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Viele Plotstränge, ein Auslöser - faules Schreiben?

Begonnen von TheMadZocker, 08. Februar 2018, 18:52:19

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TheMadZocker

Nach längerer Regenerationsphase endlich wieder gewillt zu schreiben. Für alle, die wissen, wovon ich spreche: Ja, mir geht's wieder besser. Danke für eure lieben Worte. :)

Na gut. Nachdem ich meinen alten Plot wieder über den Haufen geworfen habe, um einen neuen Ansatz zu finden, habe ich das Gefühl, mein Kopf ist entweder extrem faul geworden, oder denkt zu viel über Sachen nach, die eher kontraproduktiv wirken. Jedenfalls bin ich mir über die ganze Sache extrem unsicher, ob das wirklich eine gute Idee ist, oder ob ich damit nicht doch in ein zu tiefes Loch falle.
Und zwar sieht es zzt. so aus, als ob meine Antagonistin der Auslöser für alle Leidens- bzw. Plotstränge für meine Party aus good guys ist. Dies ist mir aufgefallen, als ich an der Geschichte von jedem meiner wichtigeren Charaktere gearbeitet habe, wovon es im Moment 5 wären - 4 Gute, 1 Böser. Warum diese Aufteilung? Weil einer der Guten mit dieser jenen bösen Person einen Verwandtschaftsgrad teilt und die Antagonistin also auf beide negative Auswirkungen hat.

Bei meinem aktuellsten Charakter, Argon sein Name, sieht es strukturell so aus: Die Protagonistin tötete im Rahmen eines Söldnerauftrags den Vater von Argon, woraufhin dieser versucht, die Mörderin zu finden. Sobald dies geschieht, erklärt er, er suche nach der Person, die seinen Vater tot sehen wollte, und nicht an der Mörderin selbst Rache üben. Er und sein Vater waren nämlich Soldaten, und stellten sich 1. darauf ein, dass sie eines Tages in einer Schlacht sterben könnten, oder 2. von einem Auftragskiller getötet werden könnten. Fernerhin appelierte er auf die Tatsache, dass er in einer Welt lebte, wo Hunderte, vllt. Tausende täglich durch eine Klinge starben und deswegen nicht nach der tötenden Hand suchte, um sich zu rächen, sondern lediglich Antworten und Gründe von der Person erfahren wollte, die den Auftrag zum Töten gab. (= wobei ich selbst beim 3. Punkt noch schwanke, ob dies eine berechtigte Erklärung wäre).
Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Alle Charaktere hätten einen Grund, die Antagonistin zu töten. Alle. Als ich mir andere Geschichten und Medien im Vergleich ansah, gab es so viele Charaktere die alle andere, schöne und gut vielfältige Gründe hatten, dem/der Proitagonist/in zu folgen, z.B. aus einfacher Loyalität, Sympathie zu einem anderen Charakter, der Wille zu beschützen, gemeinsame Wege mit unterschiedlichem Ziel, Liebe, erzwungene Umstände durch z.B. Todesangst, auf den Gefallen eines Freundes hin, etc. Und da dachte ich mir, wieso muss mein Hirn so sein und Erklärungen dafür suchen, lediglich diesen einen Feind als Hauptziel für jeden zu haben? Ferner stellte ich mir auch die frage, ob das ungewöhnlich ist oder nicht, und ob das faules/unkreatives Schreiben sei? ???

Maja

Ich habe ein bisschen überlegt, ob du mit deiner Fragestellung richtig bist bei "Autoren helfen Autoren", und bin dann zu dem Schluss gekommen, dich doch besser in den Workshop zu schieben. Du hast eine spezifische Frage, die mit deinem Plot zusammenhängt, aber du suchst mehr nach einer allgemeinen Antwort - wie gehen andere Autoren an diese Sache ran? Darum denke ich, im Workshop bist du damit besser aufgehoben.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

TheMadZocker

Zitat von: Maja am 08. Februar 2018, 20:06:04
Ich habe ein bisschen überlegt, ob du mit deiner Fragestellung richtig bist bei "Autoren helfen Autoren", und bin dann zu dem Schluss gekommen, dich doch besser in den Workshop zu schieben. Du hast eine spezifische Frage, die mit deinem Plot zusammenhängt, aber du suchst mehr nach einer allgemeinen Antwort - wie gehen andere Autoren an diese Sache ran? Darum denke ich, im Workshop bist du damit besser aufgehoben.

