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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Alina

Vielen Dank für Eure Beiträge! Ich habe mich mit diesem Problem schon eine Weile herumgeschlagen und finde es jetzt sehr spannend, Eure Standpunkte und Erfahrungen zu dem Thema zu lesen.

Durch die Diskussion ist mir klarer geworden, wo das Problem genau liegt und auch, was ich selbst eigentlich möchte. Für mich ist es schon wichtig, dass deutlich wird, dass Prota 1 ein Mistkerl ist.  Er selbst hält sich aber nicht für einen Mistkerl, sondern ist ziemlich von sich eingenommen.
Wenn ich jetzt noch eine zweite Perspektive dazunehmen, kann ich erstens besser herausstellen, dass Prota 1 sich danebenbenimmt, und zweitens habe ich dann einen  Sympathieträger. Ich denke, ich mache das jetzt so, dass ich den Handlungsstrang aus beiden Perspektiven erzähle, mal sehen, was dabei herauskommt.

Dass Prota 1 zum Ende hin eine Wandlung durchmacht, finde ich nach wie vor eine gute Sache. Das muss ich noch ein bisschen sacken lassen, wie ich das am besten umsetze.

Vielen Dank für Eure Unterstützung! Ihr habt mir sehr weitergeholfen. Ich plotte jetzt erst mal weiter.

Trippelschritt

Zitat von: canis lupus niger am 08. Juni 2017, 18:47:24
Ich finde abweichend von Dir, @Trippelschritt, dass man das aus der Ichperspektive besonders gut darstellen kann. Durch die Innenschau kann der Leser unmittelbar am persönlichen Wertesystem des Prota teilhaben, ohne dass der Autor erst umständlich den persönlichen Werdegang schildert, der den Prota zu dem gemacht hat, was er ist. Er ist halt so wie er ist, nämlich ein A**** und steht dazu. Er stellt dem kleinen Mädchen ein Bein, weil er es für eine lästige kleine Kröte hält und es dafür bestrafen will, denn es hat schon die ganze Zeit mit schriller Stimme rumgekreischt und ihm dadurch seine Mittagspause verdorben. Der Leser nimmt durch die Augen und Ohren des Prota, gefiltert durch dessen Gehirn, die Welt so wahr, wie dieser sie selber sieht.

Ähnlich wie der viel zitierte Loki aus den Thor- und Avengers-Verfilmungen kann er trotzdem einen großen Fankreis gewinnen. Ein Antiheld handelt so "arschig", wie mancher Leser das vielleicht auch gerne mal tun würde.

Ein anderes Beispiel aus der ersten Folge der ersten Staffel von "Luzifer" (wenn auch nicht in Ich-Perspektive): Die Polizistin, zukünftige Partnerin Luzifers nimmt ihn notgedrungen mit zur Schule ihrer Tochter. Während die Mutter mit der Schulleiterin redet, lernt Luzifer das kleine Mädchen kennen. Er mag keine Kinder.
"Wie heißt du?"
"Ich heiße Luzifer."
"Wie der Teufel?"
"Genau."
"Ich heiße Teresa, aber Mami nennt mich Trixi."
"Trixi ist ein Nuttenname!"
Mutter kommt
"Mami, was ist eine Nutte?"
"Frag deinen Vater!"
In dem Moment ist der Prota ziemlich arschig für meinen Geschmack. Trotzdem muss man diesen absolut ungenierten A**** einfach gern haben.

Leb doch einfach mal alle Schlechtigkeit aus, @Alina, die Du in Dir finden kannst. Lass Deinen PoV zynisch sein, menschenverachtend, lass ihn dreckig grinsen, wenn er dem kleinen Mädchen ein Bein gestellt hat, und es richtig fies hingefallen ist. Finde Spaß an dem, was der Mistkerl macht, dann findest Du auch Spaß an dem Mistkerl selber, was Dir hilft, ihn trotzdem sympathisch darstellen zu können.

