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Urban Fantasy - Reaktionen der Normal-Bevölkerung auf Übernatürliches

Begonnen von Vic, 21. August 2014, 20:25:00

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Vic

Ich schreibe im Schnitt eher Urbane Fantasy (soll heißen, es ist alles heutzutage und in unserer Welt angesiedelt, mit der Annahme, dass es eben Vampire, Werwölfe, Magier und Dämonen, etc gibt, die unter uns weilen).
Dabei komme ich bei so ziemlich jedem meiner Plots irgendwann zu dem Punkt wo ich mich frage, wie realistisch ist es eigentlich, dass die "Normale Bevölkerung" davon nichts mitbekommt?

Also wenn ich mir moderne Klassiker so ansehe, ist es ja im Schnitt eher so, dass das Ganze wie eine Art "Welt in unserer Welt" ist, die aber relativ getrennt voneinander ablaufen. Also bei Harry Potter weiß der Otto Normalbürger nichts von Hogwarts. Bei Twilight weiß der Durchschnittsschüler nichts von Vampiren und Werwölfen. Bei Supernatural sind auch nur wenige eingeweiht in das Wissen, dass es Monster und Dämonen gibt. Etc. Als Gegenbeispiel fällt mir höchstens Buffy ein, wo wenigstens angedeutet wird, dass die Leute von Sunnydale wissen, dass "irgendetwas merkwürdiges" vor sich geht und dass Buffy und ihre Freunde irgendwie immer darin verwickelt sind. Bzw in einer der späteren Staffeln wurde ja klar, dass es sogar eine Regierungseinheit gibt, die sich mit dem Übernatürlichen auseinander setzt.

Und da ist meine Frage an euch: Was für einen Durchdringungsgrad haltet ihr für realistisch?
Denkt ihr es ist möglich, dass es außer ein paar Eingeweihten niemand mitbekommen würde, dass übernatürliche Wesen unter uns weilen?
Und wie wäre die Reaktion wenn es rauskäme? Wären die Leute heutzutage überhaupt offen für so etwas oder wäre die generelle Reaktion eher "pffft, nettes Photoshop" oder "cooles Make up, spielst du in nem Gruselfilm mit, oder was?"  :pfanne:

Kurz, ich bin nicht ganz sicher, wie die Menschheit auf so eine Enthüllung regieren würde, wenn sie denn passiert. Und wenn es nicht passiert - ist es überhaupt realistisch so lange etwas geheim zu halten?
Wie seht ihr das? :)  Meinungen? Ansichten? Kluge Ratschläge? Immer her damit!

Churke

Zitat von: Vic am 21. August 2014, 20:25:00
Und da ist meine Frage an euch: Was für einen Durchdringungsgrad haltet ihr für realistisch?
Denkt ihr es ist möglich, dass es außer ein paar Eingeweihten niemand mitbekommen würde, dass übernatürliche Wesen unter uns weilen?

Du stellst die falsche Frage. Die richtige lautet: Wer würde es glauben? Würdest du überall herumerzählen, dass du vorhin einen Dämon gesehen hast? Ich würde davon jedenfalls dringend abraten.  ;D

Ich betrachte mich ja als Gründer des Genres der historischen Urban Fantasy. Bei der historischen Urban Fantasy sind die übernatürlichen Ereignisse durch Quellen belegt. Wenn man die Quellen mit dem selben Ernst liest wie bei anderen Fakten, MUSS man zu dem Schluss kommen, dass Zauberei, Dämonen usw. existier(t)en. Es sei denn, man tut es von vornherein als Aberglaube ab. Dan ist man schnell fertig. ;)

HauntingWitch

Hallo Vic! Ein spannendes Thema. :) Als Contemporary-Schreiber (läuft auf dasselbe wie Urban hinaus, nur dass meine Stories halt nicht ausschliesslich in der Stadt spielen) möchte ich auch mal meine 5 Cents dazu geben.

ZitatDenkt ihr es ist möglich, dass es außer ein paar Eingeweihten niemand mitbekommen würde, dass übernatürliche Wesen unter uns weilen?

