ließe, wäre wie schon erwähnt die Frage der Authentizität. Also, dass ich mich nicht als schwarze Frau aus der Bronx ausgebe und "Mein Leben als schwarze Frau in der Bronx" schreibe. Wenn ich ein neutrales Buch "Vampire in New York" schreibe, sollte das theoretisch ja möglich sein, weil es nichts mit dem Inhalt zu tun hat. :hmmm:

Alana

#17
In diesem Fall muss man denke ich den Buchmarkt isoliert betrachten. Ein Mann kann sich sehr wohl als Frau ausgeben, ohne dass es in meinen Augen Betrug ist. Denn im Liebesromanbereich ist ein männlicher Autor tatsächlich die diskriminierte Randgruppierung, deren Bücher aufgrund ihres Geschlechts nicht gekauft wird. Wenn der Autor sich aber z.b. als vergewaltigte Frau ausgibt und ein Buch mit entsprechendem Inhalt schreibt, ist das wieder Betrug, denn hier kommt wieder zum Tragen, dass dem Buch mehr Realität verliehen wird, als es verdient. Ein männlicher Autor, der unter weiblichem Pseudonym Liebesromane veröffentlicht, tut dies aber nicht, um seinem Buch mehr Glaubwürdigkeit und Realität zu verleihen, sondern damit sein männlicher Name keine Käufer abschreckt.

Edit: ähnlich ist es z.b. im Manga, da würde ich als Zeichner mir auf jeden Fall ein japanisches Pseudonym nehmen. Das bedeutet ja nicht, dass ich mich als Japaner ausgeben muss, aber Mangas mit Namen, die nicht japanisch klingeln, haben es unglaublich viel schwerer beim Publikum. Da ist der Inhalt und die Qualität ganz egal, wenn der Name des Autors nicht japanisch klingt, wird der Manga nicht so gut verkauft.
Alhambrana

Churke

Zitat von: Franziska am 12. März 2018, 11:34:47
Sehe ich wie Alana. Es ist Betrug. Und unmoralisch. Es ist etwas anderes, sich als Frau als Mann auszugehen, um nicht diskriminiert zu werden. Etwas anderes, sich als Teil einer diskriminierten Gruppe auszugeben und davon zu profitieren, wenn man es gar nicht ist. Im Artikel werden ja auch der Autor, der sich als Japaner ausgegeben hat und diese Rachel Dolezal gebracht. Das war zwar nochmal heftiger, dass sie davon profitiert haben, geht aber in die gleiche Richtung.

Dass das mit der vorgetäuschten Krankheit Betrug ist, steht ja außer Frage. Aber selbst wenn da kein Geld im Spiel wäre, fände ich es richtig mies.

Kann eine Gruppe diskriminiert sein, durch deren angebliche Zugehörigkeit man sich Vorteile erschwindeln kann?
Wenn ich als lesbische farbige Autorin mit Fluchterfahrung auftrete, dann dann tu ich das, um genau das zu schreiben, was die Leute von lesbischen farbigen Autorinnen mit Fluchterfahrung lesen wollen. Und weil ich den Markt kenne und zielgerichtet bediene, werde ich das wahrscheinlich viel erfolgreicher machen als die echte lesbische Autorin mit Fluchterfahrung.
So traurig es ist: Die Leute wollen nicht die Wahrheit lesen, sondern das, was sie für die Wahrheit halten. Das ist natürlich ein schmutziges Geschäft, aber es ist eben vor allem Geschäft. Das sehe ich ganz nüchtern.


Aphelion

Dieser Betrug ist wirklich dreist.

Ich finde, neben der relativen Authentizität von Vitas und Pseudonymen, auch die Absicht wichtig.

In einem anderen Thread hat irgendwer geschrieben, sie würde gern ein Pseudonym aus einem anderen Kulturkreis nutzen, weil sie sich damit identifiziert. Einfach nur den Namen schön zu finden ist in meinen Augen aber auch legitim.

Wenn jemand bewusst Mitleid hervorrufen oder (überhaupt nicht vorhandene) Authentizität vortäuschen möchte o.ä. ist für mich die Grenze überschritten. Aber als Mann nur Männernamen und als Deutsche nur deutsche Namen benutzen zu "dürfen", ist eigentlich auch diskriminierend. Das lässt sich aber auch ausdehnen. Ist das Pseudonym Schantall Müller oder Johanna Katharina Annemarie von Wichtigstein "erlaubt" oder wird damit nicht auch eine Gruppenzugehörigkeit suggeriert? Wo zieht man die Grenze?

