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"Abklatsch" den man eigentlich gar nicht wollte/bemerkte

Begonnen von Hoellenpfau, 19. April 2011, 21:14:18

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Hoellenpfau

Also mir ist neulich etwas passiert, wo ich jetzt irgendwie auch selbst drüber nachdenke, wie das passieren konnte, aber ich fange von vorn an:

Neulich, Kunst. Ich habe gewartet bis meine Grundierung trocken war, beobachtete das Bild meiner Nachbarin und Zack - Idee!
Natürlich habe ich sofort meinen Kritzeblock herausgeholt - gespickt mit kranken Comics, Theaterstückideen und natürlich auch Geschichtenideen.
Das erste was ich (entgegen meiner sonstiges Vorgehensweise) getan habe war es, die Figuren äußerlich und innerlich zu beschreiben.
Dann habe ich eine grobe Handlung darunter geklatscht. Noch ein zwei Ansätze, was die Figuren wollen, Szenen, die mir dazu einfielen und und und.
Und dann fiel mir plötzlich auf, dass es einen schüchternen Mann gibt, der in großen gruppen stottert und... einen Turban hat. Und der Knüller: Am Ende stellt er sich als böse heraus.
Ich habe mir beim konzipieren nichts dabei gedacht, aber als ich das ein zweites mal durchgelesen hatte, fiel mir plötzlich der Professor-Quirrel-Verschnitt und ich dachte mir "Hä, wie kannst du denn so dumm sein und so eine Figur einbauen."
Mittlerweile ist das Ganze schon wieder etwas verworfen - war also nur so eine Idee, die aber immer noch im Hinterstübchen wartet.
Aber nun zu dem Qirrelabklatsch:

Wie würdet ihr das handhaben? Würdet ihr die Figur streichen bzw. umschreiben, wenn euch das einfällt? Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass das fast die selben Personen sind (nagut meiner hat kein gesicht auf dem Hinterkopf) und ich hatte vielleicht schon Quirrel im Unterbewusstsein, aber bewusst habe ich mich nicht beeinfluss lassen.
Ich habe nicht an ihn gedacht.
Würdet ihr ihn drin lassen?
Ich habe ihm dem Turban weggenommen, da das doch zu krass ist, aber stelle ihn mir immernoch mit Turban vor, weil er nunmal so in meinem Kopf erschienen ist...

Kuddel

Das Rad neu erfinden kannst du auch mit Figuren nicht. Natürlich sollte man versuchen, sich möglichst individuelle Charaktere auszudenken. Immerhin willst du auch mal diejenige sein, bei der ein anderer Autor sicher hinterher ärgert, weil der deine lebensweise Figur mit Knopfphobie als Kopie benutzt und sich ärgert, wenn er es merkt.

Wenn der Turban weg ist, erinnert er mich nicht mehr an Quirrel. Immerhin gibt es in der Gesellschaft genügend Menschen, die in großen Menschenmassen Panik oder Angstattacken bekommen oder Stottern. Deswegen spricht da nix gegen.
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

moonjunkie

Ich denke eine ähnliche Figur wie in einem anderen Buch zu erschaffen (mir sagt Quirrel grad gar nichts... Hoffe ich blamier mich damit nicht. :embarassed:) ist nicht so schlimm. Aber vermutlich würde ich sie dann auch - wie Du - etwas abändern. Aber ich denke mal das Hauptding ist ja, dass Deine Geschichte und die anderen Figuren ja anders sein werden als in dieser Quirrel-Geschichte, oder? Einige Wiederholungen werden sicher mal vorkommen, viele Figuren gibt es eben schon. Und die Figuren unterscheiden sich dann vielleicht ja trotzdem noch durch ihre Vergangenheit, ihre Lebensumstände, ihre Wünsche etc.

Aber ich habe das auch hin und wieder, dass ich denke: Mist, sowas ähnliches habe ich ja auch geschrieben oder ich ärgere mich, wenn irgendwelche Namen meiner Figuren in anderen Büchern auftauchen. Ich denke das kennt wohl jeder, oder?

Kuddel

*offtopic an*
Quirrel ist der Böse Lehrer in Harry Potter 1
*offtopic aus*
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Hoellenpfau

@moonjunkie: Harry Potter und der Stein der Weisen - ein Lehrer ;)
Ich glaube den Leuten die Harry Potter nicht gesehen/gelesen haben sagt der natürlich nichts, aber der Großteil hat es...

@Kuddel: derjenige bitte ;) Ich bin männlich!
Aber ja, der Meinung war ich auch, dass er ohne Turban anders ist, aber das Problem war eben, dass er in meiner Fantasie immernoch einen Turban aufhat.
Und was mich eben völlig verwundert hat, dass es mir beim Ideenfinden nicht schon längst aufgefallen ist.
Aber du hast recht, das Rad kann man nicht neuerfinden...