Ja, ich denke durchaus, dass das realistisch ist. Wie Churke schon sagt, würden die meisten Menschen es wahrscheinlich gar nicht glauben (wollen) und mit einer wissenschaftlichen Erklärung abtun. Jene, die es glauben, würden es wohl kaum herum erzählen, aus Angst davor, für verrückt gehalten zu werden. Wer es herum erzählt, wird entweder für verrückt gehalten oder sonstwie nicht ernst genommen. Wir leben ja schliesslich in einer aufgeklärten Welt, in der es nichts Übernatürliches gibt. ;) Was ich mir allerdings vorstellen könnte, ist, dass es kleinere Grüppchen gibt, die diese Dinge glauben und darauf reagieren. Im Grossen passiert das wohl erst, wenn es wirklich offensichtlich und nicht mehr zu leugnen ist (Buchtipp an dieser Stelle: "So ruhet in Frieden" von John Ajvide Lindqvist. Da stehen eines Tages die Toten in ganz Stockholm auf und beginnen, umher zu wandeln und so. Lindqvist war früher Journalist und stellt in dem Roman die allgemeine öffentliche Verwirrung sehr gut dar. "Die Saat" von Guillermo del Toro zeigt ein ähnliches Szenario mit einem Vampir-Virus in New York, ist allerdings eher hollywood-mässig).

ZitatUnd wenn es nicht passiert - ist es überhaupt realistisch so lange etwas geheim zu halten?

Ja, ich denke, es ist als übernatürliches Wesen sicher möglich, sich völlig zu verbergen, wenn man das möchte und darauf achtet. Ich halte diese Variante vieler Bücher und Filme also nicht für abwegig. Gerade bei Harry Potter ist es ja z.B. so, dass Gleis 9 3/4 nur von Zauberern betreten werden kann. Für die Menschen ist da ein völlig normales Perron (wenn ich mich richtig erinnere, ist schon eine Weile her). Das ist natürlich durchaus möglich, so nach dem Motto "man sieht, was man sehen möchte" bzw. "man sieht es nur, wenn man daran glaubt". Bei Melissa Marrs "Wicked Lovely" z.B. sehen die Feen für normale Menschen aus wie ganz normale Menschen, nur auserwählte und andere Feen können ihr wahres Ich sehen.

ZitatUnd wie wäre die Reaktion wenn es rauskäme? Wären die Leute heutzutage überhaupt offen für so etwas oder wäre die generelle Reaktion eher "pffft, nettes Photoshop" oder "cooles Make up, spielst du in nem Gruselfilm mit, oder was?"

Da halte ich drei Möglichkeiten für wahrscheinlich, abhängend davon, wie diese Eröffnung vonstatten geht. Taucht das Übernatürliche plötzlich auf und stellt eine Bedrohung dar, werden die meisten mit Panik reagieren (siehe auch oben). Dies wird vor allem der Fall sein, wenn die Wesen in grosser Anzahl Radau machen oder sehr viele merkwürdige Ereignisse nacheinander passieren.

Sind es nur vereinzelte Erscheinungen, mal ein Vampir in einer Seitengasse, mal ein ungeklärter Tod, wird es wohl eher so sein, wie du bereits vorgeschlagen hast. Die Leute werden sich irgendetwas denken, es als nicht weiter interessant abtun und mit ihrem Leben weitermachen. Das kommt aber natürlich auch sehr stark auf den individuellen Menschen an, die einen werden es als witziges Kostüm wahrnehmen, andere werden Angst bekommen und wieder andere kümmert es einfach nicht. Vereinzelte werden an so etwas glauben und es akzeptieren, aber das dürften die wenigsten sein.

Zuletzt, die "True Blood"-Variante. Die Übernatürlichen offenbaren sich - bewusst und gezielt, mit grossem Tamtam und sorgfältig formulierten Erklärungen - und die Menschen akzeptieren es, mehr oder weniger. Die Mehrheit wird argwöhnisch sein, aber irgendwie damit umgehen. Manche sind auf der Seite der Übernatürlichen und unterstützen diese, die anderen eher nicht. Dieses Szenario halte ich allerdings für weniger wahrscheinlich als die ersten zwei.

ZitatWas für einen Durchdringungsgrad haltet ihr für realistisch?

Für mich ist das nicht die Frage. Meine Frage ist immer: Welchen Durchdringungsgrad möchte ich denn haben? Möchte ich die Zombies oder Vampire als Bedrohung, die eine Stadt ins Chaos stürzen? Möchte ich eine Parallelwelt innerhalb unserer Welt, die nur von Auserwählten und Gläubigen gesehen werden kann? Oder möchte ich meinen Protagonisten als einzelnen Menschen mit dieser anderen Welt konfrontieren, und nur ihn? Ich glaube, was da realistisch ist und welche Möglichkeiten sich bieten, hängt davon ab, was man möchte.