Für mich ist diese Frage kompliziert, denn Geschlecht, Ethnik usw. beeinflussen, wie jemand wahrgenommen wird - aber das sollte nicht so sein. Aber es ist so. Soll ein Autor jetzt mit meiner Pseudonymwahl den Ist-Zustand betonen oder den Ideal-Zustand? Beides hat Vor- und Nachteile.

Es ist außerdem ein Dilemma, dass nicht jede Wirkung vorhersehbar ist oder auch einfach übersehen wird. Wenn eine Autorin mit koreanischem Pseudonym über die Wiedervereinigung eines Landes schreibt, kann viel hineininterpretiert werden, was möglicherweise nicht beabsichtigt war. Wenn sie dafür gefeiert wird und hinterher herauskommt, dass sie keine Koreanerin ist, ist das Geschrei vielleicht trotzdem groß - auch wenn sie eigentlich nur ihre Liebe zum K-Pop mit dem Pseudonym verdeutlichen wollte.

Peftrako

Zwar wird in dem Artikel viel zu Do/Dont aus moralischer Sicht geschrieben, eine rechtliche Basis fehlt, was den nun erlaubt ist und was nicht.
Zitat von: Franziska am 11. März 2018, 15:08:36
Und hier ist ein Artikel dazu, was in Ordnung ist zu tun und was nicht. Das finde ich ziemlich gut erklärt.
http://jennytrout.com/?p=12013


Ich zitiere einmal aus dem Strafgesetzbuch:
ZitatWer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
So nachzulesen im §263 StGB.

Wenn ich also erfundene Tatsachen über meine eigene Person gezielt und rechtswidrig dazu nutze, einen Dritten zu täuschen, um mir einen Teil seines Vermögens zu verschaffen, ist dies Betrug. Jetzt kommt aber meines Erachtens noch ein dickes ABER:
Gerade bei Autoren sind Pseudonyme jedoch durchaus üblich. Dass dabei eine vollständige Persönlichkeit mit erfunden wird ist in der Branche sicherlich ebenfalls nicht ungewöhnlich. Betrug fängt erst dort an, wo ich andere täusche. Wenn ich als Autor eine Geldspende erhalte, nur weil der Leser denkt ich sei totkrank, so ist dies Betrug wenn ich ihn nicht aufkläre und das Geld behalte. Beim bloßen Bücherverkauf wird es sicherlich schwer sein, einen Betrugsfall nachzuweisen. Unmöglich ist es jedoch nicht und im vorliegenden Fall aus dem Eingangspost ist es wohl auch ganz unstrittig Betrug. 

Spannend ist jedoch auch, ob hier ggf. das Wettbewerbsrecht greifen könnte (und das schon bei niedrigerer Schwelle, als das StGB) ... im UWG unter §5 heißt es u.A.:
ZitatUnlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
(...)
3. die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs;
(...)

Ist es also unlauter, wenn ich mir eine Identität verschaffe, mit dieser dann Bücher verkaufe und so die Verbraucher täusche? Wenn ich plötzlich unter dem Namen A. Eschbach veröffentliche, dann sicher. Wenn ich mich aber Aljonus Schnups nenne und damit Bücher verkauft bekomme, ist das erst einmal kein unlauterer Wettbewerb. Es fehlt an der Irreführung. Schwieriger ist dies, wenn ich weitere Eigenschaften erfinde, die ggf. dazu führen den Leser beim Kauf zu beeinflussen. Ein Mitleidskauf, weil der Autor behauptet er sei Todkrank? Hätte der Leser auch gekauft, wenn der Autor gesund war? Mich als Frau ausgeben und Emanzipationsliteratur an die Frau bringen? Mich zum Japaner zu machen, um Bücher über deren Kultur besser zu verkaufen? Immer muss die Frage gestellt werden, ob der Leser in Unkenntnis der falschen Tatsache auch gekauft hätte. Es ist unglaublich schwierig, hier eine eindeutige Grenze zu ziehen und die kaum vorhandene Zahl der Rechts-Fälle und Literatur spricht wohl dafür, dass dem Autor mit seinem Pseudonym große Freiheiten erlaubt sein könnten. Oder ist es schlicht zu aufwendig, dagegen vorzugehen? Eine Grauzone, deren Bedeutung keine wesentliche Rolle spielt, als dass sich ihrer jemand annehmen möchte?

Moralisch verwerflich? In jedem Fall! Straf- oder wettbewerbsrechtlich kritisch? Ich liebe den Satz: Es kommt darauf an. Und ganz besonders darauf, ob die Täuschung mit dem Ziel der Vermögensschädigung erfolgt oder lediglich dazu dient, den Autor selbst in einer ansonsten verschlossen gebliebenen Lesergruppe wettbewerbsfähig werden zu lassen. Schließlich darf niemand "aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität" diskriminiert werden (Zitat aus §1 AGG). 