Wenn Du den Antihelden aus der Ich-Perspektive darstellst, dann machst Du ihn beinahe automatisch zum Protagonisten und hast jede Menge Schwierigkeiten mit der Figurenidentifikation. Aber selbstverständlich geht das. Und es geht auch gut. Aber nur, wenn Du weißt, wie Du so etwas schreiben musst, damit der Leser Dir folgt. (Loki im Film trägt nicht die Ich-Perspektive. Zumindest nicht in Film 1. Gab es mehrere? Weiß nicht mehr.)

"Beinahe automatisch" habe ich gesagt. Es ist sicherlich auch möglich, den Protagonisten aus der persönlichen Er/Sie-Perpektive zu behandeln und den Antagonisten in der Ich-Perspektive. Aber wenn Dir das gelingt, ohne dass der Prota dabei untergeht, und wenn der Plot stimmt, dann garantiere ich Dir beinahe einen Bestseller. Denn das setzt dem Schwierigkeitsgrad, den Liam Hearn gewählt hat, noch einen drauf.

Liebe Grüße
Trippelschritt
(so weit sind wir gar nicht auseinander)

Dämmerungshexe

Zitat von: Trippelschritt am 09. Juni 2017, 13:39:58

Wenn Du den Antihelden aus der Ich-Perspektive darstellst, dann machst Du ihn beinahe automatisch zum Protagonisten und hast jede Menge Schwierigkeiten mit der Figurenidentifikation.


Ein Antiheld muss ja kein Antagonist sein - Antagonist heißt ja nur, dass die entsprechende Figur dem Willen des /der Protagonisten/in entgegen steht. Und auch ein Antagonist kann ein POV sein. Sogar in Disney-Filmen bekommen sie meist eine eigene Perspektive und die Rezipienten damit Einblick in ihre Motivation. Und so lange diese Motivation sich in einem logischen Rahmen bewegt, sehe ich eigentlich keine allzu großen Probleme mit der Identifikation - jeder von uns hat mal moralisch nicht einwandfreie Anwandlungen. Nur meist überschreiten wir eine gewisse Grenze nicht oder nicht so schnell. Die Kunst einen Antagonisten trotz seiner amoralischen Handlungen zur Identifikationsfigur zu machen liegt darin, dem Leser die Überwindung der Grenzen erfahren zu lassen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

canis lupus niger

#453
Zitat von: canis lupus niger am 08. Juni 2017, 18:47:24
Er ist halt so wie er ist, nämlich ein A**** und steht dazu. Er stellt dem kleinen Mädchen ein Bein, weil er es für eine lästige kleine Kröte hält und es dafür bestrafen will, denn es hat schon die ganze Zeit mit schriller Stimme rumgekreischt und ihm dadurch seine Mittagspause verdorben.
Ich hasse es, wenn mich die Realität einholt.  :'( Das musste ich jetzt mal loswerden.
https://de.nachrichten.yahoo.com/t%C3%A4ter-von-arnschwang-galt-als-gemeingef%C3%A4hrlich-172942065.html


Zitat von: Trippelschritt am 09. Juni 2017, 13:39:58
(Loki im Film trägt nicht die Ich-Perspektive. Zumindest nicht in Film 1. Gab es mehrere? Weiß nicht mehr.)
Im Film kann ich mir die Ich-Perspektive gar nicht vorstellen. Höchstens über einen Sprecher im Hintergrund oder so. Aber Du hast natürlich Recht. Und, ja, es gab mehrere Filme.

Churke

In dem Zusammenhang Schurke als Sympathieträger möchte ich auf die Gangster-Serie "Peaky Blinders" hinweisen, deren 3. Staffel dieser Tage auf Arte läuft.
Sie nennen sich "Peaky Blinders", weil sie ihren Gegnern mit Rasiermessern die Augen aufschlitzen. Richtig nette Jungs also.  ::)
Es wird erpresst, geraubt, geprügelt, gemessert und erschossen. Trotzdem gelingt es der Serie, Thomas Shelby, den Boss der Peaky Blinders, als Sympathieträger aufzubauen. Thomas besitzt eine Reihe bewundernswerter Charaktereigenschaften wie Mut, Intelligenz, unbedingte Loyalität. Er ist ein Frauenschwarm, fängt aber nur etwas an, wenn er die Frau wirklich liebt.
Hinsichtlich seiner Geschäfte behilft sich die Serie eines Tricks: Thomas legt sich grundsätzlich nur mit richtig fiesen Typen an, die in der Nahrungskette weit über ihm stehen.