Ja, das ist es etwa von mir. Ich hoffe, es hilft. ;)

Dogtales

Hallo, das ist eine sehr gute Frage, weil das nämlich auch die Grundlage meiner neuen Idee ist.

Im Großen und Ganzen hat Witch bereits das Wichtigste gesagt, für mich kommt aber noch ein Aspekt dazu:
Zum einen wäre wichtig zu klären, wie die Übernatürlichen wollen, dass man auf sie reagiert. Daran könnten sie ihre "Enthüllung" anlehnen. Eher unauffällig, dann machen sie das subtil und leise. Wollen sie Angst und Schrecken verbreiten, dann wohl mit großem Getue, um so viel Aufmerksamkeit wie nur möglich zu erreichen. Und dann kommen wir zu dem Punkt, auf den ich eigentlich hinauswollte, wie wollen die Normalen das auffassen? Wenn eine Regierung davon Wind bekommt, will die Regierung, dass die Bevölkerung davon erfährt? Unterstützen sie die Übernatürlichen und ermöglichen ihnen eine Integration in die Gesellschaft oder werden sie von den Übernatürlichen gezwungen und müssen sie integrieren. Je nach Einstellung der Regierung wird wohl auch die Reaktion der Bevölkerung ausfallen. Oder, um mal als Beispiel eine Theorie zu Außerirdischen anzuführen, vielleicht möchte die Regierung überhaupt nicht, dass die Bevölkerung von den Übernatürlichen weiß (aus Eigennutz, aus Angst vor einer Panik, aus Angst vor Aggressionen von Seiten der Bevölkerung oder Übernatürlichen) und versucht mit allen Mitteln deren Existenz geheimzuhalten.

Ob realistisch weiß ich nicht, vorstellbar wären auf jeden Fall all Möglichkeiten. Es kommt eben tatsächlich, wie bereits erwähnt, auf das an, was du erreichen möchtest.

Vic

@Churke: Damit hast du natürlich recht. *g* Wenn man sich historische Aufzeichnungen ansieht, muss man praktisch zu dem Schluss kommen, dass das Übernatürliche existiert. ;) Oder man tut alles als Aberglauben ab, was widerrum plausibel macht, wieso heutzutage niemand (mehr) dran glaubt.

@HauntingWitch: Contemporary ist genau das Wort was ich gesucht habe. *g* Ich meinte auch eher zeitgenössische Fantasy, als konkret "Urban Fantasy". Danke auch für Buch-Tipps! :) Du hast schon recht mit dem Einwand, dass das meiste Übernatürliche mit Magie zu tun hat und es dementsprechend leicht fallen sollte, ihre Welt geheim zu halten, bzw zu verstecken.
Danke für die ausführliche Antwort.
Ich glaube ich bin aktuell noch etwas unsicher, inwieweit ich diese Welt für die normalen Menschen "öffnen" möchte. Ich finde alle Varianten sehr spannend, aber auch gerade dieses Durchsickern gefällt mir ...

@Dogtales:
Zitat von: Dogtales am 22. August 2014, 12:52:34
Und dann kommen wir zu dem Punkt, auf den ich eigentlich hinauswollte, wie wollen die Normalen das auffassen? Wenn eine Regierung davon Wind bekommt, will die Regierung, dass die Bevölkerung davon erfährt? Unterstützen sie die Übernatürlichen und ermöglichen ihnen eine Integration in die Gesellschaft oder werden sie von den Übernatürlichen gezwungen und müssen sie integrieren. Je nach Einstellung der Regierung wird wohl auch die Reaktion der Bevölkerung ausfallen.

Diesen Punkt durchdenke ich auch gerade die ganze Zeit! *g*
In meiner Geschichte ist es schon so, dass die Regierung davon weiß, aber bisher noch versucht das vor der Bevölkerung geheim zu halten, aus variierenden Gründen.
Ich frag mich nur wie lange das gut geht ... ;)

Waldkatze

Das Meiste wurde ja schon gesagt, aber ich hätte noch zwei Ergänzungen  ::)

Die Frage nach dem "Wie bekannt ist das Übernatürliche", hängt sehr vom Ort des Geschehens ab. In einer westlichen Großstadt werden - wie ihr schon festgestellt habt - nur die Psychiater gut zu tun bekommen. Anders sieht es jedoch an abgeschiedenen Orten aus, bei denen Wörter wie "Flachbildfernseher" oder "Internet" noch unbekannt sind.
Ich kenne einige "Geschichten" von Leuten in unserer Gegend, die noch heute  :seufz:  der Hexerei bezichtigt werden.