Phantasie ist eine gläserne Blume. Sanft zu berühren, zerbrechlich und filigran. Durchsichtig kaum wahrnehmbar für die einen. Strahlend schön in schillernden Farben für die anderen. Je nach Licht, in welchem sie betrachtet wird.

Mönchen

#21
Also ich lese ehrlich gesagt die Autorenvita gar nicht.
In der Unterhaltungsliteratur ist es mir auch herzlich egal, ob das Buch tatsächlich von einem Mann, oder einer Frau geschrieben worden ist, oder welche Hobbys die haben etc.

Wenn ich dagegen ein Buch von einem Betroffenen in einem bestimmten Bereich lesen will und dann im Nachhinein raus kommt, dass derjenige gar keine persönlichen Erfahrungen in diesem Bereich hat, sie womöglich sogar von Fans geklaut hat, ja dann fühle ich mich als Leser schlicht und erfgreifend verarscht.
Ich würde dann nie wieder ein Buch von diesem Autor kaufen und allen, die ich kenne, auch davon abraten.
Wenn man Fans verprellen will, kann man das also machen.

Wenn jemand sich aber Spenden erschleicht, indem er eine Krankheit vortäuscht, dann ist das doch auf jeden Fall Betrug.

Zitat von: Peftrako am 14. März 2018, 10:53:56
Ich zitiere einmal aus dem Strafgesetzbuch:
ZitatWer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
So nachzulesen im §263 StGB.

Und wäre damit ja auch strafbar.


Stephen King hat ja auch schon unter einem Pseudonym Bücher veröffentlicht, um zu sehen, ob die sich genau so gut verkaufen, wie unter seinem Namen.
Sowas finde ich völlig in Ordnung.

LinaFranken

#22
Was Spenden erschleichen und Krankheit vorgeben angeht, das ist definitiv Betrug und da gibt es für mich auch keine Grauzone, Rechtfertigung oder Entschuldigung.  :nöö:
Was fiktive Lebensläufe angeht, bin ich eigentlich auch kein Fan davon. Ich bin da zwar tolerant und als Leser ist für mich das Privatleben der Autoren eh irrelevant, aber als Autorin von Gayromance sehe ich das schon etwas anders. Ich habe mich bewusst für ein Pseudonym entschieden, dass deutlich sagt, dass ich eine deutschsprachige Frau bin, weil ich eben diese Vorurtreile kenne im Sinne von: "ich lese nichts von frustrierten Frauen" oder "deutsch nur Mist, englisch super". Ich möchte diese albernen Vorurteile nicht auch noch bekräftigen und unterstützen, indem ich vorgebe z.B. ein englischer, männlicher Autor zu sein. Da muss man persönliche Ideale gegen Marketig-Aspekte abwägen. Ich muss von meinen Büchern nicht leben, also schwenke ich mal energisch die Flagge der Ideale.

Womit ich beim Thema Arbeit wäre. Ich muss nicht unbedingt jedes Detail meines Lebenslaufs öffentlich machen. Da nehme ich mir wiederrum das Recht auf Privatsphäre. So kann ich z.B. die Branche in der ich arbeite erwähnen, oder in der Nähe welcher Großstadt ich lebe, oder was für Haustiere ich habe, aber es ist meine Entscheidung, ob ich exakte Berufsbezeichnung, vielleicht sogar Firmenname, genauen Familienstand angebe und meinen exakten Werdegang öffentlich aufliste. Da man als Autor keine Diskriminierungsklage gegen potenzielle Leser führen kann  ;) darf mann da durchaus unter den Tisch fallen lassen, das man z.B. wegen einem Drogenproblem den Schulabschluß vergeigt hat oder fünf mal geschieden ist oder was man sonst so an persönlichen Leichen im Keller haben könnte. Ich würde also sagen: Lücken im Lebenslauf-ja, sogar wie schweizer Käse, aber Lügen-nein, das ist schlechter Stil. Ich sehe darin also weniger eine Frage dessen, was gesetzlich erlaubt ist, für mich fängt das schon unabhängig davon, was ich darf, als eine Frage des guten Stils an. Es wäre mir z.B. auch nicht verboten, jeden Satz mit "hey, alder" anzufangen, wäre aber schlechter Stil und mit den Lebensläufen sehe ich es genauso. Mag sein, dass ich mir absurden Kram ausdenken dürfte, ohne dass es Wettbewerbsverzerrung oder Betrug ist, aber ich muss es nicht.

