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Was ist eigentlich "Urban Fantasy"?

Begonnen von gbwolf, 22. Januar 2008, 20:14:56

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gbwolf

Zur Zeit höre ich ständig, wie gefragt "Urban Fantasy" sei, meistens im Kontext mit Vampiren, ab und zu fallen Neil Gaiman oder China Miéville.

Nach Wikipedia und dem, was ich bisher so wusste, ist Urban Fantasy immer nah an der Phantastik, aber mit stärkeren Fantasyelementen und teilweise Weltübertritten/-vermischungen. Auf jeden Fall ist unsere Welt stark eingebunden, mit mehreren Ebenen etc.
Gehören Vampier-Romantik-Romane (Fantasy Romance) mittlerweile zur Urban Fantasy? Wird der Begriff einfach ausgedehnt oder falsch verwendet? Ich habe das Gefühl, vor drei Jahren meinte man mit UF noch etwas anderes als heute.

Wenn ein Verlag außdrücklich "Urban Fantasy" verlangt, was bietet man ihm dann als Autor heutzutage an?
Mystery-Vampier-Liebelei, Feen-Jetztweltverwebung oder Cyberpunkt meets Fantasy? Es verwirrt mich ein wenig, dieses Genre zu definieren.

Lennard

Der werte Schelmin hatte in dem Thread "Historische Fantasy" einen hilfreichen Link gepostet. U.a. wird dort auch Urban Fantasy erläutert:

http://www.luebbe.de/C1256E310032B237/0/30D7C3ED1C7D1E5BC12572A6004A5738?OpenDocument

Shay

Nach der Liste ist Urban Fantasy das gleiche, was ich als Gateway Fantasy bezeichnet hätte. Für mcih wäre Urban Fantasy eher so etwas wie "Interview mit einem Vampir".

Aber ich weiß nicht so recht, was ich von der Liste halten soll. Bei der humorvollen Fantasy Pratchett wegzulassen ist schon ein ziemlicher Schnitzer. Oder führen sie nur Leute auf, die sie selbst im Programm haben?

Moni

Zitat von: Shay am 22. Januar 2008, 20:42:19
Oder führen sie nur Leute auf, die sie selbst im Programm haben?

Genauso ist es.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Linda

#4
Also, ich finde es, ganz ehrlich, ziemlich leicht zu definieren. Man kann es nicht in eine Formel packen, aber man spürt es ganz einfach.

Urban Fantasy ist eine zeitlich "fortgeschrittene" Fantasywelt, die aus dem "Mittelalter" herausgewachsen ist. Die Leute haben u.U. Schießpulverbüchsen, Dinge werden "am Fließband" in Manufakturen hergestellt, Dampfkraft, Magie und Naturwissenschaft gehen Hand in Hand ...
Ein bisschen (!) wie das Rollenspiel Shadowrun, aber nur ein bisschen.

Der 'Vampir meets Liebesroman' der letzten Jahre ist meiner Ansicht nach eher typische "Fantastic Chicklit", denn Urban Fantasy. - Doch weil die Amis nun mal für alles, was jenseits der Realität, aber nicht in der Zukunft spielt, den Begriff Fantasy verwenden (für den es hierzulande das schöne Wort Phantastik gibt), wird das miteinander vermengt.
Wo ist das gute ' deutsche"  ;D Wort "Horror" geblieben, das wenigstens eindeutig war? - Stimmt, das schreibt man heut' nicht mehr drauf, aus Sorge, es könnte die Käufer (innen) verschrecken.
Also für mich ist Anne Rice absoluter Horror*. Wer Anne Rice als "Urban Fantasy" beschreibt, für den ist auch King "Urban Fantasy". Und das passt nun überhaupt nicht.

@gbwolf - das Gefühl mit der Begriffsverschiebung habe ich auch.
Am besten man guckt vor Bewerbungen ins Verlagsprogramm und schaut, was die unter dem Begriff verstehen. Damit ist man auf der sicheren Seite.

Gruß,

Linda


*Ja, Horror mit weiblichem Touch, aber Horror. Vampire, Morde, Aussaugen -> das ist in meinen Augen keine Fantasy. Wobei grundsätzlich gegen einen Vampir in ner Fantasyumgebung nichts einzuwenden ist.  Aber die Gewichtung und kulturelle Ausrichtung ist nun mal modern = Horror.

