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Fan-Fiction: Wie weit dürfen sie vom Original abweichen?

Begonnen von Soly, 28. Oktober 2017, 18:03:47

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Amanita

Meine Fanfiction-Erfahrungen beschränken sich auf Harry Potter. Dort bestand der Reiz ursprünglich vor allem darin, sich in den langen Wartezeiten zwischen den Bänden zu überlegen, wie es weitergehen könnte. Das sollte natürlich auch zu den vorherigen Büchern passen, aber eigene Ideen waren trotzdem möglich. Das hat dann natürlich alles so mehr oder weniger gut geklappt...
Inzwischen ist die Reihe ja längst abgeschlossen und da sind die für mich interessanten Geschichten eher die aus dem "Was wäre wenn-Bereich." Auch da erwarte ich aber, dass das Ganze zum Geist der Bücher passt und lese keine Geschichten, wo die Figuren komplett verdreht werden. Realistische Entwicklungen aufgrund von Erlebnissen sind etwas anderes.
Daneben gibt es natürlich auch noch die "Missing moment"-FFs, die sich wirklich nahtlos einfügen sollten und die auch mit diesem Ziel geschrieben werden und Unmengen von anderen Herangehensweisen. Mich stört das aber nicht, sondern ich lese einfach nur den kleinen Bruchteil, der mich anspricht und interessiert und ignoriere den Rest. Um die ganzen "Slash"-Geschichten mach ich normalerweise sowieso einen Bogen.
Als Autor würde ich mich wohl grundsätzlich freuen, wenn meine Geschichten andere so inspirieren, dass sie darüber Fanfiction schreiben wollen, aber manches würde mich natürlich auch befremden oder abstoßen. Sehr problematisch finde ich in dem Zusammenhang die, angeblich, existierende rechtliche Regelung, dass es als Plagiat gilt, selbst etwas zu verwenden, was in einer Fanfiction vorkam. Das seh ich jetzt irgendwie überhaupt nicht ein. Dass sich jemand in der Welt anderer austoben und auch auch öffentlich machen darf ist ein Privileg und daraus dann solche Ansprüche ableiten zu wollen, kann ich nicht nachvollziehen. Sicher weiß ich aber auch nicht wie die rechtliche Lage da wirklich ist.

Zit

Da die Fanfiction an sich schon ein Rechtsbruch ist, bezweifle ich, dass sich da irgendwelche Ansprüche ableiten. Eine sehr gute FF ist ja gerade jene, mMn, die ohne die Vorlage ja gar nicht mehr funktionieren würde.  :hmmm:
@Snöblumma Was würdest du schätzen? Kann ein FF-Autor selbst urheberrechtliche Ansprüche stellen?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Mondfräulein

Die Autoren der Serie in dessen Fandom ich unterwegs bin sagen ausdrücklich, dass sie keine Fanfictions lesen, aus rechtlichen Gründen. Das hat Maggie Stiefvater auch mal gesagt. Es gab angeblich (das kam in einem Tumblr post vor, also keine verlässliche Quelle) gab es da mal einen Vorfall mit Marion Zimmer-Bradley.

Evanesca Feuerblut

Es IST heikel, denke ich. Also Fanfiction zu Reihen, an denen die Autor*innen noch arbeiten - und was passiert, wenn die dann von den Autor*innen gelesen werden.
Ich erinnere mich, wie das beim Erscheinen der "Heiligtümer des Todes" war. Beim ersten Lesen war ich vom Buch nicht besonders begeistert, weil ich bis zu dessen Erscheinen drölfzig verschiedenen Versionen von Band 7 aus Fansicht gelesen habe. Auch wenn ich nie eine selbst schrieb. Und wenn man SEHR viele FFs liest, die sich alle mit der Horkruxjagd beschäftigen, dann erwischt man zwangsläufig die eine oder andere, die beispielsweise bei der Frage, welche Gegenstände dazugehören, ins Schwarze trifft, sofern diese Gegenstände auch nur einmal irgendwo erwähnt wurden.
Wo dann das Original - NOCH schlimmer war es eigentlich nur bei "The Cursed Child" - dann anmutet wie eine Mischung aus 1000 Fanfictions, die man gelesen hat.
Und wenn dann die Originalautor*innen dabei erwischt werden würden, wie sie Millionen mit der Idee eines Fans scheffeln, welche*r das Ganze kostenlos ins Netz gestellt hat ... Das kann knifflig werden.