Zit

ZitatIch würde also sagen: Lücken im Lebenslauf-ja, sogar wie schweizer Käse, aber Lügen-nein, das ist schlechter Stil.

Sind es denn wirklich Lügen? Warum ist ein Autorenname, der nach einer anderen als meiner Ethnie klingt, etwas anderes als ein Roman, der in einem anderen Land als dem meinem spielt. (Jetzt einmal abgesehen von dem Typen, der andere um Geld geprellt hat, geht gar nicht, da sind wir alle einig.) Der Punkt ist doch, die Leute wollen glauben, dass es echt ist. Ob dem auch wirklich so ist, weiß ich nicht. Ich denke auch, dass viele Leute in der Öffentlichkeit nur authentisch wirken, es aber nicht sind. Jedenfalls nicht sofort. Irgendwann glauben sie vielleicht ihrem eigenen Märchen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

LinaFranken

Zitat von: Zitkalasa am 16. März 2018, 21:32:33
ZitatIch würde also sagen: Lücken im Lebenslauf-ja, sogar wie schweizer Käse, aber Lügen-nein, das ist schlechter Stil.

Sind es denn wirklich Lügen? Warum ist ein Autorenname, der nach einer anderen als meiner Ethnie klingt, etwas anderes als ein Roman, der in einem anderen Land als dem meinem spielt.
Bei einem Namen fängt das Lügen für mich noch nicht an. Lina Franken klingt ja auch deutsch, dabei bin ich eigentlich in Polen geboren. Es kommt mir eher auf den Unterschied an, ob ich, wenn ich mich z. b. Minami Ozaki nenne,  auf meiner Autoren-Homepage schreibe, dass ich mich leidenschaftlich für Japan interessiere, oder ob ich behaupte, dort einige Zeit gelebt zu haben, was dann gelogen wäre. Das zweite ist demnach eine bewusste Lüge und das finde ich unnötig.

Aphelion

Zitat von: Lina Franken am 16. März 2018, 21:56:12
Es kommt mir eher auf den Unterschied an, ob ich, wenn ich mich z. b. Minami Ozaki nenne,  auf meiner Autoren-Homepage schreibe, dass ich mich leidenschaftlich für Japan interessiere, oder ob ich behaupte, dort einige Zeit gelebt zu haben, was dann gelogen wäre.
Ich finde auch nicht, dass man lügen sollte. Aus jedem echten Leben lassen sich mindestens 100 Kurzbiografien stricken, ohne zu lügen. Einige Informationen werden sich zwar wiederholen, aber das ist auch bei unterschiedlichen Personen so. Im Moment steht gefühlt in jeder zweiten Vita, der Autor liebe Katzen und habe schon im Mutterleib mit dem Schreiben begonnen.

Allerdings bezweifle ich, dass auch nur eine schwache Mehrheit der Lesenden nachsieht, ob jemand eine Homepage besitzt oder was in der Vita steht. Viele Menschen gehen einfach davon aus, dass ihre erste Annahme richtig ist. Japanischer Name? "Ah, eine Japanerin". Solange es keinen Grund gibt, das zu hinterfragen, hinterfragen es viele auch nicht. Fairerweise sei gesagt, dass nicht alles hinterfragt werden kann. Der Tag hat nur 24 Stunden.

Dazu kann man natürlich sagen "selbst schuld", aber hier wäre auch wieder die Frage: Sollten Autoren das einkalkulieren oder nicht?

MynaKaltschnee

Ich musste bei diesem Thread an Nicolas Barreau denken. Der tritt in seinen Büchern mit falscher Biografie und sogar einem Foto auf, das tatsächlich von einer Bildagentur stammt. In Wirklichkeit verbirgt sich eine deutsche Frau hinter dem jungen Franzosen. Sie hat sogar eine Übersetzerin ihrer Bücher erfunden, damit es nicht auffällt, dass Nicolas Barreau ein Pseudonym ist.

Da könnte man jetzt auch sagen, das ist gelogen und Betrug, aber ich denke, solange es niemandem schadet, ist das auch egal. Ich lese "seine" Bücher dennoch gerne, wobei ich sie mir auch gekauft hätte, wenn eine deutsche Autorin auf dem Cover stünde.

Ich finde Betrug fängt da an, wo man anderen mit seinem Verhalten schadet - so wie mit der vorgetäuschten Behinderung/Krankheit, um an Geld zu kommen. Und natürlich geht es auch gar nicht, wahre Erlebnisse von Fans in den Büchern zu verarbeiten.
Ich bin nur ein schwarzer Geist, dessen Spinnerei Wort für Wort auf das Papier tröpfelt.