Lomax

Gaiman und Mieville wären auch die ersten Namen, die mir zur Urban Fantasy einfallen. Wie der Vampirkram da reinkommt, weiß ich nicht.

Mag sein, dass Lektoren, die solche Vampirbücher betreuen, das anders sehen. Mag auch sein, dass aus dem angelsächsischen Raum Begriffsverwirrungen importiert werden, weil dort "Fantasy" ja grundsätzlich anders definiert ist als hier und "Urban Fantasy" ohnehin oft an der Nahtstelle dessen steht, was hierzulande noch als "Fantasy" oder schon als "Phantastik" bezeichnet wird.
  Aber von "Urban Fantasy" erwarte ich in erster Linie eine fantastische Stadt und deren Leben im Mittelpunkt des Romans. Diese Stadt kann oder kann nicht eine Verbindung zu einer realen Welt haben - aber nur ein paar fantastische Kreaturen im ansonsten normalen städtischen Nachtleben rumspringen lassen, reicht nicht.

Dorte

Urban Fantasy - Paradebeispiel wäre da für mich in der Tat Neil Gaiman mit "Neverwhere (Niemalsland)", das in London spielt: einmal im normalen London und dann auch in "London Below", einer fantastischen Unterwelt der Stadt. In jedem Fall lesenswert und als Einstieg in das Genre sicher auch nicht verkehrt ;)

Lord Bane

Zitat von: gbwolf am 22. Januar 2008, 20:14:56
Nach Wikipedia und dem, was ich bisher so wusste, ist Urban Fantasy immer nah an der Phantastik, aber mit stärkeren Fantasyelementen und teilweise Weltübertritten/-vermischungen. Auf jeden Fall ist unsere Welt stark eingebunden, mit mehreren Ebenen etc.

Aha, dann schreibe ich also Urban Fantasy. Wusste ja bisher gar nicht, in welchem Genre ich mich bewege  ;D. Ich dachte eigentlich immer, dass ich den Dark Fantasy Sektor bediene, aber nach der hier genannten Definition ist das wohl gar nicht so

Nitewolf

Wenn ich mir den englischen Wikipedia-Eintrag zu Urban-Fantasy ansehe und das, was einschlägige US-Verlage in ihrem Programm unter dem Namen führen, dann würde ich tatsächlich sagen, dass bewegt sich zwischen World of Darkness und Buffy, hat also wenig mit urbanem Leben in einer (möglicher Weise hochentwickelten) Fantasywelt zu tun.
Was eigentlich schade ist, denn letzteres hätte ich mir eigentlich unter dem Begriff vorgestellt. Aber zumindest gibt es wohl ein paar Sachen, die in die Richtung gehen.

@Linda
Das, was du da beschreibst, klingt doch eher nach Steampunk.

Linda

Zitat von: Nitewolf am 23. Januar 2008, 18:34:55
Wenn ich mir den englischen Wikipedia-Eintrag zu Urban-Fantasy ansehe und das, was einschlägige US-Verlage in ihrem Programm unter dem Namen führen, dann würde ich tatsächlich sagen, dass bewegt sich zwischen World of Darkness und Buffy, hat also wenig mit urbanem Leben in einer (möglicher Weise hochentwickelten) Fantasywelt zu tun.
Was eigentlich schade ist, denn letzteres hätte ich mir eigentlich unter dem Begriff vorgestellt. Aber zumindest gibt es wohl ein paar Sachen, die in die Richtung gehen.

@Linda
Das, was du da beschreibst, klingt doch eher nach Steampunk.


Hi,

ja, Steampunk, Elfpunk - das sind nach meinem Empfinden passende Synonyme dafür.
Wobei ich finde, dass Lord Banes "Dark Fantasy" ein vieeel aussagekräftigerer Begriff für die "frechen Vampirinnen-Bücher" ist, als Urban Fantasy.
Aber da ich selbst eher klassische Fantasy schreibe, muss ich mich glücklicherweise mit solchen Definitionen nicht herumschlagen...

Gruß,
Linda


gbwolf

Danke für eure Antworten. Es sieht ja tatsächlich so aus, als würden Marketingabteilungen und teilweise Lektoren Begriffe etwas bunter mischen als viele Autoren. Schwierig, das Ganze. Vor allem Lomax und Linda kann ich mich voll anschließen, auch wenn ich eine bestimmte Art Dampffantasy ebenfalls als Steampunk bezeichnen würde.