Zur Frage nach der Reaktion:
In einem Buch, das ich kürzlich gelesen habe, kam es anfangs zu einem Outing der Vampire. Aus anfänglicher Euphorie und Neugierde wurde bei den meisten schnell Hass, Angst, Ablehnung und schließlich Verfolgung.
Für mich sehr realistisch.
Die meisten Menschen neigen dazu, das, was sie nicht kennen und daher fürchten, auszulöschen.
Wenn ich ein übernatürliches Wesen wäre, würde ich garantiert den Mund halten  :gähn:

Sanjani

Ich glaube, dass es sehr davon abhängt, wie bestimmte Dinge passieren. Ein kleines reales Beispiel: Meine Großeltern sind seit 4 Jahren beide tot. Deren Haus gehört meiner Tante und ist schon recht verfallen, weil sie selten hingeht. Im Wohnraum hängt eine Uhr, die schon vor mehreren Jahren stehen geblieben ist, kurz nach dem Tod meines Großvaters. Einmal vor einiger Zeit hat es dort aber eine Art Familienfeier gegeben. Meine Tante war mit Kindern und Enkelkindern da, meine Mutter und noch ein Bruder meines Großvaters mit seiner Frau und deren Kindern. Das Haus war jedenfalls voll, fast so wie früher. Und meine Mutter erzählt, dass als die ganzen Leute da waren, die Uhr wieder anfing zu ticken und weiterzulaufen. Meine Mutter und meine Tante haben es beide bemerkt. Aber als die Gäste alle gegangen waren, stand die Uhr wieder still. Wie klingt das für euch? Für mich klang es ziemlich abstrus, und es fällt mir schwer, das zu glauben. Andererseits finde ich die Vorstellung aber auch irgendwie gruselig und faszinierend zugleich. Ich stelle mir vor, dass viele Leute sagen würden, dass sie nicht an Übernatürliches glauben, aber insgeheim würden sie sich schon Gedanken machen und wären vielleicht fasziniert oder sogar geängstigt. Aber kleine Vorkommnisse würden wahrscheinlich auf- und wieder abtauchen ohne nennenswertes Aufsehen zu erregen.

Ich habe bisher noch keine realistischen Beispiele für gute Geheimhaltung gesehen, aber vermutlich geht es ja auch in Serien oft darum, dass das eben nicht optimal funktioniert. Bei Potter z. B. war es doch meines Wissens so, dass die gegen irgendeine Trennwand mit dem Wagen fahren mussten und sich die Wand vor ihnen auftat und sie auf dem geheimen Gleis auftauchten. Ich hab mich immer gefragt, wieso denn keiner gemerkt hat, dass da Leute vom Gleis verschwunden sind. Ok, dass eine kleine Familie nicht bemerkt wird, leuchtet noch ein, aber Rons Familie war ja sehr groß, so was wäre bestimmt aufgefallen.

Anderes Beispiel: Bei Charmed passieren immer komische Sachen, wo die drei Schwestern drin verwickelt sind und die von dem Inspektor vertuscht werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht auffällt, wenn ständig Leute auf mysteriöse Weise sterben und wenn ständig gut gegen böse kämpft. Bei Charmed war das ja auch oft mit viel Lärm verknüpft und bei denen ging im Haus auch ständig irgendwas kaputt. Außerdem sind die Dämonen ja auch manchmal offen auf der Straße herumgerannt und all das. Irgendwann hätte das doch Passanten oder Nachbarn oder sonstjemandem auffallen müssen. Ich fand das in dieser Serie oft etwas unrealistisch, dass das alles noch vertuscht werden konnte.

Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass es in manchen Kulturen oder gar Regionen der westlichen Welt noch Hexenanschuldigungen geben könnte und glaube unterm Strich, dass man da eigentlich fast alles machen kann. Hauptsache, man stellt es realistisch und nachvollziehbar dar.
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