Alia

Hi,
um Abklatsch kommt man in gewisser Weise nicht herum. Die Grundstrukturen von Charakteren sind doch oft Standardmodelle.
Hier treffen sowohl bei Quirrel, als auch bei deinem Entwurf
- schütern/stottert
- man glaubt er wäre gut, ist aber böse
- trägt Turban
aufeinander.
Was Quirrel aber m.E. ganz entscheidend ausmacht:
- von dem bösen Anta besessen

Schüchterne Menschen trifft man häufig. Auch Stottern ist recht weit verbreitet. Die Konstellation, dass ein Verräter unter den Guten ist, fällt mir in zig verschiedenen Büchern/Filmen ein. Dass ausgerechnet der Schüchterne der Überläufer ist, ist m.E. auch nicht ganz unwahrscheinlich. Er hat wenig Selbstbewusstsein und knickt bei Gefahr vermutlich schneller ein, als ein in sich ruhender Charakter.
Wenn deine Geschichte in einer Gegend spielt, wo ein Turban häufig getragen wird oder der Charakter aus einer derartigen Gegend kommt, würde auch der Turban kaum auffallen.

Mika

Man könnte es theoretisch als intertextuelle Bezüge bezeichnen *grübel* Vor allem da sich solche Bezüge heute kaum noch vermeiden lassen, was nochmal auf die Unmöglichkeit das Rad neu zu erfinden verweist,  immer baut man unbewusst irgendetwas ein, was dann Andernorts wieder an etwas erinnert. Habe auch mal ein Buch gelesen in dem ein Vergleich und eine Metapher unglaublich an das Gedicht "Der Panther" von Rilke erinnerten. Teilweise sind diese Bezüge sogar Absicht.
Bei konkreten Figuren wäre ich aber vorsichtig. Du solltest deinem Quirell-Verschnitt einfach irgendwelche anderen Attribute geben die ihn abändern (zum Beispiel ohne den Turban oder mit irgendwelchen anderen Besonderheiten die ihn einfach von Quirrel abgrenzen), würde ich zumindest in so einem Fall tun. Manchmal jedoch finde ich solche intertextuellen Bezüge in einen anderen Kontext gesetzt auch ziemlich interessant, sie dürfen nur nicht zu offensichtlich sein wie es jetzt bei der Figur der Fall wäre. Wahrscheinlich kommt es auch etwas darauf an wie bekannt die "geklaute" oder ähnliche Figur ist.

Rakso

Ein ähnliches Problem habe ich momentan auch. Ich fand den Charakter ganz annehmbar, doch dann stellte sich heraus, dass er doch einem Antagonisten in einem Film ziemlich ähnlich war, zu ähnlich.

Ich kann ja mal kurz schildern, wie ich daran gegangen bin: Ich habe versucht ihn in gewisser Weise vom filmischen Pendanten zu entfernen, in dem ich ihm zwar seine (meisten) Grundzüge lies, ihn aber  äußerlich etwas abgrenzte (ist mir wahrscheinlich nicht gelungen) und ihn auch von seinen Motiven her zu modifizieren und ihm eine andere Grundlage zu geben und neue Aspekte abzugewinnen.

Also ich denke, wenn du denn Turban schon gestrichen hast, dann wird man (zumindest nicht beim ersten Lesen) gleich an Quirrel denken. Und äußerlich lässt sich bestimmt noch etwas drehen.
Die Motive für eine Figur sind ja genauso wichtig wie Persönlichkeit und Äußeres. Ich gehe mal davon aus, dass du ihm eine andere Motivation als Quirrel geben wirst, warum er etwas tut, oder?

Grundsätzlich würde ich mich Kuddel anschließen: Es spricht nichts dagegen.

Hanna

Um noch einmal auf Quirrel zurückzukommen: das Entscheidende an der Figur war doch, was sich unter dem Turban befand. Aus welchem Grund trägt denn deine Figur einen Turban? Wenn du das völlig erklärst, zum Beispiel religiöse Gründe angibst, hast du schon wieder eine völlig andere Figur.
#happyverpeilt oder auch gründlich überfordert ...

Hoellenpfau

#9
Ja, na eben, meine Figur ist eine Art Araber (in dieser anderen Welt also ein Wüstenwanderer) und hat den Tubran aus Tradition. Außerdem tut er nicht so, als stottere er, sondern stottert wirklich - auch als sich herausstellt, dass er böse ist.
Nur dass er von einem bösen herrscher gezwungen wurde, meine Truppe auszuspionieren änhelt etwas dem Unterdrücken Lord Voldemorts.

Fizz

Manchmal ergeben sich auch Zufallstreffer zu anderen Figuren, die man gar nicht kennt/kennen kann. Sowas kommt nunmal vor.
Nur dumm, wenn es sich um so eine bekannte Figur handelt.