Trippelschritt

@ Dämmerungshexe: Ich befürchte, wir reden aneinander vorbei. Mittlerweile scheint mir Du meinst eine von Szene zu Szene wechselnde Er/Sie Perspektive, wenn Du von PoV sprichst. Und das ist in der Tat überhaupt kein Problem. Bei dieser Spielart kann der Autor sich in den Kopf einer jeden Figur begeben, weil er ja auch nicht lange darin bleibt. Ich hingegen sprach immer von der Hauptperspektive des ganzen Romans.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Dämmerungshexe

Nein, Trippelschritt, ich meine schon das gleiche wie du - POV kann wechseln aber auch den ganzen Roman über gleich bleiben und in beiden Fällen bei einem Antihelden oder moralisch fragwürdig handelnden Protagonisten liegen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Lothen

#457
Also, wenn das Erzählen aus einer moralisch fragwürdigen Perspektive tatsächlich grundsätzlich ein Problem wäre, hätte ich gerade schon zwei Romane in den Sand gesetzt, meinem Debüt eingeschlossen. ;D Da es noch nicht draußen ist, kann ich das nicht beurteilen, aber bislang habe ich nicht das Gefühl, dass sie total daneben sind.

@Churke : Klingt nach einer ziemlich coolen Serie. ;D Einen ähnlichen Effekt hat man auch bei "House of Cards" (da hat der Prota sogar so was wie eine Ich-Perspektive, weil er z.T. direkt mit dem Zuschauer spricht). Der Prota ist ein eiskalter, skrupelloser Politiker, der intrigiert, Leute bescheißt, das Gesetz bricht und sogar Morde begeht, aber man kann sich trotzdem irgendwie immer mit ihm und seinen Zielen identifizieren. Ich hab darüber sogar mal einen Blog-Eintrag geschrieben, also über die Frage, wie man psychopathischen Charakteren sympathische Züge verleihen kann. Falls es jemanden interessiert: Klick

Literarisch findet man den Effekt z.B. bei Abercrombie. Keiner seiner Protagonisten ist ein Chorknabe, im Gegenteil, die sind alle ziemliche Charakterschweine, aber trotzdem fand ich jede Perspektive unheimlich spannend und die meisten Figuren auch auf irgendeine Art sympathisch.

Trippelschritt

#458
@ Dämmerungshexe. Dann muss ich passen. Außer den Büchern von Hearn fällt mir auch kein anderes ein, wo mit einem deutlichen Perspektivwechsel zweier Hauptcharaktere gearbeitet wurde. Und das war damals beinahe schon eine kleine Revolution. Wohl kenne ich jede Menge Bücher, - meine eigenen gehören auch dazu - wo bei mehreren wichtigen Figuren je nach Bedarf und Einzelerzählstrang die Perspektive gewechselt wird. Der Antagonist als Erzbösewicht ist selten dabei. Protagonisten, die von Grund aus schlecht oder charakterschwach sind eignen sich schlecht zum Protagonisten wegen der von mir erwähnten Schwierigkeiten mit der Identifikation. Unmöglich ist es aber nicht.
Vielleicht kannst Du mir ein paar Beispiele geben, von denen ich vielleicht durch Zufall eines gelesen habe. Und wenn nicht, kann ich es ja nachlesen.

@ Lothen
Über eine moralisch fragwürdige Perspektive (Du meint wahrscheinlich Figur) rede ich ja nicht. Moralisch fragwürdig bietet ja gerade die Möglichkeit einer Auseinandersetzung und Entwicklung. Das ist nicht so schwierig wie etwas das a. bereits feststeht und b. ganz klar negtiv ist.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Lothen

#459
Zitat von: TrippelschrittProtagonisten, die von Grund aus schlecht oder charakterschwach sind eignen sich schlecht zum Protagonisten wegen der von mir erwähnten Schwierigkeiten mit der Identifikation.
Ich tue mich hier mit deiner Verallgemeinerung etwas schwer, Trippelschritt, denn ich sehe das überhaupt nicht so. Weder als Leser, noch als Autor. Im Gegenteil, ich tue mich schwer, mich mit moralisch total einwandfreien Figuren zu identifizieren, ich finde die mit charakterlichen Schwächen und moralischen Unzulänglichkeiten sehr viel authentischer.