Amanita

Dass es moralisch verwerflich ist durch Vortäuschen von Krankheiten Geld zu machen, scheinen sich ja alle einig zu sein und müsste ja auch rechtlich entsprechend geahndet werden.
Mir persönlich stößt es auch sehr sauer auf, wenn Herkunft, Geschlecht, Kompetenzen etc. erfunden werden, auch wenn das wohl nicht strafbar ist. Für mich ist es aber durchaus interessant, welche Erfahrungen und welcher Blickwinkel in die Geschichte hineinspielen und es ärgert mich deswegen auch, wenn ich in da belogen werde. Wenn ich beispielsweise eine Fantasygeschichte lesen würde, die im heutigen Iran spielt und von einer iranischen Autorin stammt, würde mich das neben der Geschichte an sich auch interessieren, weil ich wissen möchte, wie jemand mit diesem Hintergrund Fantasy schreibt. Wenn ich dann erfahren würde, dass da in Wirklichkeit ein deutscher Mann dahintersteckt, würde ich mich dann doch etwas betrogen fühlen.
Ähnlich bei  Jk Rowling, die sich für ihre Krimis als Kriegsveteran ausgibt und behauptet, sich deswegen gut in ihren Protagonisten hineinversetzen zu können, obwohl das ja bekanntlich wenig mit der Realität zu tun hat, das fand ich auch nicht gut.
Selber würde ich freiwillig nur Pseudonyme wählen, die mich als deutsche Frau erkennen lassen, wobei ich mir noch vorstellen könnte, mich auf Verlagswunsch hin als Mann auszugeben, nicht aber als Person mit anderem kulturellem Hintergrund oder Person, die irgendwas erlebt haben soll, was ich nie erlebt habe.

FeeamPC

Karl May hat seinerzeit auch eine riesige erfundene Biografie gehabt. Hat, was die Verkäufe anging, gut funktioniert.
Lustig fand ich bei meinem Pseudonym, dass ich einen geschlechtsneutralen Namen gewählt hatte und alle, wirklich alle Nicht-TiZi-Leser spontan davon ausgingen, dass das ein Mann sein muss.
Was die Vita angeht, so nehme ich einfach kleine Teile meiner echten Vita und stelle die so in den Vordergrund, dass die echte Vita dahinter verschwindet.
ZitatIm Moment steht gefühlt in jeder zweiten Vita, der Autor liebe Katzen und habe schon im Mutterleib mit dem Schreiben begonnen.
Erst im Mutterleib? Ich vermute, wir haben bereits vor der Zeugung damit angefangen, uns die notwendigen Plots zu überlegen, und müssen sie jetzt im realen Leben nur noch mühsam wiederfinden  ;D

Evanesca Feuerblut

ZitatLustig fand ich bei meinem Pseudonym, dass ich einen geschlechtsneutralen Namen gewählt hatte und alle, wirklich alle Nicht-TiZi-Leser spontan davon ausgingen, dass das ein Mann sein muss.
Jetzt, wo du es sagst ... Eben noch mal die Vita gelesen und bis auf die rein männlichen Formen sagt wirklich nichts über das Gender des Pseudonyms aus! :D Clever ...

Zum Thema insgesamt: Ich gehöre zu den Autor*innen, die ohnehin ihr ganzes Leben irgendwie auf Sachen mit Büchern ausgerichtet haben und so kann ich ruhig mit meiner realen Vita spazieren gehen, ohne Nachteile zu befürchten. Aber mir würde nicht einfallen, zu meinen in Afrika spielenden Buch einen zentralafrikanisch anmutenden Namen zu wählen, denn das wäre für mich auch schon teilweise Vortäuschung falscher Tatsachen (ich bin nun mal Osteuropäerin, keine Afrikanerin).
Gleichzeitig verstehe ich, wenn europäische Mangaka (geschlechtsneutrales Wort, soweit ich weiß) sich zumindest teilweise asiatisch klingende Pseudonyme geben, weil es immer noch heißt, dass alles, das nicht aus Asien kommt, doch nicht gut sein kann. (Warum nicht?)
Es ist halt alles sehr zwiespältig und grauzönig. Wo ist es noch "reine Verkaufsförderung" und wo bereits Betrug?

Spätestens, wenn man mit einer angeblichen Krankheit Geld einheimst oder sexuelle Gefälligkeiten von Fans einfordert, ist die Sache klar (siehe Eingangspost), aber dazwischen ist alles sehr schwammig.