Ich verstehe, vielen Dank!

Trippelschritt

#3
Ich sehe in Deinem Plotansatz überhaupt kein Problem. Die Spannung in einer Geschichte geht vom Plotstrang oder von den Plotsträngen aus und von den Figuren, aber kaum aus dem Anlass. Der setzt die Sache nur in Gang. Und aus Kriminalromanen ist die Situation: "Jeder kann der Mörder sein." sehr bekannt. Faules Schreiben? Muss ganz und gar nicht, wenn jede Figur einen eigenen charakter hat, ein eigenes Motiv und die jeweiligen Plotstränge eigene Spannunngskurven aufbauen.

Viel Erfolg
Trippelschritt

Dämmerungshexe

Ich würde das nicht als "faul" betrachten. Eher schiene mir der Versuch, verschiedene Auslöser zu finden etwas verkrampft. Wenn es sich bisher nicht aus der Arbeit am Projekt und mit den Figuren nicht anders ergeben hat, und auch sonst keine Plotlöcher oder so dadurch entstehen, nehme ich an, dass es so passt. Ich denke sogar, dass es durchaus spannend sein kann, wenn sich die Plotstränge auf diese Art miteinander verknüpfen und man als Leser sehen kann, wie die verschiedenen Charaktere mit dem "gemeinsamen Ziel" umgehen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

PBard

Ich würde das auch überhaupt nicht als "faul" betrachten - sondern als große Chance, vielleicht sogar ein paar Reibungspunkte zwischen den Charakteren einzubauen.

Ehrlich gesagt finde ich zB eher die Lösung des "Mitmachen aus Loyalität" oft sehr gekünstelt, wenn aber jede Figur tatsächlich von sich aus einen guten Grund hat, auf Seite des "Guten" mitzumischen, dann fühlt sich das potenziell schon mal sehr natürlich an, denn der Mensch ist eben von Natur aus ein Egoist. Das ist entgegen der üblichen negativen Konnotation in gesundem Rahmen auch durchaus etwas Positives - hält ihn von selbstzerstörerischen Tendenzen ab und treibt ihn zum Verwirklichen seiner Ziele. Und einen persönlichen Grund für etwas zu haben bedeutet ja nicht automatisch, daß diese Charaktere nicht dennoch loyal, beschützerisch, verängstigt oder verliebt sein können.

Ein gemeinsames Ziel bietet aber auf jeden Fall schon mal einen guten Anknüpfungspunkt, aus dem heraus sich eben diese Dinge dann ganz selbstverständlich entwickeln können. Oder eben auch Konflikte, wenn Leute durch ein gemeinsames Ziel zusammengeschweißt werden, obwohl sie charakterlich eigentlich nicht zusammenpassen. Schönes Konfliktpotenzial.

canis lupus niger

#6
Wie die geschätzten Vorposter auch, finde ich Deinen Plotansatz gar nicht so übel. Argons Motivation ist absolut nachvollziehbar und was soll es mit Faulheit zu tun haben, wenn das verbindende Element für die Protagonisten der individuelle Grund ist, gegen den Antagonisten vorzugehen?  Ich finde das im Gegenteil sogar ziemlich gut. Verfolge das ruhig weiter.  :jau: Darüber hinaus gehende Gemeinsamkeiten und Beziehungen (Loyalität, Beschützerinstinkt, Romantik, uvm.) zueinander kannst Du ja im Verlauf der Geschichten noch entstehen lassen.