Ich gucke mal gerade meinen Bücherschrank für ein paar Beispiele durch.

Romane, in denen der Antagonist eine Perspektive hat:

  • Die Stadt am Kreuz von Rafaela Creydt
  • Caesario Aero von Luzia Pfyl
  • Schwarzstein und Königin von Helen B. Kraft
  • Roter Drache von Thomas Harris (glaube ich, da bin ich mir nicht mehr ganz sicher)
  • Shining von Stephen King (wobei hier die Trennung zwischen Prota und Anta schwierig ist)
  • Herr der schwarzen Schatten von Caririel Ari
  • Kriegsklingen und die Fortsetzungen von Joe Abercrombie (hier ist Trennung in Prota und Anta auch schwierig, aber einzelne Parteien agieren zumindest konträr)
  • Jeder meiner Romane, bei mir hat der Anta immer auch eine Perspektive :D

Bei den Harry-Potter-Büchern gibt es auch Passagen aus der Perspektive von Voldemort oder einem seiner Anhänger (in den späteren Romanen), soweit ich mich erinnern kann. Ich kenne auch eine Reihe Thriller oder Krimis, bei denen der Täter eine Perspektive hat (z.B. bei Dan Brown oder Joe Katzenbach).

Insofern: Doch, auch Antagonisten eignen sich als Perspektivträger, sind meiner Ansicht nach sogar unerlässlich, wenn man ihre Motivation glaubhaft darstellen will. Sonst kommt man am Ende um den lästigen Superschurken-Monolog kaum herum. ;)

/EDIT:
ZitatÜber eine moralisch fragwürdige Perspektive (Du meint wahrscheinlich Figur) rede ich ja nicht. Moralisch fragwürdig bietet ja gerade die Möglichkeit einer Auseinandersetzung und Entwicklung. Das ist nicht so schwierig wie etwas das a. bereits feststeht und b. ganz klar negtiv ist.
Hm, die Trennung finde ich aber schwierig. Jeder Mensch hat das Potenzial zur Veränderung, auch die mit einem richtig miesen Charakter. Denen fällt es vielleicht schwerer, aber Veränderungspotenzial ist immer gegeben, auch wenn die Figur zu Beginn ein totales Arschloch ist. Gut, ich schließe hier die Ober-Schurken á la Sauron mal aus, die eignen sich schon deshalb nicht als POV, weil sie eigentlich keine Charaktere in dem Sinne sind, sondern antagonistische Kräfte. Aber solche Gegenspieler sind ja auch eher selten geworden.

Christopher

Zitat von: Tejoka am 07. Juni 2017, 12:13:43
Eine Faustregel, die ich mir daraus abgeleitet habe: Mein Prota muss sympathisch und/oder faszinierend sein - je weniger vom einen, desto mehr vom anderen. ;)

Dem würde ich absolut zustimmen. Ich muss mich nicht mit dem Prota identifizieren, damit eine Geschichte gut ist.
Mit Kvothe (winkewinke @Lothen ;D ) hab ich mich auch nicht identifiziert, trotzdem ist die Geschichte interessant und gehört damit zu meinen Favoriten. Ich hab mich auch nicht mit Inquisitor Glokta aus Abercrombies Klingenreihe identifiziert (ich bin kein verkrüppelter, verbitterter Folterknecht), aber auch der gehört zu meinen absoluten Lieblingen.

Was die Disukssion angeht:
Es fühlt sich für mich an, als ob ihr ein wenig aneinander vorbei redet, wobei sich zwei Themen teilweise überschneiden. Einmal der Antagonist als POV und ein antagonistischer/böser/charakterschwacher/moralisch fragwürdiger Charakter als Prota.