LinaFranken

Auch wenn das Thema schon älter ist, möchte ich hier gerne noch einen Aspekt näher beleuchten.
Wie der "Normal-Verbraucher" reagieren würde, wurde hier schon sehr schön von allen Seiten beleuchtet. Es gibt da aber auch die Regierungen und Gruppierungen, die gerne riegieren würden.
Darum geht es in meinem Buch größtenteil. Ich stelle mir vor, dass allein schon die Regierungen unterschiedlicher Länder eine unterschiedliche Vorgehensweise hätten. Wenn also solche Fälle eine Häufigkeit erreichen würden, bei der man nicht mehr von "einzelnen Spinnern" ausgehen kann, könnte das so aussehen:
In Nordkorea würde vermutlich jeder, der auch nur mit einem übernatürlichen Wesen in einem Raum war ohne Gerichtsverhandlung vor einem Erschießungskommando landen. In USA würde man sicher die Selbstjustiz an den Monstern mit nem Achselzucken hinnehmen. In Polen (meiner Heimat) würde selbst die Regierung  gar nicht erst versuchen, dem wissenschaftlich auf den Grund zu gehen, sondern die örtlichen Prieseter aufrufen, mehr zu beten ::). Länder, in denen Wissenschaft, Aufklärung und Demokratie einen hohen Stellenwert haben, würden vermutlich ein Heilmittel suchen oder spezielle Krankenhäuser oder Gefängnisse errichten.

Dann gäbe es noch Organisationen und Wirtschafts-Bereiche, die sicher versuchen würden Profit draus zu schlagen. Angefangen bei dem Versuch einen Vampir militärisch zu nutzen bis zum Kunsthändler, der "orginal-Vampirzähne" im Angebot hätte und kriminelle Organisationen würden so einen sicher als Waffe haben wollen während Pharma-Konzerne sich vielleicht mithilfe von Gentechnologie was "hübsches" draus bauen würden.

Wenn irgendjemandem noch mehr länderspezifische oder wirtschaftsspezifische Reaktionen einfallen, würde mich das sehr interessieren!

FeeamPC

Die Menschen haben zu allen Zeiten mit dem Übernatürlichen gelebt, egal, ob es jetzt real oder eingebildet war.
Visionen konnten von Gott oder vom Teufel kommen.
Dass Tote zu Widergängern wurden, hat früher oder in anderen Kulturen niemand ernsthaft in Abrede gestellt.
Menschen, die mit Tieren sprechen können oder sich in Tiere verwandeln, kommen in fast allen Kulturen vor, wenn auch bei uns nur noch im Märchen (Der Bärenhäuter, z.B.)
Hexen gab es und gibt es auch heute noch ganz offiziell.
und diejenigen, die es nicht zu Hexen oder Dämonen schafften, wurden Heilige.
Ob die Menschen damit leben können, hängt vermutlich davon ab, wie sehr sie Anzahl oder Aktivitäten eher belächeln oder fürchten. Wir tendieren eher zum Belächeln. In Afrika tendiert man eher zum Fürchten.
Entsprechend sind die Reaktionen.

Romy

Oh, interessantes Thema, das mir wie gerufen kommt. Ich plane derzeit meinen allerersten Contemporary-Roman und habe da auch Protas, die mit dem Übernatürlichen in Berührung kommen und unterschiedlich darauf reagieren. Vom Zweifeln, aber dann glauben, weil plötzlich alles Sinn ergibt, bis zum völligen Unglauben und der Suche nach rationalen Erklärungen, was trotz übernatürlicher Ereignisse direkt vor seinen Augen schon in Richtung Realitätsverweigerung geht. :P

Als Beispiele würde mir noch "Grimm" einfallen, wo nur einige wenige und die Wesen selbst, andere Wesen erkennen können.
Im aktuellen Marvel-Universum ist auch nicht alles eitel-Sonnenschein und nicht jeder jubelt den Superhelden zu. In der Serie Jessica Jones beispielsweise:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Der Film "District 9" würde mir auch noch einfallen, wo ein Alien-Raumschiff über Südafrika verunglückt und die Aliens Hilfe von den Menschen brauchen und schließlich in ein Ghetto eingesperrt werden und alles schließlich ziemlich eskaliert ...
In den Helden-Serien "Heroes" und "Alphas" outen sich die Begabten auch, mehr oder weniger freiwillig, wobei leider beide Serien dann auch enden ... In "Heroes:Reborn" (was ich noch nicht gesehen habe), wird aber wohl gezeigt, wie die Menschen auf die Helden reagieren.
"True Blood", was Witch ja schon genannt hat, fand ich in der Hinsicht, was das "outing" angeht, auch sehr interessant.

In unserer "aufgeklärten" westlichen Welt ist Unglaube und die Suche nach rationalen Erklärungen normal, denke ich. Wir sehen ja auch nur, was wir sehen wollen und erklären uns oftmals lieber selbst für verrückt, übermüdet o.ä., als das zu glauben, was nicht sein kann. ::) Und selbst, wenn wir es dann glauben würden, würden wir uns kaum trauen, es weiter zu erzählen, aus Angst für verrückt gehalten zu werden ...
Geheimhaltung schützt vermutlich auch beide Seiten vor Eskalation und den bösen Folgen, deshalb könnte ich jede Regierung verstehen, die sich allein aus Schutz-Gründen dafür entscheidet.