TheMadZocker

Alles klar, ich bedanke mich für die vielen Antworten.

@Trippelschritt
Da ist was dran. Mit den Charakteren mitzufühlen und ihre Gefühle und Weltanschauungen zu verstehen gehört für mich mitunter zu den wichtigsten Aspekten des Storytelling. Jedoch bemerkte ich nicht nur ein Mal, wie etwas 'billig' rüberkam; das Letzte, was ich von anderen hören möchte, ist, wie 'klischeehaft' eine Stelle doch sei. Ich habe nicht mit vielen Schreibern Kontakt, aber alle, die ich aus diesem kleinen Kreis kenne, erzählen mir etwas ähnliches. Das beste Beispiel für 'billiges' Writing, was mir aus dem Stehgreif heraus einfällt, sind die Dialoge aus der Serie 'Green Arrow'. Alle fangen mit einem plotrelevanten Auslöser an, wie erwartet. Und viele dieser Gespräche wirken zu Beginn noch recht dynamisch, normal. Aber nach 2 Sätzen werden die Gespräche ernster, wirken im weiteren Verlauf viel weniger dynamisch und natürlich, werden irgendwann auch pseudo-poetisch, sodass ich mich atmosphärisch wieder direkt vor meinem Computerbildschirm wiederfinde, statt mit den Charakteren mitzufiebern. Sicher wird jeder mal zum Dichter, sollte die Sache ernster werden. Aber in jeder Folge?
Und eine ähnliche Sorge befand sich auch in mir, wo ich offensichtliche Klischees unbedingt verhindern wollte. Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, ganz entfliehen kann man ihnen nicht und viele kann man auch kreativ auflösen. Aber was ich gar nicht ab kann, sind diese Bösewischte, die sich am Ende mit rausgestreckter Brust auf eine erhöhte Position stellen und mit zugehaltener Nase sagen: "HaHAA, es war die ganze Zeit ICH, der all diese genialen Pläne geschmiedet hat, um euch irgendwann vor mir zu wissen. Alles läuft nach Plan! Und jetzt, wo alle Helden hier sind, werde ich auch erst jetzt anfangen, die Welt ins Chaos zu stürzen! HaHAA!" - Uuh, krasser Plot Twist, haste guuut gemacht... :no:


@Dämmerungshexe
Stimmt. Beim Versuch, neue Gründe zu schmieden, hat es sich irgendwie komisch angefühlt. Denn gerade als ich die Vergangenheit für die Antagonistin schrieb, stach heraus, dass alle derzeitigen Helden mit Personen in Kontakt standen, die auch die Antagonistin kannten. Ich finde, dadurch wirkt es sogar noch recht dynamischer und bietet damit womöglich auch eine Vorlage für ein 2. Band, was die Vergangenheit beleuchten könnte.


@PBard
Tatsächlich sind mir schon einige Dialoge in den Sinn gekommen, die die Charaktere führen könnten bzgl. ihres gemeinsamen Ziels.

Fast alles kann gekünstelt wirken, wenn man es schön verhaut. Das Beispiel "Loyalität" entnahm ich auch aus einer Geschichte, wo ein Ritter seiner Prinzessin ewige Loyalität versprach und meinte, es wäre das einzig Richtige, sie zu beschützen. Natürlich bevor ihn noch weitere Gewissensbisse plagten und sich fragte, ob ihm im Leben nicht mehr vergönnt sei, als einfach nur die Befehle seiner Majestät (der Königin) zu befolgen.
Sich mehrere Charakteristika anzueignen ist wahrlich nicht befremdlich; man kann mehr als nur eine Motivation haben, weiterzumachen. Die Rasse, die ich schreibe, ist in Bezug auf Egoismus anders eingestellt, aber die Sorgen, Fehler und Gedanken sind menschenähnlich.