Im Grunde genommen ist der Grad zwischen Fanfiction, die nicht kommerziell ausgebeutet werden kann und der, bei der das erlaubt ist, unter Umständen schmal. Anja Bagus erlaubt es, ihr Universum als Shared Universe zu nutzen, es gibt die Aetherwestern und es gibt die Aether-Agenten von jeweils verschiedenen Autor*innen. Ich selbst habe zu einer Anthologie mit dem Titel Aetherseelen beigetragen, bei der sie als Herausgeberin aufgetreten ist. Autorisierte Fanfiction, shared universe.
Auch bei den Romanen zu Star Wars, Star Trek und - bis heute, der letzte erschien im Januar 2017 - Charmed - ist es oft "nur" eine Frage der Lizenz.
Und zumindest bei den "Charmed"-Romanen weiß ich, dass die nicht kanonisch sein müssen und der Serie auch widersprechen dürfen (was bei Star Wars und auch bei Anja Bagus nicht so ist, da werden Anthologien sorgfältig darauf abgeklopft, dass Vorgänge innerhalb der Welt möglich sind und alles, was veröffentlicht wird, ist immer kanonisch).

Und dann gibt es Grauzonen, die die James-Potter-Romane von G. Norman Lippert, autorisiert von Rowling selbst - er darf sie schreiben und veröffentlichen, solange er keinen Profit daraus schlägt.
Wenn jetzt jemand seine Romane plagiiert - wessen Rechte werden da eigentlich verletzt?

Es ist, wie immer, kompliziert.

Fianna

Sicher, dass es Marion Zimmer Bradley war?
Sie hatte doch auch die jährlich (oder zumindest mehrfach) erscheinenden Anthologien zu ihrem Darkover-Universum.

Kati

Mondi, meinst du Anne Rice? Die ist mal relativ hart gegen Fanfictionautoren vorgegangen und Fanfiction zu ihren Romanen wurde auch auf ihren Wunsch hin von den Portalen entfernt. Das hat die Fanfictiongemeinde sehr stark verändert und ist auch unter anderem der Grund, warum viele sich mit den Disclaimern so eine Mühe geben und immer ganz deutlich machen, dass die Figuren und Grundideen nicht ihnen gehören. Das machen sie nicht, weil ein armer Depp nicht wissen könnte, dass sie Harry Potter nicht erfunden haben, sondern eben wegen dieses Vorfalls mit Rice, der bis heute weite Kreise zieht.

Mondfräulein

@Charlotte: Nein, ich meine einen Vorfall, bei dem ein Buch angeblich nicht veröffentlicht werden konnte, weil angeblich ein Fan ihr ein Manuskript geschickt hat, das ihrem Buch zu sehr geähnelt hat.

Der Fall mit Anne Rice ist mir auch bekannt. Für mich persönlich war das nie relevant, weil ich nur in einem Fandom unterwegs bin, in dem fanwork (fanart, fanfictions, cosplay, etc.) ausdrücklich unterstützt wird, sofern es keinen kommerziellen Zwecken dient. Ich habe Posts auf Tumblr gelesen, in denen Leute erzählen, dass sich die Fanfiction-Landschaft durch JK Rowling und Stephenie Meyer, die Fanfictions ausdrücklich unterstützt haben, maßgeblich geändert hat, aber ich bin wirklich noch nicht lange in diesen Kreisen unterwegs und kann nicht sagen ob das stimmt.

Es verdienen einige aber wirklich schon Geld mit Fanfictions, vor allem mit explizit (sehr explizit) erotischen Fanfictions, häufig über Patreon. Da wäre es wohl zu erwarten, dass es zu rechtlichen Konsequenzen kommt.

Kati

Ich finde es immer schade, wenn Autoren sich da querstellen. Sobald jemand anderes Geld damit verdient kann ich verstehen, dass das nicht mehr in Ordnung ist, aber darüber hinaus... Das mit J.K. Rowling und Stephenie Meyer stimmt tatsächlich, aber es gibt so viele bekannte Namen, die Fanfiction zu ihren Büchern nicht sehen wollen.  :-\

canis lupus niger

Zitat von: Charlotte am 29. Oktober 2017, 21:40:40
Ich finde es immer schade, wenn Autoren sich da querstellen. Sobald jemand anderes Geld damit verdient kann ich verstehen, dass das nicht mehr in Ordnung ist, aber darüber hinaus... Das mit J.K. Rowling und Stephenie Meyer stimmt tatsächlich, aber es gibt so viele bekannte Namen, die Fanfiction zu ihren Büchern nicht sehen wollen.  :-\

Das kann ich sehr gut verstehen. Mein Name ist zwar alles andere als berühmt, aber mich würde es ebenfalls extrem stören, wenn einer meinen Wanja oder ein Mitglied seiner Familie in Besitz nehmen und ihn irgend etwas sagen oder tun lassen würde, was dieser aus meiner Sicht niemals tun würde. Das hat aber sowas von gar nichts mit Geldverdienen zu tun! Buchcharaktere sind Schöpfung und damit geistiges Eigentum ihrer Autoren. Ich mag nicht, dass mir jemand etwas (mir) so Wertvolles einfach wegnimmt.

Wer Geschichten erzählen will, soll sich seine eigenen Charaktere und Settings schaffen, oder vorher den Autor fragen, ob dieser mit Fanfiction einverstanden ist.