Maubel

Ein sehr interessantes Thema, mit dem ich mich im Zuge meiner Serie auch beschäftigen muss und zwar immer wieder aufs Neue.

In den ersten Staffeln, ist es tatsächlich so, dass nur Auserwählte etwas von den Monstern und Dämonen mitbekommen, aber auch eine Erklärung warum es diese nun hauptsächlich in das Wohngebiet meiner Helden zieht. Da haben dann die anderen Einwohner sehr selektiv Sachen wahr genommen. Manche haben sogar bewusst diesen Schritt gemacht und die Helden alarmiert und dann so getan, als wüssten sie gar nicht warum. Nach dem Motto: "Ich habe den Wiedergänger am Friedhof gesehen - also vielleicht, schönnen Tag noch." Häufig wird da "fourth wall" mäßig sich auch etwas drüber lustig gemacht.

In der dritten Staffel kam dann so eine Art Harry-Potter Methode dazu. Man fand heraus, dass es auch global Hexen und Zauberer etc gibt, die sich aber ähnlich Harry Potter tarnen und nicht in die "Muggelwelt" eingreifen. Einer meiner Charaktere hat damit ein massives moralisches Problem. Und er und die Zitadelle zoffen sich immer noch deswegen. Am Ende der dritten Staffel laden die Helden alle Nachbarn ein um ihnen zu erklären was abläuft. Die meisten gehen, weil sie schon immer wussten, dass nicht alles geheuer ist. Manche glauben es natürlich dennoch nicht. Aber da Grüntal eh etwas merkwürdig ist, wird das so akzeptiert.

In der vierten kam nun endlich das Szenario, des neuen Polizisten, der den ganzen auf den Grund geht und erst mal die Helden verdächtigt, da es meistens so abläuft, dass etwas schreckliches passiertt und unsere Helden da auftauchen, die Monster aber nicht da sind und wenn das öfter passiert, denkt man halt, dass die dahinter stecken. Zumal nicht alle von ihnen gänzlich unschuldig sind.

Diese Entwicklung führte nun dazu in der fünften, dass das ganze immer mehr an die Öffentlichkeit gerät. Der Bürgermeister entscheidet schließlich öffentlich die Magie für real zu erklären und macht sich damit national zum Gespött, woraufhin er zurück rudert und das ganze als PR-Gag verkauft um Touristen anzulocken. Es gibt aber auch einen Mob und Missverständnisse. Unbemerkt bleibt so etwas nicht und so schalten sich schließlich die Geheimdienste ein, welche feststellen, dass sich das nicht mehr lange verstecken lässt.

Und so beginnt jetzt in den letzten beiden Staffeln ein interessanter und tückenreicher Prozess, den ich mit Samthandschuhen anpasse: Die Magie wird gesellschaftlich anerkannt und eingegliedert. Da wir uns in der EU befinden, bedeutet das zu allererst natürlich eins: EU-Richtlinien. Eine Aufsichtsbehörder wurde gegründet und diese wird heranwachsen zum Ministerium/Abteilung mit eigenen Geheimdienst. Ich stelle mir das ganze wirklich subtil vor. Das man erst einmal im kleinen Rahmen bleibt ohne die Aufmerksamkeit der Presse (die ist in Grüntal zum Glück schon längst eingeweiht), aber es kommen eben auch viele Probleme auf einen zu:


  • Diplomatie: Wie definieren wir Monster und Dämonen (anderes Volk? Tier? Bedrohung?
  • Magische Bevölkerung: Wie kontrolliert man die Benutzung von Magie? Was ist rechtswidrig? Was legal? Wie sieht es mit der Definition von Waffen aus?
  • Eingliederung der Magie: Wie verändert sich die Wirtschaft, wenn man Magie in der Forschung und Entwicklung einsetzt? Sicherheitssysteme zum Beispiel? (Ich denke, das kann in Zukunftsvisionen wie der Einsatz von Robotern gehen)
  • Panik, Empörung, Hexenjagd - massive Änderungen gehen nie spurlos vorbei

Ich finde es sehr schwierig da die richtige Balanz zu finden zwischen Bürokratie, allgemeiner Panik und meinem eigentlich Plot. Ich denke mir aber auch, dass, wenn diese anfänglichen Probleme langsam in den Hintergrund treten, sich die Welt sehr schnell verändern wird. Ähnlich wie nach der Industriellen Revolution. Wenn nicht schneller, weil die Magie schon gut entdeckt wurde. Eine Generation später wird es so alltäglich sein, wie dass wir heute überall vernetzt sind und ständig ins Internet können.

