Zum Thema Marketingagentur. Dieser Autor hat sich ein Bein ausgerissen und die Webseite mit seinem Fantasy-Epos ist nicht mal mehr erreichbar.
Ich komme noch auf die Seite. Sie sieht allerdings aus, als wäre sie seit Jahren nicht gewartet worden. Und auch wenn der Autor ein erfahrener Drehbuchautor war/ist, denke ich nicht, dass er das Sujet "Fantasy-Roman" gut beherrscht oder versteht. Die Cover sind grauslich. Den Plot, so wie er auf der webseite zusammengefasst wird, hat man schon n-mal gehört (junge Jäger erfährt überraschend, dass er der Auserwählte ist). Und in dem verlinkten Artikel ist ein Satz für mich ein rotes Tuch "Innerhalb weniger Wochen wuchs die Reihe auf 14 Bände an". Man kann 14-bändige Zyklen schreiben. Man kann auch schnell gut schreiben. Aber man darf nicht versuchen, ausgerechnet mit einem Vierzehnteiler den Markt zu erobern, ohne damit baden zu gehen.
Das sind, grob gesagt, alle Anfängerfehler auf einem Haufen. Und ein Verlag oder eine Agentur hätten ihm den Zahn schnell gezogen. Bei Mehrteilern muss man beachten, dass sich jeder Band schlechter verkauft als sein Vorgänger. Niemand steigt mit Band 11 ein, und die, die es versuchen, verstehen nur Bahnhof. Egal wie gut das Marketing ist - man kann keinen Vierzehnteiler machen, ohne sein Geld zu versenken.
Als meine Agentur mich neu hatte, war sie noch jung, enthusiastisch, und ein bisschen unerfahren. Sie haben mich unter Vertrag genommen mit einem Mehrteiler, dessen Umfang ich mit "Voraussichtlich zehn Teile, die ersten vier sind fertig" angegeben haben. Es waren vier tolle Teile, kein Zweifel, aber alle Verlage haben uns das gleiche gesagt: Zu umfangreich für einen No-Name. Es hat uns Türen geöffnet, und ich habe schließlich eine Trilogie verkaufen können. aber da war der Verlag sehr eindeutig: Mehr als Trilogie is nich.
Was mache ich mit meinem Mammutwerk? Erstmal irgendwann dran weiterschreiben, es liegt seit Jahren auf Eis. Und sollte der Zyklus irgendwann fertig werden, dann ist das doch eher ein typischer Selfpublishing-Kandidat, es sei denn, ich werde wirklich noch mal motzbollerisch erfolgreich. Für die Entscheidung, was man als Fantasyautor sein will, Selfpublisher oder Verlagsautor, ist daher auch die Frage nach dem Umfang des Werkes und dem jährlichen Titelausstoß entscheidend. Das eine sind die erwähnten Mehrteiler - das allealleräußerste, was man einen Verlag geben kann, und auch nur, wenn man vorher etwas anderes veröffentlich, sind fünf Bände. Dann ist Sense. Alles, was mehr Teile hat als das: Mach es selbst. Und selbst dann rechne damit, die Unkosten wieder reinzukommen.
Das andere ist die Anzahl der Bücher, die du veröffentlichen möchtest. Fünf Bücher im Jahr schreiben, die beiden besten auswählen und Verlagen anbieten (oder alle fünf anbieten und hoffen, dass zwei genommen werden). Aber kein großer Verlag macht mehr als ein, maximal zwei Bücher mit einem Autor pro Jahr. Kleinverlage haben da manchnal eine höhere Taktung mit ihren Haus-und-Hofautoren, aber bei den großen muss man sich beschränken. Selbstverleger hingegen machen manchmal ein Buch pro Monat, und ihre Leser erwarten dann auch eine derartige Frequenz, während Verlage vermeiden wollen, dass eine Übersättigung stattfindet.