Zu ersterem:
Ich denke, der Antagonist kann sehr wohl und gut als POV funktionieren. Es bietet interessante Möglichkeiten der Erzählung, die eben auch einen Leser fesseln können. Spielt der Prota überhaupt eine wirkliche Rolle in seinen Gedanken und Plänen? Ist er wirklich das wichtigste, oder erwächst er erst im Verlauf der Geschichte zu einem Problem? Oder man zeigt seine Pläne, das Unheil das sich über dem Prota zusammenbraut und man selbst findet keinen Ausweg, beobachtet dann aber den Prota, wie er eben diese Widrigkeiten überwindet...
Da gibts viele Möglichkeiten, die die Geschichte besser machen können.
Hat man einen flachen, eindimensionalen, langweiligen Schurken, der bloß als Kraft im Hintergrund funktioniert, ist das natürlich nicht so erfolgversprechend.

Zum charakterschwachen/antagonistischen/... Prota:
Das kann erstaunlich gut funktionieren. In meinem Herzensprojekt baue ich gewissermaßen einen Charakter als Bösewicht auf. Stück für Stück. Vom kleinen Befehlsempfänger zur treibenden Kraft. Sie tut dabei einige Dinge, die definitiv nicht in Ordnung sind (nachts in Häuser einbrechen und wildfremden Menschen im Schlaf die Kehle durchschneiden ist ganz sicher nicht in Ordnung), als ich aber mal meine Betas gefragt habe, wie sie diesen Charakter wahrnehmen, war ihre Wahrnehmung weit von dem entfernt was ich erwartet hatte. Anstatt sie recht negativ wahrzunehmen, und rein mit Interesse zu verfolgen, wurde sie positiv aufgenommen. Ihre Aktionen, so grausam und bösartig sie auch im Grunde sind, wurden verstanden und als logische Konsequenz ihres Werdegangs akzeptiert.
Vermutlich liegt es daran, dass ich sie sehr lange dahin aufgebaut habe (wir reden von mehreren hunderttausend Wörtern), aber was ich damit sagen will ist: Auch das kann funktionieren.


PS:
Weitere Beispiele für Lothens Liste:
Raistlin Majere, von Margaret Weis und Tracy Hickman aus diversen Büchern. Definitiv ein Charakter auf der dunklen Seite, funktioniert aber gut.
Darth Maul, aus diversen Star Wars Büchern. Gehört im wörtlichen Sinne zur "dunklen Seite", kriegt aber auch Perspektiven und sogar Hauptperspektiven und wird von Lesern gut aufgenommen
Be brave, dont tryhard.

Trippelschritt

Ja, wir reden aneinander vorbei. Ein antagonistischer Prota ist ein Widerspruch in sich und wäre ein schwarzer Schimmel.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Dämmerungshexe

POV kann der Antagonist aber trotzdem sein. Und man kann sich auch mit ihm identifizieren, wenn die Figur entsprechend geschrieben ist. Und ein Protagonist kann amoralisch handeln oder ein Antiheld sein und immer noch sympathisch.

Ja, du hast durchaus Recht, Trippelschritt - ein antagonistischer Prota ist ein schwarzer Schimmel. Aber es gibt eben nicht nur schwarze Pferde und weiße, es gibt rote und braune und cremefarbene und gescheckte (und wer Asterix gelesen hat, weiß, dass man Pferde auch anmalen kann, um sie besser verkaufen zu können) ... Schwarz-Weiß-Malerei ist glaube ich eines der wenigen Prinzipien, die heutige Leser in den meisten Fällen tatsächlich ablehnen, weil sie komplett unrealistisch ist.

Eine genaue und klare Einteilung in Protagonisten und Antagonisten ist eigentlich nur dort möglich, wo es nur einen POV gibt, der die Blickrichtung vorgibt.