Waldhex

Ich finde den Thread total interessant. Vor allem auch, weil ich mir diesbezüglich bisher nicht die geringsten Gedanken gemacht habe. Meine bisherigen Romane spielen auch im "Jetzt" und meine Werwölfe leben in ihrer Werwolfstadt und die Vampire in der Vampirstadt. Es gibt sogar eine überregionale Werwolfzeitung. Die Menschen im Umland wissen davon, lassen die anderen Rassen aber mehr oder weniger in Ruhe - oder eben nicht  :-X

Denamio

Was in meinen Augen gerade bei Urban Fantasy und der Reaktion auf Magie auch noch ein interessanter Punkt ist, wäre das vielzitierte dritte Gesetz von Arthur C. Clarke: "Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic."1 Dafür gibt es (nicht nur) zwei mögliche Interpretationen, die beide für Urban Fantasy interessant sind.


  • Magie ist Ausdruck dafür, das ein eigentlich rationales Element noch nicht ausreichend verstanden wurde.
  • Technologie und Magie produzieren das gleiche Ergebnis.

Da stellt sich die Frage, ob es Magie und Mystik überhaupt geben kann. Sobald die Zauberei etwas ist, das kontrolliert werden kann, dann fällt sie ja automatisch in das System der Welt hinein. Ich konstruier ein Beispiel was ich damit sagen möchte:


  • Söldner Alfons zieht den Pin einer Handgranate und wirft sie. Ein großer Feuerball verschluckt das Haus. Mjam.
  • Magierin Bertha zeichnet die Beschwörungsrunen und deutet aufs Ziel. Ein großer Feuerball verschluckt das Haus. Mjam.

In beiden Fällen folgt die Wirkung auf die Ursache, ein fest geschriebenes Regelwerk an Aktionen resultiert in einem bestimmten Resultat: Kabumm. Warum sollte die Magie in dem Fall also als etwas Besonders gelten, nur weil sie anderen Abläufen folgt? Sie ist Teil des Systems, an die Regeln des Systems gebunden und interagiert darin. Dementsprechend verliert sie ihre mystische Wirkung und sobald die nicht-Magischen längere Zeit damit zu tun hatten, wird das Ganze alltäglich und banal.
Für Urban Fantasy würde das ja bedeuten, dass wenn Magie auftritt, innerhalb kürzester Zeit Wissenschaftler die dahinterliegenden Gesetze erforschen würden. Im ersten Moment wäre wahrscheinlich schon eine panische Reaktion da, aber das Zwischenspiel zwischen Gesellschaft und Wissenschaft würde womöglich dazu führen, dass schon einfachste rationale Erklärungen die Magie quasi komplett entmystifizieren.

"Oh nein der Feuerball" "Waren Spezialeffekte" "Oh? Na dann"
"Oh nein, ein Dämon aus der Urzeit!" "Der? Das ist Karl, totaler Cosplay Fan" "Oh? Na dann"

Die Technologie ist heute an einem Punkt, wo vieles was vor hundert Jahren Magie war, mit Technologie erzielt werden kann. Globale Kommunikation, Chemie, selbstbetriebene Maschinen, Genmanipulation und der ganze Spaß. Dementsprechend würde ich fast argumentieren, dass wenn Magie in der Geschichte mystisch bleiben soll, der Kontakt zur anderen Welt denkbar gering sein soll. Das funktioniert im echten Leben ja auch, ich sage nur Landstraße mit Knick in Island2, weil unsichtbare Elfen dort wohnen sollen.
Wenn ich so an die typischen Urban Fantasy Romane denke, dann handeln sie fast immer von versteckten Gesellschaften, die allerlei Tricks anwenden damit um nicht entdeckt zu werden. Spontan fällt mir eigentlich nur Shadowrun aus dem Cyberpunk ein, wo Magie und Technologie gleich stark und öffentlich vertreten sind. Und da ist das Resultat auch, dass Magie alltäglich geworden ist. Ich denke das ist der ganze narrative Trick an der Sache. Magie in der heutigen Zeit kann gut funktionieren, aber jeder Kontakt mit der Außenwelt hat zugleich einen entmystifizierenden Charakter.