Evanesca Feuerblut

Ich wäre sowas von aus dem Häuschen, dass jemanden MEINE Geschichte, ausgerechnet, so beschäftigt, dass die Figuren in dessen Kopf herumspuken und zusätzliche Dinge erzählen :vibes:
Aber das sieht jede*r Autor*in anders.

canis lupus niger

Das kommt vermutlich darauf an, wie sehr man sich mit seinen Figuren beschäftigt hat, und ein wie konkretes Bild man von ihnen hat. Ich habe es auch gehasst und schärfstens verboten, wenn meine Eltern versucht haben, meine Kinder auf ihre Weise (um-)zu erziehen. Genauso würde es sich für mich anfühlen, wenn jemand meine Romanfiguren entführen und sie einer Gehirnwäsche unterziehen würde.

Aber wie Du schon geschrieben hast, @Evanesca Feuerblut: Das sieht jeder Autor auf seine eigene Weise.

Mondfräulein

Ich fürchte, als Autor hat man kaum eine Chance, Fanfictions zu verbieten, ohne sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Wahrscheinlich vergrault man sich da gleich alle Fans. Nicht einmal, weil die unbedingt alle Fanfictions schreiben wollen, sondern weil so etwas von den Fans bestimmt nicht gerne gesehen wird. Autoren um Erlaubnis zu fragen finde ich auch schwierig, weil sich gerade bekannte Autoren dann wahrscheinlich vor Anfragen kaum retten können und das ganz ehrlich sowieso nicht alle machen werden. Im Internet haben sowieso alle eine ganz eigene Vorstellung vom Urheberrecht. Versuch mal jemandem zu erklären, warum man nicht einfach Bilder, die man irgendwo gefunden hat, auf Instagram hochladen darf.

Das hat nichts damit zu tun wie ich persönlich zu dem Thema stehe. Wenn jemand eine Fanfiction schreibt, in der der Antagonist meine lesbische Heldin doch noch von ihrer Homosexualität heilt, dann finde ich das natürlich nicht super, aber ich glaube nicht, dass es mir dann irgendetwas bringen würde, dagegen vorzugehen.

Kati

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 30. Oktober 2017, 14:30:51
Ich wäre sowas von aus dem Häuschen, dass jemanden MEINE Geschichte, ausgerechnet, so beschäftigt, dass die Figuren in dessen Kopf herumspuken und zusätzliche Dinge erzählen :vibes:
Aber das sieht jede*r Autor*in anders.

Da bin ich bei dir. Mondi und ich haben uns eine Zeit lang "Fanfictions" zu unseren Sachen geschrieben und das fand ich schon so lustig.  ;D Ich dürfte natürlich offizielle Fanfiction zu meinen Sachen wegen der rechtlichen Lage nicht lesen, aber ich würde mich sehr geehrt fühlen, dass jemandem meine Welten so gut gefallen, dass er sich hinsetzt und sie weiterspinnt.

Slenderella

Ich würde nie FFs verbieten. Das wäre Heuchelei, ich hab doch auch Fanfics geschrieben und meine ersten waren sicher nicht gut. Ohne FFs wäre ich allerdings gar nicht Autorin - von daher: Nehmt meine Welten und Chars, tut mit ihnen was ihr wollt (meinetwegen auch ekligen Tentakelporn! Ich les das dann auch :D). Es verbieten, käme mir nie in den Sinn.
Ich brauch noch eine Katze
Und ein Beil wär nicht verkehrt
Denn ich gehe heute abend
Auf ein Splatter-Pop-Konzert

Evanesca Feuerblut

Ich stelle mal die Vermutung auf, dass diejenigen, die selbst ihre Ursprünge aus der FF haben, das Ganze grundsätzlich entspannter sehen.
Persönlich bin ich seit 2004 im Fandom unterwegs, einige hier sind es vermutlich noch länger :).

Was die Charaktere angeht: Ich komme ursprünglich aus der Philosophie und habe meine Bachelorarbeit über die Philosophie der Narration geschrieben. Für mich folgt daraus unter anderem die Erkenntnis, dass jede*r Leser*in das Buch beim Lesen neu schafft. Keine zwei Menschen lesen das gleiche Buch, wenn sie das selbe Buch lesen.
Die Leseerfahrung, die Lebenserfahrung, alle möglichen Faktoren beeinflussen, wie mein Buch von Menschen gelesen wird.
Es ist egal, wie ich die Figuren und die Handlung gemeint habe. Jede Deutung ist richtig. Sobald es in der Welt ist, habe ich es nicht in der Hand, denn jedes Lesen ist ein schöpferischer Akt im Kopf der Leser*innen.

Und damit kann ich als Philosophin gar kein Problem damit haben dürfen, dass meine Figuren in Fanfictions potenziell verändert werden können :).

Klingt geschwurbelt, aber ich bin tatsächlich mit jeder Deutung meiner Texte im Reinen. Wenn jemand mal Viktor und Kurschakov miteinander ins Bett schickt, muss ich damit leben.