Die Vampiermädels hätte ich auch eher als "Dark Fantasy" oder "Fantasy Romance" bezeichnet.
Wenn ich so schaue, was Lübbe unter "Urban" listet, da würde ich schon "Horror" drüberschreiben - das vergrault vielleicht Kundschaft, weil jeder an Zombies in madigen Umhängen denkt.


Lavendel

Ich habe heute zufällig das Fantasy/Mystery/Science Fiction Programm 07/08 von Heyne in die Hände bekommen. Hinten hat das Heftchen sogar ein Glossar, und da steht Heynes Defenition für Urban Fantasy:

"Romane und Erzählungen, in denen die heutige 'normale' Welt mit den phantastischen Welten der Fantasy verschmilzt. Oft sind es Portale in Metropolen, durch die Protagonisten in eine andere Welt geraten und dort magische Abenteuer erleben. Oder eine Gestalt aus der Anderwelt tritt durch das Portal und holt den Helden in seine Welt."

Um ehrlich zu sein, hätte wäre meine Definition etwas weiter gewesen.

Um mal Wölfins letzten Post aufzugreifen, Dark Fantasy wird übrigens so beschrieben:

"Tendenziell dem Horror zugetane Richtung, in der sich Düsteres und Unheimliches mit der Traumartigen Welt der Fantasy vermischen. Wie Anne Bishops Kultserie "Die Schwarzen Juwelen" Spielen Leidenschaft und Erotik häufig eine große Rolle."

Lomax

Zitat von: Nitewolf am 23. Januar 2008, 18:34:55Wenn ich mir den englischen Wikipedia-Eintrag zu Urban-Fantasy ansehe und das, was einschlägige US-Verlage in ihrem Programm unter dem Namen führen, dann würde ich tatsächlich sagen, dass bewegt sich zwischen World of Darkness und Buffy, hat also wenig mit urbanem Leben in einer (möglicher Weise hochentwickelten) Fantasywelt zu tun.
Na ja, Mieville erschien auch in England explizit unter "Urban Fantasy" - und entspricht damit wohl eher dem zweiten Teil der Wiki.com-Definition: "Urban fantasy may also refer to more modern versions of 'traditional' fantasy worlds."
  Das dürfte dann auch der einzige Teil dieser Genredefinition sein, den man korrekterweise für den deutschen Markt übernehmen kann, weil wir hier ja schon den Begriff "Fantasy" eingeschränkter definieren, als es auf dem amerikanischen Markt üblich ist. Man darf nicht vergessen, dass ein Amerikaner unter "urban fantasy" etwas anderes versteht als ein Deutscher, nämlich das, was ein Deutscher womöglich mit "urbaner Phantastik" assoziieren würde.

Man muss in solchen Diskussionen also immer vorsichtig sein, ob der Sprecher nun nur die amerikanische Genrebezeichnung als nicht-übersetzten "Anglizismus" im Kopf hat, oder ob er die Genrebezeichnung für den deutschen Markt meint. Beides ist nicht deckungsgleich, wird aber vielfach durcheinander verwendet - zum Teil auch von Lektoren, Verlagsmarketing und Buchhandel, wenn sie beispielsweise gehört haben, "Urban Fantasy verkauft sich gut" ;)
  Daran mag man sich stören und sich fragen, ob man nicht einfach die Begrifflichkeiten international vereinheitlichen sollte. Aber andererseits gibt's das Problem ja beim Oberbegriff "Fantasy" schon seit Jahrzehnten, weshalb Serien wie "Buffy" in Programmzeitschriften auch regelmäßig als "Fantasy" angekündigt werden - obwohl sie das nach deutschem Verständnis nicht sind. Die einen denken sich nichts dabei, die anderen wissen, wie's zu solchen Verwechslungen kommt, und wieder andere sehen nur, dass es falsch ist, und halten diejenigen, die den Begriff falsch verwenden, einfach für doof. Und solange alle glücklich damit sind, wird's diese begrifflichen Unschärfen auch weiterhin geben ;D

Drachenfeder

Hoch interessant. Ich arbeite also an einer Urban-Fantasy Geschichte  :)



saraneth

Und ich lese gerade eine. Jedenfalls wird sie auf dem Umschlag als Urban-Fantasy Geschichte deklariert. City of Bones heißt das gute Stück; kennt jemand das Buch?