1 https://en.wikipedia.org/wiki/Clarke's_three_laws
2 http://www.nzz.ch/panorama/ein-land-nimmt-ruecksicht-auf-elfen-1.18211000

Maubel

Denamio, ich stimme dir da vollkommen zu, liebe es aber auch damit rum zu experimentieren.

Beispiel 1: Die oben erwähnte Entwicklung führt tatsächlich eines Tages dazu, dass die Magie alltäglich geworden ist. Das heißt, dann wird es sicher die Magie auch als Forschungsgebiet geben mit allen lustigen Unterarten wie Geomagie oder Magische Chemie - Experimentalmagie irgendwer?
Interessant wäre es auch, zu sehen, wie es sich im Alltag benutzen lässt, da nicht jeder - genau genommen wenige - mit dem Talent Magie zu manipulieren geboren werden. Ist das wirklich vergleichbar mit einer mathematischen Begabung, die man sich theoretisch anlernen kann? Es wird einen Haufen Gesetzesänderungen geben, um sicher zu stellen, dass Magie kontrolliert benutzt wird, nicht ausgenutzt wird und reguliert wird - Sagen wir so, unsere Welt wird danach nicht mehr die selbe sein, vielleicht vergleichbar wie die Industrialisierung. Ein paar Jahre wird es aber dauern, bis Magie tatsächlich entmystifiziert ist.

Beispiel 2: Eine reine Fantasywelt, die so hochmagisch ist, dass Magie den Alltag bestimmt. Es gibt keine Magier - jeder wird mit mehr oder weniger Begabung geboren. Magie ersetzt Technologie, es gibt zum Beispiel Gefrierschränke, die von Technikern gewartet werden müssen - nur dass die Techniker eben Eismagier sind und die Kühlschränke nicht mit Strom laufen, sondern Magie. In dem Fall ist Magie nichts mystisches für die Bewohner dieser Welt, aber durchaus für den Leser.
Hier war aber auch interessant, wie schnell man umdenken muss. Meine geliebten Charaktere mit Schwert und Rüstung kämpfen zu lassen, ist zum Beispiel blanker Unsinn gegen einen Feuerball - also muss die Hypermagische Welt weiter gesponnen werden - es gibt Techniken Magie in Metall einzuwirken (z.B. um Rüstungen zu durchbohren) etc. Wichtig war mir bei der Erschaffung aber auch, sie keinesfalls statisch zu machen. Die Universitäten forschen und machen auch während des Romans Entwicklungen, manchmal auch nur Weiterentwicklungen - andere Artens sind als altertümlich oder überholt abgetan und es gibt massive Qualitätsunterschiede.
Obwohl Magie in der Welt alltäglich ist, verliert sie für den Leser oder mich als Autor nichts von ihrer Faszination. Allerdings habe ich lange überlegt, ob ich es überhaupt Magie nenne und habe mich schlussendlich dafür entschieden, weil es eben nicht Physik ist oder Chemie und irgendeinen Sammelbegriff werden sie auch für diese alltägliche Kraft benutzen.

Churke

Zitat von: Denamio am 17. Februar 2016, 23:30:16
Da stellt sich die Frage, ob es Magie und Mystik überhaupt geben kann. Sobald die Zauberei etwas ist, das kontrolliert werden kann, dann fällt sie ja automatisch in das System der Welt hinein. Ich konstruier ein Beispiel was ich damit sagen möchte:

Da zitiere ich doch mal das Edikt vom 4. Dezember 356:

ZitatViele zaudern nicht, sich Zauberkünste herauszunehmen, in die Natur einzugreifen, das Leben Unschuldiger zu gefährden, und erlauben sich, durch Heraufbeschwören der Geister Unruhe zu stiften. Diese soll, weil sie außerhalb der Schöpfung stehen, die Geißel wilder Tiere vernichten.
- Mailand, Constantius II., Edikt vom 4. Dezember 356
Codex Theodosianus 9, 16,5

Übersetzung: Wer zaubert, wird an die Löwen verfüttert.

Der Grund dafür steht zwischen den Zeilen: "weil sie außerhalb der Schöpfung stehen". Zauberei bedient sich dämonischer Mächte und ist damit gegen Gottes Schöpfung gerichtet. Wenn man im Namen Christi über die Welt herrscht, muss man mit aller Schärfe gegen diese Umtriebe vorgehen.

Die "so what?" Haltung passt auf einen modernen, säkularen Staat. Es ist allerdings auch durchaus denkbar, dass ein moderner Staat magische Umtriebe als Kapitalverbrechen verfolgt, weil ER SELBST sie nicht kontrollieren kann.