Man muss an der Stelle auch bedenken, dass ein Buch in einem Verlag eine deutlich längere Vorlaufzeit hat und deutlich mehr Zeit im Lektorat verbricht. So viele Lektoratsdurchgänge, wie mein "Kettlewood" hatte, bis sowohl meine Lektorin als auch ich es für fertig erklärt haben, hätte ich mir als Selfpublisherin niemals leisten können. Die meisten Selfpublisher spendieren ihrem Buch zumindest ein Korrektorat, manche legen auch eine sprachliche Redaktion drauf, aber in dem halben Jahr, das Kettlewood im Lektorat verbracht hat, hätten viele Selfpublisher wahrscheinlich drei Bücher schreiben und veröffentlichen können (ganz zu schweigen von den dreieinhalb Jahren, die meine "Fälscher" jetzt im Lektorat sind, aber das ist kein typischer Fall, sondern das, was passiert, wenn Autorin und Lektor beide nicht in den Quark kommen)
Und dann ist das noch (
@Protoxin) der Elefant im Raum: Es geht um deinen Erstling. Den Erstling fertig schreiben, Überarbeiten, Aufpolieren und einer Agentur oder gleich dem Verlag anbieten: Gute Sache, mach das. Es ist eine Möglichkeit, einen Eindruck zu hinterlassen, an den man später anknüpfen kann - wenn man das dritte, vierte, fünfte Buch anbietet. Ich kenne viele Autoren, die in Verlagen veröffentlicht worden sind. Ich kenne niemanden, der es geschafft hätte, seinen ersten fertigen Roman zu verkaufen (spätestens drei Bücher später möchte man das dann auch gar nicht mehr)

Aber: Trotzdem versuchen.
Ich habe meinen Erstling 1997 fertiggestellt. Bis 1999 hatte ich ihn dann so weit überarbeitet, dass ich bereit war, es zu wagen. Ich habe Exposee und die ersten dreißig Seiten an meine beiden Traumverlage geschickt. Der eine hat sehr freundlich abgesagt, weil sie schon einen Titel mit ähnlicher Thematik in Vorbereitung hatten (habe ich erst für eine Ausrede gehalten, stimmte aber tatsächlich - Verlage haben keine Ausreden nötig, wenn sie eine Absage verschicken). Der andere Verlag war Klett-Cotta, und die damalige Lektorin hat allen Ernstes das Gesamtmanuskript angefordert - für einen unverlangt eingesandten Erstling, wohlgemeint! Natürlich ist es am Ende doch eine Absage geworden, das Buch hatte einfach noch zu viele strukturelle Schwächen.
Aber damit hatte ich meinen ersten Eindruck hinterlassen. Zehn Jahre später hat meine Agentur dem Verlag dann meinen Zehnteiler angeboten. Wieder eine freundliche Absage: Die Schreibe gefällt, aber gute Güte, dieser Umfang! Nächster Versuch, 2012: Falsches Genre. Dann sagte der Lektor "Aber die Frau Ilisch schreibt ja auch High Fantasy. Kann ich da nochmal was sehen? Einteiler oder Trilogie, bitte". Habe meinen Lieblingsroman eingereicht, Einteler, achthundert Seiten. Anderthalb Jahre gewartet. Der erwarteten Absage (nach anderthalb Jahren war klar, Lektor ist nicht geflasht) vorausgegriffen, ersten Band der Trilogie poliert, Exposee für Band zwei und drei aufgesetzt, und am Ende wirklich den Vertrag bekommen.
Es lohnt also immer, es zu versuchen. Auch wieder und wieder, wenn man dazwischen ein bisschen Zeit verstreichen lässt. Wenn du es mit den Verlagen wagen willst: Such eine Agentur. Bereite dich auf Enttäuschungen über Enttäuschungen vor, auf endlose Wartezeiten und noch mehr Enttäuschung. Und das ist noch, bevor jemand auch nur daran interessiert ist, dich zu fressen.

Wenn du jetzt veröffentlichen willst, sofort, und nicht erst in fünf bis zehn Jahren: Tu es im Alleingang. Aber sei gewarnt, dass dein Erstling vielleicht einfach noch nicht so gut ist wie dein Zehntling.