Letzterem stimme ich zu, dem ist nichts hinzuzufügen. :)


@canis lupus niger
Vielen Dank.
Ich hatte die Annahme, einen Weg zu wählen, alle Charaktere und ihre Auslöser einzig und allein mit der Antagonistin zu verbinden, wäre eine faule Maßnahme, um nicht auf weitere Charaktere, Umgebungen, Ziele, etc. eingehen zu müssen und es irgendwann zu selbstverständlich werden würde, sollten alle ihr Hauptaugenmerk auf diesen einen, alleinigen Auslöser richten, der (wie oben beschrieben) klischeehaft und stolz behauptet, er hätte das alles geplant und vorausgesehen, um seinen Mega-Super-Hitzig-Bösen Plan zu verwirklichen.
Diese zusätlichen Charakteristika und Motivationsansätze sollten sich eigentlich von allein in der Geschichte wiederfinden, gerade die Liebe, da bin ich zuversichtlich. :jau:



Wenn ich mir das so überlege, wären die verschiedenen Stränge gespinnt wie ein Spinnennetz, wo ein Punkt der Anfang wäre, die vielen Fäden die Pfade, die die Charaktere gehen, um sich am Ende wieder zusammenzufinden, am gemeinsamen Ziel. Eine schöne Verbildlichung, wenn ich das so sagen darf. Ich denke, bei den ganzen ausschweifenden Fäden können auch so wundervolle Nebengeschichten und plotrelevante Handlungen abspielen, wo jeder seine Gedanken und Gefühle in Herz und Kopf behalten, wie inen Schatz, um am Ende Erlösung zu finden.
Aber ich frage mich gerade... Ich weiß in etwa, wie eine Spannungskurve auf- und wieder abgebaut werden kann. Aber gelten selbige Aspekte auch für die Charaktere? Und wie könnte man sie effektiv einsetzen, sodass keiner der Chars ihre Relevanz verliert? Laufen alle Spannungskurven der Chars parallel mit der Spannungskurve der Geschichte, oder kann/sollte man sie irgendwie aufteilen in Charakter-Arks? Nicht selten erlebe ich, wie Charaktere gegen Ende uninteressant werden, weil sie keine prägende Rolle mehr einnehmen und am Ende als "Zusatz" angesehen werden könnten, die einfach nur stumpf ihrer Motivation bis zum Ende folgen. Gibt es da ein System, was man verwenden könnte?

canis lupus niger

Zitat von: TheMadZocker am 09. Februar 2018, 21:29:24
Aber ich frage mich gerade... Ich weiß in etwa, wie eine Spannungskurve auf- und wieder abgebaut werden kann. Aber gelten selbige Aspekte auch für die Charaktere? Und wie könnte man sie effektiv einsetzen, sodass keiner der Chars ihre Relevanz verliert? Laufen alle Spannungskurven der Chars parallel mit der Spannungskurve der Geschichte, oder kann/sollte man sie irgendwie aufteilen in Charakter-Arks? Nicht selten erlebe ich, wie Charaktere gegen Ende uninteressant werden, weil sie keine prägende Rolle mehr einnehmen und am Ende als "Zusatz" angesehen werden könnten, die einfach nur stumpf ihrer Motivation bis zum Ende folgen. Gibt es da ein System, was man verwenden könnte?

Jede Einzelgeschichte muss ihren eigenen Spannungsbogen haben, der widerum ein Teil des gesamten Spannungsbogens der Sammlung/der Gesamtgeschichte ist. Jeder Hauptcharakter muss seinen eigenen Hintergrund, seine eigene Motivation haben, seine eigene Art, mit dem auslösenden Bösen, der Spinne in Zentrum des Netzes umzugehen. Uninteressant darfst Du Deine Charaktere halt nicht werden lassen. Das ist die Kunst dabei. Lass sie nicht stumpf ihren Motivationen folgen, sondern lebendig, engagiert, verzweifelt, hasserfüllt, verliebt, optimistisch, resigniert oder fatalistisch, aber niemals stumpf.