Hallo Jen,
nachdem ich die letzten Tage nach einer Ewigkeit doch mal wieder ausprobiert habe, ob ich überhaupt noch was zu Papier bringe, bin ich jetzt auch mal wieder in den Tizi zurückgekehrt und möchte mich für die Liste herzlich bedanken. Wenn man selbst blind ist und die Körpersprache anderer Menschen nur sehr bedingt mitbekommt, ist es manchmal echt nicht so einfach, sich Gesten und Haltungen zu überlegen. Ich denke manchmal, dass meine Figuren recht arm an nonverbalen Signalen sind

Und ich habe mich ungelogen jahrelang gefragt, ob schwarzhäutige Menschen denn überhaupt erblassen können

Zwei Dinge möchte ich aber noch loswerden. Zum einen denke ich, dass man die Gesten mit Bedacht einsetzen muss, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass dem "Ottonormalverbraucher" das alles auffällt, was du da aufgelistet hast. Das mit den übereinandergeschlagenen Beinen z. B., ob das obere Bein zum Gesprächspartner hin- oder von ihm wegzeigt, davon habe ich noch nie zuvor gehört und kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass das beim Gesprächspartner wirklich als so ablehnend aufgefasst wird. Gleichzeitig treten ja Haltungen oft als Kombination auf und nicht isoliert, und daran erkennt man es vermutlich schon.
Zum anderen ist es so, dass das Spiegeln von Verhalten auch bewusst als Manipulation eingesetzt werden kann, wenn man davon weiß. Wenn man sich sympathisch ist, das stimmt, dann gleicht man Körperhaltungen und Verhaltensweisen an - ich kann mich z. B. erinnern, dass ich mal bei einem Date anfing in meinem Kaffee zu rühren, als mein Gesprächspartner das auch tat. Das war aber zunächst unbewusst, obwohl ich über das Phänomen Bescheid weiß, und fiel mir erst während des Rührens auf

Das kann man aber nutzen, weil es Beziehungsaufbau stärkt, und nicht nur im klassischen Sinne, sondern durchaus z. B. auch bei Verhandlungen oder so.
Und jetzt fällt mir tatsächlich noch was drittes ein. Im Allgemeinen heißt es ja, dass auch blinde Menschen Mimik und Gestik verwenden, obwohl sie das nie gelernt haben. Das deutet darauf hin, dass das ein Stückweit genetisch vorprogrammiert ist. Ich habe aber bereits die Erfahrung gemacht, dass ich als blinde manchmal anders reagiere als Sehende es erwarten. Beispielsweise hatte ich eine ganze Zeitlang mal die Marotte, dass ich immer meine Augen zusammengekniffen habe, während ich über etwas nachgedacht habe, was mir jemand erzählt hat. Ich habe dann von verschiedenen Leuten Feedback bekommen, aus dem hervorging, dass sie das nicht richtig verstanden haben. Es hat eher Irritation erzeugt und ich musste es häufig erklären. So etwas kann interessant sein, wenn man über verschiedene Völker schreibt, wo die Körpersprachen sich unterscheiden. Eine andere Marotte war, dass ich, wenn mir jemand etwas über sich erklärt hat mit der Hand so eine Art Griffbewegungen gemacht habe, also ich habe meine Faust immer auf- und zugemacht. Das war total unbewusst, bis mir eine Selbsterfahrungskameradin in der Psychotherapieausbildungmal das Feedback gegeben hat, dass ihr das zwar aufgefallen ist, weil sie das noch nicht von anderen kannte, dass sie das aber total angenehm fand, weil sie das Gefühl hatte, ich würde aktiv versuchen zu begreifen (sozusagen im wörtlichen und im übertragenen Sinne), was sie mir erklären wollte.
Das mal mein Senf zur Thematik.
LG und allen ein schönes neues Jahr
Sanjani