Würde tatsächlich ein amoralischer oder zumindest moralisch zweifelhaft ahndelnder Protagonist nicht funktionieren, gäbe es mindestens die Hälfte des Genres Dark-Fantasy nicht.
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Yamuri

Ich kram diesen Thread mal aus den Tiefen des Workshops hervor, weil ich beim Überarbeiten darauf gestoßen bin. Wenn ihr nach Perspektivenfehlern sucht oder bewusst Perspektivenwechsel setzen wollt, worauf achtet ihr da? Also woran erkenne ich, dass an einer bestimmten Stelle ein Perspektivwechsel passiert ist? Gibt es Tricks um den personalen und den auktorialen Erzähler eindeutig zu identifizieren? Der auktoriale Erzähler weiß ja alles, damit weiß er auch was die Charas fühlen, denken, das was sie sehen und was sie nicht sehen. Wenn sich im Text nun das was der auktoriale Erzähler weiß und der Chara auch weiß überschneiden, wie findet man raus, ob man in der Szene auktorial geblieben ist oder doch personal geschrieben hat und umgekehrt? Es gibt ja Stellen die eindeutig sind, aber gerade in dem Fall, in welchem sich das Wissen überschneidet also ident ist frage ich mich, wie ich beim Überarbeiten identifizieren kann welcher der beiden Erzähler es ist.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Coppelia

#464
Ach, wie cool! Genau über das Thema habe ich meine Diss geschrieben. :D Dazu könnte ich natürlich umfangreich antworten, aber ich versuche es mal ganz kurz und auch etwas unvollständig. Vielleicht möchtest du auch ein Beispiel im Workshop zeigen? Dann könnte ich vielleicht mal wieder meine Analyse-Werkzeuge wetzen.

ZitatGibt es Tricks um den personalen und den auktorialen Erzähler eindeutig zu identifizieren?

Ich nutze die Begriffe so: auktorial: Der Erzähler hat Perspektive. Personal: Eine Figur hat Perspektive. Ich habe andere Begriffe genutzt, aber es ist ja klar, was gemeint ist, oder?
Nach der Theorie, nach der ich gearbeitet habe, hat der Erzähler grundsätzlich immer Perspektive, also auch dann, wenn er einer Figur Perspektive "gibt". Es gibt aber Hinweise darauf, ob speziell eine Figur Perspektive hat:
- Wörter des Sehens, Denkens, Bemerkens u. ä. "Jasmina vermutete, dass ihr Bruder sie schon die ganze Zeit belogen hatte." Wenn der Text nicht durchgängig personal erzählt ist, können das Stellen sein, wo die Perspektive vom Erzähler zur Figur wechselt.
- Elemente im Text, die die Einschätzung, Meinung, Wertmaßstäbe einer Figur wiedergeben. Ein berühmtes Beispiel aus der Ilias ist z. B. die Szene, wo Priamos Achills Hände küsst, "die grausamen, die ihm schon viele Söhne getötet hatten". Das könnte auch eine Bewertung des Erzählers sein, gibt aber vermutlich Priamos' Wahrnehmung und Urteil wieder.
- Innerer Monolog, Wiedergabe von Gedanken generell (auch wenn sie nur kurz sein mag)
- Eins meiner Lieblingskennzeichen: "Figurentext". Der Text enthält Elemente, die aus dem Vokabular der Figur stammen. "Bald würden die Mattisräuber heimkommen, und dann, potz Pestilenz, würde auch der letzte kleine Hosenschisser von einem Borkaräuber schneller aus der Mattisburg verschwinden, als er reingekommen war!"

Hinweise darauf, dass der Erzähler Perspektive hat, sind in moderner Literatur eher selten:
- Elemente im Text, die Einschätzung, Meinung, Wertmaßstäbe des Erzählers wiedergeben (Ja, es gibt Erzähler, die z. B. das Verhalten ihrer Figuren bewerten!)
- Apostrophe (Leser, Figur im Text oder was auch immer werden angesprochen)
- Vorausdeutungen auf Geschehen, das noch folgen wird und das die Figur daher nicht kennen kann
- Möglicherweise Exkurse

Die Wertmaßstäbe als Kennzeichen von Perspektive sind knifflig. Man muss die Werte der Figuren und des Erzählers kennen, damit man entscheiden kann, ob eine Bewertung einer Figur oder dem Erzähler "gehört". Bei Erzählern, die nicht viel in Erscheinung treten, ist eine solche Einschätzung aber kaum machbar. Wenn eine Figur aber Werte vertritt oder Beurteilungen vornimmt, die ungewöhnlich sind (etwa ein Antagonist, der einen Massenmord als völlig normal betrachtet), ist das ein Hinweis darauf, dass sie gerade Perspektive hat.
Hilft dir das weiter?