Aber vielleicht findest du, wenn du dich mit der Figur noch etwas mehr auseinandersetzt, ein differenzierteres Aussehen und bestimmte Charakterzüge, die wirklich nur dein Charakter hat.
Deswegen musst du seine alten Eigenschaften ja nicht aufgeben ...  Es geht nur um die Sahnehaube, die deinen Charakter zu etwas Besonderem macht.


Hanna

Zitat von: Fizz am 19. April 2011, 22:18:21
Es geht nur um die Sahnehaube, die deinen Charakter zu etwas Besonderem macht.

Das ist jetzt völlig OT, aber mir geht jetzt das Sahnehäubchen auf dem Turban nicht aus dem Kopf  :pfanne:

Ich finde, wenn er aus der Wüste kommt, geht der Turban völlig in Ordnung.
#happyverpeilt oder auch gründlich überfordert ...

Rakso

Da Quirrel eigentlich nur aus Angst handelt (so habe ich das zumindest in Erinnerung) kannst Du deiner Figur ja eine ganz anderen Antrieb andichten. Geldgier, Geltungssucht, Rache, Nationalismus und so in der Art. Je nach dem, wie Du deine Handlung ausgestaltest kannst Du noch ganz andere Aspekte an der Figur zur Geltung bringen.

Außerdem, wenn er in deiner Welt eine Art Araber/Perser ist, dann tauchen eventuell auch ein paar weitere (Neben)charaktere aus dem selben Kulturkreis auf. Da fällt die Figur vielleicht nicht so sehr auf. Quirrel war eben auffällig, wegen seines Turbans, den man nicht unbedingt mit England gleichsetzt. Und Stotterer sind ja unabhängig von Sprachen, Ethnien, usw.



Ich muss mal kurz anmerken:

//klugscheißermodus start

Turban ist nicht gleich Araber/Muslim. Diese Art der Kopfbedeckung ist vom Mittelmeer bis nach Bangladesch bekannt und stammt (wahrscheinlich) von den Persern, aus vor-islamischer Zeit. Besonders gern und oft wird er in Indien, Pakistan und Afghanistan getragen (per sprachlicher Definition Indo-Germanen, wie die Perser.) Oder auch bei den Sikhs.

//klugscheißermodus end

Entschuldigt für das OT  :schuldig: , aber musste kurz sein.

Runaway

Um moonjunkie in Schutz zu nehmen: Bis jetzt gerade wußte ich auch nicht, wer Quirrel ist. Bin HP-Verweigerer (und fortan im Schützengraben zu finden :P ).

Jedenfalls glaube ich, das hat ganz viel mit Unterbewußtsein zu tun. Man bezieht seine Inspirationen irgendwoher. Man orientiert sich an Dingen, die man kennt. Was glaubst du, Pfau, wie oft mir (gar nicht unbedingt den Lesern) irgendwann auffällt, wo ich mich hab inspirieren lassen und wie nah das dran ist am Original.
Ich hab mal irgendwo einen dramatischen Endkampf, der genauso anmutet wie in Der erste Ritter. Oder was aus Rob Roy verbraten - unwissentlich. Oder Braveheart. Oder letztens hab ich noch mal Robin Hood mit Kevin Costner gesehen, einer der Lieblingsfilme meiner Kindheit, und da wurde mir dann auch so einiges klar... Die Liste ließe sich endlos weiterführen.
In meinem aktuellen Projekt heißt ein Polizist mit Nachnamen McKenzie. Was lese ich kurz nach Fertigstellung bei Simon Beckett? Der hatte einen Bullen namens Mackenzie. Das wußte ich vorher nicht mal und ich hab mich nicht weiter dran gestört. Die sind dann halt irgendwie verwandt oder so ;)

Was nur gut ist: Wenn einem das bewußt wird. Und dir ist es bewußt geworden. Mir wäre das ja, da ich Quirrel nicht mal kenne, später in deinem Text, so ich ihn mal im Buchladen kaufe ;) gar nicht aufgefallen.
Von daher: Nur Mut! Ein paar kleine Änderungen (Turban!), damit es nicht zu blöd aussieht, und dann ist das doch erst mal okay.

et cetera

Ich denke auch, es ist wichtig, dass man sich selbst mit der Figur wohlfühlt. Ich hatte den Fall, dass einer meiner Charaktere einem Computerspielcharakter meiner Ansicht nach sehr ähnlich war. Abgesehen von mir hat das aber keiner so gesehen, trotzdem wollte ich es nicht so lassen, weil mir diese Ähnlichkeit nicht mehr aus dem Kopf ging.
Also wäre mein Vorschlag: Ändere den Charakter soweit, bis du dich mit ihm wohlfühlst :)